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Wem sonst als Dir
© Piper Verlag GmbH, München 2019
Covergestaltung: Cornelia Niere
Covermotiv und Innenillustration: Torben Kuhlmann
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Aus einer großen Gesellschaft heraus
ging einst ein stiller Gelehrter zu Haus.
Man fragte: Wie seid Ihr zufrieden gewesen?
»Wären’s Bücher«, sagt’ er, »ich würd’ sie nicht lesen.«
Oft werde ich gefragt, was man lesen soll. Nie, warum man lesen soll. Da war es eine erfrischende Abwechslung, als ich am Rande seiner Talkshow Stefan Raab kennenlernte. Stefan Raab liest nach eigenem Bekunden jede Menge, und ich glaube es ihm sogar. Aber Stefan Raab liest keine Belletristik, sondern ausschließlich Sachbücher. Diese Lektürevorliebe teilt Raab mit der Mehrheit der Männer in Deutschland. Warum, setzte mir Raab die Pistole auf die Brust, solle er sich denn auch mit Literatur aufhalten? Nie habe er begriffen, weshalb er sich für erfundene Probleme erfundener Figuren interessieren müsse – was gingen ihn Hänsel und Gretel, Lolita oder Oskar Matzerath an?
Diese Fragen sind wie Stefan Raab selbst: gar nicht so dumm. Sie stürzen mich durchaus in Erklärungsnot. Warum fasziniert mich das Herzeleid Othellos? Was elektrisiert mich am Gelangweiltsein Emma Bovarys in ihrer Ehe? Wie kommt es, dass die Plaudereien des alten Stechlin so viel mehr sind als bloße Plaudereien? Warum ist mir die Niedertracht Richard III. oder der rastlose Geiz Dagobert Ducks durchaus nicht gleichgültig? Auf der reinen Inhaltsebene lässt sich das nicht beantworten. Im Gespräch über Bücher reden wir allzu häufig über Inhalte – eben was Hänsel und Gretel im Wald erleben, wie das mit der bösen Hexe ausging und wer mit wem wann und wieso durch die Betten tobte. Auch in unserem Rezensionsfeuilleton wimmelt es leider von Handlungsreisenden der Literatur.
Die Antwort auf Stefan Raabs Frage ist so offensichtlich, liegt so sehr auf der Hand, dass man sie schon wieder leicht übersieht. Im Spiel der Kunst, nicht zuletzt im Gedankenspiel der Literatur entwickeln wir jene Systeme der Wahrnehmung, unserer moralischen Werte und ethischen Orientierung, die es uns erlauben, uns in dieser Welt zurechtzufinden. Nur lesend verstehen wir die Welt – und fühlen uns gelegentlich sogar von der Welt verstanden.
Lesen heißt genau wie Singen oder Tanzen unsere Todesangst bannen. Wir fahren buchstäblich aus unserer Haut, um zu erfahren, was in den Köpfen derjenigen vorging, die nicht mehr da sind, weil sie auf dem Friedhof liegen. Wir lesen, weil wir so tausend Leben führen können, ohne mehr als einen Tod sterben zu müssen. Wir lesen, weil wir um die Wirkkraft des Zauberworts »Mutabor« wissen aus Wilhelm Hauffs Kalif Storch: Wer ein Buch aufschlägt, wird verwandelt. Ohne Schrift keine Geschichtsschreibung. Literatur lesen stärkt unsere Empathie und erschüttert unsere lieb gewordenen Glaubensgewissheiten. Literatur lesen bringt buchstäblich auf andere Gedanken. Literatur lesen schärft unseren Blick für die Nacktheit der Kaiser in neuen Kleidern. Literatur schützt vor Narzissmus, indem sie den Blick von uns selbst weg und hinaus in die Welt lenkt. Literatur war für mich immer so etwas wie eine in einen Kuchen eingebackene Feile. Ein Fluchtmittel. Um dem zu entkommen, was den Alltag zum öden Gefängnis macht. Dem ständigen Kreisen um den eigenen Nabel. Den blöden Parolen des Zeitgeists. Genau deshalb ist Lesen, ist Literatur totalitären Machthabern immer ein Dorn im Auge und steht bis heute unter politischem Verdacht. Lesen ist immer eskapistisch. Das finden viele, aber keineswegs alle gut. Die Einzigen, die etwas gegen Eskapismus haben, sagte der Autor des Herrn der Ringe J. R. R. Tolkien deshalb, sind Gefängniswärter.
Ob man mit Robert Louis Stevenson die Südsee durchsegelt oder mit Tania Blixen Afrika entdeckt – ein großer Text lässt einen buchstäblich das eigene Selbst abstreifen und das Abenteuer erleben, in die Schuhe eines anderen zu schlüpfen. Literatur ist die beste Konfrontationstherapie der Welt. Das Gegenteil eines safe space. Literatur lügt – und gerade deshalb ist sie so ehrlich. In der Literatur werde ich dem Fremden, dem Dreck und dem Widerspruch ausgesetzt. Im Idealfall zerschmettert Literatur die mühsam errichtete Schneekugel unserer Vorurteile und Ressentiments. Literatur schenkt uns ein Bewusstsein der Zeit und schafft einen eigenen Raum, in dem wir unsere Persönlichkeit fokussieren, unser Ich stabilisieren, unser Leben entschleunigen können. Literatur offenbart meine Charakterschwächen. Sie verleiht Einsicht in unsere Einsamkeit – und in die Unabwendbarkeit dieser Einsamkeit –, und leistet einem paradoxerweise in dieser Einsamkeit Gesellschaft. Ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Genau das kann geschehen, wenn man ein Buch aufschlägt. Darin liegt die große Freiheit der Literatur. Und darum lese ich.
Literatur hat mir das Leben gerettet. Oft. Literatur hat mich beschützt und bewahrt, aber auch ausgesetzt und aus der Passivität ins Leben gestoßen. Literatur hat mich alles überstehen lassen, was verkorkst war in meiner Kindheit, meinem Elternhaus, meiner Schulzeit: Ablehnung, Einsamkeit und Liebeskummer, die beruflichen und privaten Enttäuschungen, die Knoten um Knoten den Teppich unser aller Leben knüpfen. Scheitern ist eine existenzielle Lebenserfahrung. Wie man mit Enttäuschungen, Niederlagen und Zurückweisungen klarkommt, ja die Erkenntnis, dass Zurückweisungen und Niederlagen nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall im Leben sind, kann man lesend lernen. Literatur übt aufs Scheitern ein. Ich komme ursprünglich vom literarischen Übersetzen her und weiß daher, dass der kürzeste unübersetzbare Witz im Deutschen lautet: »Prätentiös? Moi?« Literatur liegt mir am Herzen. Deshalb mache ich gern Witze über sie – wie über alles, was mir wichtig ist.
Jeder Kanon stellt eine einfache Frage, im Grunde eine Kinderfrage: Was lohnt zu lesen? Was soll man, was muss man als literarisches Existenzminimum angesichts grob geschätzt dreieinhalbtausend Jahren schreibender Menschheit unbedingt zur Kenntnis nehmen – und was lieber ignorieren? Was ist zu Recht vergessen, verstaubt und vermodert? Was erreicht uns heute überhaupt noch aus der Flut der Überlieferung? Und das heißt natürlich: Welche Texte helfen einem dabei, ein gutes, also ein schönes, gerechtes, erfülltes und glückliches Leben zu führen? Auf solche Kinderfragen müssten Menschen, die ihr Leben lang mit Büchern Umgang hatten, eigentlich eine prompte Antwort parat haben. Tatsächlich aber hört man auf die Kanonfrage in unserer Gegenwart eher verlegenes Stottern, Hüsteln und Räuspern. Und das hat Gründe.
Lesen ist mir seit meiner Kindheit zwar zur zweiten Natur geworden – aber Lesen ist eben nichts Natürliches. Die amerikanische Neurowissenschaftlerin Maryanne Wolf erinnerte 2011 in Das lesende Gehirn daran, dass wir nicht als Leserinnen und Leser zur Welt kommen. Lesen ist genau wie Feuermachen oder das Rad eine Erfindung. Sogar noch eine ziemlich neue Erfindung, wenige Tausend Jahre alt, deren Wechselwirkung auf unser Gehirn noch nicht mal ansatzweise erforscht ist. »Lesen kann man nur lernen, weil das Gehirn so formbar ist, und beim Lesen wird das Gehirn des betreffenden Individuums unwiderruflich – physiologisch wie auch intellektuell – verändert«, so Wolf. »Von den ersten stockenden Versuchen eines Kindes an, Buchstaben zu entziffern, ist die Leseerfahrung weniger ein Ziel in sich, sondern unser bester Weg zu einem gewandelten Geist sowie – im wörtlichen und übertragenen Sinne – zu einem anderen Gehirn.« So verstanden ist die Entscheidung, ob wir lesen und was wir lesen, von eminenter Bedeutung für unsere Entwicklung als Menschen.
Jeder Kanon ist zudem politisch. Mehr noch: Die In-and-out-Frage ist die politische Frage schlechthin: Whose side are you on? Ein Kanon beantwortet genau jene Frage, die der schreckliche Song der DDR-Jugendorganisation FDJ 1967 formulierte: Sag mir, wo Du stehst? In mir hat dieses Lied immer Übelkeit ausgelöst. Die Antwort auf solche Fragen selbst ernannter Gewissenspolizisten zu verweigern, gehört seit Jahrtausenden zur Überlebensstrategie vernünftiger Menschen. Das literarische Gegenprogramm zu Sag mir, wo Du stehst? formuliert ebenso schön wie poetisch das Volkslied Die Gedanken sind frei. Ein Kanon schränkt diese schöne Freiheit ein. Die eleganteste Widerrede gegen die politische Indienstnahme des Kanons stammt von dem erzkonservativen, aber immer amüsanten US-amerikanischen Literaturwissenschaftler Harold Bloom, der in seinem Buch The Western Canon von 1994 einen Kanon aus 26 Autoren aufstellte und zu dem Fazit gelangte, ein Kanon sei weder ein Instrument zur Verbesserung der Welt noch ein Programm für eine Gesellschaftsreform: »Die größte Ungerechtigkeit eines historischen Unrechts besteht darin«, so Bloom, »daß es in seinen Opfern nicht zwangsläufig mehr hinterläßt als das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein.« Ins selbe Horn stieß der Schweizer Literaturwissenschaftler Peter von Matt, als er 1997 in einer Umfrage zum Kanon der Wochenzeitung Die Zeit formulierte: »Der Kanon ist ein Faktum, das nicht abhängig ist von denen, die ihn anerkennen. Auch die Komplexitätsdifferenz zwischen Berlin und Hinterzarten existiert nicht nur unter der Bedingung, daß der Bürgermeister von Hinterzarten ihr zustimmt. Bestritten wurde der Kanon stets von literarisch unbelesenen Theoriemolchen. Diese sind nicht mehr überall an der Macht, aber die Eier, die sie gelegt haben, stinken immer noch. Mindestens zwei Generationen junger Leute wurden von ihnen betrogen.« Hinter diese Erkenntnis sollten wir nicht zurückfallen: Der Kanon existiert, ob es uns passt oder nicht.
Die Kanondiskussion wird gern mit einem Klagelied über den Verfall der Lesekultur verbunden. Ohnehin neigt keine Branche in Deutschland so stark zu Weltuntergangsfantasien wie der deutsche Literaturbetrieb. Der Himmel droht uns auf den Kopf zu fallen, wenn nicht heute, so doch ganz gewiss morgen oder allerspätestens übermorgen. Die Gründe dafür wechseln so häufig wie das Wetter. Mal ist es die den schönen Beruf des Verlegers erschwerende ärgerliche Entlohnung der Urheber, mal die Einführung des Taschenbuchs oder die des Privatfernsehens. Ein Grund für die Prophezeiung einer literarischen Weltendämmerung findet sich eigentlich immer: Ragnarök steht vor der Tür, weil das E-Book erfunden wurde oder weil die reduzierte Mehrwertbesteuerung auf Bücher wackelt – ein Privileg, das das Kulturgut Buch übrigens mit Schnittblumen und Mauleseln teilt, nicht aber mit Eseln und Zebras.
Der Anlass für ihre Erwartung einer nahenden Apokalypse ist den Buchmenschen dabei ziemlich gleich. Eher lobt ein deutscher Bauer die bevorstehende Ernte, als dass man Verlegerinnen, Kritikerinnnen, Schriftsteller, Übersetzer oder Lektorinnen dazu bringt, ein positives Wort über die Entwicklung des Buchmarkts hierzulande zu verlieren. Da mag die deutschsprachige Gegenwartsliteratur eine Blütezeit nach der anderen erleben, da mögen Patrick Süskind, Elfriede Jelinek, Herta Müller, Daniel Kehlmann, Juli Zeh, Christoph Ransmayr oder Saša Stanišić Welterfolge feiern, das ist den deutschen Literaturmicheln schlicht wurst. »Winter is coming!« lautet ihr ewig aktuelles Mantra, und die internationalen Gäste auf der Frankfurter Buchmesse spotten über diese deutsche Literaturneurose, ein Ableger der längst redensartlich gewordenen German angst, nur nach Mitternacht hinter vorgehaltener Hand an der Bar des Frankfurter Hofs.
Wann immer in Deutschland vom Lesen und vom »guten Buch« die Rede ist, treten klaftertiefe Sorgenfalten auf die Stirn und ein Lamentoton schleicht sich in die Stimme. Früher, heißt es dann unisono in kulturfrömmlerischem Falsett, früher war alles besser. Wann genau dieses »Früher« gewesen ist, bleibt dabei ebenso offen wie was genau früher eigentlich besser gewesen sein soll. Na früher eben, heißt es dann, früher da hing, mit Loriot gesprochen, mehr Lametta am Baum der Literatur. Früher wurden die Pausenbrote der Schulkinder offenbar in Kafka-Parabeln eingewickelt. Früher wurden in der Tagesschau um 20 Uhr anscheinend regelmäßig Hölderlin-Oden vorgelesen. Und früher sparten Oma und Opa statt auf Autos und Fernreisen auf Goethe-Gesamtausgaben oder die Große Brandenburger Ausgabe Theodor Fontanes.
Ich kann dieses Gejammer rund ums Buch nicht mehr hören, dieses kleinmütige Miserere auf dem Grundton Seufz, die bekannte große deutsche Fuge in Ach. Früher haben die Deutschen Adolf Hitlers Mein Kampf gekauft und Bücher verbrannt. Da ist mir unser literarisches Heute mit all seinen Widrigkeiten schon lieber. Zum Glück stehe ich mit dieser Haltung nicht allein. Wie dichtete der 2006 viel zu früh verstorbene Robert Gernhardt in seinem Klassiker Das Buch:
Ums Buch ist mir nicht bange.
Das Buch hält sich noch lange.
Man kann es bei sich tragen
und überall aufschlagen.
Sofort und ohne Warten
kann dann das Lesen starten.
Im Sitzen, Liegen, Knien
ganz ohne Batterien.
Beim Fliegen, Fahren, Gehen –
ein Buch bleibt niemals stehen.
Beim Essen, Kochen, Würzen
ein Buch kann nicht abstürzen.
Die meisten andren Medien
tun sich von selbst erledigen.
Kaum sind sie eingeschaltet,
heißts schon: Die sind veraltet!
Und nicht mehr kompatibel –
marsch in den Abfallkübel
Zu Bändern, Filmen, Platten,
die wir einst gerne hatten,
und die nur noch ein Dreck sind.
Weil die Geräte weg sind
und niemals wiederkehren,
gibts nichts zu sehn, zu hören.
Es sei denn, man ist klüger
und hält sich gleich an Bücher,
die noch in hundert Jahren
das sind, was sie stets waren:
Schön lesbar und beguckbar,
so stehn sie unverrückbar
In Schränken und Regalen
und die Benutzer strahlen:
Hab’n die sich gut gehalten!
Das Buch wird nicht veralten.
Wie prophetisch dieses Gernhardtsche Gedicht ist, erweist sich gerade wieder in diesen Tagen. Man muss sich nur mal den Satz auf der Zunge zergehen lassen, mit dem Microsoft das Ende seines Engagements als E-Book-Händler im Juli 2019 ankündigte: »The books will stop working.« Und nicht nur die digitalen Bücher verschwinden dank des DRM-Kopierschutzes quasi über Nacht von den Lesegeräten, auch die von ihren Nutzern gemachten Anmerkungen. Man reibt sich ungläubig die Augen, aber das Vorgehen von Microsoft ist tatsächlich völlig legal, denn bei digitalen Inhalten erwirbt der Kunde niemals das Produkt, sondern lediglich eine Lizenz zur Nutzung. So wird noch manchen E-Book-Nutzern ein herbes Erwachen drohen.
Gerade wird allerorten das gut gemachte, das herstellerisch herausragende Buch gefeiert. Die Zukunft des Buches, so höre ich oft, ist das schöne, das sorgfältig ausgestattete, das mit Überlegung gestaltete, das haptisch ansprechende, das einmalige Buch. Daran will ich mit Freuden glauben, schon wegen der hübschen Ironie, dass das Buch ausgerechnet im Augenblick seines allerorten prophezeiten digitalen Verschwindens als Informationsträger, der eine jahrtausendelange Evolution durchlaufen hat, eine neue Wertschätzung erfährt. Die Zukunft des Buches ist schön, darauf kann man sich gern einigen.
Aber sehen wir auch unserer weniger schönen gesellschaftlichen Wirklichkeit gelassen ins Auge. Gut ein Drittel der deutschen Bevölkerung, so die 2018 vorgestellte Studie Buchkäufer – quo vadis?, beantwortet die Frage nach dem Lesen inzwischen mit einem klaren und entschiedenen Nein. Rund 35 Millionen hierzulande lesen gar nicht oder schlagen seltener als einmal im Monat ein Buch auf. Alarmierend ist, dass die Zahl der radikalen Nichtleser in den letzten fünf Jahren um gut zehn Prozent auf über 16 Millionen gestiegen ist, während im selben Zeitraum das Häuflein der mehrmals in der Woche zu einem Buch Greifenden um fast zwei Millionen auf rund 12,5 Millionen zusammenschmolz. Noch schlimmer sehen die Zahlen bei den lesenden Männern aus.
Wir Leserinnen und Leser werden weniger. Allein in den letzten sieben Jahren wandten sich nach einer Statistik der Gesellschaft für Konsumforschung knapp sieben Millionen Deutsche vom Buch ab und verbrachten ihre Zeit stattdessen lieber im Internet mit Computerspielen, sozialen Netzwerken oder Videostreaming-Angeboten. Als Gründe dafür werden Zeitknappheit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und die schwächer werdende gesellschaftliche Relevanz des Bücherlesens genannt. Das ist in der Tat eine Melancholie auslösende Diagnose. Mich vermögen darüber weder die Erfolgsmeldungen des Börsenvereins des deutschen Buchhandels zu trösten, wonach hierzulande Jahr um Jahr sogenannte Intensivleser immer mehr Bücher erwerben und vielleicht auch lesen werden, noch die Einsicht, dass Lesen schon in der Antike ein recht elitäres Vergnügen war und dies bis heute geblieben ist. Seit Johannes Gensfleisch genannt Gutenberg in Mainz vor gut fünf Jahrhunderten den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand, ist die Zahl der Lesenden in Deutschland kontinuierlich gewachsen. Nun in einer Gesellschaft mit schrumpfender Leserschaft zu leben, ist mir peinlich, ja offen gestanden reagiere ich auf diesen statistischen Befund mit Ekel und Widerwillen. Es geht mir damit nicht viel anders, als müsste ich zur Kenntnis nehmen, dass größere Teile meiner Mitmenschen von einem Tag auf den anderen beschlossen hätten, sich nicht mehr zu waschen.
Ich bin ungern unter Menschen, die nicht lesen. Genauso ungern wie unter Menschen, die sich nicht waschen. Aber sei es, weil man sich dumpf daran erinnert, dass unsere Kultur von Buchreligionen geprägt ist, sei es, weil man noch weiß, wie scharf die Waffe Buch einst im Kampf um bürgerliche Emanzipation in der Feudalgesellschaft war: Lesen gilt auch im Deutschland der Gegenwart zwar nicht als cool, immerhin aber als wünschenswert. Die meisten Eltern sehen ihre Kinder lieber über ein Buch gebeugt als über ein Smartphone. Aber, so die Nostalgiker des angeblich literaturaffineren Gestern, fressen diese Smartphones, die neuen Medien, die sozialen Netzwerke, die Streamingdienste usw. nicht jene Zeit, die früher dem Lesen vorbehalten war? Wer hat heute denn noch die Ruhe und Aufmerksamkeit, sich aufs Lesen eines Buchs zu konzentrieren?
Jeder, der will. »I am the master of my fate / I am the captain of my soul«, dichtete vor rund 150 Jahren William Ernest Henley. Die Verblödungsangebote sehen in jeder Generation anders aus, zahlreich waren sie aber immer, ob Instagram und Germany’s Next Top Model, CB-Funk und Panini-Bildchen oder Tierhatz und Gladiatorenspiele. Die schärfste Konkurrenz für Shakespeares Londoner Globe-Theatre waren Bordelle und Arenen, in denen man Hunde auf Bären losließ. Doch wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch: Game of Thrones, die erfolgreichste Fernsehserie unserer Zeit, basiert auf fünf tausendseitigen Fantasyromanen von George R. R. Martin, der seinen Romanzyklus auf sieben Bände konzipiert hat. Allerdings verlor das Fernsehen die Geduld mit dem saumseligen Autor Martin, der einfach länger zum Schreiben seiner Schmöker braucht als die kurzatmigen Produktionszyklen einer erfolgreichen Fernsehserie zu erlauben scheinen. Kurzerhand setzte man andere Drehbuchautoren ans Ende der Serie. Und jeder, der die durch öde Dialoge, absurde Charakterentwicklungen und einfallslose Handlungsbögen enttäuschende Schlussstaffel von Game of Thrones gesehen hat, konnte sich davon überzeugen, was passiert, wenn man aus Gier und Nicht-abwarten-Können die Kuh schlachtet, die man melken möchte. Ein schönerer Beweis für die zumindest vorläufige Unabdingbarkeit des Originalschöpfers als dieses buchstäblich seelenlose Ende von Game of Thrones war lange nicht mehr zu erleben. Was mit diesen Romanen im Fernsehen geschah, ist ein Lehrstück über unsere Gegenwart. Kann man sich ein treffenderes Schlaglicht auf unsere Kultur des infantilen Konsumismus denken, die auf die sofortige Befriedigung ihrer Bedürfnisse beharrt?
Aber bleiben wir beim Positiven. Im Kino haben die epischen Herr der Ringe- und Hobbit-Verfilmungen Peter Jacksons Millionen neue Leser J. R. R. Tolkiens Mittelerde entdecken lassen. Und J. K. Rowling hat mit ihren Harry-Potter-Romanen um die Jahrtausendwende ein nicht mehr für möglich gehaltenes Lesefieber auf diesem Planeten ausgelöst. Freuen wir uns also an unserer literarisch reichen Gegenwart. Und sorgen wir durch unser Verhalten dafür, dass die Literatur weiterhin im Zentrum unserer Kultur steht. Keine Stimme für Nichtleser wäre da schon ein guter erster politischer Schritt. Kein Sex für Nichtleser noch effektiver.
Apropos. Die Weltbevölkerung hat sich seit meiner Geburt 1964 von 3,5 Milliarden auf über sieben Milliarden Menschen mehr als verdoppelt. So desaströs diese verflixte Vermehrung des Menschen für Natur und Klima ist, ganz sicher hat sich global gesehen die absolute Zahl der Literaturlesenden dadurch erhöht.
Warum lasse ich mich auf das frivole Unternehmen ein, einen neuen Kanon der Weltliteratur vorzuschlagen? So vieles spricht dagegen! Schon die zwangsläufige Beschränktheit der eigenen Lektüreerfahrung müsste mir die Lippen versiegeln: Mehr als ein paar läppische tausend Bände zu lesen schafft niemand in der uns gegebenen Lebenszeit. Auch in meinem Elternhaus hingen keine Gainsboroughs … Immerhin sind wir am Beginn des 21. Jahrhunderts in der Lage, die Bedingtheit einer eurozentristischen Perspektive zu reflektieren und Faktoren wie Geschlecht, Herkunft, Alter und Sozialisation mitzubedenken. Wenn die Beschäftigung mit der Tradition des Kanons eine Erkenntnis stiftet, dann die um die Vergeblichkeit der ganzen Unternehmung. Aber seit Sisyphos und Samuel Beckett wissen wir: »Alles seit je. / Nie was anderes. / Immer versucht. / Immer gescheitert. / Einerlei. / Wieder versuchen. / Wieder scheitern. / Besser scheitern.«
Es ist Zeit für einen neuen Kanon, weil sich die Lebensbedingungen in den letzten zwanzig Jahren grundlegend verändert haben. Heute leben wir vernetzt. Auch wenn die aktuelle politische Erfahrung in Europa dagegenspricht: Grenzen spielen in unserem Leben und in unserer Literatur zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine immer geringere Rolle. Auch die im 19. Jahrhundert noch ewig und unverrückbar erscheinenden Grenzen zwischen den Geschlechtern lösen sich immer mehr auf. Erkenntnis entsteht dort, wo Grenzen gesprengt werden. Ich möchte deshalb einen »wilden« Kanon vorschlagen, einen Kanon, der weder Sprach- noch Genregrenzen respektiert und sich nicht um Gattungen oder Epochen schert. Einen Kanon, der nicht auf Literatur in deutscher Sprache begrenzt ist und auf die absurden Nationalphilologien des 19. Jahrhunderts schlicht pfeift. Die Ausweitung des Kanons bedeutet nicht die Abschaffung des Kanons.
Aber ist ein Kanon denn überhaupt noch zeitgemäß, wurde ich oft gefragt, als ich im Wintersemester 2018/19 an der Universität Bern ein Seminar über die Geschichte des Kanons unterrichten durfte. Hier zitiere ich gern den Verleger Klaus Wagenbach, der darauf schon vor über zwanzig Jahren die nach wie vor gültige Antwort gab: »Die Idee, einem Bürgertum, das inzwischen so ungebildet ist, wie nicht einmal polizeilich vorgesehen, einen literarischen Kanon nachzuwerfen, der ihm ohnehin piepe bleibt, ist so absurd, daß ich mich gern darauf einlasse.« Nur ist inzwischen selbst die Idee eines Bürgertums mehr und mehr absurd geworden. Tatsächlich herrscht Krieg zwischen der Idee eines Kanons und der Kategorie des »Zeitgemäßen«, einfach weil es zum Wesen eines Kanons gehört, eine gewisse Überzeitlichkeit für sich in Anspruch zu nehmen. Ein Kanon will ja gerade das versammeln, was dem Zahn der Zeit enthoben ist und von bloßen Moden und Trends unberührt bleibt. Deshalb ist die Beschäftigung mit einem literarischen Kanon auch die allerbeste Versicherung gegen ein Denken, das immer nur ängstlich auf die eigene Mitwelt starrt und einen letztlich zum Sklaven der eigenen Gegenwart macht. Gerade dieses Schielen auf den jeweiligen Zeitgeist macht ja zum Beispiel einen Großteil der »problemorientierten« Jugendliteratur so unaussprechlich öde.
Natürlich ist jeder Anspruch als einzelner Literaturkritiker einen Kanon zu formulieren schierer Größenwahn. Aber Größenwahn kann ja mitunter auch ganz lustig sein – nicht umsonst habe ich Astrid Lindgrens größenwahnsinnigen Herrn Karlsson vom Dach an den Anfang des Unternehmens gestellt. Selbstverständlich ist auch mir klar, dass ein Kanon niemals das Werk eines Einzelnen ist, sondern dass die wahren kanonisierenden Instanzen die Zeit und die Gesellschaften sind, in denen wir leben. Dennoch ist das Kanon-Spiel, also die lustvolle Debatte darum, welche Werke nun zu unserem unveräußerlichen kulturellen Erbe gehören und welche eben nicht, doch immer sehr anregend und amüsant. Es geht dabei nicht um in autoritär diktatorischem Gestus dekretierte Pflichtlektüren, sondern um Neugier und Leselust auslösende Vorschläge. Außerdem gibt es kaum einen besseren Indikator für den Fortschritt im Nachdenken über Literatur als zu betrachten, was verschiedenen Zeiten kanonisch erschien. Man denke an die 1978 begonnene Serie in der Wochenzeitung Die Zeit, die ebenfalls eine Bibliothek der hundert Bücher versammelte – und unter den hundert Autoren sage und schreibe eine einzige Frau aufwies. Auch um noch wie Marcel Reich-Ranicki selig einen rein deutschsprachigen Kanon vorzuschlagen, müsste man sich heute sehr dumm stellen. Meine Wurzeln liegen im literarischen Übersetzen und der Komparatistik. Globalisierung lässt sich in der Literatur am besten erleben, denken wir nur an den regen Motivaustausch in der Dichtung der Antike oder des Mittelalters. Und in der Wirklichkeit unserer privaten Bibliotheken steht doch längst auch Silvia Bovenschen neben Jorge Luis Borges, Dickens neben Dostojewski, Eco neben Enquist, David Foster Wallace neben Martin Walser.
Es gibt in meinen Augen nur einen echten Goldstandard in der Literatur: Zur Weltliteratur zählt für mich ein Werk dann, wenn es meinen Blick auf die Welt nachhaltig verändert. Wer Sappho oder Ovid, Beckett oder Kafka gelesen hat, sieht sich und seine Umgebung mit anderen Augen als vor der Lektüre. Darin liegt für mich ohnehin das Geheimnis wirklich großer Literatur: dass sie unsere Weltanschauung verändert; man nimmt nach der Lektüre bestimmter Autorinnen und Autoren schlicht mehr und anders wahr als zuvor. Für meine Weltwahrnehmung sind Donald Duck, Gustav Gans und der Maharadscha von Zasterabad genauso konstitutiv wie Shylock, Othello und Desdemona. Der Trash vergangener Tage ist nicht selten der Ort, wo man die Klassiker von heute entdeckt. Es ist ja erst ein paar Jahrhunderte her, da galt selbst noch die Romanform als trivial und anstößig. Manche Orchideen gedeihen eben nur auf besonderem Humus, um nicht von Misthaufen zu sprechen.
Wenn das Rezensieren schlechter Bücher schlecht für den Charakter ist, wie W. H. Auden meinte, habe ich während der letzten zwei Jahre der Arbeit an diesem Buch einen langen Urlaub genossen.
Jedes der hundert hier besprochenen Werke musste sich die Frage gefallen lassen, worin bitte schön seine Größe nach ästhetischen Kriterien besteht, aber auch die Frage nach dem, wofür es steht – musste also gleichermaßen befriedigende Antwort geben auf das Kriterium der Repräsentativität wie der Relevanz. Doch ein Kanon ohne Jonathan Swift, Molière, Heinrich Heine, Herman Melville, Kurt Tucholsky, Italo Svevo, Primo Levi, Thomas Bernhard und Max Frisch? Auch beim Kanon-Spiel gilt die Regel »Kill your darlings«, die Thomas Pynchon angehenden Autoren für ihr Schreiben mit auf den Weg gab. Und wie sieht’s mit der Männer- und Frauenquote in meinem Kanon aus? Hans Magnus Enzensbergers schlagfertige Antwort auf die Frage nach der Geschlechterparität in den Künsten ist auch die meine: »Beschweren Sie sich beim Patriarchat!« Ich war nicht bereit, Rabatt aufgrund Geschlechtszugehörigkeit oder Nationalität zu gewähren. Aber wenn ich Platz für Frauen und für Autoren aus Afrika, Südamerika, Asien und Australien in einem zeitgenössischen Kanon schaffen will, müssen europäische Männer für sie weichen – die berühmten DWEM: Dead White European Males. Die genannten neun Autoren standen wieder und wieder auf meinem Zettel für »das nächste« Kanonkapitel. Doch jedes Mal wurden sie zugunsten von Autoren wie Inger Christensen, Clarice Lispector oder Derek Walcott, die ich in diesem Moment spannender und origineller fand, zurückgestellt und zu meinem eigenen Schrecken am Ende verdrängt. Und nicht nur sie. Was ist mit Samuel Johnson und Henry James? Mit Christa Wolf, Anna Seghers und Nelly Sachs oder mit Gottfried Benn, Uwe Johnson und Walter Kempowski? Und wo zum Teufel sind Christoph Martin Wieland, wo Racine und Gotthold Ephraim Lessing, wo Baudelaire und Wordsworth? Wo Ibsen und Ionesco? Und wieso lasse ich Charles Darwin zum Zug kommen und nicht Sigmund Freud? Das Kanon-Spiel kann sehr grausam sein. Mitunter erinnert es mich an eine andere Kinderfrage als die, die jeder Kanon stellt – die beliebte Frage, mit denen sich bedrückte Kinder beim Einschlafen vermutlich seit Jahrtausenden beschäftigen: Wenn dein Haus plötzlich in Flammen stünde, wen würdest du retten: Oma, Mama, Papa, deine Schwester oder deinen Hund?
* * *
Kann ein Kinderbuch zum Kanon der Weltliteratur zählen? Aber ganz unbedingt! Jedenfalls wenn es aus der Feder Astrid Lindgrens stammt, die vor über 110 Jahren auf einem Bauernhof in Südschweden geboren wurde und für viele die Literaturnobelpreisträgerin der Herzen ist – und sei es nur aus dem einfachen Grund, dass sie am Anfang vieler Leserbiografien steht. Ich selbst habe Lindgrens Kinderbuchklassiker mit Ausnahme von Pipi Langstrumpf erst im Erwachsenenalter durchs Vorlesen für mich entdeckt, mich sofort für die ansteckende Freiheitsliebe Lindgrens begeistert und war ehrlich verblüfft, wie todtraurig, ja regelrecht finster viele ihrer Geschichten sind – nicht nur Die Brüder Löwenherz, die ihre Leser auf der ersten Seite mit den Sätzen konfrontieren: »Jonathan wusste, dass ich bald sterben würde. Ich glaube, alle wussten es, nur ich nicht. Sogar in der Schule wussten sie es, denn ich lag ja nur zu Hause, weil ich hustete und immer krank war.« Lindgren-Leser brauchen starke Nerven.
Astrid Lindgrens Einfühlungsvermögen in die Machtlosen rührt aus der Erfahrung eigener Ohnmacht. Die aus dem Nachlass der 2002 verstorbenen Autorin veröffentlichten Tagebücher aus dem Zweiten Weltkrieg haben ein neues Licht auf die Persönlichkeitsentwicklung Lindgrens geworfen. Schon seit den 70er-Jahren war bekannt, dass sie als 18-jährige Volontärin eine Affäre mit dem Chefredakteur der Lokalzeitung in ihrem Geburtsstädtchen Vimmerby im Norden von Småland hatte und schwanger wurde. Der Konformitätsdruck der Gesellschaft Schwedens zwang sie, das Kind in Stockholm zur Welt zu bringen und ihren Sohn Lasse drei Jahre in eine Pflegefamilie zu geben, was sie ein Leben lang mit starken Schuldgefühlen belastete. Erst 1931 konnte sie ihn nach der Heirat mit dem Autojournalisten Sture Lindgren zu sich holen. In Schweden, das wie durch ein Wunder von der Tötungsmaschinerie des Zweiten Weltkriegs verschont blieb, führte sie Tagebuch, in dem sie akribisch die wechselnden Frontverläufe festhielt und von ihrer Arbeit bei der Postzensur berichtete – Lindgren konnte Deutsch und war daher für die in dieser Sprache verfasste Korrespondenz von und nach Schweden zuständig. Das Tagebuch orientiert sich am Weltgeschehen und bleibt zu ihren eigenen Problemen auf große Distanz, allerdings schrieb sie am 19. Juli 1944, als sich ihr Mann mit einer anderen Frau eingelassen hatte und die Familie verlassen wollte, wenige Wochen nach der Landung der Alliierten in der Normandie: »Blut fließt, Menschen werden zu Krüppeln, überall Elend und Verzweiflung. Und ich kümmere mich nicht darum. Nur meine eigenen Probleme interessieren mich. Sonst schreibe ich immer ein wenig darüber, was zuletzt passiert ist. Jetzt kann ich nur schreiben: Ein Erdrutsch ist über mein Leben hereingebrochen, und ich bleibe einsam und frierend zurück.«
Es sollte anders kommen. Sture Lindgren verfiel mehr und mehr dem Alkohol und soff sich 1952 zu Tode – da war Herr Karlsson schon drei Jahre auf der Welt, allerdings in einer charakterlich völlig anders angelegten literarischen Inkarnation namens Herr Lilienstengel. Diesen Herr Lilienstengel hatte sich Lindgrens Tochter Karin ausgedacht, es war ein unsichtbarer freundlicher alter Mann, der fliegen konnte und sie abends in ihrem Kinderzimmer besuchen kam. Aus dieser Grundidee eines fliegenden Fantasiefreunds schuf die dichterische Imagination Lindgrens Herrn Karlsson.
Es ist der anarchische Humor, den dieses Buch auf jeder Seite ausstrahlt und der Herr Karlsson vom Dach bis heute zu einem Meisterwerk eben nicht nur der Kinderliteratur macht, sondern der Weltliteratur: punktum! Schon am Beginn ihrer Geschichte zeigt sich Astrid Lindgren als eine mit allen Wassern der Aufmerksamkeitsökonomie gewaschene Geschichtenerzählerin, die genau weiß, wie man mit den magischen Mitteln von Wiederholung und Abweichung, Erfüllung und Enttäuschung der Lesererwartungen in Bann schlägt: »In Stockholm, in einer ganz gewöhnlichen Straße, in einem ganz gewöhnlichen Haus, wohnt eine ganz gewöhnliche Familie, und die heißt Svantesson. Dazu gehören ein ganz gewöhnlicher Papa und eine ganz gewöhnliche Mama und drei ganz gewöhnliche Kinder, Birger, Betty und Lillebror. »Ich bin überhaupt kein gewöhnlicher Lillebror«, sagt Lillebror.
Nein, gewöhnlich ist in diesem Buch gar niemand. Schon gar nicht der mit einem Propeller ausgestattete Karlsson, der nach Belieben kommt und geht, lügt, prahlt und angibt, dass sich die Balken biegen und von einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein erfüllt ist: »Ich bin ein schöner und grundgescheiter und gerade richtig dicker Mann in meinen besten Jahren. Und der beste Karlsson der Welt in jeder Weise!«
Karlsson vom Dach ist Pippi Langstrumpfs Bruder im Geiste, aber Karlsson ist radikaler und renitenter, selbstverliebter, chaotischer und schlichtweg: böser. Kein Zweifel: dieser auf dem Dach eines Hauses in Stockholm lebende Herr Karlsson ist tatsächlich ein Tyrann. Selbstsüchtig. Rücksichtslos. Ein Monster des Eigennutzes. Zerstörungswut auf zwei Beinen. Im Grunde ein Großmaul und ein altersloses Scheusal, das auf die sofortige Befriedigung jeglicher Bedürfnisse beharrt, die ihm gerade durch die Birne rauschen. Und dennoch hat Astrid Lindgren mit Herrn Karlsson eine der liebenswertesten Figuren der Weltliteratur geschaffen. Wie geht das zusammen? Herr Karlssons grandioser Egoismus bringt ihn zwangsläufig auf Kollisionskurs mit allen Autoritäten, die eine Kindheit bestimmen: Eltern, ältere Geschwister, Kindergärtnerinnen, Lehrer, ja Erwachsene insgesamt.
»Ach, das stört doch keinen großen Geist!«, lautet denn auch Karlssons Mantra, etwa wenn die Dampfmaschine beim Spielen explodiert und der Brennspiritus deutliche hässliche Flecken im Regal hinterlässt. Über so etwas regen sich eben nur Kleingeister auf. Und diese Kleingeister gilt es, zum Vergnügen von uns Leserinnen und Lesern, in Karlssons Worten »zu tirritieren, zu schabernacken und zu figurieren«.
Tirritieren, schabernacken, figurieren: das heißt, die bestehenden Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Es ist noch gar nicht so lange her, da richtete eine ganze Generation in Deutschland den Kompass ihres Lebens nach Herrn Karlssons Lebensphilosophie aus. Waren die 68er mit ihren unreflektierten Ho-Ho-Ho-Chi-Minh-Rufen nicht tobende Ausbunde verantwortungslosen Irrsinns? Versuchten sie nicht, ebenso zerstörerisch ins Räderwerk der Gesellschaft einzugreifen wie Karlsson beim Spielen mit der Dampfmaschine?
Doch just in seinem revolutionären Potenzial liegt auch Herr Karlssons Aktualität. Lindgrens Antiheld sagt, was wir denken, aber nicht auszusprechen wagen. Mit diesem Herrn Karlsson ist kein Staat zu machen. Er ist ein Saboteur. Ein Anarchist. Ein Aufwiegler und Anstifter zu Unfug aller Art. Ihr Mächtigen der Welt: Zittert, solange noch ein Karlsson frei über euren Dächern herumfliegt!
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Astrid Lindgren: Herr Karlsson vom Dach
Deutsch von Thyra Dohrenburg
Oettinger, 160 Seiten, Hamburg, 1956.
Dieses Buch ist Der kleine Prinz der Anarchisten. Walden ist die Urmutter aller Simplify-your-Life-Schriften. Die Bibel jeglicher Grünen und Alternativen, Naturschützer, Hippies und Aussteiger. Dieses Buch ist ein einziger Widerspruch in des Wortes schönstem Doppelsinn: sowohl Manifest der Generation-ohne-mich als auch Einwand gegen die Art, wie die Dinge laufen. Und: Dieses Buch ist eine Betriebsanleitung für die Vereinigten Staaten von Amerika, die uns Ausländern den oft so rätselhaft anmutenden Nationalcharakter ihrer Bevölkerung erklärt, ihren staunenswerten Optimismus und ihr Selbstvertrauen genau wie ihre stupende Borniertheit und rasend machende Selbstgefälligkeit. Walden spricht zu uns in einer direkten, fast schon dreisten Weise mit einer ganz unverkennbaren Stimme, einer Stimme, die elektrisiert und fasziniert, weil sie gleichermaßen die Schönheiten der Natur preist wie die Eitelkeit allen menschlichen Strebens nach Luxus geißelt.
Es ist die Stimme von Henry David Thoreau. Geboren 1817 als drittjüngstes von vier Kindern der Besitzer einer Bleistiftmanufaktur in Concord, Massachusetts, durfte der vielbegabte Thoreau in Harvard klassische Literatur, Mathematik und Naturwissenschaften, aber auch Philosophie und Rhetorik studieren und konnte sich lange für keinen Beruf entscheiden. Nachdem er Ende der 1830er-Jahre einige Wochen als Lehrer an einer Schule in seiner Heimatstadt tätig gewesen war, kündigte er wieder, weil es ihm widerstrebte, seine Schüler mit dem Rohrstock zu züchtigen. Stattdessen gründete er gemeinsam mit seinem älteren Bruder John eine Privatschule, die auf Reformpädagogik setzte und ihren Zöglingen die Prügelstrafe ersparte. Als Henry David Thoreau 25 Jahre alt war, verletzte sich John beim Rasieren, infizierte sich mit Wundstarrkrampf und starb wenige Wochen später in den Armen seines Bruders. Die Schule musste schließen.
Kurz zuvor hatte Thoreau in Concord Ralph Waldo Emerson kennengelernt, den Kopf der Transzendentalisten-Bewegung, die das amerikanische Experiment durch selbstgefällige nostalgische Erstarrung bedroht sah und auf einen gesamtgesellschaftlichen, Philosophie, Religion, die Kunst und die Wissenschaften einschließenden Aufbruch drängte. »Baue dir deine eigene Welt«, hatte Emerson in seinem ersten Buch Natur geschrieben. »Je schneller du dein Leben der reinen Idee in deinem Denken unterordnest, desto klarer werden deren große Proportionen hervortreten. Dem geistigen Zustrom wird eine materielle Revolution folgen.«
Der junge Thoreau nahm seinen Mentor beim Wort – vielleicht mehr, als dieser sich dies beim Niederschreiben seiner schwärmerischen neuidealistischen Sätze hatte träumen lassen. Nachdem Thoreau einige Jahre als Privatlehrer und Faktotum für Emerson und dessen Familie gedient hatte, bat er Emerson um Erlaubnis für ein radikales Experiment. Am 4. Juli 1845, dem Unabhängigkeitstag, zog Henry David Thoreau in eine kaum zwölf Quadratmeter große Hütte, die er sich am Walden-Teich in einem Waldgebiet keine drei Kilometer von seinem Geburtshaus gebaut hatte. »Ich zog in den Wald«, schrieb Thoreau, »weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näherzutreten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hatte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen müßte, daß ich nicht gelebt hatte. Ich wollte nicht das leben, was nicht Leben war; das Leben ist so kostbar. Auch wollte ich keine Entsagung üben, außer es wurde unumgänglich notwendig. Ich wollte tief leben, alles Mark des Lebens aussaugen, so hart und spartanisch leben, daß alles, was nicht Leben war, in die Flucht geschlagen wurde.«
In dieser Besinnung aufs Wesentliche, dem Abstreifen von allem Aufgesetzten und Äußerlichen, liegt die bis heute gültige Radikalität von Walden. Der materiellen Reduktion des Lebens in der Hütte am Walden-Teich entspricht die Sprache des Textes: Sie ist entschlackt, Resultat einer sich über Jahre ziehenden, achtmaligen Überarbeitung durch Thoreau. Dabei gelingt ihm das Kunststück, zwischen ganz nüchtern-puristischen und rhapsodischen Stillagen hin- und herzuwechseln, sich mal als bildungsgesättigter, ätzender Spötter zu präsentieren und wenige Absätze später lyrische Naturschilderungen einfließen zu lassen, die den Lesern die Augen öffnen für die Individualität eines Eichhörnchens oder eines Holzapfels: »Meinen waldbegrenzten Horizont habe ich für mich ganz allein. Auf der einen Seite erblickt man in der Ferne die Bahnlinie, wo sie den Teich berührt, auf der anderen den Zaun, der am Waldweg hinläuft. Sonst aber ist es einsam hier, wo ich lebe, wie auf der Prärie. Es ist hier ebensogut Asien oder Afrika wie Neuengland. Ich habe eigentlich meine eigene Sonne, Mond und Sterne und eine kleine Welt für mich allein. Ich hätte der erste oder der letzte Mensch sein können.«
Es ist dieser gnadenlos prüfende Blick auf die Dinge, die unseren Alltag bestimmen, der Thoreaus Text seine Aktualität sichert. Dieses Buch ist ein Amoklauf gegen den Common Sense: An seine Stelle setzt es die Logik der wahren Empfindung. Gerade heute hält Thoreau manch radikale Arznei für eine sich immer schneller vernetzende, immer dichter zusammenwachsende Welt parat: »Gesellschaft ist gewöhnlich zu billig zu haben. Wir treffen uns nach zu kurzen Zwischenräumen, als daß wir Zeit genug gehabt hätten, neuen Wert füreinander zu erlangen. Wir kommen dreimal täglich bei den Mahlzeiten zusammen und lassen den anderen immer wieder von dem schimmligen alten Käse kosten, der wir sind.«
Kein Zufall, dass Thoreau das erste der 18 Kapitel seines Buchs mit der fast schon ironischen Überschrift »Ökonomie« versieht und bis auf den letzten Cent vorrechnet, wie viel ihn Bretter und Nägel für seine winzige Hütte gekostet haben. Thoreau ist ein Mann mit hellwachem Bewusstsein für die wirtschaftlichen Zusammenhänge seiner Zeit – so weist er immer wieder auf die vielfältige Verquickung der Nordstaatenwirtschaft mit der Sklavenhalterökonomie der Südstaaten hin und wie der Norden aus den Erzeugnissen der Sklavenplantagen des Südens Gewinn zieht. Es ist diese kapitalismuskritische Seite Thoreaus, die ihm unter den großen Sozialrevolutionären des 20. Jahrhunderts wie Mahatma Gandhi und Martin Luther King eine begeisterte Leserschaft bescherte.
Thoreaus Stimme besitzt die Überzeugungskraft der Stimme eines Predigers – der paradoxerweise die Fundamente seines eigenen Gewerbes infragestellt, wenn er schreibt, er habe »einsehen gelernt, daß der Handel allem, womit er in Berührung kommt, zum Fluch wird; selbst wenn ihr mit Botschaften vom Himmel handelt, der ganze Fluch des Handels hängt auch diesem Geschäfte an«. So besteht die Überzeugungskraft von Walden auch über 150 Jahre nach seinem ersten Erscheinen 1854 gerade darin, dass dieses Buch niemanden überzeugen möchte. Thoreau will seine Leser nicht missionieren, sondern wünscht sich in Walden explizit, »daß es so viel verschiedene Menschen wie möglich in der Welt geben möge; ich möchte nur, daß jeder recht sorgfältig trachtete, seinen eigenen Weg zu finden und nicht statt dessen den seines Vaters, seiner Mutter oder seines Nachbarn«.
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Henry David Thoreau: Walden: oder Leben in den Wäldern
Deutsch von Emma Emmerich und Tatjana Fischer
Diogenes, 512 Seiten, Zürich, 2015.
Als ich dreizehn Jahre alt war und meine Liebe zu Science-Fiction und Fantasy gerade in voller Blüte stand, lernte ich bei einem Stammtisch literarischer Übersetzer in Stuttgart eine Lektorin des Verlags Klett-Cotta kennen. Sie reagierte überrascht, als ich ihr meine Bewunderung für die bei Klett-Cotta erscheinende Hobbit Presse bekannte und mein Faible für die Fantasy eingestand. Was ich von dieser klugen, gebildeten und durchaus auch charmanten Frau zum ersten Mal zu hören bekam, traf mich wie ein Eimer mit Eiswasser. Fantasy sei trivial, eskapistisch, reaktionär – ich weiß nicht, ob damals auch schon die Vokabel »faschistoid« fiel, die ich seither oft in Diskussionen mit nicht wenigen meiner Kolleginnen und Kollegen von der deutschen Literaturkritik zu hören bekam.
Viel kann man J. R. R. Tolkien vorwerfen, eines aber war Tolkien mit Sicherheit nicht: ein Sympathisant der Faschisten. Leider kannte ich damals in Stuttgart noch nicht einen Brief des Oxford-Professors Tolkien aus dem Jahr 1938. Aufgerüttelt durch den großen Erfolg, fragte der Potsdamer Verlag Rütten & Loening bei Tolkiens englischem Verlag George Allen & Unwin wegen der Übersetzungsrechte des Hobbit an und verlangte, weil es so des Landes Brauch sei, auch gleich einen Ariernachweis vom prospektiven Autor Tolkien. Dieser antwortete in einem geharnischten Briefentwurf, den sein Verlag wohlweislich zurückhielt: »Sehr geehrte Herren, … Leider ist mir nicht deutlich, was Sie mit »arisch« meinen. Ich bin nicht von arischer, nämlich indo-iranischer Abkunft, denn soweit mir bekannt, sprach keiner meiner Vorfahren Hindustani, Persisch, die Zigeunersprache oder einen der verwandten Dialekte. Wenn ich Sie aber so verstehen darf, dass Sie wissen möchten, ob ich von jüdischer Abstammung bin, so kann ich nur erwidern, dass ich es bedaure, offenbar keinen Vorfahren aus diesem begabten Volk zu haben. Mein Ur-Urgroßvater ist im achtzehnten Jahrhundert aus Deutschland nach England gekommen. Zum größten Teil ist meine Abstammung daher rein englisch, und ich bin englischer Staatsbürger – was Ihnen genügen sollte. Ich habe allerdings meinen deutschen Namen bisher mit Stolz getragen, sogar während der ganzen Periode des beklagenswerten letzten Kriegs, in dem ich in der englischen Armee diente. Ich kann mir jedoch die Bemerkung nicht versagen, dass angesichts unverschämter und unnötiger Anfragen dieser Art, sollten sie in Belangen der Literatur zur Regel werden, die Zeit nicht mehr fern ist, wenn ein deutscher Name kein Grund zum Stolz mehr sein wird.«
John Ronald Reuel Tolkien machte als Jugendlicher eine erstaunliche Erfahrung. Früh hatte der 1892 im südafrikanischen Bloemfontein geborene Sohn eines Bankiers ein Faible für erfundene Sprachen entwickelt. Aber alle seine Versuche, seine ausgetüftelten Kunstsprachen wirklich zum Leben zu erwecken, verliefen im Sand: Sie blieben bloße Kopfgeburten, steriles Blabla, ohne Witz und Glanz. Bis Tolkien auf die Idee verfiel, Geschichten in diesen Sprachen zu erzählen und Mythologien für ihre Sprecher zu erfinden. So entstand aus der Geburt von Tolkiens Elbensprachen Sindarin oder Quenya die Welt von Mittelerde. Diese für die Literatur des 20. Jahrhunderts beispiellose Entstehungsgeschichte eines ganzen literarischen Kosmos verrät viel vom Geheimnis der Literatur insgesamt – Sprache wird erst durch Erzählen lebendig, der Mensch ist das erzählende Tier.
Der Herr der Ringe erzählt von der viele Tausend Kilometer langen Wanderung von ursprünglich neun Gefährten durch die Fantasiewelt Mittelerde, um einen jahrtausendealten Ring, der seinen Träger unsichtbar werden lässt und ihm Macht über andere verleiht, ins Magma jenes Vulkans zu werfen, in dem er geschmiedet wurde. Die Vorgeschichte Der Hobbit erzählt, wie Bilbo Beutlin in den Stollen des Nebelgebirges eher zufällig in den Besitz jenes Ringes geriet, der viele Jahrhunderte einem Wesen namens Gollum alias Sméagol gehörte und dieses so in seinen Bann schlug, dass es sich in ein rückgratloses schleimiges Etwas verwandelte. Gollum spricht von seinem Zauberring liebevoll als »mein Schatz!«; im Original sagt er »my precious!«. Der Ring verstrickt Bilbo in eine jahrtausendealte Geschichte, die buchstäblich zu groß für ihn ist und die folgerichtig von seinem Neffen Frodo und dessen Begleiter Sam Gamdschie zu Ende gebracht werden muss. Dabei strahlt bei aller von Beginn an aufblitzenden Ironie Der Herr der Ringe eine Schicksalsschwere und Todesmelancholie aus, die den Ursprung des Mythos von Mittelerde im Ersten Weltkrieg deutlich macht. Tolkien nahm 1916 als Offizier an der Somme-Schlacht teil und verarbeitete das industrialisierte Massenschlachten des Stellungskriegs in seinen Schilderungen des düsteren Reichs Mordor, wo Sauron herrscht, der »dunkle Lord auf dunklem Thron«.
Nicht wenige Leser haben mit dem fantastischen Figurenpersonal Tolkiens, all den Elben, Drachen, Hobbits, Zwergen und Ents Schwierigkeiten. »Ich hasse es, wenn Menschen mit Pelzohren Wunderdinge tun«, ließ sich vor einigen Jahren etwa eine einflußreiche Kritikerin zum Thema zitieren. Dass die Hobbits in J. R. R. Tolkiens Der Herr der Ringe