Inhalt
Grußwort
Lydia Haack
Einleitung
Michael Leidl
Eine neue Baukultur für das Land
Reiner Nagel
Flächenverbrauch – Nutzen und Grenzen
einer Zahl
Claudia Bosse
Gesellschaftliche Grundlagen städtebau-
licher Entwicklungen
Armin Nassehi
Wer entwirft und baut Stadtlandschaften?
Stefan Kurath
Stadtlandschaft als Aufgabe und Potenzial
Jörg Heiler
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Kein schöner Land?
Ein Diskurs zur Landesentwicklung
Räume des Alltags
Pk. Odessa Co
Wege zu einer anspruchsvollen Kultur-
landschaft
Sören Schöbel
Beteiligung: Wege zu einem gemeinschaft-
lich getragenen Ziel
Hilmar Sturm
Abschlussdiskussion des Tagessymposiums
«Kein schöner Land?»
Biografien
Quellenverzeichnis
Impressum
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Am 13. April 2018 veranstaltete der Bund Deutscher
Architekten BDA Landesverband Bayern in Kooperati-
on mit dem BDA Kreisverband Regensburg-Niederba-
yern-Oberpfalz und der Bundesstiftung Baukultur das
Tagessymposium «Kein schöner Land?» zur Zukunft
der bayerischen Kulturlandschaften im Salzstadel in
Landshut. Ziel war es, Grenzen des Flächengebrauchs
durch Urbanisierungsprozesse zu diskutieren, die
durch unsere Sozial- und Wirtschaftsstrukturen be-
dingt sind. Und letztlich auch die Frage nach einer
qualitätsvollen Kulturlandschaft als lebenswerte Hei-
mat aus unterschiedlichsten Perspektiven auszuloten.
Dabei beschäftigte uns einerseits die Suche nach
einem angemessenen Umgang mit Boden als end-
liche Ressource, die in der aktuellen Debatte um den
sogenannten Flächenfraß im Vordergrund steht, an-
dererseits aber auch die Frage nach der Qualität un-
serer Stadt- und Landschaftsräume sowie nach den
Einflussmöglichkeiten von Architekten auf Prozesse
der städtischen und ländlichen Siedlungsentwicklung.
Unsere Kulturlandschaften sind Spiegel unseres
Handelns sowie Ausdruck unseres Selbstverständ-
nisses und unserer Werte. Innovative Konzepte und
gute Planungen müssen zukünftige gesellschaft-
liche Prozesse antizipieren und in eine ganzheitliche,
räumliche Entwicklung unserer Kulturlandschaften
integrieren, und zwar ökonomisch, sozial, ästhetisch
und ökologisch.
Auch in unseren Stadtlandschaften, den urbanisierten
Räumen unserer Gesellschaft, müssen wir verschie-
denste Interessen sowie gegenläufige Ansprüche ver-
einen. Bei Zersiedelung einerseits und Verdichtung
andererseits angemessen antworten. Den dringend
benötigten neuen Wohnraum schaffen und gleich-
zeitig die Inanspruchnahme von Fläche hierfür ver-
ringern. Das Potenzial des Bestands nutzen und mit
vorhandenem Leerstand sinnvoll umgehen.
Kreativität – und Flexibilität – sind mehr denn je
gefragt: Nachhaltige Architektur und Stadtplanung
erzeugen neue Wohntypen, Mischnutzungen und
Nutzungsflexibilität. Es gibt starke Argumente für
Mehrfamilienhäuser – statt Einfamilienhäuser – mit
gleicher oder sogar besserer Wohnqualität, auch
auf dem Land. Und es ist Zeit für einen gesellschaft-
lichen Bewusstseinswandel und veränderte recht-
liche Rahmenbedingungen, um die Lebensbereiche
Wohnen und Arbeiten wieder besser zu vereinen.
Also intelligente Antworten auf gesellschaftliche
Herausforderungen zu geben. Dazu gehören nach-
haltige Neubauten ebenso wie die sinnvolle Nut-
zung und Weiterentwicklung bestehender Sied-
lungs- und Infrastrukturen.
Grußwort
Lydia Haack
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Wir brauchen eine positive Perspektive, die die Inte-
ressen aller an unserem Gemeinwesen beteiligten
Gruppen vereint und allen die Möglichkeit zur Identi-
fikation bietet. Wir müssen versuchen, das hohe Gut
der kommunalen Selbstverwaltung zu wahren und
dennoch die Einzelinteressen auf einer übergeord-
neten Planungsebene wie der Region in einen sinn-
vollen Gesamtkontext zu bringen.
Um die Weichen für eine qualitätsvolle Weiterent-
wicklung unserer Kulturlandschaften richtig zu stellen,
brauchen wir auch eine gewisse Revisionsbereitschaft,
damit wir unsere eingeschlagenen Wege überprüfen
und diese nötigenfalls auch korrigieren können.
Im besten Fall wird der Prozess der Gestaltung unserer
Kulturlandschaften von einer breiten gesellschaft-
lichen Debatte begleitet. Dabei sollten wir uns auch
bewusst mit den sozialen, politischen, rechtlichen
und wirtschaftlichen Strukturen auseinandersetzen,
die diesem Prozess zugrunde liegen. Wie können wir
dabei Verhandlungsprozesse demokratisch gestalten?
Wie könnten steuernde Eingriffe mit freiem, selbst-
motiviertem Handeln in Balance gebracht werden?
Was wollen wir gemeinsam erreichen?
Zur Verständigung auf gemeinsame Ziele in der
Landesentwicklung, von denen einige in dieser
Publikation diskutiert werden, brauchen wir die
Bereitschaft zum Dialog über Partei- und Interes-
sengrenzen hinweg sowie den Anspruch, uns trotz
konkurrierender Vorstellungen zu einigen, um ge-
meinsam und langfristig lebenswerte Stadt- und
Kulturlandschaftsräume zu entwickeln.
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Die Qualität zeitgenössischer Siedlungen und Land-
schaften ist in der Krise. Wir bleiben städtebaulich,
architektonisch, ökologisch, sozial, ästhetisch und
oft auch funktional hinter dem Möglichen zurück.
Doch die von uns geschaffenen Städte, Siedlungen
und Landschaften – ob sie nun «hässlich» sind
oder «schön» – sind Produkte unseres Handelns
und unserer Werte und somit Teil unserer Kultur
und unserer Identität.
Dass wir heute ein Heimatministerium in Bayern
und im Bund haben, zeigt, welch‘ hohe Bedeutung
und Wirkkraft dem Begriff «Heimat» beigemessen
wird – und zwar über Parteigrenzen hinweg. Der
Begriff ist in den alltäglichen Sprachgebrauch zu-
rückgekehrt. Und so unterschiedlich seine Definiti-
onen auch ausfallen, ob damit Identität, Sicherheit,
Gemeinschaft, Tradition oder Vertrautheit gemeint
ist, all diese Inhalte transportieren ein hohes Maß
an Gefühlen und deuten auf das Bedürfnis der
Menschen nach positiver Identifikation mit ihrem
unmittelbaren Lebensraum hin.
Wir haben jeden Quadratmeter Grund und Bo-
den irgendeiner Form der Nutzung zugeordnet.
Große Teile dessen, was wir als heimatstiftende
landschaftliche Qualität wahrnehmen, ist seit Jahr-
hunderten von Menschen gestaltet, geprägt und
überformt worden. Neu sind der Maßstab, die
Dimension und die Geschwindigkeit dieser Verän-
derungen, deren Wucht sich in emotional aufge-
ladenen Begriffen wie «Flächenfraß», «Betonflut»
oder «Parkplatzwüste» niederschlägt. Die negati-
ve Konnotation dieser Ausdrücke wird durch die
Erkenntnis verständlich, dass die Verwender ihre
– eben positiv besetzte – Heimat durch diese Ent-
wicklungen bedroht sehen.
Mit der Initiative für ein Volksbegehren gegen
den Flächenfraß unter dem Motto «Damit Bayern
Heimat bleibt» im März 2018 wurde dem Thema
Flächenverbrauch eine Aufmerksamkeit über Fach-
kreise hinaus zuteil. Die Rezeption des Themas in
der Presse wie auch die fast 50.000 Unterschriften,
welche die Initiatoren des Volksbegehrens vorle-
gen konnten, zeigen, wie groß das Interesse der
Öffentlichkeit an diesem Thema ist. Auch wenn
der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Volks-
begehren aus formalen Gründen ablehnte, bleibt
es ein selbstverständliches, notwendiges Ziel, die
Ausdehnung von Siedlungs- und Verkehrsflächen
in Bayern zu reduzieren.
Als Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadt-
planer reicht uns das jedoch nicht: Auch wenn
wir es schaffen, ab morgen nur noch fünf Hektar
täglich für Siedlungs- und Verkehrszwecke um-
zuwidmen, muss unser Anspruch sein, bei allen
Einleitung
Michael Leidl
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Eingriffen die entstehende Qualität im Auge zu
behalten. Je größer ein Projekt oder Eingriff ist, je
stärker es mit bestehenden Maßstäben und Struk-
turen bricht, desto empfindlicher ist dabei auch die
Frage der Gestaltqualität, der Situierung und der
Umfeldgestaltung zu bewerten.
Ziel des Tagessymposiums «Kein schöner Land?»
war daher die Öffnung der Diskussion über die
Flächennutzung in Bayern für Fragestellungen, die
den Fokus auf die Qualität der entstandenen und
entstehenden städtischen und ländlichen Räume
richten. Damit wollten wir einen Beitrag zur De-
batte leisten, der über die bislang vorherrschende
Betrachtung der quantitativen Dimension des Flä-
chenverbrauchs hinausgeht.
In den hier schriftlich gebündelten Vorträgen bli-
cken die Experten unterschiedlicher wissenschaft-
licher Disziplinen auf Stadtentwicklungsprozesse
und die Veränderungen des Landschaftsraums
durch Siedlungsentwicklungen. Interessant ist die
wachsende Stadt insbesondere an ihren Rändern:
dort, wo das Wachstum die Grenzen der Stadt
erweitert. Die Bilder von Klaus Leidorf zeigen aus
der Vogelperspektive, was sich beim Umgang des
Menschen mit der Landschaft und der gebauten
Umwelt verändert hat, seit der Mensch begonnen
hat, Kulturlandschaft zu formen.
Bei der Betrachtung des Status quo beschäftigen
uns die Aussagekraft der Daten zum Flächenver-
brauch in Bayern (Claudia Bosse), die gesellschaft-
lichen Rahmenbedingungen als soziale Grundlage
von Stadtentwicklungsprozessen (Armin Nassehi)
sowie die Frage, welche Akteure und Prozesse
maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung städte-
baulicher Strukturen haben (Stefan Kurath).
Auch die Auseinandersetzung mit unserer Haltung
gegenüber unseren Kulturlandschaften und unser
Umgang mit dem ländlichen Raum (Sören Schöbel)
sind unerlässlich, wenn wir uns fragen, an welcher
Stelle die aktuellen Strukturen verändert, Prozesse
hinterfragt und Ziele neu diskutiert werden könnten.
Die Betrachtung von Zwischenstadtstrukturen (Jörg
Heiler), die auch an den Bildern von Pk. Odessa
Co sichtbar werden, und die Frage nach Möglich-
keiten ihrer Weiterentwicklung und Qualifizierung
beschäftigen uns ebenso wie die Frage nach den
Möglichkeiten und Grenzen von Beteiligungsver-
fahren bei städtebaulichen und raumplanerischen
Prozessen (Hilmar Sturm).
Die Zusammenfassung der Abschlussdiskussion
mit Reiner Nagel (Vorsitzender der Bundesstif-
tung Baukultur), Josef Mathis (Mitinitiator der
Initiative vauhochdrei), Jakob Oberpriller (BDA
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Kreisvorsitzender im Kreisverband Niederbayern-
Oberpfalz) und Matthias Simon (Bayerischer Ge-
meindetag) liefert hoffentlich Impulse, welche
Maßnahmen wir heute ergreifen müssen, um Un-
vermeidliches richtig zu steuern, potenziell Fatales
abzuwenden und Glückstiftendes entstehen zu las-
sen. Denn um nicht weniger geht es bei den Über-
legungen zu Landesentwicklung und Städtebau,
Landschaftspflege und Naturschutz, Wirtschafts-
und Verkehrsentwicklung, Sozialstrukturen und
Siedlungsentwicklung: um die heutigen und zu-
künftigen Lebensbedingungen der Menschen. Um
ihre Chancen und Aufgaben. Darum, wie wir mit-
einander leben wollen.
Wegen der tiefgreifenden Bedeutung dieses The-
menfeldes können und sollen diese Fragen nicht
ohne die Bürger entschieden werden. Weil für ein
vernünftiges Miteinander nicht jeder alles überall
machen kann, brauchen wir eine konsensfähige,
vermittelbare Zielsetzung in der Landesentwick-
lung und damit ein Landesentwicklungsprogramm
(kurz: LEP), das sich ein Stück weit frei macht von
Zwängen des Augenblicks und auf einem für alle
Bürger verständlichen räumlichen und sozialen
Leitbild basiert. Nicht mehr das Verhindern sollte
im Vordergrund stehen, sondern ein Leitbild, das
Vorfreude weckt. Und dort, wo etwas Bestimmtes
nicht möglich ist, weil es dort keinen Berg zum
Skifahren gibt oder der Wert der bestehenden
Landschaft als vorrangig eingeordnet wird, gilt es
mit ebenso viel Engagement dafür einzutreten,
dass etwas anderes entstehen kann oder etwas
schon Vorhandenes in Wert gesetzt und entwickelt
wird. Bayern braucht ein von Grund auf neu ge-
dachtes Landesentwicklungsprogramm, das fach-
liche, politische und örtliche Kompetenzen und
Interessen zusammenführt und seine bisherigen
formalen und juristischen Grenzen infrage stellt.
Das LEP in seiner aktuellen Form wird tatsächlich