Vorwort
1. Teil
2. Teil
Familienbild von 1914
Impressum
Vorwort / über Berthold Reichel
Herdecke, 13.09.2019
Berthold Reichel begleitet mich seit meiner frühesten Kindheit. Meine Mutter saß oft bei mir oder meinen Geschwistern am Bett, um uns Geschichten vorzulesen. Dazu zählten natürlich bekannte Märchen der Gebrüder Grimm oder die fantastischen Abenteuer der Pippi Langstrumpf. Manchmal kam es aber auch vor, dass Mama ein Buch von „Opa selig“ mit ins Kinderzimmer nahm. Schon früh erfuhr ich, dass der geheimnisvolle Opa nicht „Selig“ mit Vornamen hieß, sondern Berthold. Und dass es sich um meinen Urgroßvater handelte, den selbst mein Vater und seine Geschwister nicht mehr kennenlernen konnten. Mein Vater ist Jahrgang 1941, sein großer Bruder war kaum älter – und Berthold Reichel verstarb 1936. Wahrscheinlich rührte daher die Formulierung „Opa selig“: Eben der Opa, der nicht mehr unter den Lebenden weilte, aber weiterhin ein fester Teil der Familie blieb. Kein Wunder, bei dessen ungeheurer Kreativität und Schaffenskraft, die er in seinem viel zu kurzen Leben unterzubringen wusste.
Berthold Reichel wurde am 23.08.1881 in Bordesholm geboren und wuchs anschließend in Rendsburg auf. Früh muss er sich für den Beruf des Lehrers entschieden haben, zu dem er in Apenrade (heute dänisch Åbenrå) und Eckernförde ausgebildet wurde. Als solcher arbeitete er kurzzeitig in Prinzenmoor und Neumünster. 1913 kam er dann als Mittelschullehrer für Biologie, Kunst, Musik und Englisch nach Kappeln an der Schlei.
Als fantasievoller, vielseitig interessierter junger Mann begann er schon früh, Märchen, Geschichten und Gedichte niederzuschreiben. Es gibt auch einige Lieder, deren Melodien und Texte von Berthold Reichel stammen.
Die Kriegsjahre 1914 bis 1918 war er Soldat. Sein Talent im Anfertigen von Scherenschnitten hatte er wohl schon Jahre vor Kriegsbeginn entdeckt und muss bald schon sehr geschickt darin gewesen sein. Das Schneiden wurde jedenfalls zu einem so wichtigen Hobby, dass er Schere und Papier mit an die Front nach Flandern und Frankreich nahm. Glücklicherweise nutzte er diese Zeit nicht nur für diese kreative Arbeit, sondern fand immer auch Gelegenheiten zur Niederschrift seiner Erlebnisse. Vor allem an der Front in Frankreich entstand so ein sehr eindrucksvolles Zeugnis, das den Krieg aus der Sicht eines Künstlers beschreibt.
In einer lockeren Umgangssprache, oft durchmischt mit plattdeutschen Elementen, schildert er den Alltag im Krieg. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf die Beschreibung der historisch weitgehend bekannten Grausamkeiten. Einige seiner Erlebnisse erinnern fast an eine friedliche Urlaubsreise eines jungen Akademikers, der beinahe freundschaftliche Kontakte zur französischen Bevölkerung sucht. Sicher tragen seine Bildung (zu der auch Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch zählen) und ein offenes, freundliches Wesen dazu bei. Außerdem wird immer wieder deutlich, dass die Menschen in ihm eher den Künstler als den Feind (oder zumindest Kriegsgegner) erkennen.
Als Soldat muss er sich immer wieder den Spott seiner Kameraden gefallen lassen, wenn er Papier und Schere mit in den Schützengraben nimmt. Doch spätestens als er beginnt, in Wartezeiten ebenjene Kameraden zu porträtieren, erweisen sie ihm höchsten Respekt. Doch auch seine Fantasie und Kreativität nimmt er mit in den Krieg, denn weiterhin entstehen hier Scherenschnitte von Natur- und Tiermotiven, Hexen, Nymphen und vielerlei Fabelwesen.
An dieser Stelle lässt sich eine der vielen Brücken in die heutige Zeit schlagen. Denn der größte Teil dieser Scherenschnittmotive ist von so lebendigem und zeitlos-schönem Charakter, dass er auch gestern erst entstanden sein könnte.
Nach dem Krieg half ihm sein Talent, das inzwischen erworbene Kappelner Haus abzuzahlen und die Familie zu ernähren. Denn als Mittelschullehrer wurde er nur dürftig bezahlt, also freute er sich über Aufträge als Künstler. Einige Zeitschriften und Verlage ließen ihn Grimms Märchen und Theodor Storms Novellen illustrieren. Im Jahre 1927 erschien mit dem „Hexenkoffer“ auch sein erstes Buch, das er mit eigenen Scherenschnitten illustrierte.
Als er 1936 an den Folgen einer Tuberkulose starb, hinterließ er nicht nur eine junge Familie, sondern auch einen kreativen Schatz, dessen sich die Familie annahm.
Seine Tochter Agnes, meine Großmutter, betätigte sich als Töpfermeisterin ebenfalls kreativ. Außerdem griff sie selbst gerne zur Schere, um die Motive ihres Vaters nachzuschneiden. Auch war es ihre Idee, einige der schönsten Motive als Postkarte herauszubringen und zu verkaufen.
In der nächsten Generation ging die Töpferei an ihren Sohn Rüdiger, meinen Onkel, weiter. Mein Vater Gerhard hingegen griff nach dem Tode meiner Großmutter 1992 das „Projekt Scherenschnitt“ auf, um es zu erweitern. Gemeinsam mit meiner Mutter überträgt er die Kunst Berthold Reichels (sowie die vieler anderer Scherenschnittkünstler) auf Postkarten, Tischkarten, Tischlaternchen, Geschenkanhänger, Lesezeichen und mittlerweile auch auf die von mir und meiner Lebensgefährtin Joana ersonnenen Schokobanderolen. Meine Mutter Ulrike Saß-Stock ist zudem als Kunsthandwerkerin geschickt darin, die Scherenschnitte zu Sägeschnitten zu machen: Unter ihren Händen entstehen aus Sperrholz schöne Dinge wie Bücherständer, Fotomappen und Weihnachtsdekoration. Die genannten Produkte verkaufen meine Eltern vor allem auf Kunsthandwerker- und Weihnachtsmärkten.
Inzwischen ist die nächste Generation von Berthold Reichels Erben erwachsen. Meine Cousine Debora Stock betreibt die Kappelner Töpferei noch immer an gleicher Adresse. Da ich mich, quasi als Spätberufener, für den Beruf des freien Texters, Redakteurs und Autors entschieden habe, fühle ich mich dem geistigen Erbe meines Urgroßvaters ebenfalls verbunden. Für mich stehen dabei allerdings nicht die Scherenschnitte, sondern die Märchen und Erzählungen von Berthold Reichel im Mittelpunkt.
Einen erheblichen Teil der Arbeit zur Realisierung dieses Buches hat meine Schwägerin Dr. Johanna Stock beigetragen, die diese in Papierform vorliegenden Kriegserinnerungen bereits vor einigen Jahren abgetippt und somit digitalisiert hat.
Nachdem ich die Märchen und Geschichten bereits im Selbstverlag veröffentlicht habe, möchte ich das „schriftliche Erbe“ meines Urgroßvaters mit diesen Kriegserinnerungen nun ergänzen. Wirklich komplettieren kann ich es leider nicht, da wohl einige Teile seines Gesamtwerkes im Laufe der vergangenen Jahrzehnte verlorengegangen sind.
Die Weltkriegserinnerungen halte ich selbst für den spannendsten und wohl auch historisch bedeutsamsten Teil davon.
Anno Stock
Arbre von Canny
Ankunft
Balll-bubb, balll-bubb-balll balll-bubb bubb. Ich bin doch bloß verwundert, dass hier so viel geschossen wird. Es knallt in einem fort und nach jedem Knall ein kleines dumpfes Geräusch. Das ist der Geschosseinschlag. Nun, solange der nur nicht in mich hineingeht! Aber ein wenig unheimlich ist’s doch, so schwerbepackt durch den düstern Wald zu tapsen immer in der Richtung aus der geschossen wird. Ich meinte immer, im Kriege würde nur geschossen wenn mal ne Schlacht wäre und so, aber dies Schießen an einem ganz gewöhnlichen Junitag, an dem doch an der ganzen Westfront nichts los sein soll! Da stehen wir plötzlich vor einem Graben, aus dem eine hünenhafte Gestalt auftaucht, „der Hauptmann“, flüstert der Kamerad, der uns hergeführt hat und gleich darauf sagte er laut: „Ersatz aus der Heimat, Herr Hauptmann!“. Der Hauptmann begrüßte uns freundlich.
Plötzlich ein besonders scharfer Knall, Geräusch knickender Zweige, und dann als ob ein Käfer brummt. Wir sind zusammen gezuckt. Der Hauptmann machte eine beruhigende Geste, er sagt: Das ging von uns links hin, aber nun kommen Sie nur rein in den Graben und ruhen sich ein wenig aus, bis weiter über Sie bestimmt wird.
Wir klettern hinunter in den Graben und sind im Nu von Kameraden umgeben, die Neues aus Deutschland wissen wollen. Aber wir sind entsetzlich durstig geworden auf dem langen Nachtmarsch, das schwere Gepäck, wir haben unsere ganze Ausrüstung bei uns, hat uns manchen Schweißtropfen ausgequetscht. Wir bitten um etwas zu trinken. Man lädt uns ein, in ein Loch hinein zu kriechen, wozu wir allerdings die Tornister abnehmen müssen. Nun sitzen wir in einer dunklen niedrigen Höhle. „Kickt mal na, is da noch Kaffe“.
Bald entnehmen wir dankbar gefüllte Trinkbecher aus tappenden Händen. Auf einmal Stimmengewirr, Klirren von Waffen, aber auch von Kochgeschirren und Kesseln. Es ist Ablösungszeit, gleichzeitig sind auch Speckerbsen angekommen, von kräftigen Leuten in großen Kesseln auf durchgeschoben Pfählen hergeschleppt. Das ist das Mittagessen. Es pflegt gegen Mitternacht einzutreffen. Bald ist alles emsig am Spachteln, auch wir bekommen etwas ab.
„Ji harrn man leever tu Hus blievenschullt, dat is nix Genaues hierbuten“, knurrt einer.
Dann kommt Befehl, dass wir nach dem Stützpunkt Alsen sollen... Wir bleiben bald mit dem breitgepackten Tornister stecken, so schmal ist der Graben, durch den wir jetzt dem Waldausgang wieder zustreben. Dort aber klettern wir hinaus und gehen an der Weser entlang. Das ist der Name des gewundenen Laufgrabens, der zu unserem Stützpunkt führt. Es ist Vorschrift, ihn auch nachts zu benutzen, aber fast niemand tuts, denn die dreifache Länge würde dabei herauskommen. Der Stützpunkt erweist sich als ein Gewirr flacher Gräben mit schwachen Deckungen und ein wenig Stacheldraht. Feindwärts ist eine Pappelreihe, davor ein Apfelgarten. Ich komme bei einem anderen Korporal mit unter und bin froh, dass ich endlich meine müden Knochen ausstrecken kann.
Stützpunkt Alsen
Tagsüber vertreibe ich mir die Zeit mit Zeichnen und Schnippeln, ich zeichne das Neue, das sich mir aufdrängt: Gräben und Unterstände. Letztere sind teils recht idyllisch, eben unter der Oberfläche. Fliegendeckungen, sie heißen so, entweder weil sich so viele Fliegen darin ansammeln oder weil sie schon zusammenbrechen wenn einmal eine Fliege was darauf macht, bieten nur Deckung gegen Splitter und Infanteriegeschosse. Abends wirds mulmig. Da müssen wir Material in die Waldecke hereinbringen. Bis an den Waldrand wirds auf Loren leise angerollt: Bohlen, Balken, Bretter, Stacheldraht und Eisenstangen. Ich, als Unteroffizier, brauche nur dabei zu stehen, aber das ist besonders eklig, denn es zischen dauernd die langen Kupfergeschosse um uns, und man hat nichts zu tun als Angst zu haben. Eben, vordem ich eintraf, hat ein junger Lehrer einen Querschläger in den Leib bekommen und ist daran gestorben. Könnte man mitarbeiten, würde man die Gefahr nicht so empfinden.
Das Gewehrfeuer reißt nicht ab, „die feiern dauernd Schützenfest drüben bei Onkel Franz“ bemerkt ein Kamerad. Aus der Ferne Grollen der Geschütze und dumpfer Einschlag von Granaten. Dann gellt ein entsetzliches Jammergeschrei, das einem durch Mark und Bein geht. Irgendwo, weiter rechts herüber muss es jemand erwischt haben.
Im Walde ein Kommen und Gehen der schleppenden Kameraden. Ich habe mich auf einen Baumstamm gesetzt. Plötzlich ein unheimliches Heulen und Rauschen über den Gipfeln, dann ein greller Blitz, ein tobender krachender Donner folgt. Surren, Sausen, Knacken, Splittern und Fauchen. Ich bin vom Stamm herabgeglitten und liege der Länge nach in seinem Schutz. Ich habe das Gefühl, als ob ein furchtbares, reißendes Untier sich tobend in den Waldwinkel geworfen hat, allem Vernichtung bringend. Muss schon sagen, die erste Granate hat mich erschreckt. Und in diesem Wald, in dem solche Biester ihr Wesen treiben, bin ich leichtsinnigerweise gestern über Tag noch spazieren gegangen. Seemann, mein alter Putzer von Schleswig her, der seine Rekrutenausbildung durch mich bekommen und schon eine Verwundung in Russland hinter sich hat, führte mich.
Der Wald besteht aus schönen jungen Eichen. Sein Grund ist bedeckt mit Farn. Mitten darin fanden wir einen Blindgänger, eine franz. Flügelmine, die ich in aller Seelenruhe skizzierte. Der Waldrand ist stellenweise mit Wänden aus Flechtwerk abgedeckt, so dass die Franzosen nicht hineinsehen können. Der größte Teil desselben aber wird eingenommen durch Schützenstände und Schießscharten. Unsere 4. Komp. hat den Waldrand rechts, die 3.te rechts besetzt. Die Schützenstände sehen aus wie idyllische Lauben, nur dass eine derselben ganz mit Blut bespritzt war, wollte mir nicht gefallen.
Übrigens in Alsen passt’s mir nicht mehr. Diese Faulenzerei und die stinkigen Gräben, teilweise sind sie sumpfig und unter den Rosten steht eine üble Flüssigkeit. Einmal bin ich immer weiter nach links dem Graben entlang gelaufen, da hörte der Lehm auf und gute, muscheldurchsetzte Kreide bildete die Grabendwand. In diesem Abschnitt waren 86.er. Unter ihnen traf ich Schlüter, den Wirt vom Wassermühlenholz, und unterhielt mich mit ihm.
Im Arbre de Canny
Das passte sich gut. Vorn wurde ein Unteroffizier gebraucht. Ich habe mich gemeldet, hier in der Waldecke ist’s doch viel romantischer als in dem langweiligen Stützpunkt. Zwar müssen wir nachts alle 2 Stunden raus und Grabendienst machen, aber das Kameradschaftsleben hier in der vordersten Stellung ist auch schön. Abends sitzen wir oft zusammen, in einem besonders gemütlichen Schützenstand. Da werden dann Geschichten erzählt. Ein alter Schiffer erzählt von seinen Fahrten und der Äquatortaufe. Ein Handwerker berichtet, wie ihn in Bremen eine falsche Liebste zu Gaunereien zu verführen suchte. Er sah sich plötzlich in der Hölle eines Schmierenstehers, während ihr sauberer Bruder ein Fass Mehl im Hafen klaute. Er habe danach selber heimlich seine Logis gewechselt und das Mädel nie wieder gesehen. Ich gebe eines meiner Märchen zum Besten. Alles lauscht gespannt.
Ich habe mich hoch auf meinen Ausguck gesetzt. Die Front ist mäuschenstill. Selbst der franz. Unteroffiziersposten halblinks hat das Knallen eingestellt. Auf einmal ein furchtbarer Krach. Ich purzele von meinem Sitz herunter. Eine Granate ist in den Wald geflogen, mag auch eine Mine gewesen sein, hat aber keinen Schaden gegeben. Alles lacht, ich habe mich schnell gefasst und lache mit. Die Kameraden wissen, ich bin noch nichts gewohnt und hören bald wieder andächtig zu wie meine Geschichte ausläuft.
Die Weser
Die Weser, wie schon erwähnt, ist der Laufgraben zwischen Stützpunkt und vorderer Linie. Er macht uns viel Arbeit und Ärger. Bei nassem Wetter versumpft er und ist an manchen Stellen so wackelig, dass seine Wände mit Flechtwerk gestützt werden müssen. Benützt wird er eigentlich nur von dem Bataillonsführer, Hauptmann Wese, nach dem er auch getauft ist. Wenn der sich bei ruhiger Front mal nach vorne wagt, muss er doch hinkommen können. So wird dauernd an dem Graben gemurkst, und wenn der Gestrenge mit großem Gefolge hindurchkommt, muss man vorschriftsmäßig melden, und mit den Hacken klappern. Alle Hände an der Hosennaht. Wehe dem armen Teufel, dem die Feldmütze nicht gerade sitzt. Da gibt’s mörderlich was reingewürgt. Ein freundliches Wort habe ich nie von dem Manne vernommen. Alles hat Heidenangst vor ihm, und er hat Heidenangst vor den Geschichten. Das ist nur gut, deshalb kommt er nicht oft; aber in Alsen hat [er] einen salonartigen Unterstand, in den er sich die leckersten Torten hinausbringen lässt. „Wenn ich ihm den Kaffe morgens aufs Bett bringe, kommt er mir wie ne olle Schneppe vor“ sagte sein Bursche von ihm. Mitunter ist es ganz schön ein wenig an dem Graben herumzuschaufeln, die Leute brauchen sich nicht überanstrengen.
Hasseldorf, der Hamburger Bierkutscher, erzählt sehr drastisch seine Liebes- und Heiratsgeschichte. Ich habe mich ins hohe Gras der Grabenkante verkrochen. Da habe ich einen wundervollen Ausblick ins herrliche Land. Dicht vor uns die dunkelgrüne Waldecke, weiter hin der endlos erscheinende Saum des „Bois de Loges“, den die Franzosen inne haben. Sonst gewelltes Land, dann hin und wieder von Bäumen umgeben, eine zerschossene Ferme. Die unbestellten Felder stehen bunt von rotem Mohn, Kornblumen und Inkarnatklee, dazwischen Kornähren und in Saat geschossene Zuckerrüben, die stark nach Honig duften. Wehe dem, der sich bei Tage dort herumtreiben würde. Die Franzmänner machten mit Shrapnells und Granaten Spatzenschiessen nach ihm.
Ein paar Kameraden waren auf den Einfall gekommen bei Tage in einem der Fermegärten Äpfel und Birnen zu holen. Da saust-hagelt es, bald vor bald hinter ihnen. Angsterfüllt rennen sie ins Gehöft und verbergen sich im Keller. Ein Volltreffer zerschmettert diesen, und aus ists mit ihnen. Diese Geschichte scheinen die Herren der Telegrafenabteilung nicht zu kennen. Es soll durch die Weser ein Kabel gelegt werden, von der vordersten Linie nach hinten, sie springen in ihren schneidigen Uniformen ahnungslos im Gelände herum. Wir sind mit Spaten hin kommandiert zu helfen. „Wenn dat man got geiht“ denke ich eben, und da haben wir den Salat.
Unheimlich saust und braust es herum. Shrapnells zerplatzen, leichte Granaten schlagen auf die Weserkante. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich drücke mich tief in den Graben, Erde spritzt auf mich herab. Shrapnell- und Granatsplitter, geles Zischen, Pfeifen und Heulen. Ich bin in tausend Ängsten, will nach hinten rennen. Aber dort ists nicht besser. Von dort kommen Kameraden zu uns gelaufen. Plötzlich lachen und staunen wir. Einer von ihnen hat auf seinem Rücken 4.-5. schwarze Punkte, Flecke von welchen schwarze Striche sich über seinen Buckel hinunterziehen. Es müssen von der Grabenkante abgeprallte Shrapnellkugeln auf seinen Rücken gesprungen und dann hinuntergerutscht sein. Dieses Wesererlebnis macht mir den Laufgraben nicht sympathischer.
Durch unendlichen Regen, immer in der Angst auf dem schlüpfrigen Boden auszugleiten und in den Schlamm zu fallen, sind wir gegen Abend wieder in Alsen angelangt. Diesmal erscheint uns der Stützpunkt mit seinen Unterschlüpfen wirklich wie eine rettende Insel. Ich bin hocherfreut, dass Hans Rabe, genannt Hans Krei, mich einlädt, mit in seinen gemütlichen Bunker zu kommen. Durchnässt bis auf die Haut strecken wir uns aufs Lager und ziehen Mäntel und Zeltbahn über uns. Zwischen Wachen und Träumen höre ich mit Schaudern das Herüberheulen von Granaten und ihre krachenden Einschläge in nächster Nähe. „Die gehen alle in den Apfelgarten hin, vor uns“ beruhigt mich Hans Krei, der meine Angst gespürt haben mag. Als wir am anderen Morgen erwachen, sind unsere Kleider trocken.
In Candor
Natürlich sind wir nicht dauernd vorne in Stellung. Zur Abwechslung sind wir auch mal 8. Tage in Ruhe, d.h. was man so Ruhe nennt. Tagsüber längere Zeit stramm exerzieren wie in Friedenszeiten, und abends um 9. Uhr antreten zum Schanzen. Dann marschieren wir bis fast hinter die vordere Linie. Gegen 2. Uhr nachts kommen wir zurück und um 5. Uhr wecken uns die Fliegen.
Candor liegt in einem Tal voller Äpfelbäume; soll früher ein beliebter Ausflugsort für die Pariser gewesen sein. Franzmann kann nicht hineingucken, nach Lagny kann er. Auf dem schönen, mit Laubwald bedeckten Hügelrücken vor Lagny haben wir Bickbeeren gepflückt. Nachher Festessen: Bickbeersuppe mit dickem Reismehl. Die Häuser sind einstöckig, ziegel- oder strohgedeckt, und meist innwendig ungeheuer dreckig. Ich wollte mir mal beim Bauer Butter kaufen, hatte gehört, dass er am Buttern wäre, Butter ist Seltenheit. Die Tür stand auf; drinnen an der Wand ein breites Bett, aus dem [eine] dicke schmutzige Federdecke heraushing auf den Lehmfußboden. Auf diesem, unter Tisch und Stühlen, vergnügten sich Hühner und Ferkel. Um den mit Unrat bedeckten Tisch waren der Pisang (paysan) und ein paar Kameraden beschäftigt, die Butter abzuschöpfen. Die Stube drinnen summte und brummte voller Fliegen, die in einer schaumigen weißen Masse eingebettet waren. Am nächsten Tage war diese schöne Butter schon ranzig. Nicht ranzige Butter scheint es im Frontgebiet nicht zu geben.
Unsere Kompagnie ist in der Kirche einquartiert. Das Kirchenschiff steht voller Drahtholzbettgestelle mit 2. Etagen. Die Heiligen haben sich in die Altarnische verziehen müssen, wo sie [ein] verstaubtes trauriges Kollegium bilden. Wir Unteroffiziere hausen in der Sakristei. In den Schränken dort liegen noch prächtige Priestergewänder, die wir uns mal angesehen, auch mal übergeworfen, dann aber wieder säuberlich weggepackt haben. Auch die Sakristei wimmelt von Fliegen. Wenn wir nachts vom Schanzen heimkommen, gibt es nochmals warmes Essen. Mein Freund Wolf, gleich den meisten Kameraden, futtert dann auch noch wie ein Wolf, aber ich bin so todmüde, dass ich mich nur so erschöpft hinhaue und sofort eingeschlafen bin.
Es ist klug, die Nacht auszunutzen. Morgens 5. Uhr kriechen einem schon die Fliegen in den Mund, setzen sich überall hin und stören im Schlaf. Sie beschmutzen alles. Es stinkt mörderlich nach Fliegendreck und ich habe mir von meiner Frau ein Fläschchen No. 4711 „Kölnisch Wasser“ senden lassen, mit dem ich mein Lager besprenge, um auch mal Anderes zu riechen als Fliegendreck.
Zwei Kameraden
Morgens, noch ehe wir auf sind, kommt regelmäßig ein freundlicher, dunkelhaariger und lockenbuschiger Kamerad herein in die Sakristei und sagt „Die Herren Unteroffiziere erlauben bitte, dass ich eben mal ihre Waschschüssel benütze. Ich bringe sie gleich zurück und bringe Ihnen auch einen Eimer Wasser mit.“ Das ist Jakob Birnbaum, Kaufmann aus Kiel, jetzt wohl bestallter Battaillionsordonanz. Man sagt, er habe sich auf dem Vormarsche ein Fahrrad besorgt und sei kraft dessen und seines zuvorkommenden Wesens Ordonanz geworden; braucht nicht mit in den Graben. Er ist noch Kaufmann, handelt mit Fliegenschleiern, Antiläusepäckchen, Ansichtskarten, Fußsalbe u.s.w. Neulich hat er Urlaub gehabt. „So ein Pech“, erzählte er nachher, „meine Frau war gerade, na Sie wissen wohl, was ich meine“. Ein Pech kommt selten allein. Er verbummelte etwas im Dienst, wurde abgelöst und nach vorne geschickt. Aber leider kam Herr B. nicht vorne an. Nach Tagen fand man ihn im Keller verkrochen. Zur Strafe wurde er einige Zeit an einen Baum gebunden. Schadet aber alles nichts, Herr Birnbaum ist dank seines Fahrrades und seines zuvorkommenden Wesens schon wieder Ordonanz.
Schon bald fiel mir ein Kamerad auf, lang und hager, noch recht jung anscheinend, mit einem bräunlichen Dante-Gesicht. Das ist Sigurd Maneta Jakobesen! Niels Lhyne trägt er dauernd in der Tasche. Er ist Student der Rechte, das Interesse für Literatur verbindet uns. Er interessiert sich auch für meine Schnippeleien und Federzeichnungen, sogar für meine Gedichte. Wir haben manch angenehmes Plauderstündchen zusammen. Da er Jude ist, wird es mit seiner Offizierslaufbahn nicht viel werden. In meiner Korporalschaft ist auch mein Freund Wolf, auf dem Weg ins Feld lernten wir uns kennen. Er ist kriegsgetraut und liest mir sehr liebe Briefe seiner Frau vor. Abends strolchen wir, so oft wir können, durch die Apfelparks und suchen schöne Äpfel. Das meiste Obst ist leider Mostobst und zum Rohessen nicht gut.
Jeden Morgen kommt ein Bauer mit Milch in die Kirche. Er ist sie immer schnell los. Da ich mit ihm französisch rede, gehöre ich zu seinen bevorzugten Kunden. Er behauptet Holländer zu sein, kann jedenfalls auch plattdeutsch. Ich benütze die Gelegenheit und schwatze mit ihm, soviel ich kann. Die Zunge ist mir allerdings noch recht ungelenk, trotzdem lerne ich sehr schnell, etwas zu quasseln. Ich bin sogar bei ihm zum Essen eingeladen worden. Nachher gabs Cider oder vielmehr frischgepressten Most. Es war leider auch bei ihm recht dreckig.
Neben der Kirche wohnt ein altes Satansweib. Ihren Enkel hat die alte Hexe, -sie spricht übrigens tadelloses Französisch und deshalb unterhalte ich mich mit ihr- so eingeschüchtert, dass er keinem Soldaten die Hand gibt. Sie erzählt mit entrüstet, dass sie zur Zeit des ersten Vormarsches in der Kirche gewesen sei, Verwundete zu pflegen, inzwischen habe man ihr ihre Hühner geklaut. Alle Schuld am Kriege habe der Kaiser. Man soll ihn doch ermorden und wenn kein Mann mutig genug dazu sei, solle eine Frau es tun.
Kochkunst
Die Fliederbeeren sind hier sonderbarerweise schon Ende Juli reif. Ich habe mir eine Handvoll schwarze Dolden gepflückt, um eine Fliedersuppe mit Äpfeln zu kochen. Eine mir begegnende Franzosenfrau versicherte mir, diese Beeren seien sehr giftig. Ich leistete Bedeutendes im Kochen. Für Scherenschnitte habe ich mir Brennsprit eingetauscht, in der Küche etwas Zucker, Gries und Mehl geschnurrt, und daraus werden die wunderbarsten kalten Puddings und ähnliche Leckereien. Eine Sache aber habe ich ausgeknobelt, die sich selbst im Schützengraben machen lässt und die unübertrefflich, schmackhaft und bekömmlich ist. Also man nehme seinen Kochgeschirrdeckel und zünde seinen Hartspiritus an. Tue irgendwelches Fett in den Deckel-Talg von den Konserven, ranzige Butter, galstrigen Speck oder leckeres Schweineschmalz. Wenn es brät, bröckele man Kommissbrot hinein, dass nun herrlich prasselt und bruzzelt. Ehe es nun anbrennt, wird Zucker hineingestreut und so wird eine Speise fertig, die schmeckt und duftet wie der leckerste Pfannkuchen. Oft und oft habe ich mich daran gepflegt.
Anmarsch
Nach acht Tagen Regen haben wir so viel Fliegendreck in uns gefressen, dass wir fast alle an der Fliegenkrankheit leiden, das heißt an Übelkeit und Durchfall. Da sind wir froh, wieder in den Graben zu dürfen. Unterwegs kommen wir durch La Portière. Es liegt in einem engen Talkessel und hat eine seltsame Ruine, die nach einer verfallenen Kirche aussieht. Wie wir da im Dunkeln halten, heults auf einmal in den Lüften und mit gewaltigem Echo haut man Granaten in die Ortschaft. Alles springt, heillos erschrocken, auseinander. Ich in die Nesseln des Straßengrabens, die mir eklig Hände und Schnauze verbrennen. Als wieder alles still wird, sind wir schnell wieder auf, die Offiziere schimpfen ein wenig. Wir ziehen an den Ruinen vorbei aus dem Tale auf eine wellige Ebene, deren hohes üppiges Gras unsere Knie streift. Die leuchtenden Mohnblumen erscheinen jetzt pechschwarz. Grillen und Wachteln machen Konzert. Wir schreiten hell im Traum voran, dorthin wo es knallt.
Im Schneckenhaus
Abends sind an den Wänden der Laufgräben und unserer Waldecke leuchtende Flecke. Das sind die durchschnittenen Baumwurzeln, die phosphoreszieren. Ein Lerchennest voller Junge habe ich da auch entdeckt. Mir ist ein seltsamer Unterstand zur Verfügung gestellt worden. Ein einzelner Kamerad soll ihn mit großem Fleiße ganz allein erbaut haben. Es ist das reine Schneckenhaus geworden. Ich krieche rückwärts, eine schneckenartige, gewundene Treppe hinab, plumpse schließlich auf einen niedrigen Sitz. Dahinter ist noch eine Höhle, in der man zusammengekrümmt liegen kann.
Eben bin ich von Wache gekommen, habe mir ein Kerzenstümpchen angezündet und lasse mirs wohl sein, bei kaltem Kaffe und Kuchen. Die vielen Fett- und Kuchenpakete aus der Heimat sind einfach wunderbar! Plötzlich ein gewaltiger Einschlag. Aus ist die Kerze. Kaum habe ich sie wieder angezündet, als ein gewaltiger Luftdruck sie wieder auspustet. Noch einmal zünde ich sie an, aber es hat keinen Wert mehr. Es brummt und kracht und heult und splittert als ob alles in Fetzen gehen wollte. So etwas ist mir neu, und ich bin deshalb nicht wenig im Druck. Als die Beschießung ein wenig nachlässt, klettere ich die Treppe hinauf und gucke raus. Mir gegenüber liegt ein anderer Unterstand. Ich rufe, niemand hört. Ich merke, dass alles ausgeratzt ist. Na, da will ich einmal schauen, wo die geblieben sind. Mein Gewehr liegt ja sowieso vorschriftsmäßig in der Schießscharte. Richtig, weiter nach rechts ist der Graben voll von Kameraden, die interessiert nach links hinüber lauschen. Es scheint, als ob mit den etwa 1200 Granaten und Minen vor allem die dritte Kompagnie bedacht wurde.
Als die Schießerei vorbei ist, gehe ich nach deren Abschnitt und frage. Ein paar Verwundete hats gegeben, ein paar Fliegendeckungen, die einige Schritte von meinem Schneckenhaus entfernt lagen, sind eingehauen. Ich beschließe mich an dergleichen Artillerie- und Minenbeschießung zu gewöhnen.
Der Franzmann will uns anscheinend bange machen. Jeden Morgen, Punkt 6. Uhr fängt er an, Granaten und Minen in angenehmem Wechsel. Ich habe dann gewöhnlich Dienst, sitze gemütlich in meiner Schützenlaube und erfreue mich der morgendlichen Waldesstille. Jiiih-rumps! Da kommt No. 1. Nur mit die Ruhe! Ich nehme eine Feldpostkarte, schreibe an meinen Vetter, indem ich versuche das Fortschreiten der Beschießung zu schildern. Ich sehe die Granatsplitter durch die Äste der Eichen springen. Krachen und Gesause wächst immer mehr an. Schließlich scheint mirs genug der Gewöhnungen, ich verziehe mich ein wenig zu den Kameraden hin, die im Eingang des nächsten Unterstandes hocken. Inzwischen ist mein Dienst beendet, die Schießerei noch nicht. Ich beschließe meinen Freund Brodersen zu besuchen, der mit Lt. Schwoon zusammen einen ganz großartigen Unterstand bewohnt. Er ist wie ein geräumiges Blockhaus. Er empfängt mich sehr erfreut, aber er ist so müde, legt sich auf eine Bank und ist trotz der Kanonade im Augenblick eingeschlafen. Das hat mir gewaltig imponiert.
Unglück
Mein Leutnant ist ein großer Affe, ein unausstehlich hochmütiger Mensch. Ich bin deshalb heil froh, als ich mich zum 3.tem Zug, zu Lt. Schwoon hin verdrücken kann. Das ist ein wunderbarer feiner Kaufmann aus Oldenburg. Vor seinem Quartier in Candor hängt immer die blaue oldenburgische Flagge mit dem roten Kreuz. Solche Artilleriebeobachtung kann auch mal schief gehen. Ganz rechts in der Waldecke scheint es uns ganz sicher zu sein. Dort hat man auch zuerst mit dem Unfug der Schießscharten, durch die man nur Gras sehen kann, aufgehört. Ein freier Schießstand ist dort mit gutem Ausblick. Ich habe mir noch im Frühjahre 1914 ein billiges Fernglas gekauft, das ich mit raus genommen habe. Karl Baasch hat es geliehen um zu sehen, wie unsere Artillerie nach Canny hinein funkt. Peter Senner und ich stehen daneben. Es heult und rauscht und kracht, für uns in dem Gefühl, unbeteiligter Zuschauer zu sein ganz herzerquickend.
Plötzlich rennt Peter Senner fort, so schnell er kann, springt um die nächste Grabenecke. „Was will er, was ist los mit ihm?“ Später kommt es raus. Entweder von einem zu kurz gehenden Geschoss von uns oder durch Vergeltungsfeuer der Franzmänner war ihm ein kleiner Splitter, kaum 1.cm breit in die Lunge geflogen. Einige Tage [später] begrub man ihn in Lagny mit großem Gefolge und Regimentsmusik. Kamerad Brodersen hatte mit uns eingedrillt „Wie sie so sanft ruhen“ das wir von der 4.ten an seinem Grabe sangen.
Schon während wir abrückten vom Friedhof, sehen wir Armierungsleute heranmarschieren, die auch einen Toten begraben hatten. Es ist ihnen schlecht bekommen. Das Franzmann musste wohl Einblick in den Friedhof haben. Er setzte eine schwere Granate mitten in die Trauerversammlung. 20. Tote und Verwundete lagen im Blute.
Mein Geburtstagsabend, den 23 August 1915, war wenig angenehm. Wir sollten abgelöst werden. Schon stand alles marschbereit und wartete. Als die Ablösung noch nicht kam, fiel mir ein, noch einmal zur Latrine zu gehen, also ließ ich Tornister und Helm auf der Grabenkante und verschwand. Bei der Rückkunft, denk ich, mich laust der Affe, der Graben ist voll unbekannter Kameraden. Mein Helm schon unters Fußvolk. Der Tornister lag glücklicherweise noch da. Ich beschließe den Weg abzuschneiden, gehe eilends quer durch den Wald, klettere, wo ich meine, dass es recht ist, aus dem Graben, versuche den Waldausgang zu gewinnen. Prost Mahlzeit! Da ist ein tiefer Graben vor mir, ich klettere hinein, aber die andere Seite erfordert einen Akrobaten. Da überkommt mich ein Gefühl der Wurstigkeit. Gemächliche sockele ich wieder in die Hauptstellung zurück und dann auf dem bekannten Weg zum Waldausgang hin. Alles ist totenstill den Abend. Ob ich die Komp. noch einholen werden. Richtig, da vor mir her im nebeldämmernden Apfelgarten bewegt sich etwas, auch klappert es da. Das ist die geliebte vierte. Man setzt gerade die Gewehre zusammen, denn es soll noch erst geschanzt werden, ehe es weiter geht.
Es wird bald heller Mondschein. Da zeichne ich einen Apfelbaum, der das Grundmotiv wurde zu meinem Scherenschnitt „Häschen unterm Apfelbaum“. Zu essen gibt’s nie Kartoffeln, sonst abwechselnd Bohnen, Erbsen, Graupen mit Pflaum- und Milchreis, Bohnen wiegen vor. Leider kann ich sie schlecht vertragen, bekomme regelmäßig Magensäure danach.
Schanzen
So viel Sternbilder wie jetzt habe ich noch nie gesehen und gekannt. Nachts, wenn wir zum Schanzen marschieren, treiben wir öfters Sternkunde. Mein Vetter hatte mir eine schöne Sternkarte ins Feld geschickt, die uns gute Dienste leistet. Neulich marschierte ich in der Marschkolonne, am Ende unserer Kompagnie, so dass gleich hinter mir schon Leute einer fremden Kompagnie gingen. Einer von ihnen führte ein großes Wort. Da wir noch erst im Walde hinter „La Portière“ waren, durfte noch laut gesprochen werden.