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Gina Greifenstein ist gebürtige Unterfränkin. Vor über 20 Jahren ist sie jedoch in der Pfalz gestrandet – in der Südpfalz, um genau zu sein. Dort lebt und arbeitet sie als freie Autorin. Gina Greifenstein schreibt Krimis, Kochbücher und Romane.

Ihre Ausbildung zur Hauswirtschafterin war der Grundstein für das, womit sie heute am erfolgreichsten ist: mit Kochbüchern. Bei Gräfe und Unzer sind bisher acht erschienen, darunter die Bestseller 1 Teig – 50 Kuchen und 1 Teig – 50 Torten. Und im Leinpfad Verlag viereinhalb: Das erste Pfälzer Tapas-Kochbuch, das ganz schlicht Pfälzer Tapas heißt, das zweite Tapas-Kochbuch, Noch mehr Pfälzer Tapas, das Pfälzer Kartoffelbuch, Ginas Plätzchen-Buch. Mit Plätzchen durchs Jahr und (zusammen mit Herbert Michel) Lust auf Blutwurst. Gina Greifenstein ist aber auch Krimi-Autorin – jede Menge Kurzkrimis und inzwischen zehn Romane (darunter die Pfalz-Krimi-Reihe um Kommissarin Paula Stern) so wie Krimi-Anthologien stammen von ihr.

Im Leinpfad Verlag hat sie die Weihnachts-Anthologie Tödlicher Glühwein. 21 Weihnachtskrimis aus der Pfalz herausgegeben.

Sie ist jederzeit buchbar – für Lesungen, Buchvorstellungen, Koch- und Backkurse oder Koch- und Backvorführungen, egal ob Tapas oder Plätzchen. www.gina-greifenstein.de

GINA GREIFENSTEIN

Paparazzo

Paula Sterns zweiter Fall

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Die Handlung ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Leinpfad Verlag
Überarbeitete Neuauflage 2019

Alle Rechte, auch diejenigen der Übersetzung, vorbehalten.
Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne die schriftliche Genehmigung des Leinpfad Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: U. Kosa, Ingelheim
Layout: Leinpfad Verlag, Ingelheim

Leinpfad Verlag, Leinpfad 5, 55218 Ingelheim,
Tel. 06132/8369, Fax: 896951
E-Mail: info@leinpfadverlag.de
www.leinpfadverlag.com

eISBN 978-3-945782-54-5

Inhalt

1. Montag, 8. August

2. Dienstag, 9. August

3. Mittwoch, 10. August

4. Donnerstag, 11. August

5. Freitag, 12. August

Nachwort

Die „Tatorte“

REZEPTE

Besten Dank …

1.
Montag, 8. August

Paula Stern schaute wechselweise auf den kleinen Nummernzettel in ihrer Hand und auf die Nummernanzeige an der Wand gegenüber. Seit fast einer Stunde saß sie jetzt hier und wartete ungeduldig darauf, dass sie endlich an die Reihe kam. Offenbar hatte sie sich einen schlechten Morgen ausgesucht, um ihr Motorrad umzumelden. Viel zu viele Andere hatten offensichtlich dieselbe Idee gehabt wie sie.

Eigentlich hatte sie ja Zeit, heute war ihr freier Tag. Aber sie hatte Besseres zu tun, als hier zwischen schätzungsweise fünfundzwanzig ummeldefreudigen Menschen zu sitzen. Bei ihr warteten daheim noch unzählige Umzugskartons darauf, ausgepackt zu werden. Der Umzug lag jetzt schon sechs Wochen zurück, aber sie kam einfach nicht dazu. Zudem strahlte draußen die Sonne von einem wolkenlos blauen Himmel herab – sie säße also jetzt lieber auf ihrer Honda als hier in diesem Raum voller verbrauchter Luft und Männerschweiß.

Wieder sah sie auf ihren Zettel mit der Nummer 97, um gleich darauf auf der Anzeigentafel unverändert Nummer 89 zu lesen. Ihrem Gefühl nach ging es gar nicht voran. Kein Wunder, denn jeder dritte Wartende hier hatte eine Tasche voller Nummernschilder bei sich – offenbar meldeten sie gleich mehrere Fahrzeuge für irgendwelche Autohäuser an.

Paula war unangenehmerweise die einzige Frau hier. Geschickt wich sie den glotzenden Blicken einiger lästiger männlicher Artgenossen aus.

Da erschien endlich Nummer 90 auf der Anzeigentafel – wenigstens ein kleiner Fortschritt! Einer der penetrantesten Glotzer erhob sich und verschwand in Raum 2.

Paula überschlug in Gedanken, wie lang sie wohl noch hier sitzen musste: Sechs Leute kamen vor ihr dran – jeder brauchte zwischen 10 Minuten und einer Viertelstunde ... sie rechnete gar nicht erst fertig.

Ihr Handy klingelte in ihrer Lederjacke. Alle Blicke wandten sich ihr interessiert zu. Paula ignorierte das Klingeln – sie würde diesen neugierigen Typen keine Chance zum Lauschen geben!

Der Glotzer kam wieder raus, zwinkerte ihr anzüglich zu, worauf sie sich nur mit Mühe beherrschen konnte, ihm nicht den Stinkefinger zu zeigen.

91.

Ein älterer Herr mit geschätzten 10 Schildern kam als Nächstes an die Reihe – das würde ewig dauern.

Noch einmal betrachtete sie das Zeitschriftenangebot auf dem Tisch in der Mitte des Raumes. Fast alles Auto-Zeitungen, was sie kein bisschen interessierte. Der Rest waren bunte Skandalblättchen, die sich einzig und alleine um das Leben der Schönen und Reichen kümmerten – und das interessierte sie noch weniger.

Wieder klingelte das Handy in ihrer Tasche. Wieder trafen sie diese neugierigen Blicke.

92.

„Ja, wolle Se nit mool draagehe?“, erkundigte sich ihr Nachbar.

Paula winkte ab. „Wird schon nicht so wichtig sein.“ Sie tippte eh auf einen Anruf ihrer Mutter, und die konnte sie später zurückrufen.

„Alla, des is jo Ihr Sach! Aber vun do sinn Sie aascheinend nit, so, wie Sie babble!“, stellte er munter fest und deutete auf das Nummernschild auf ihrem Schoß. „Vun Minchen, nemm ich emol aa?“

Paulas erster Reflex war, das Nummernschild umzudrehen, aber dazu war es jetzt eh zu spät. Sie nickte nur unverbindlich.

„Ich wor aach emol in Minchen – uff’m Ogdoberfescht!“ Er grinste selig bei der Erinnerung an diesen Höhepunkt seines Lebens. „Un Sie?“ Sein seliger Moment hielt nur kurz an. „Hot Sie die Liwwe in der Palz aag’schwemmt?“

Paula verstand nur Liebe und schüttelte den Kopf.

„Ach, donn beschdimmt der Dschobb! Is schu arich, wenn mer blooß weche der Aarwet umzieche muss. Des werd allerweil immer schlimmer!“

Als Paula nicht antwortete, bohrte er weiter. „Ei, was fer en Dschobb mache Sie dann, wenn mer frooche derf?“

93.

„Ich bin bei der Polizei“, gab sie Auskunft und angelte sich nun doch eines dieser Schmierblättchen vom Tisch, in der Hoffnung, sich dahinter vor ihrem aufdringlichen Fragensteller verstecken zu können.

„Bei der Bolizei – ja wu denn dann? Mei ääner Neffe ist nämmlich aach bei der Bolizei!“

„In Landau“, antwortete Paula kurz.

94.

„Ach, des is awwer schaad, grad, wu mir uns so schää underhalde hawwe!“ Sichtlich ungern erhob sich ihr Nachbar. „Ich bin näämlisch die Viereneunzisch!“ Wie zum Beweis hielt er ihr seinen Zettel vor die Augen. „War mir ään Vergnieche, Frau Bolizischdin!“ Winkend verschwand er hinter Tür Nummer 1.

Paula vertiefte sich erleichtert in den Bericht über irgendeinen Presseball, auf dem irgendeine ihr völlig unbekannte Schauspielerin mit einem viel zu tief ausgeschnittenen Kleid mit dem Gatten einer hochschwangeren, ihr ebenfalls unbekannten Moderatorin viel zu eng getanzt haben soll. Und das interessierte tatsächlich einen Großteil der Weltbevölkerung?, wunderte sie sich. Am Schlimmsten fand sie jedoch, dass man mit solchen Nachrichten überhaupt Geld verdienen konnte!

Lustlos warf sie die Zeitung zurück auf den Tisch.

95.

Eine Tasse Kaffee wäre jetzt nicht schlecht, dachte Paula sehnsüchtig. Und ein oder zwei süße Teilchen dazu! Ihr Magen begann unwillkürlich zu knurren.

96.

Sie sah auf die Uhr. Gleich zwölf. Inzwischen hatte sie einen ganzen Vormittag hier verbracht – kein Wunder, dass sie Hunger hatte!

97, endlich!

Sie schnappte sich ihren Helm und betrat erleichtert Anmelderaum Nummer 2.

Als die freundliche junge Angestellte gerade ihre Daten aus ihrem Fahrzeugschein in den Computer eingab, klingelte Paulas Handy erneut.

„Entschuldigen Sie bitte“, murmelte sie und zog das Telefon hervor. ‚Keeser‘ verriet das Display. Was wollte der denn an ihrem freien Tag von ihr?

„Da muss ich leider rangehen, tut mir leid.“ Sie schickte ihrem Gegenüber ein um Verständnis heischendes Lächeln über den Schreibtisch. „Hallo, Lieblingskollege“, meldete sie sich. „Was gibt es so Wichtiges, dass du mich an meinem freien Tag störst?“

„Mann, Paula, wo treibst du dich denn rum, ich hab schon mehrmals versucht, dich zu erreichen“, nörgelte Bernd Keeser in ihr Ohr.

„Ich bin in der Kreisverwaltung und melde mein Motorrad um.“ Die Angestellte war anscheinend fertig mit der Datenerfassung und sah Paula erwartungsvoll an.

„Komm sofort her“, forderte Keeser. „Wir haben einen neuen Fall – ein Toter in den Weinbergen.“

„Vergiss es, ich bin nach Stunden des verzweifelten Wartens gerade zum Allerheiligsten vorgedrungen – mich trennen nur noch Minuten von einem neuen Nummernschild“, antwortete sie schroff. „Warte mal kurz …“ Sie nahm das Handy vom Ohr, legte die Hand darüber und wandte sich der Angestellten zu, die sie geduldig ansah. Keesers Stimme kam jetzt als ein leises Krächzen zwischen ihren Fingern hervor.

„Wollen Sie einen bestimmten Buchstaben für Ihr Schild? Den Anfangsbuchstaben Ihres Namens zum Beispiel? Das kostet dann aber ein paar Euro mehr.“

Paula überlegte und schüttelte dann den Kopf. „Das ist mir vollkommen egal, das Schild darf nur nicht zu groß werden.“ Sie nahm das Telefon wieder ans Ohr. „Mann, Keeser, kannst du nicht mal einen Moment die Luft anhalten?“

„Ich brauch dich hier, und zwar schnell!“ Er dachte offenbar nicht im Traum daran, die Luft anzuhalten.

„Der Kerl ist doch tot, der wird mir schon nicht davonlaufen.“

Paula sah die junge Sachbearbeiterin erblassen und ängstlich zu hier herübersehen. Ihre Kollegin am Nachbarschreibtisch hielt auch in ihrer Arbeit inne und starrte sie entsetzt an.

„Ich brauche hier vielleicht noch eine halbe Stunde, dann komme ich sofort, versprochen! Wo ist das?“ Sie angelte sich einen Stift vom Schreibtisch, und die Angestellte schob ihr eilfertig einen Zettel hin.

Paula nickte ihr dankbar zu und schrieb mit, was Keeser ihr durchgab.

„Okay, wir seh’n uns dann!“ Sie klappte ihr Handy zu.

„Ich bin bei der Kripo – Mordkommission“, erklärte sie das seltsame Telefonat.

Die beiden jungen Frauen lächelten erleichtert und widmeten sich wieder ihrer Arbeit. Paula bekam ihre Unterlagen und wurde in den Keller geschickt, wo sie ihr neues Schild bekommen würde.

Sie hatte schon die Klinke in der Hand, als sie sich noch einmal umdrehte. „Könnten Sie mir vielleicht noch sagen, wie ich von hier nach Schweigen komme?“

„Am besten, Sie fahren wieder zurück nach Landau, dann rechts halten Richtung Bad Bergzabern“, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Immer geradeaus und dann vor Bergzabern auf die Umgehungsstraße Richtung Straßburg. Dann landen Sie automatisch in Schweigen.“

„Dort ist das Deutsche Weintor, gar nicht zu verfehlen“, fügte ihre Kollegin freundlich hinzu.

Von da an ging alles zügig. Wenig später hielt Paula ihr neues Nummernschild in den Händen. Etwas wehmütig entwertete sie ihr Münchener Kennzeichen mit einer Art Fräse. Sie zögerte einen Moment. Sollte sie es wirklich in die Altmetalltonne werfen oder lieber als Andenken an ihre Jahre in München aufheben? Doch was würde letztendlich aus diesem Andenken werden? – Genau: Eines schönen Tages würde sie dieses Schild doch wegschmeißen! Dann konnte sie es auch gleich tun. Beherzt öffnete sie den Deckel, und das Andenken an München verschwand auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen der Tonne.

Als Paula die Zulassungsstelle endlich mit ihrem neuen Schild verließ, überlegte sie kurz, ob sie es noch anschrauben oder doch lieber unverzüglich nach Schweigen fahren sollte. Keeser hatte immerhin ziemlich gedrängelt. Kurzentschlossen steckte sie das Nummernschild in den Rucksack, schwang sich auf ihr Motorrad und machte sich auf den Weg Richtung Frankreich.

Schweigen und das Weintor fand sie auf Anhieb. Sie fuhr in den Ort hinein und wieder zurück, aber ein größeres Polizeiaufkommen, das auf einen Tatort hinweisen würde, sah sie nicht. Also stellte sie ihre Maschine direkt vor dem historischen Tor ab und rief Keeser an. Sie betrachtete das beachtliche Bauwerk genauer, während sie darauf wartete, dass der Klingelton an ihrem Ohr der Stimme ihres Kollegen wich.

„Wo bleibst du denn?“, schnauzte diese ihr unsanft entgegen.

„Ich stehe genau an diesem Weintor, aber wo, verdammt, seid ihr?“, erwiderte sie ebenso wenig freundlich.

„Fahr noch ein Stück weiter Richtung Weißenburg, da steht rechts am Ortsausgang der alte Grenzposten – und davor geht ein Weg in die Weinberge. Mach hinne!“ Er hatte schon wieder aufgelegt.

„Ja, ich freu mich auch schon sehr auf dich“, murmelte Paula und setzte ihren Helm wieder auf.

An besagter Abzweigung stand dann auch unübersehbar ein Einsatzwagen der Kollegen von der Streifenpolizei, die die Zufahrt zum Tatort für Unbefugte absperrten.

Auch Paula hielten sie an.

„Ich bin vom K 9 – der Kollege Keeser ist schon vor Ort und erwartet mich“, teilte sie dem Beamten mit, der sofort auf sie zutrat, als sie abzubiegen versuchte.

Er sah sie prüfend an, doch bevor er etwas sagen konnte, sprang ein jüngerer Kollege herbei.

„Des is doch die Fraa Kommissar, die kannscht durchlosse“, klärte er den Älteren mit wichtiger Miene auf.

Paula erkannte den ansonsten sehr schüchternen Polizeimeisteranwärter kaum wieder.

„Hallo, Berger“, begrüßte sie ihn durch das geöffnete Visier. „Wie geht’s Ihnen?“

Augenblicklich wurde der junge Mann rot bis unter die Haarwurzeln. Paula musste grinsen, was er zum Glück unter dem Helm nicht sehen konnte.

„Der Herr Keeser ist aach schunn do“, sagte er verlegen.

Paula gab leicht Gas und fuhr an dem Streifenwagen vorbei.

„Fraa Schdern, Sie hawwe ja gar kä Nummernschild!“, hörte sie ihn noch hinter sich herrufen.

Kurz darauf ließ sie die letzten Häuser hinter sich. Sie folgte einer schmalen Straße, die links und rechts von endlos scheinenden Weinrebenreihen gesäumt war. Dann tat sich vor ihr eine Pfütze auf, groß wie ein See, die die Straße auf etwa fünfzehn Metern verschluckte.

Sie erinnerte sich, dass es die ganze Nacht geregnet hatte, und das hier war wohl das Ergebnis. Widerwillig hob sie die Füße hoch und rollte langsam durch das Wasser. Klasse, dachte sie wenig begeistert, wo ich so gern Motorrad putze!

Der Weg machte einen großen Rechtsbogen. Und dann sah Paula schon mehrere Einsatzfahrzeuge der Polizei, den Wagen der Gerichtsmedizin, sowie Keesers Dienstwagen und beim Näherkommen ein weiteres weiß-blaues Fahrzeug, das sie keiner ihr bekannten Behörde zuordnen konnte. Police municipale stand auf der Seitentür – sie tippte auf französische Polizei und fragte sich, was die hier verloren hatten.

Sie stellte ihr Motorrad ab und näherte sich dem Tatort.

Werner Dreißigacker kam ihr mit vollen Händen entgegen – anscheinend war die Kriminaltechnik mit ihrer Arbeit bereits fertig. „Sie werden schon sehnsüchtigst erwartet.“ Sein breites Grinsen verschwand fast in seinem buschigen Schnauzbart. Bestimmt wünschte sich der Techniker, dass seine Haare auf dem Kopf genauso buschig wären wie seine Gesichtsbehaarung, dachte Paula. Sie war froh, kein Mann zu sein, denn die meisten bekamen recht früh schwindendes Haar, wenn nicht gar eine Glatze.

Beim Näherkommen erkannte sie sofort ihren Kollegen, der die anderen weit überragte. Er hatte keinerlei Probleme mit dem Kahlwerden – seine dunklen Haare mit den grauen Strähnen, die Männer angeblich so interessant machten, waren noch dicht und standen ihm auch heute wieder ungebändigt, weil völlig frisurlos, vom Kopf ab.

„Na, endlich!“ Er winkte ihr über die Köpfe der andern hinweg zu.

„Du tust ja gerade so, als ob ihr ohne mich nicht zurechtkämt.“

Sie nickte den Anwesenden zu. „Grüß Gott, meine Herren.“

„Du kennst doch sicherlich das Buch ‚Nicht ohne meine Kollegin’? War damals ein Bestseller, wurde sogar verfilmt. Erstens sollst du dir selbst ein Bild von der Sache machen, und zweitens müsste ich dir sonst alles haarklein erzählen.“ Keeser trat zur Seite, damit sie die „Sache“, also die Leiche, sehen konnte.

Neben dieser kniete Andreas Knopp, der Gerichtsmediziner, der grüßend eine Hand hob.

„Hieß das Buch nicht ‚Nicht ohne meine Tochter‘?“ Paula trat näher.

Ein Mann lag langgestreckt zu ihren Füßen. Sein hell-blondes Haar war raspelkurz geschnitten, seine Haut war sehr hell und übersät mit großen Sommersprossen. Sie vermutete, dass er sein Leben lang Probleme mit der Sonne gehabt hatte. Auch die Augenbrauen waren blond, fast weiß, ebenso die Wimpern. Für einen Mann hatte er mädchenhaft geschwungene, sehr ausgeprägte Lippen, fast wulstig. Er war genau der Typ Mann, der ihr überhaupt nicht gefiel. Bekleidet war er mit einem dunkelblauen Anzug und einem blauweiß gestreiften Hemd. Keine Krawatte. Die dunkelbraunen, eleganten Lederslipper an seinen Füßen waren dreckverkrustet.

„Weiß man schon, wer das ist?“ Paula sah fragend in die Runde.

Sie erhielt nur Kopfschütteln und Schulterzucken als Antwort. Die beiden Beamten von der französischen Polizei schlossen sich wortlos ihren deutschen Kollegen an.

„Käne Babbiere, mir hänn alle Dasche durschgeguggd – ewenduell en Raubiwwerfall“, brach endlich einer das kollektive Schweigen.

„Polizeiobermeister Becker, ich grüße Sie! Und wie würde das wohl mein geschätzter Dolmetscher übersetzen?“ Paula sah Keeser an.

„Wir fanden bei dem Toten keinerlei Papiere, eventuell ein Raubüberfall“, kam die Übersetzung prompt.

„Dann also auch kein Handy?“

„Auch kein Handy.“

Keeser deutete auf die linke Hand des Opfers. „Seinen Ehering haben sie dann aber vergessen. Könnte also auch sein, dass der Mörder alles verschwinden lassen wollte, was uns die Identität des Mannes verraten könnte, und vielleicht wurde er dabei gestört.“

„Was macht ein Mann in diesem Aufzug mitten in den Weinbergen? – Wandern ja wohl eher nicht.“ Paula zeigte auf die ruinierten Schuhe. „Wie lang ist der Gute denn schon tot?“ Sie ging neben Knopp in die Hocke und befühlte mit zwei Fingern einen Anzugärmel des Toten. „Wohl noch nicht so lang, höchstens ein paar Stunden“, schlussfolgerte sie. „Der Pfütze da unten nach zu urteilen hat es die ganze Nacht geregnet, aber seine Kleidung ist so gut wie trocken.“

„Gut beobachtet! Und noch keine Leichenstarre“, sagte Andreas Knopp. Zum Beweis hob er den rechten Arm des Leichnams und bewegte ihn. „Also noch keine zwölf Stunden. Auf Grund der Temperaturmessung tippe ich auf sieben Uhr heute Morgen, plus minus eine halbe Stunde.“

Paula wandte sich an Keeser. „Wann wurde denn die Polizei benachrichtigt?“

Der wiederum blickte auffordernd hinüber zu seinen französischen Kollegen.

„Um ’alb ’acht ’eute Morgön“, sprachen beide wie aus einem Munde die ersten Worte, seit Paula vor Ort war – und das mit dem typischen Akzent, mit dem Franzosen Deutsch zu sprechen pflegen.

Das stimmte genau mit Knopps Berechnungen überein.

„Und wer hat ihn gefunden?“, fragte sie.

„Zwei polnische Erntehelfer.“ Keeser deutete auf zwei verlegen rumstehende Männer in Arbeitsklamotten. „Becker hat sie schon befragt. Sie wollten im Nachbarwingert dort drüben das Gras sensen und sind hier über die Leiche gestolpert.“

„Sie sollen ja nicht weggehen, damit wir auch noch mit ihnen sprechen können!“, ordnete Paula an. „Todesursache?“ war ihre nächste routinemäßige Frage, obwohl sie sich auf Grund der bläulich verfärbten Zunge, die zwischen den leicht geöffneten blassen Lippen zu sehen war, recht gut vorstellen konnte, wie der Ärmste gestorben war.

Knopp hob eines der Lider des Toten. Sie blickte in ein wasserblaues Auge mit trüber Pupille, ein eindeutiges Zeichen, dass der Tod vor über zwei Stunden eingetreten sein musste.

„Einblutungen in den Augen – ich tippe auf Tod durch Strangulieren“, bestätigte Knopp gleich darauf ihre Vermutung.

„Womit?“

Der Gerichtsmediziner schüttelte ungläubig den Kopf und drehte sich um. „Keeser, du scheinst keinen guten Einfluss auf deine junge Kollegin zu haben – die ist schon genauso ungeduldig wie du.“ Er stand auf und winkte zwei seiner Mitarbeiter heran. „Einpacken!“, befahl er, worauf diese einen Leichensack und einen Transportsarg aus dem Transporter holen gingen.

„Genaueres wie immer nach der Obduktion, meine Liebe“, sagte Knopp ruhig und schenkte Paula einen eindringlichen Blick über die Ränder seiner Brillengläser hinweg.

„Was ist mit der Kriminaltechnik? Sind die schon fertig?“, erkundigte sich Paula.

„Hier bei der Leiche ist alles aufgenommen, jetzt wird die nähere Umgebung noch nach eventuellen Spuren abgesucht. Bisher wurde aber noch nichts Brauchbares gefunden.“

Paula hatte die beiden Leute in weißen Schutzoveralls, die gebückt zwischen den Rebenreihen umhergingen und jedes Blatt umdrehten, schon bei ihrer Ankunft gesehen.

„Anzeichen eines Kampfes?“

Knopp zog seine Gummihandschuhe mit lautem Schnalzen von den Fingern. „Nichts Offensichtliches – keine Verteidigungs- oder Abwehrspuren an dem Toten. Keine eindeutigen Spuren am Boden, die auf eine Rangelei oder einen Kampf hindeuten. Allerdings ein paar Schuhabdrücke in der nassen Erde zwischen den Reben. Die können aber gut und gerne auch von einem Winzer oder den Arbeitern sein, die ihn gefunden haben. Wir haben alle Abdrücke abgenommen. Aber es ist ja auch noch etwas früh für Ergebnisse, finden Sie nicht auch, geschätzte Kollegin?“

Knopps Leute setzten den Sarg neben der Leiche ab.

„Stopp, liegen lassen!“, rief Paula, worauf die beiden erschrocken zur Seite wichen. „Die Leiche ist bewegt worden!“

„Meinst du?“, fragte Keeser und Paula fand, dass das irgendwie scheinheilig klang.

„Das sind doch eindeutig Schleifspuren.“ Sie zeigte auf unübersehbare Furchen im nassen Gras. „Die muss Dreißigacker doch auch bemerkt haben!“

„Was muss ich bemerkt haben?“

Paula sah zu dem Kriminaltechniker auf, der sich gerade neben Keeser stellte und neben diesem wie ein Zwerg wirkte. Wie ein kleiner, dicker Zwerg.

Aus dem Augenwinkel heraus sah sie dabei zufällig, wie Keeser und die beiden Franzosen Blicke wechselten.

Paula stellte daraufhin die Frage, die sie schon seit ihrer Ankunft im Weinberg beschäftigte: „Was machen denn eigentlich unsere französischen Kollegen hier?“

Keeser druckste herum. „Na ja, das hier ist sozusagen Grenzgebiet …“

Paulas Blick wanderte den Weinberg hinab. „Dort drüben beginnt also schon Frankreich?“

Keeser hüstelte. „Eigentlich beginnt hier schon Frankreich.“

„Wie hier?“

„Na hier, genau neben der Leiche – dort drüben ist der Grenzstein.“

Paulas Blick folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger und blieb ein paar Meter weiter an einem Sandsteinbrocken am Wegesrand hängen.

„Ja, und?“ Sie schaute die drei fragend an.

Knopp neben ihr kramte geschäftig in seiner Tasche herum, seine Mitarbeiter steckten sich jeder eine Zigarette an. Dreißigacker untersuchte auffällig konzentriert seine Fingernägel.

„In welchem Land liegt der Tote denn nun?“ Während sie das fragte, ahnte sie schon, wie die Antwort darauf lauten würde.

Wie erwartet, sagte Keeser: „Jetzt in Deutschland.“

„Willst du mir damit sagen, dass er vorher nicht auf deutschem Boden lag?“, fragte Paula ungläubig.

„Nicht ganz …“

„Nicht ganz?“ Sie sah von einem zum anderen.

„Na ja, nur zur Hälfte halt.“ Keeser sah sie prüfend unter seinen buschigen Augenbrauen hervor an.

Paula schnappte nach Luft. „Und da habt ihr ihn einfach mal schnell nach Deutschland rübergezogen?“

Stummes Nicken um sie herum.

„Nee, oder?!“ Sie konnte es nicht glauben.

Keiner sagte etwas.

„Aber warum denn?“

„Wegen der Zuständigkeit. Die Kollegen hier sind von der Gemeindepolizei und nicht für derartige Fälle zuständig. Man hätte also die Police nationale hinzuziehen müssen“, begann Keeser schließlich zu erklären. „Und wir sind nach eingehender Beratung zu dem Schluss gekommen, dass es viel einfacher für alle Beteiligten ist, wenn nur eine Behörde in diesem Fall ermittelt …“

„So was geht ja wohl nur in der hinterletzten Pampa!“, stieß Paula hervor. „Und warum habt ihr den armen Kerl dann nicht nach Frankreich verfrachtet?“, fragte sie angriffslustig. „Das wäre auf jeden Fall einfacher für unsere Behörde gewesen!“

„Wir gehen davon aus, dass der Tote deutscher Staatsbürger ist …“, fuhr Keeser kleinlaut fort, was Paula von ihm gar nicht gewöhnt war.

„Ach, ja? Und wie seid ihr, bitteschön, so ganz ohne Ausweispapiere zu diesem Schluss gekommen?“

„Anzug: deutsches Fabrikat. Hemd ebenfalls. Schuhe auch.“

„Gewagte Theorie, meine Herrn – hoffentlich hat das kein Nachspiel. Kollege Dreißigacker, was sagen denn Sie dazu?“, wandte sie sich hilfesuchend an den Mann vom Kriminallabor.

„Ich glaube, Sie haben Ihr Nummernschild verloren.“

„Falsche Antwort! Einen Versuch haben Sie noch!“ Paula musste sich sehr anstrengen, angesichts dieser Provinzposse nicht zu lachen. Unwillkürlich musste sie an „Das königlich bayerische Amtsgericht“ denken, eine Vorabendserie aus ihrer frühesten Jugend, in der genau solche aberwitzigen Fälle vor einem ebenso aberwitzigen Provinzgericht verhandelt wurden.

„Der Mann ist tot, Paula. Für die Ermittlungen ist nicht relevant, in welchem Land er gestorben ist. Wir werden ermitteln wie sonst auch und den Täter überführen.“

„Und wenn sich herausstellt, dass unser Toter Franzose ist?“ Paulas Stimme klang unverändert gereizt.

„Dann werden wir die französischen Behörden mit in die Ermittlungen einbeziehen“, sagte Keeser besänftigend.

„Und wenn wir herausfinden, dass der Mörder Französischer Staatsbürger ist?“

„Auch dann, Paula. Bisher haben wir das ja auch immer geschafft.“

„Immer? Soll das heißen, ihr schiebt regelmäßig Leichen über irgendwelche Ländergrenzen? Knobelt ihr vielleicht sogar darum?“

„Mann, Paula, jetzt gib doch endlich Ruh‘! WIR ermitteln, und damit basta!“ Keeser wollte endlich diese leidige Diskussion beenden. „Kannst ja Beschwerde einlegen, wenn du unbedingt willst – ich will jetzt auf jeden Fall mit der Arbeit anfangen. Wenn wir noch lange hier herumstreiten, fängt der Gute noch zu stinken an!“

Was gar nicht so weit hergeholt war, denn es war inzwischen wieder richtig heiß geworden. Paula nahm den Rucksack ab und zog die viel zu warme Lederjacke aus. Sie legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und überlegte kurz. Dann gab sie schließlich Knopps Leuten Zeichen, dass sie die Leiche abtransportieren konnten. Kopfschüttelnd stand sie daneben und beobachtete, wie der Leichnam erst in den Leichensack und dieser dann in den Transportsarg gelegt wurde. Paula sah Knopp und seinen Leuten nachdenklich hinterher.

Dreißigacker verabschiedete sich gleich darauf, und auch die französischen Beamten gingen zu ihrem Fahrzeug.

„Das darf ich keinem erzählen“, seufzte Paula, als nur noch Hans Becker bei ihnen stand.

„Was ist mit deinem Nummernschild?“, wechselte Keeser das Thema.

Sie rollte genervt mit den Augen und deutete auf den Rucksack. „Es ist da drin, ich hatte ja keine Zeit, es anzuschrauben.“

„Es ist verboten, ein Kraftfahrzeug ohne amtliches Kennzeichen auf öffentlichen Straßen zu bewegen“, bemerkte Keeser schmunzelnd.

„Es ist sicherlich auch verboten, Leichen einfach mal schnell über öffentliche Staatsgrenzen zu bewegen!“, fauchte sie.

„Es war doch nur eine halbe Leiche …“ Seine Augen funkelten spitzbübisch.

Jetzt musste sie doch grinsen. „Wo bin ich hier nur hingeraten?!“

Keeser schaute an ihr vorbei, in die Richtung, aus der sie vorhin gekommen war, und verzog das Gesicht. „Ach, herrje, die hat mir gerade noch gefehlt!“, brummte er nicht gerade begeistert.

Paula drehte sich um und sah, wie Staatsanwältin Marianne Renner am Wagen der Gerichtsmedizin mit Knopp sprach. Gerade wurde der Leichensack geöffnet, damit sie einen Blick auf den Toten werfen konnte. Als sie damit fertig war, kam sie hüftschwingend auf sie zugestöckelt. Sie trug wie immer ein eng sitzendes Kostüm – heute in feuerrot – und farblich passende hochhackige Pumps dazu. Und sie sah wie immer hinreißend darin aus, fand Paula. Marianne Renners kastanienbraune Locken wippten als Pferdeschwanz bei jedem ihrer energischen Schritte hin und her. …und augenblicklich kam sich Paula in ihrer Lederkombi und den klobigen Motorradstiefeln schrecklich plump dagegen vor.

„Ohoh“, entfuhr es Becker angesichts der nahenden Bedrohung, und auch er machte sich aus dem Staub.

„Was Staatsanwältin Renner wohl zu eurem kleinen Grenzverkehr sagt?“, stichelte Paula.

„Sie muss es ja nicht unbedingt erfahren …“

„Ist das Ihr Motorrad, das da vorn ohne Nummernschild rumsteht?“, waren die Begrüßungsworte der Staatsanwältin. „Sie wissen schon, dass das nach Strafgesetzbuch eine Straftat ist?“, fuhr sie fort, ohne eine Antwort abzuwarten. „Aber, da sie ja offensichtlich im Einsatz sind, kann man eventuell darüber hinwegsehen – kommt auf den Staatsanwalt an, der die Sache bearbeitet.“ Ihr Blick glitt über die Weinberge hinüber zu den Hügelkuppen, die einen auf Grund ihres Baumbestandes glauben machen könnten, man sei in der Toskana. „Mein Gott, ist das ein schönes Fleckchen Erde!“ Tief atmend blieb sie bei Paula und Keeser stehen.

„Was verschafft uns denn die Ehre Ihres Besuches?“, fragte Keeser säuerlich. „Sind Sie beim Wandern etwa zufällig vorbeigekommen?“

„Das ist mein Fall – ist doch logisch, dass ich mich mal an Ort und Stelle umsehe, oder?“ Sie betrachtete die weißen Umrisse, die die Kriminaltechniker um den vormals am Boden liegenden Toten gesprüht hatten. „Und Sie sind sicher, dass der Körper auf deutschem Boden lag?“

Paula wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Marianne Renner schon weitersprach: „Es ist nämlich immer so schrecklich kompliziert, wenn die Behörden von zwei verschiedenen Ländern an einem Fall arbeiten müssen.“

Keeser stieß Paula unsanft mit dem Ellenbogen an, worauf diese den Mund wieder schloss und schwieg.

„Definitiv deutscher Boden!“, bestätigte Keeser unverfroren mit dem Brustton der Überzeugung. „Knapp zwar, aber doch eindeutig – gleich dort drüben ist der Grenzstein.“

„Gut. Und, was wissen wir bis jetzt?“ Wieder wanderte ihr Blick über die toskanaähnlichen Erhebungen jenseits der Grenze. „Jemand von hier? Oder ein Tourist?“

„Wir wissen noch gar nichts über den Toten. Am besten, wir klappern mal alle Hotels und Pensionen in der Umgebung ab, vielleicht erkennt ihn ja jemand“, sagte Keeser eifrig.

„Da liegt was …“ Die Staatsanwältin machte zwei Schritte von dem befestigten Wirtschaftsweg ins Gras, auf die Stelle zu, wo bis vor Kurzem noch der Leichnam gelegen hatte. Augenblicklich versank sie mit ihren hohen Absätzen in der aufgeweichten Erde.

Keeser trat geistesgegenwärtig zu ihr und hielt sie am Arm fest, damit sie nicht stürzte.

„So ein Mist!“, fluchte Marianne Renner wenig damenhaft und zog – auf Keesers hilfsbereiten Arm gestützt – die Schuhe mit schmatzendem Geräusch wieder aus dem Erdreich. Sie ließ sich von ihrem unerschrockenen Retter zurück auf sicheren Boden führen. Ohne ein Wort des Dankes betrachtete sie mit grantig zusammengezogenen Augenbrauen ihre dreckverschmierten Pumps. „Verdammt, ich hab gleich einen Termin vor Gericht – wie sieht das denn jetzt aus!“

Keeser grinste verstohlen, während sich Paula nach dem bückte, was Marianne Renner bewogen hatte, den geteerten Weg zu verlassen. Ein Stück schwarzes Plastik, hart und spitz, es sah aus wie ein Splitter von … tja, von was?

Keeser holte eines seiner Beweismitteltütchen hervor und hielt es für sie auf.

„Hmm“, machte er nur, als er das Fundstück von allen Seiten betrachtete. „Na, Dreißigacker wird schon herausfinden, was das ist“, fügte er zuversichtlich hinzu und steckte die Tüte in seine Jacketttasche.

„Was halten die Damen von einem schönen Mittagessen?“, wechselte er abrupt das Thema. „Ein leerer Bauch ermittelt nämlich nicht gern!“

„Keine Zeit“, murmelte die Staatsanwältin und besah sich immer noch ihre versauten Schuhe. „Ich sollte wirklich mal ein paar Gummistiefel in meinem Kofferraum deponieren.“ Schlecht gelaunt machte sie sich auf den Weg zu ihrem Auto.

„Sieht bestimmt extrem scharf aus – die Renner in ihren sexy Kostümen und dann Gummistiefel dazu“, flüsterte Paula Keeser zu.

„Bestimmt besser als mein sexy Kostüm mit versauten Pumps, wie jetzt gerade, meine Liebe“, kam die Antwort prompt.

Paula musste ihr ein verdammt gutes Gehör attestieren.

„Wir sehen uns, meine Herrschaften!“ Marianne Renner winkte ihnen, ohne sich dabei umzudrehen, kurz zu und stakste weiter.

„Ich dachte, du magst sie nicht?“ Paula wartete mit dieser Frage, bis die Staatsanwältin im Auto saß und sie ganz sicher nicht mehr hören konnte.

„Mag ich ja auch nicht“, erwiderte Keeser.

„Warum lädst du sie dann zum Essen ein?“

„Du hast doch ihre Schuhe gesehen – damit geht so ’ne aufgetakelte Tussi doch ganz sicher nicht in ein Lokal. Außerdem hat sie gesagt, sie hätte gleich einen Gerichtstermin – meine Einladung war also völlig gefahrlos.“ Er grinste frech. „Die fass ich noch nicht mal mit der Kneifzange an.“

„Ich bin noch immer der Meinung, dass ihr wunderbar zusammenpassen würdet!“

„Hör mir bloß damit auf, das nervt langsam! – Und jetzt zu den beiden ehrlichen Findern.“ Er ging auf die Polen zu, die ihm mit sichtlich ungutem Gefühl entgegensahen.

Paula folgte ihm.

Keeser stellte sich und Paula vor und erfragte im Gegenzug deren Namen.

„Pavel und Tomasz“, wurde ihnen bereitwillig mitgeteilt, die Nachnamen verstand Paula nicht und vergaß sie deswegen gleich wieder.

„Sprechen Sie deutsch?“, fragte sie.

Die beiden lächelten breit und nickten synchron.

Das hatte Paula gar nicht erwartet. „Wunderbar. Also, Pavel, Sie haben die Leiche heute Morgen gefunden – haben Sie irgendetwas angefasst?“

Der Angesprochene zog nur fragend die Augenbrauen in die Höhe und sah seinen Kollegen Tomasz hilfesuchend an.

„Sie sprechen also doch nicht deutsch“, stöhnte Keeser. „Das wird also nicht so einfach werden. Wie hat es Becker nur geschafft, eine Aussage von den beiden zu bekommen?“

Er gab den Arbeitern Zeichen, sie mögen ihm folgen. Bei dem weißen Umriss, in dem noch vor Kurzem die Leiche gelegen hatte, machte er halt und zeigte auf den Boden. „Toter Mann.“

Pavel nickte heftig. „Toter Mann, ja! Wir finden!“ Er deutete auf seinen Kollegen und sich selbst.

„Haben Sie den Mann angefasst?“

Wieder ratloses Schweigen.

Keeser ergriff Paulas Arm und zerrte demonstrativ daran. „Den Mann angefasst?“

Die beiden schienen endlich zu verstehen und schüttelten die Köpfe.

„Nix angefasst! Nix angefasst!“, beteuerte Pavel. „Chef angerufen!“ Er hielt den beiden Kommissaren sein Handy vor die Augen.

„Nummer von Chef?“ Mit einer schwachen Hoffnung zeigte Paula auf das Mobiltelefon in seiner schwieligen Hand. Pavel schien sie nicht zu verstehen. Aber Tomasz. Er nahm das Handy, suchte die betreffende Nummer aus dem Adressbuch heraus, drückte ein paar Tasten und gab ihr das Telefon.

Paula hörte es am anderen Ende tuten, dann wurde abgenommen und eine männliche Stimme sprach ihr polnische Worte ins Ohr. Ihre Hoffnung sank. „Sprechen Sie deutsch?“, fragte sie trotzdem.

„Wer ist denn da?“, erkundigte sich daraufhin ihr Gesprächspartner überrascht und in schönstem Deutsch. „Und was ist mit Pavel?“

„Hier spricht Paula Stern von der Kripo Landau – und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“

„Ich bin Pavels Vorarbeiter, Jochen Seiter. Was ist mit Pavel? Haben Sie ihn etwa verhaftet?“

„Warum sollten wir das tun? Hat er sich denn was zuschulden kommen lassen?“, stellte Paula die Gegenfrage.

„Was weiß ich? Sie sind doch von der Kripo, das müssten Sie doch wissen!“

„Nein, wir haben ihn nicht verhaftet, und wir haben das auch nicht vor“, sagte Paula in beruhigendem Ton. „Wir haben nur ein paar Verständigungsprobleme, und ich hoffe, Sie können uns eventuell etwas helfen. Wann hat er heute Morgen bei Ihnen angerufen?“

„Kurz nach sieben, Viertel nach sieben, so um den Dreh. Ich hab dann umgehend bei der Polizei angerufen. Stecken die beiden etwa in Schwierigkeiten?“

„Bisher nicht. Was hat er Ihnen am Telefon gesagt?“

„Dass er und Tomasz einen Mann im Weinberg gefunden haben, dass er sich nicht mehr bewegt und wahrscheinlich tot ist, das war alles.“

„Herr Seiter, könnten Sie uns ein bisschen beim Übersetzen helfen?“

„Klar.“

„Würden Sie Ihre Männer bitte fragen, ob sie irgendetwas gesehen haben – oder irgendjemanden?“ Sie gab Pavel das Telefon.

Der hörte in den Hörer hinein und sprudelte dann in seiner Landessprache die Antwort heraus.

Paula nahm das Handy wieder und lauschte Seiters Übersetzung.

„Er sagt, sie hätten nichts gesehen, sie waren aber auch viel zu aufgeregt – man findet ja nicht jeden Tag eine Leiche. Danach hätten sie auf das Eintreffen der Polizei gewartet.“

„Wie lange arbeiten die beiden schon für Sie?“

„Ach, herrje, was Sie alles wissen wollen!“ Er schien zu überlegen. „Bestimmt schon die elfte oder zwölfte Saison, die beiden kommen jedes Jahr wieder, und ich hatte nie Ärger mit ihnen. Beide hatten noch nie mit der Polizei zu tun. Sie sind fleißig, zuverlässig und vor allem: Sie trinken beide keinen Alkohol. Sonst noch Fragen?“

Paula ließ sich noch seine Adresse geben, bevor sie das Gespräch beendete und Pavel das Handy zurückgab.

„Alles gut“, sagte sie freundlich lächelnd und gab den Männern zu verstehen, dass sie gehen könnten.

„Alla tschüss“, sagten die dann erleichtert und gingen den Weg zum Dorf zurück.

„Können kaum einen Brocken Deutsch – aber alla tschüss! Verrückte Welt!“ Keeser stieß sie in die Seite. „Die können fast mehr Pfälzisch als du!“

„Haha. Die zwei scheinen anständige Kerle zu sein, kommen seit Jahren auf denselben Winzerhof“, teilte Paula ihm mit.

„Wenn die was mit dem Tod unseres Opfers zu tun hätten, hätten sie ja wohl kaum die Polizei gerufen und hier brav gewartet – dann wären sie doch so schnell wie möglich abgehauen!“

„Und gesehen haben sie auch nichts – Mist!“ Ärgerlich warf sie sich die schwere Motorradjacke über die Schulter. „Wie war das jetzt mit Essen gehen?“

„Im Restaurant Deutsches Weintor kann man recht gut speisen und dabei auf einer fantastischen Terrasse sitzen – du bist übrigens mit Bezahlen dran!“ Er machte sich auf den Weg zum Auto.

„Bin ich nicht! Wie kommst du denn darauf?“, rief Paula empört hinter ihm her.

„Na schön, ich bin dran – aber den Versuch war es allemal wert!“ Er lachte und blieb bei ihrem Motorrad stehen. „Jetzt mach erst mal dein Schild dran.“

„Dazu muss ich aber vorher die Löcher ins Blech bohren – ich hab extra den Akkuschrauber dabei.“

Ungläubig sah Keeser sie an. „Du hast ’ne Bohrmaschine im Rucksack?“

„Tja, ich bin nicht wie die anderen Frauen, die ihre Schminke im Täschchen herumtragen …“ Sie machte Anstalten, den Rucksack zu öffnen.

Keeser stoppte ihren Tatendrang: „Okay, lass uns das nach einer gepflegten Nahrungsaufnahme in aller Ruhe machen. Fahr einfach hinter mir her!“

Nachdem sie beide ihre Fahrzeuge gewendet hatten, folgte Paula Keesers Dienstwagen aus den Weinbergen hinaus, noch einmal durch die Monsterpfütze und zum wiederholten Male ans Deutsche Weintor, wo sie schließlich nebeneinander parkten.

„Du kennst ja sicher die Geschichte des Weintores?“, fragte er, als sie auf den Eingang des daneben befindlichen Restaurants zugingen.

„Nein, woher denn?“

Sie kamen auf eine riesige Terrasse mit einem atemberaubenden Blick weit hinein in die Rheinebene bis hin zum Schwarzwald.

„Wow!“, sagte Paula beeindruckt.

Keeser steuerte einen freien Tisch an und ließ sich laut schnaufend auf einen Stuhl fallen. „Ermittlungsarbeit ist immer so erschöpfend!“

„Du hast doch noch gar nichts ermittelt.“ Grinsend legte Paula Helm und Lederjacke ab.

„… und schon so erschöpft – ich fürchte, dieser Fall könnte mich umbringen!“ Keeser nahm der herbeigeeilten Bedienung lachend die Speisekarte ab. „Bringen Sie mir bitte ganz schnell eine groooße“ – er deutete mit den Armen die Ausmaße eines Zehnlitereimers an – „Rieslingschorle, um mich wiederzubeleben! Und für meine reizende Kollegin bitte ein alkoholfreies Hefeweizen – das kann gerne etwas kleiner sein.“

Paula entschied sich ebenso wie Keeser für den Tafelspitz in Meerrettichsoße mit Petersilienkartoffeln.

Als die Getränke gebracht wurden, trank Keeser sein Glas fast mit einem Zug leer. „Noch so e Glässche!“, rief er der Bedienung nach.

„Du wirst später bei jedem Schritt gluckern, Kollege“, prophezeite Paula.

„Das heißt ‚gluggre‘. Ich denke, wir sollten endlich an deiner pfälzischen Sprachentwicklung arbeiten. Was, wenn ich mal nicht zur Stelle bin und alles für dich übersetze? – Also, sprich mir nach: Du werscht schbäder bei jedme Schridd gluggre, Kollesch.“

Paula winkte ab. „Hör bloß auf, Kollesch, das klingt für mich wie eine Fremdsprache!“

„Würde dein nächstes Bewerbungsschreiben enorm aufwerten: Ich, Paula Stern, spreche fließend Deutsch, Italienisch und Pfälzisch! Tür und Tor würden dir offenstehen!“

Der Salat kam, und Paula begann lachend zu essen. „Du hast Bayerisch vergessen!“

„Du wärst ein absolutes Sprachwunder, meine Liebe.“

„Erzähl mir von dem Tor – aber bitte so, dass ich es auch verstehe!“

Keeser lehnte sich zurück, verschränkte die Hände über seinem recht ansehnlichen Bauch und holte Luft. „Also: Das Tor wurde 1936 in nur zwei Monaten erbaut. Von den Nationalsozialisten, wie du sicher unschwer erraten kannst“, begann er zu dozieren.

„Dachte ich mir fast, als ich den Reichsadler gesehen habe!“, sagte Paula kauend.

„Eine zugegebenermaßen recht düstere Epoche in unserem Land. Damals war allen jüdischen Weinhändlern Berufsverbot auferlegt worden. Da aber der Weinhandel vornehmlich in jüdischen Händen lag, kam dieser erheblich ins Stocken. Und zwei extrem gute Erntejahrgänge hintereinander taten ihr Übriges: Die Weinpreise fielen ins Bodenlose. Deshalb wurde die Deutsche Weinstraße ersonnen, ausgebaut und beworben, um die Pfalz als Weinbaugebiet für den Tourismus interessanter zu machen. Das Deutsche Weintor wurde extra gebaut und markiert seitdem den Anfang der Deutschen Weinstraße, die fünfundachtzig Kilometer weiter in Bockenheim endet.“ Keeser trank zufrieden von seiner frisch gebrachten Schorle. „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aus dem Steinrelief übrigens das Hakenkreuz, das besagter Adler in einem seiner Fänge hielt, herausgeschlagen.“

Punktgenau mit dem Ende seines Geschichtsberichtes kam das restliche Essen.

Keeser rieb sich in Vorfreude die Hände. „En guuden Awwedid, allerlibbschde Kolleschin!“

„Gebbts des bei eich aach – Meerreddichsoß?“, erkundigte er sich nach ein paar Bissen. „Ob es bei euch auch Meerrettichsoße gibt?“, fragte er noch einmal auf Deutsch, als Paula ihn strafend ansah.

„Na, klar – bei uns ist die Soße aber schärfer.“

„So, dass es einem die Nasenwurzel zusammenzieht und einem die Tränen in die Augen schießen?“

„So in etwa – das hier ist lächerlich.“

„Bei uns Pälzer sind halt andere Sachen scharf!“, versuchte Keeser die Ehre seines Volksstammes zu retten.

„Ach, ja? Was denn?“

Er beugte sich etwas zu ihr herüber und flüsterte mit wichtigem Blick: „Die Kerle!“

Paula verschluckte sich beinahe an dem Stück Kartoffel, das sie gerade im Mund hatte.

„Soso – und du zählst dich sicherlich auch dazu“, sagte sie, als sie den Bissen endlich hinuntergeschluckt hatte. „… zu den scharfen Kerlen“, fügte sie ergänzend hinzu.

„Ja, logisch – bist du etwa anderer Meinung?“

Paula tätschelte ihm den gut genährten Bauch, den er daraufhin reflexartig einzog. „Und was ist das? – Das, mein Lieber, nimmt jedem Mann jegliche Schärfe!“

Keeser machte einen beleidigten Schmollmund. „Das ist alles sexuelle Schwungmasse.“

Paula lachte schallend.

„He, niemand darf über meine Schwungmasse lachen – nicht einmal du!“ Er sah sie drohend an, was sie nur noch mehr lachen ließ.

„Ach, Keeser, wenn alle Frauen dein Selbstbewusstsein hätten, gäbe es keine Diäten.“

„Kein Mensch braucht Diäten außer Politikern! Diäten sind wirtschaftsschädigend. Lach nicht schon wieder! – Wer nichts isst, kauft auch nichts zu essen. Ist doch eine ganz einfache Rechnung.“

„Apropos Rechnung – wir sollten endlich los und was arbeiten“, ermahnte Paula und winkte der Bedienung.

Keeser zahlte wie versprochen, sie tranken ihre Gläser aus und verließen die Terrasse.

Auf dem Weg nach draußen fiel Keeser noch etwas ein. „Hab ich dir eigentlich schon erzählt, dass der Küchenchef von diesem Laden Fernsehkoch ist?“

„Nein, wir sprachen nur über das Weintor und deine körperliche Ausstattung.“

„Dann erzähl ich es dir halt jetzt: Der Küchenchef von diesem Laden ist Fernsehkoch beim RNF – Marc Kunkel.“

„RNF? – Nie gehört.“ Paula blieb wie angewurzelt im Eingang stehen und starrte hinüber zum Parkplatz.

„Rhein-Neckar-Fernsehen – du brauchst doch deswegen nicht so entsetzt aus der Wäsche schauen …“

„He, Finger weg von meinem Motorrad!“, rief sie und stürmte die Treppe hinunter.

Keeser sah ihr überrascht nach und entdeckte zwei Kollegen vom Streifendienst und einen nahenden Abschleppwagen.

Breit grinsend folgte er Paula, die wild gestikulierend auf die Beamten einredete, wie auf einen lahmen Gaul.

„Sie können doch nicht einfach meine Maschine abschleppen!“, keifte sie gerade, als er zu der kleinen Gruppe aufschloss.

„Die Maschine hat kein Nummernschild und muss deswegen aus dem Verkehr gezogen werden“, belehrte sie Beamter Nummer eins ruhig.

„Können Sie überhaupt beweisen, dass das Ihr Motorrad ist?“, fragte Beamter Nummer zwei.

„Natürlich ist das mein Motorrad! Ich bin übrigens bei der Kripo, Kriminaloberkommissarin Paula Stern!“, fauchte Paula und zerrte vergeblich am Reißverschluss der Innentasche ihrer Motorradjacke, aus der sie ihre Papiere herausholen wollte. Das dumme Ding bewegte sich keinen Millimeter. „Das hier ist mein Kollege, Kriminalhauptkommissar Keeser, er kann Ihnen das bestätigen.“

„Na klar – bei der Kripo“, sagte Beamter Nummer eins höhnisch. „Und mein Zweitwohnsitz ist auf der Venus!“

Keeser zog seelenruhig seinen Dienstausweis hervor.

„Schon gut, Jungs, ich habe diese Dame gerade wegen Verdachts auf Terrorismus festgenommen – ich kümmere mich um alles Weitere!“ Er verzog dabei keine Miene.

„Keeser!!!“ Paula hätte ihm die Augen auskratzen können.

„Eine Terroristin?“, fragte Beamter Nummer zwei beeindruckt.

Nummer eins kniff die Augen zusammen und musterte Keeser skeptisch. „Wollen Sie uns verarschen?“

Keeser sah ihn mit todernster Miene an. „Würde ich mir niemals erlauben!“

„Soll isch jetzt ufflaade?“, fragte der Mann vom Abschleppdienst ungeduldig dazwischen.

„Moment noch“, wurde er dreistimmig vertröstet.

Endlich gab der Reißverschluss nach, und Paula konnte den Ausweis hervorziehen. Sie streckte ihn Nummer eins hin.

Der sah seinen Kollegen überrascht an. „Die ist ja wirklich bei der Kripo!“

„Alla gut, ich verzähl euch die Wahrheit“, sagte Keeser verschwörerisch. „Meine Kollegin ist etwas komisch – sie nimmt immer ihr Nummernschild mit ins Lokal, weil sie Angst hat, dass es ihr geklaut wird. Los Paula, zeig den Kollegen dein Nummernschild.“

Paula funkelte Keeser böse an. Wortlos holte sie das funkelnagelneue Schild aus dem Rucksack und hielt es den Polizisten demonstrativ unter die Nasen.

„K 9“, sagte Nummer eins.

Paula atmete erleichtert auf. „Genau, ich bin beim K 9!“

„Geniales Kennzeichen“, lobte Nummer zwei. „Fast so gut wie ein Dienstausweis.“

Paula verstand nicht und betrachtete zum ersten Mal bewusst ihr neues Nummernschild. LD-K-9.

Der Fahrer des Abschleppwagens räusperte sich laut. „Was is dann jetzt? Ich habb schließlisch nit den ganze Daach Zeit!“