Casey McQuiston
Royal Blue
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Hannah Brosch
Knaur e-books
Casey McQuiston wuchs im südlichen Teil Louisianas auf, wo sie eine bis heute anhaltende Vorliebe für Honigkekse und Geschichten mit viel Herz entwickelte. Sie studierte Journalismus und arbeitete jahrelang in der Zeitschriftenbranche bevor sie zum Bücherschreiben fand. Heute verfasst sie fröhliche, unkonventionelle romantische Komödien und Geschichten, mit denen man herrlich dem Alltag entfliehen kann. Casey lebt und arbeitet - immer begleitet von Mischlingshund Pepper - in Colorado.
© 2019 Casey McQuiston
© 2020 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Taschenbuch Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München nach einem Entwurf von COLLEEN REINHART
Coverabbildung: COLLEEN REINHART
ISBN 978-3-426-45859-4
Für die Spinner und die Träumer
Auf dem Dach des Weißen Hauses, in einer Ecke der Terrasse, gibt es dort, wo der Wintergarten beginnt, ein loses Stück Vertäfelung. Klopft man auf eine bestimmte Weise darauf, lässt es sich so weit ablösen, dass ein Schriftzug zu erkennen ist, den jemand darunter eingeritzt hat, mit einem Schlüssel oder vielleicht auch einem geklauten Brieföffner aus dem Westflügel.
In der geheimen Geschichte der Präsidentenfamilien – einer isolierten Gerüchteküche, deren Mitglieder in den meisten Punkten absolute Verschwiegenheit bei Todesstrafe geschworen haben – gibt es keine eindeutige Antwort dazu, wer die Worte geschrieben hat. Sicher scheinen sich die Leute nur zu sein, dass allein der Sohn oder die Tochter eines Präsidenten es gewagt haben könnte, das Weiße Haus zu beschmieren. Manche schwören, dass es Jack Ford war, mit seinen Hendrix-Platten und dem zweistöckigen Zimmer, das einen Zugang zum Dach hatte, damit er spät nachts Raucherpausen einlegen konnte. Manche tippen auf eine junge Luci Johnson mit einer großen Schleife im Haar. Wie auch immer.
Der Schriftzug steht noch da, ein geheimes Mantra für diejenigen, die findig genug sind, ihn zu entdecken.
Alex fand ihn innerhalb der ersten Woche, in der er dort wohnte. Er hat niemandem davon erzählt, wie.
Die Worte lauten:
REGEL #1: LASS DICH NICHT ERWISCHEN
Das östliche und westliche Schlafzimmer im zweiten Stock sind üblicherweise für die Präsidentenfamilie reserviert. Ursprünglich waren sie ein einziges riesiges Prunkschlafzimmer und während der Monroe-Regierung für Besuche des Marquis de Lafayette vorgesehen, doch irgendwann wurde das Zimmer geteilt. Alex hat das östliche, gegenüber vom Treaty Room, und June bewohnt das westliche, neben dem Aufzug.
Während ihrer Teenagerzeit in Texas waren ihre Zimmer genauso auf beiden Seiten des Flurs angeordnet. Damals konnte man erkennen, was June gerade werden wollte, wenn man ihre Wände betrachtete. Als sie zwölf war, hingen dort Aquarelle. Mit fünfzehn waren es Mondkalender und Edelsteintabellen. Mit sechzehn Artikel aus The Atlantic, ein Fähnchen von der University of Texas in Austin, Fotos von Gloria Steinem und Zora Neale Hurston sowie Auszüge aus den Schriften von Dolores Huerta.
Sein eigenes Zimmer sah stets gleich aus, füllte sich nur zunehmend mit Lacrosse-Pokalen und Hausarbeiten für die College-Kurse, die er schon früh besuchen durfte. Jetzt verstaubt das alles in seinem Elternhaus, das sie behalten haben. Seit sie nach Washington D.C. aufgebrochen sind, trägt er den Hausschlüssel immer an einer Halskette unter seinem Hemd.
Junes aktuelles Zimmer auf der anderen Seite des Flurs ist strahlend weiß, zartrosa und minzgrün, inspiriert durch die bekannten Raumgestaltungszeitschriften der 1960er, die sie in einem der Wohnzimmer des Weißen Hauses gefunden hat. Die Vogue hat hier ein Shooting veranstaltet. Sein eigenes Zimmer war einmal das Kinderzimmer von Caroline Kennedy und später das Büro von Nancy Reagan, weshalb June dort etwas Salbei räuchern musste. Er hat die Landschaftsillustrationen in einem ordentlichen symmetrischen Muster über dem Sofa hängen lassen, aber Sasha Obamas rosa Wände wurden mit einem tiefen Blau überstrichen.
Zumindest die letzten paar Jahrzehnte haben die meisten Präsidentenkinder nur bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr im Weißen Haus gewohnt, doch Alex hatte in dem Januar, in dem seine Mutter den Amtseid ablegte, gerade sein Studium an der Georgetown University begonnen, und logistisch betrachtet war es sinnvoll, sich die Leibwächter und die Kosten für die Zweizimmerwohnung, die er in derselben Stadt bezogen hätte, zu sparen. Im Herbst jenes Jahres ist dann auch June im Weißen Haus eingezogen, den Abschluss von der University of Texas in der Tasche. Sie hat es nie gesagt, aber Alex ist sich darüber im Klaren, dass sie da ist, um ihn im Auge zu behalten. Sie weiß besser als jeder andere, wie sehr es ihm gefällt, dass er hier so viel Bedeutsames aus nächster Nähe miterleben kann, und hat ihn mehr als einmal aus dem Westflügel geschleift.
Hinter seiner Zimmertür kann er herumsitzen und auf dem Plattenspieler in der Ecke Hall & Oates abspielen, ohne dass jemand hört, wie er bei »Rich Girl« mitsummt, so wie sein Dad es immer getan hat. Er kann die Lesebrille tragen, von der er behauptet, dass er sie nicht braucht. Er kann sich so viele detaillierte Arbeitshilfen anlegen, wie er will – die Klebezettel darin sind farblich sortiert. Er wird nicht der jüngste gewählte Abgeordnete der Neuzeit werden, ohne es sich verdient zu haben, aber niemand braucht zu wissen, wie sehr er sich heimlich ins Zeug legt. Sein Kurs als Sexsymbol würde ins Bodenlose stürzen.
»Hey«, sagt eine Stimme an der Tür, und als er von seinem Laptop aufschaut, sieht er June, die sich in sein Zimmer schiebt, zwei Handys und einen Stapel Zeitschriften unter den Arm geklemmt und einen Teller in der Hand. Mit dem Fuß stößt sie die Tür hinter sich zu.
»Und, was hast du heute mitgehen lassen?«, fragt Alex und räumt einen Papierstapel beiseite, um ihr Platz zu machen.
»Ein paar Donuts«, sagt June, während sie aufs Bett steigt. Sie trägt einen Bleistiftrock und spitze rosa Ballerinas, und vor seinem inneren Auge sieht er schon die Modemagazine der nächsten Woche, mit ihrem heutigen Outfit als Aufhänger für einen gesponserten Text über Schuhe für karrierebewusste junge Frauen, die viel unterwegs sind. Er fragt sich, was sie den ganzen Tag getrieben hat. Sie hat eine Kolumne für die Washington Post erwähnt, oder war es ein Shooting für ihren Blog? Oder beides? Er kann sich das nie merken.
Sie hat ihren Zeitschriftenstapel auf der Tagesdecke abgeladen und sich bereits hineinvertieft.
»Du trägst deinen Teil dazu bei, dass die amerikanische Klatschbranche am Leben bleibt.«
»Dafür habe ich Publizistik studiert«, gibt June zurück.
»Irgendwas Gutes diese Woche?«, fragt Alex und greift nach einem Donut.
»Mal schauen«, meint June. »InTouch schreibt, ich date … ein französisches Model?«
»Stimmt das?«
»Schön wär’s.« Sie blättert ein paar Seiten weiter. »Oh, und angeblich hast du dir den After aufhellen lassen.«
»Das stimmt«, sagt Alex, den Mund voller Schokolade.
»Dachte ich mir«, sagt June, ohne aufzusehen. Nachdem sie die Zeitschrift größtenteils durchgeblättert hat, schiebt sie sie ganz unten in den Stapel und macht mit der People weiter. Gedankenverloren schaut sie sie durch – People bringt immer nur, was ihre Pressesprecher sagen. So öde. »Diese Woche gibt es nicht viel über uns … oh, ich komme in einem Kreuzworträtsel vor.«
Zu verfolgen, wie sie in der Klatschpresse dargestellt werden, ist gewissermaßen ein Hobby von ihr, wenn ihr langweilig ist, was ihre Mutter abwechselnd belustigt und nervt, und er ist narzisstisch genug, um sich von June die besten Stellen vorlesen zu lassen. In der Regel sind es entweder Lügengeschichten oder Aussagen, die der Zeitschrift von ihren PR-Leuten eingegeben wurden, aber manchmal ist es einfach witzig. Wenn er die Wahl hätte, würde er allerdings lieber eine der Hunderten leidenschaftlichen Fanfictions hören, die über ihn im Internet stehen und eine überlebensgroße Version seiner selbst darstellen, mit umwerfendem Charme und unglaublichem Stehvermögen, doch June weigert sich strikt, sie ihm vorzulesen, egal wie sehr er sie zu bestechen versucht.
»Nimm mal die Us Weekly«, sagt Alex.
»Hmm …« June durchsucht den Stapel. »Oh, schau, diese Woche haben wir es aufs Titelblatt geschafft.«
Sie zeigt ihm das glänzende Titelblatt, mit einem Foto von ihnen beiden in einer Ecke. June trägt eine Hochsteckfrisur und er sieht aus, als hätte er etwas zu tief ins Glas geschaut, aber dennoch attraktiv, mit seinem kräftigen Kinn und den dunklen Locken. Darunter steht in fetter gelber Schrift die Schlagzeile: WILDE NACHT IN NEW YORK.
»Ja, das war wirklich eine wilde Nacht«, sagt Alex, lehnt sich gegen das Kopfteil aus Leder und schiebt seine Brille hoch. »Ganze zwei Hauptredner. Nichts ist so sexy wie Krabbencocktails und anderthalb Stunden lang Reden über CO2-Ausstoß zu hören.«
»Hier steht, du hattest was mit einer mysteriösen Brünetten«, liest June vor. »Auch wenn die Präsidentinnentochter kurz nach der Gala von einer Limousine abgeholt und zu einer Promiparty gebracht wurde, hat man den einundzwanzigjährigen Adonis Alex dabei geknipst, wie er sich ins Hotel schlich, um sich in der Präsidentensuite mit einer mysteriösen Brünetten zu treffen und sie gegen vier Uhr morgens wieder zu verlassen. Hotelinterne Quellen berichten, die ganze Nacht Liebesgeräusche aus dem Zimmer gehört zu haben, und es gibt Gerüchte, dass es sich bei der Brünetten um niemand anderen gehandelt habe als um … Nora Holleran, die zweiundzwanzigjährige Enkelin des Vizepräsidenten Mike Holleran und das dritte Mitglied des WH-Trios. Lassen die beiden ihre Romanze wieder aufleben?«
»Ja«, freut sich Alex hämisch, und June stöhnt auf. »Das ist kürzer als ein Monat. Du schuldest mir fünfzig Flocken, Süße.«
»Moment mal. War es wirklich Nora?«
Alex denkt an letzte Woche zurück, als er mit einer Flasche Champagner vor Noras Zimmertür aufgetaucht ist. Ihre Affäre auf der Wahlkampftour vor Ewigkeiten war kurz und geschah vor allem, weil sie das Unvermeidbare hinter sich bringen wollten. Sie waren damals siebzehn und achtzehn und als Paar von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil sie beide überzeugt waren, immer der schlauste Mensch im Raum zu sein. Alex hat sich mittlerweile eingestanden, dass Nora mindestens doppelt so schlau ist wie er und auf jeden Fall zu schlau, um sich jemals auf eine Beziehung mit ihm einzulassen.
Es ist nicht seine Schuld, dass die Presse sich dennoch weigert, das Thema fallenzulassen, dass sie die Vorstellung von ihnen als Paar großartig finden, als wären sie moderne Kennedys. Wenn er und Nora sich also manchmal zusammen in einem Hotelzimmer die Kante geben, während sie The West Wing schauen, und in der Nähe der Wand laut für aufdringliche Klatschreporter stöhnen, kann man ihm das wirklich nicht zum Vorwurf machen. Sie nutzen lediglich eine nervige Situation für ihre persönliche Belustigung.
Seine Schwester anschwindeln zu können ist ein netter Nebeneffekt.
»Kann sein«, sagt er gedehnt.
June schlägt mit der Zeitschrift nach ihm, als wäre er eine besonders widerliche Küchenschabe. »Das ist geschummelt, du Arsch!«
»Eine Wette ist eine Wette«, erklärt Alex. »Wir haben ausgemacht, dass du mir fünfzig Dollar schuldest, wenn es innerhalb eines Monats ein neues Gerücht gibt. Ich akzeptiere Paypal.«
»Ich zahle nicht«, schnaubt June. »Wenn ich sie morgen sehe, bringe ich sie um. Übrigens, was ziehst du an?«
»Wozu?«
»Zur Hochzeit.«
»Wessen Hochzeit?«
»Ähm, zur königlichen Hochzeit«, sagt June. »Von Großbritannien. Sie ist quasi auf jedem der Titelblätter, die ich dir gerade gezeigt habe.«
Sie hält wieder die Us Weekly hoch, und dieses Mal bemerkt Alex das Titelthema in riesiger Schrift: PRINZ PHILIP TRAUT SICH! Dazu ein Foto des enorm unscheinbaren britischen Thronerben und seiner ebenso unscheinbaren blonden Verlobten, die nichtssagend lächeln.
Mit gespieltem Entsetzen lässt er den Donut fallen. »Das war dieses Wochenende?«
»Alex, wir fliegen morgen früh«, erinnert June ihn. »Wir haben vor der Trauung noch zwei Auftritte. Ich kann nicht glauben, dass Zahra dir deshalb noch nicht die Hölle heiß gemacht hat.«
»Scheiße«, stöhnt er. »Ich wusste, dass ich mir das aufgeschrieben hatte. Ich war abgelenkt.«
»Etwa weil du und meine beste Freundin euch für fünfzig Dollar in der Klatschpresse gegen mich verschworen habt?«
»Nein, wegen meiner Hausarbeit für die Uni, du Besserwisserin«, sagt Alex und deutet mit einer dramatischen Geste auf seine Haufen von Notizen. »Ich habe die ganze Woche daran gearbeitet, für Politische Ideen im Alten Rom. Und ich dachte, wir wären uns einig, dass Nora unser beider beste Freundin ist.«
»Das ist unmöglich ein echtes Seminar, das du besuchst«, meint June. »Kann es sein, dass du das größte internationale Ereignis des Jahres einfach absichtlich vergessen hast, weil du deinen Erzfeind nicht sehen willst?«
»June, ich bin der Sohn der US-Präsidentin. Prinz Henry ist eine Repräsentationsfigur des britischen Staates. Du kannst ihn nicht einfach als meinen Erzfeind bezeichnen«, sagt Alex. Er beißt wieder von seinem Donut ab, kaut nachdenklich und ergänzt dann: »›Erzfeind‹ impliziert, dass er mir in irgendeiner Hinsicht das Wasser reichen könnte und nicht, du weißt schon, ein hochnäsiges Inzuchtprodukt ist, das sich wahrscheinlich zu Fotos von sich selbst einen runterholt.«
»Autsch.«
»Ich meine ja nur.«
»Du brauchst ihn nicht zu mögen, du musst nur gute Miene machen und auf der Hochzeit seines Bruders keinen internationalen Zwischenfall verursachen.«
»Hey Spatz, wann mache ich denn mal keine gute Miene?«, fragt Alex. Er verzieht den Mund zu einem schmerzhaft unechten Grinsen, und June sieht zufriedenstellend abgestoßen aus.
»Igitt. Wie auch immer, du weißt, was du anziehst, oder?«
»Ja, ich habe mein Outfit schon letzten Monat rausgesucht und von Zahra absegnen lassen. Ich bin kein Tier.«
»Ich bin mir wegen meines Kleides immer noch nicht sicher«, sagt June. Sie beugt sich zu ihm rüber und greift nach seinem Laptop, wobei sie seinen Protest geflissentlich ignoriert. »Das bordeauxrote oder das mit Spitze, was meinst du?«
»Spitze natürlich, es ist England, und warum willst du, dass ich in meinem Seminar durchfalle?«, fragt er und greift nach seinem Laptop, woraufhin seine Hand weggeschlagen wird. »Geh dich um deinen Instagram-Account kümmern oder so. Du bist schlimm.«
»Ruhe, ich suche was zum Gucken. Uäh, du hast Garden State auf deiner Filmliste? Wow, wie läuft das Filmstudium im Jahr 2005?«
»Ich hasse dich.«
»Hmm, ich weiß.«
Vor seinem Fenster streicht der Wind über den Rasen und rauscht in den Linden unten im Garten. Die Schallplatte auf dem Plattenspieler in der Ecke ist verstummt, jetzt herrscht knisternde Stille. Er rollt sich von seinem Bett und dreht sie um, setzt die Nadel wieder an, und die zweite Seite startet mit »London, Luck & Love«.
Wenn er ehrlich ist, findet er es immer noch cool, im Privatjet zu fliegen, obwohl seine Mutter schon seit drei Jahren Präsidentin ist.
Er kann nicht oft so reisen, aber wenn, ist es schwierig, es sich nicht zu Kopfe steigen zu lassen. Er ist im texanischen Hügelland geboren, die Mutter seiner Mutter war alleinerziehend und sein Vater der Sohn mexikanischer Einwanderer, alle bettelarm – es ist nicht gerade sein Naturzustand.
Vor fünfzehn Jahren, als seine Mutter zum ersten Mal als Abgeordnete kandidierte, verpasste die Zeitung von Austin ihr einen Spitznamen: die Außenseiterin aus Lometa. Sie war ihrer winzigen Heimatstadt im Schatten von Fort Hood entkommen, hatte in Imbissen Nachtschichten geschoben, um sich ihr Jurastudium zu finanzieren und als sie dreißig war, vertrat sie Diskriminierungsfälle vor dem Obersten Gerichtshof. Sie war die letzte Person, von der irgendjemand erwartet hatte, dass sie mitten im Irakkrieg aus Texas auftauchen würde: eine rotblonde, blitzgescheite Demokratin mit hohen Absätzen, einem unverhohlenen Südstaatenakzent und einer kleinen Familie mit Migrationshintergrund.
Deshalb erscheint es ihm immer noch surreal, dass er irgendwo über dem Atlantik herumfliegt und Pistazien knabbert, in einem Ledersitz mit hoher Lehne und die Füße in der Luft. Ihm gegenüber sitzt Nora über das Kreuzworträtsel der New York Times gebeugt, die braunen Locken fallen ihr in die Stirn. Neben ihr hält der massige Geheimagent Cassius – kurz Cash – sein eigenes Exemplar in seiner riesigen Hand und beeilt sich, um es als Erster fertig zu haben. Der Cursor auf Alex’ Hausarbeit für Politische Ideen im Alten Rom blinkt ihn von seinem Laptop erwartungsvoll an, aber irgendwie kann er sich nicht ganz auf die Uni konzentrieren, während sie den Atlantik überfliegen.
Amy, die Lieblingsgeheimagentin seiner Mutter, früher Elitesoldatin bei der Marine, von der man sich in D.C. erzählt, dass sie schon mehrere Männer getötet hat, sitzt auf der anderen Seite des Gangs. Auf dem Sitz neben ihr liegt ein geöffnetes Nähetui aus kugelsicherem Titanium, und sie stickt gelassen Blumen auf eine Serviette. Alex war dabei, als sie mal jemandem eine sehr ähnliche Sticknadel in die Kniescheibe gerammt hat.
Bleibt noch June, die auf einen Ellbogen gestützt neben ihm sitzt, die Nase in der aktuellen Ausgabe des People Magazins, die sie aus unerfindlichen Gründen mitgebracht hat. Sie hat die Angewohnheit, sich fürs Flugzeug immer besonders eigenartigen Lesestoff auszusuchen. Beim letzten Mal war es ein zerknickter alter Kantonesisch-Sprachführer, davor Der Tod kommt zum Erzbischof.
»Was liest du jetzt darin?«, fragt Alex sie. Sie wendet das Magazin, sodass er die Doppelseite sehen kann, die mit IRRE KÖNIGLICHE HOCHZEIT! überschrieben ist. Alex stöhnt. Das ist eindeutig schlimmer als Willa Cather.
»Was?«, fragt sie. »Ich will auf meine erste königliche Hochzeit vorbereitet sein.«
»Du warst doch auf dem Abschlussball, oder?«, meint Alex. »Stell es dir so vor, nur in der Hölle, und du musst die ganze Zeit freundlich sein.«
»Sie haben fünfundsiebzigtausend Dollar allein für die Torte ausgegeben. Unfassbar.«
»Deprimierend.«
»Und offenbar geht Prinz Henry ohne Begleitung zur Hochzeit und alle flippen deshalb total aus. Hier steht, letzten Monat ging das Gerücht um«, sie imitiert einen lustigen englischen Akzent, »er würde eine belgische Erbin daten. Jetzt allerdings sind sich die Leute, die das Liebesleben des Prinzen verfolgen, nicht mehr so sicher, was sie glauben sollen.«
Alex schnaubt. Es erscheint ihm aberwitzig, dass es zahlreiche Menschen gibt, die das enorm öde Beziehungsleben der königlichen Geschwister verfolgen. Er kann allerdings verstehen, weshalb es Leute interessiert, wo er selbst seine Zunge hinsteckt – er hat zumindest Persönlichkeit.
»Vielleicht hat die weibliche Bevölkerung von Europa endlich erkannt, dass er in etwa so anziehend ist wie ein nasses Garnknäuel«, schlägt Alex vor.
Nora legt ihr Kreuzworträtsel ab, da sie es als Erste ausgefüllt hat. Cassius schaut zu ihr und flucht. »Also hast du vor, ihn zum Tanz aufzufordern?«
Alex verdreht die Augen, weil er sich plötzlich vorstellt, wie er durch einen Ballsaal wirbelt, während Prinz Henry ihm süße Nichtigkeiten über Krocket und Fuchsjagden ins Ohr leiert. Bei der Vorstellung könnte er würgen.
»Nur in seinen Träumen.«
»Oh«, sagt Nora. »Du wirst ja ganz rot.«
»Hör zu«, sagt Alex zu ihr. »Königliche Hochzeiten sind Unsinn, die Prinzen, die königliche Hochzeiten veranstalten, sind Unsinn, der Imperialismus, der zulässt, dass es überhaupt Prinzen gibt, ist Unsinn, das alles ist von vorne bis hinten nichts als Unsinn.«
»Ist das dein TED-Talk?«, fragt June. »Dir ist schon klar, dass die USA ebenfalls ein Imperium sind, das vollständig auf Völkermord aufgebaut ist?«
»Ja, June, aber zumindest haben wir den Anstand, keine Monarchie aufrechtzuerhalten«, sagt Alex und bewirft sie mit einer Pistazie.
Es gibt ein paar Dinge über Alex und June, über die das neu eingestellte Personal im Weißen Haus vor Arbeitsantritt informiert wird. Junes Erdnussallergie. Die Tatsache, dass Alex häufig mitten in der Nacht Kaffee bestellt. Junes Freund aus Collegezeiten, der mit ihr Schluss gemacht hat, um nach Kalifornien zu ziehen, der jedoch der einzige Mensch ist, dessen Briefe ihr direkt zugestellt werden.
Alex’ lang gehegter Groll gegen den jüngsten Prinzen.
Es ist nicht wirklich ein Groll. Nicht einmal eine Rivalität. Es ist ein prickelnder, aufwühlender Ärger, der bewirkt, dass seine Hände schwitzig werden.
Die Boulevardblätter – und damit die Welt – haben vom ersten Tag an beschlossen, Alex als das amerikanische Gegenstück zu Prinz Henry zu betrachten, da das Trio aus dem Weißen Haus in den USA das ist, was Mitgliedern des Königshauses am nächsten kommt.
Es erschien ihm immer unfair. Alex’ Image besteht nur aus Charisma, Genie und charmanter Geistesschärfe, gut durchdachten Interviews und der Tatsache, dass er es mit achtzehn aufs Titelblatt von GQ geschafft hat. Henry zeigt sich mit mildem Lächeln, sanfter Ritterlichkeit und generischen Auftritten bei Wohltätigkeitsveranstaltungen – die perfekte Projektionsfläche für einen Traumprinzen. Alex findet, dass Henrys Rolle viel leichter zu spielen ist.
Vielleicht ist es tatsächlich eine Rivalität. Na und?
»Okay, Rechenmaschine«, sagt er, »wie sehen die Zahlen dazu aus?«
Nora grinst. »Hmm.« Sie tut, als würde sie scharf nachdenken. »Risikoeinschätzung: Wenn der Präsidentinnensohn es nicht schafft, sich eisern im Zaum zu halten, wird das mehr als fünfhundert zivile Opfer zur Folge haben. Neunundachtzigprozentige Wahrscheinlichkeit, dass Prinz Henry wie ein absoluter Traumtyp dasteht. Achtundsiebzigprozentige Wahrscheinlichkeit, dass Alex die Einreise nach Großbritannien auf ewig verweigert wird.«
»Die Chancen stehen besser, als ich erwartet hätte«, bemerkt June.
Alex lacht, während das Flugzeug weiter in die Höhe steigt.
London ist ein totales Spektakel, Menschenmassen verstopfen die Straßen vor Buckingham Palace und in der gesamten Stadt. Die Leute sind in Union Jacks gehüllt und schwenken Fähnchen über dem Kopf. Überall kann man Souvenirs kaufen, die an die königliche Hochzeit erinnern sollen, die Gesichter von Prinz Philip und seiner Braut wurden auf alles Mögliche geklatscht, vom Schokoriegel bis zur Unterwäsche. Alex kann kaum glauben, dass so viele Leute an etwas so durch und durch Ödem so leidenschaftlich Anteil nehmen. Er ist sich sicher, dass vor dem Weißen Haus nicht so viel los sein wird, wenn er oder June eines Tages heiraten sollten, und er weiß auch nicht, ob er das überhaupt wollen würde.
Die Trauung scheint sich ewig zu ziehen, obwohl sie eigentlich ganz nett ist. Es ist nicht so, dass Alex etwas gegen Liebe hat oder einer Heirat nichts abgewinnen kann. Aber Martha ist eine vollkommen respektable Adelstochter und Philip ein Prinz. Das ist so sexy wie ein Geschäftsabschluss. Es gibt keine Leidenschaft, keine Dramatik. Eine Liebesgeschichte nach Alex’ Geschmack wäre eher wie ein Stück von Shakespeare.
Es scheint Jahre zu dauern, bis er sich in einem Ballsaal von Buckingham Palace zwischen June und Nora an einem Tisch niedergelassen hat. Nora reicht ihm ein Glas Champagner, das er gern entgegennimmt.
»Hat jemand von euch eine Ahnung, was ein Viscount ist?«, fragt June, in der Hand ein halb aufgegessenes Gurkensandwich. »Ich habe ungefähr fünf von ihnen getroffen, und ich lächle einfach immer höflich, als wüsste ich, was das Wort bedeutet, wenn sie es sagen. Alex, du hattest doch vergleichende internationale Regierungsbeziehungen oder so. Was ist es?«
»Ich glaube, es bedeutet, dass ein Vampir eine Armee durchgeknallter Sexsklaven erschafft und so seine eigene Regierung bildet«, sagt er.
»Das klingt korrekt«, meint Nora. Sie faltet ihre Serviette auf dem Tisch in eine komplizierte Form, wobei ihr schwarzer Nagellack im Licht der Kronleuchter glänzt.
»Ich wünschte, ich wäre ein Viscount«, sagt June. »Ich könnte meine Sexsklaven mit meinen Mails betrauen.«
»Sind Sexsklaven gut in beruflicher Korrespondenz?«, fragt Alex.
Noras Serviette nimmt die Form eines Vogels an. »Ich glaube, es könnte eine interessante Methode sein. Ihre Mails wären total tragisch und lüstern.« Sie verstellt die Stimme und haucht heiser: »Oh bitte, ich flehe dich an, nimm mich – nimm mich mit zum Mittagessen, um Stoffmuster zu besprechen, du Tier!«
»Das könnte erstaunlich wirkungsvoll sein«, bemerkt Alex.
»Mit euch beiden stimmt doch was nicht«, sagt June sanft.
Alex öffnet gerade den Mund, um zu kontern, als ein königlicher Bediensteter an ihrem Tisch auftaucht, der an einen mürrisch aussehenden Geist mit schlechtem Toupet erinnert.
»Miss Claremont-Diaz«, sagt der Mann, der aussieht, als hieße er Reginald oder Bartholomew. Er verbeugt sich, und wie durch ein Wunder purzelt sein Toupet dabei nicht auf Junes Teller. Hinter seinem Rücken wechselt Alex einen ungläubigen Blick mit ihr. »Seine Königliche Hoheit Prinz Henry lässt fragen, ob Sie ihm die Ehre erweisen würden, ihn zum Tanz zu begleiten.«
June bleibt der Mund halb offen stehen und ihr entfährt ein leiser Ausruf, während sich auf Noras Gesicht ein amüsiertes Grinsen zeigt.
»Oh, mit Vergnügen«, schaltet Nora sich ein. »Sie hofft schon den ganzen Abend, dass er sie auffordert.«
»Ich –«, setzt June an, bricht dann jedoch ab. Ihr Mund lächelt, obwohl sie Nora mit Blicken erdolcht. »Natürlich. Das wäre wundervoll.«
»Vortrefflich«, sagt Reginald-Bartholomew, dann dreht er sich zur Seite und deutet über seine Schulter.
Und da steht Henry, leibhaftig, so klassisch gut aussehend wie immer in seinem maßgeschneiderten Dreiteiler, mit zerzaustem blondem Haar und hohen Wangenknochen und einem weichen, freundlichen Mund. Er hält sich ganz von selbst tadellos gerade, als sei er eines Tages einfach fertig geformt und aufrecht einem schönen Blumenbeet des Buckingham Palace entsprungen.
Ihre Blicke kreuzen sich, und etwas wie Genervtheit oder Adrenalin steigt in Alex’ Brust auf. Er hat seit gut einem Jahr kein richtiges Gespräch mehr mit Henry geführt. Dessen Gesicht ist immer noch ärgerlich symmetrisch.
Henry lässt sich dazu herab, ihm flüchtig zuzunicken, als sei Alex irgendein Gast und nicht der Mensch, den er beim Wetteifern, über wen zuerst in der Vogue berichtet wird, besiegt hat, als sie noch Teenager waren. Alex blinzelt, innerlich schäumend, und sieht zu, wie Henry June sein blödes wohlgeformtes Kinn zuneigt.
»Hallo June«, sagt Henry und hält ihr wie ein Gentleman die Hand hin. Jetzt errötet June. Nora gibt sich verzückt. »Kannst du Walzer tanzen?«
»Ich … bekomme es bestimmt hin«, sagt June und nimmt zaghaft seine Hand, als dächte sie, dass Henry sie vielleicht auf den Arm nimmt. Alex findet, dass sie ihm damit viel zu viel Sinn für Humor zutraut. Er führt sie fort zur Menge der sich drehenden Adligen.
»So läuft das jetzt also?«, meint Alex und funkelt Noras Serviettenvogel an. »Hat er beschlossen, mich endlich mundtot zu machen, indem er meine Schwester umwirbt?«
»Ach Kleiner«, sagt Nora. Sie streckt die Hand aus und tätschelt seine. »Wie süß, dass du denkst, alles dreht sich um dich.«
»Das sollte es aber, ehrlich.«
»Das ist die richtige Einstellung.«
Er schaut auf und in die Menge, wo Henry June über die Tanzfläche wirbelt. Sie hat ein neutrales, höfliches Lächeln aufgesetzt, und er schaut die ganze Zeit über ihre Schulter, was sogar noch ärgerlicher ist. June ist toll. Henry könnte sie zumindest tatsächlich beachten.
»Glaubst du denn, dass er sie wirklich mag?«
Nora zuckt die Schultern. »Wer weiß? Leute aus dem Könighaus sind komisch. Könnte reine Höflichkeit sein, oder – oh, das ist es.«
In diesem Augenblick stürzt ein königlicher Fotograf herein und schießt ein Foto von ihnen, wie sie zusammen tanzen, und Alex weiß, dass es nächste Woche an Hello verkauft werden wird. Das ist es also? Die Präsidentinnentochter benutzen, um ein lächerliches Dating-Gerücht in die Welt zu setzen und damit Aufmerksamkeit zu bekommen? Gott bewahre, dass Philip auch nur eine Woche die Klatschspalten dominiert.
»Er ist ziemlich gut darin«, bemerkt Nora.
Alex winkt einen Kellner herbei und beschließt, sich die restliche Feier über systematisch zu betrinken.
Alex hat es noch nie jemandem erzählt – und hat das auch nicht vor –, aber er war zwölf, als er Henry zum ersten Mal gesehen hat. Er denkt nur darüber nach, wenn er betrunken ist.
Bestimmt hat er dessen Gesicht auch vorher schon in den Nachrichten gesehen, aber mit zwölf hat er ihn zum ersten Mal wirklich wahrgenommen. June war gerade fünfzehn geworden und hatte einen Teil ihres Geburtstagsgeldes für eine knallbunte Teeniezeitschrift ausgegeben. Ihre Begeisterung für billige Klatschblätter begann schon früh. In der Mitte der Zeitschrift gab es kleine Poster, die man herausreißen und in seinen Spind hängen konnte. Wenn man vorsichtig war und die Heftklammern mit den Fingernägeln aufbog, konnte man die Poster heraustrennen, ohne sie zu zerreißen. Eines davon, genau in der Mitte, zeigte einen Jungen.
Er hatte dickes dunkelblondes Haar und große blaue Augen, ein warmes Lächeln und einen Kricketschläger über der Schulter. Es muss ein aufrichtiges Lächeln gewesen sein, weil er ein fröhliches, sonnenhelles Selbstbewusstsein ausstrahlte, das unmöglich gestellt sein konnte. In der unteren Ecke der Seite stand in rosa und blauen Buchstaben: Prinz Henry.
Alex weiß noch immer nicht recht, was ihn immer wieder dorthin zurückzog, nur dass er sich regelmäßig in Junes Zimmer schlich und die Seite heraussuchte, das Haar des Jungen mit den Fingerspitzen berührte, als könne er irgendwie dessen Struktur spüren, wenn er sie sich nur fest genug vorstellte. Je weiter seine Eltern die politischen Ränge erklommen, desto mehr begann er davon auszugehen, dass die Welt bald wissen würde, wer er war. Dann dachte er manchmal an das Foto und versuchte sich Prinz Henrys müheloses Selbstvertrauen anzueignen.
(Er dachte auch darüber nach, die Klammern aufzubiegen und das Foto herauszutrennen und in seinem Zimmer aufzubewahren, doch das tat er nie. Seine Fingernägel waren zu kurz und zu dick, sie waren nicht dafür gedacht, anders als Junes, anders als die eines Mädchens.)
Doch dann kam das erste Mal, dass er Henry begegnete – die ersten kühlen, unbeteiligten Worte, die Henry an ihn richtete –, und Alex schätzte, dass er ganz falsch gelegen hatte, dass der hübsche, aufgeschlossene Junge auf dem Foto nicht echt gewesen war. Der echte Henry ist schön, distanziert, langweilig und verschlossen. Der Mensch, mit dem die Klatschblätter ihn immer wieder vergleichen, mit dem er sich selbst vergleicht, hält sich für etwas Besseres, besser als Alex und Leute wie ihn. Alex kann nicht glauben, dass er jemals auch nur im Entferntesten so sein wollte.
Er trinkt weiter, denkt die ganze Zeit abwechselnd darüber nach und zwingt sich, nicht darüber nachzudenken, verschwindet in der Menge und tanzt mit hübschen europäischen Erbinnen darüber.
Er tanzt gerade in einer Pirouette von einer weg, als er eine einzelne Gestalt erblickt, die sich in der Nähe der Torte und des Champagnerbrunnens aufhält. Es ist schon wieder Prinz Henry, der mit einem Glas in der Hand zuschaut, wie Prinz Philip und seine Braut sich auf der Tanzfläche des Ballsaals drehen. Er sieht höflich und halb interessiert aus, auf diese ätzende Art, die ihm eigen ist, als müsste er eigentlich woanders hin. Und Alex kann dem Drang, ihn zu entlarven, nicht widerstehen.
Er sucht sich seinen Weg durch die Menge, schnappt sich ein Glas Wein von einem vorbeikommenden Tablett und kippt die Hälfte davon hinunter.
»Wenn man so etwas plant«, sagt Alex, während er sich an Henry heranwanzt, »sollte man zwei Champagnerbrunnen aufbauen anstatt einen. Wirklich peinlich, auf einer Hochzeit zu sein, auf der es nur einen Champagnerbrunnen gibt.«
»Alex«, sagt Henry mit diesem vornehmen Akzent, der ihn wahnsinnig macht. Aus der Nähe betrachtet ist die Weste unter dessen Anzugjacke tiefgolden und hat ungefähr tausend Knöpfe. Sie ist scheußlich. »Ich habe mich schon gefragt, ob ich das Vergnügen haben würde.«
»Sieht aus, als wäre heute dein Glückstag«, sagt Alex lächelnd.
»Wahrhaft ein bedeutsames Ereignis«, stimmt Henry zu. Sein eigenes Lächeln ist strahlend weiß und makellos, dafür gemacht, auf Geld gedruckt zu werden.
Das Nervigste von allem ist, dass Alex weiß, dass Henry ihn ebenfalls hasst – das muss er einfach, sie sind von Natur aus Gegner –, doch er weigert sich, sich unverhohlen so zu verhalten. Alex ist sich nur zu bewusst, dass es in der Politik dazu gehört, sich Leuten gegenüber nett zu verhalten, die man verabscheut, doch er wünscht sich, dass Henry sich ein Mal, nur ein einziges Mal wie ein echter Mensch verhalten würde und nicht wie ein poliertes kleines Aufziehspielzeug aus dem Souvenirshop des Palasts.
Er ist zu perfekt. Alex will sticheln.
»Bist du es eigentlich jemals leid«, sagt er, »so zu tun, als würdest du über all dem stehen?«
Henry wendet sich ihm zu und starrt ihn an. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht weiß, wovon du sprichst.«
»Ich meine, du hier, wie du die Fotografen dazu bringst, dich zu verfolgen, und majestätisch herumschwebst, als würdest du die Aufmerksamkeit hassen, was du offensichtlich nicht tust, da du ausgerechnet mit meiner Schwester tanzt«, sagt Alex. »Du benimmst dich immer so, als wärst du zu wichtig, um irgendwo zu sein. Ist das nicht irgendwann anstrengend?«
»Ich bin … schon ein bisschen komplizierter«, bemerkt Henry.
»Ha.«
»Oh«, sagt Henry und kneift die Augen zusammen. »Du bist betrunken.«
»Ich meine ja nur«, sagt Alex und stützt sich übertrieben freundschaftlich mit dem Ellbogen auf Henrys Schulter, was nicht so leicht ist, wie er gerne hätte, da Henry ihn ärgerlicherweise um ungefähr zehn Zentimeter überragt. »Du könntest versuchen, so zu tun, als hättest du Spaß. Hin und wieder.«
Henry lacht betrübt. »Ich glaube, du solltest vielleicht darüber nachdenken, auf Wasser umzusteigen, Alex.«
»Sollte ich das?«, fragt Alex. Er schiebt den Gedanken beiseite, dass es vielleicht der Wein war, der ihm überhaupt den Mut verliehen hat, zu Henry hinüberzustapfen, und schaut so verschämt und unschuldig drein, wie er kann. »Beleidige ich dich? Tut mir leid, ich bin nicht so von dir besessen wie alle anderen. Ich weiß, das verwirrt dich bestimmt.«
»Weißt du was?«, meint Henry. »Ich glaube, das bist du doch.«
Alex bleibt der Mund offen stehen, während Henry selbstzufrieden und fast ein bisschen gemein den Mund verzieht.
»Nur so ein Gedanke«, sagt Henry in liebenswürdigem Ton. »Ist dir aufgefallen, dass ich nicht ein einziges Mal auf dich zugekommen bin und jedes Mal, wenn wir uns unterhalten haben, absolut höflich war? Dennoch bist du hier und suchst mich schon wieder auf.« Er nimmt einen Schluck von seinem Champagner. »Lediglich eine Beobachtung.«
»Was? Ich bin nicht –«, stammelt Alex. »Du bist der –«
»Hab einen wunderschönen Abend, Alex«, sagt Henry knapp und wendet sich zum Gehen.
Es macht Alex wahnsinnig, dass Henry glaubt, das letzte Wort haben zu können, und ohne nachzudenken streckt er den Arm aus und zieht ihn an der Schulter zurück.
Da dreht Henry sich auf einmal um, und diesmal stößt er Alex fast von sich, und einen kurzen, zündenden Moment lang ist Alex beeindruckt von dem Funkeln in dessen Augen, dem plötzlichen Hervorbrechen einer tatsächlichen Persönlichkeit.
Ehe er sichs versieht, stolpert er über seinen eigenen Fuß und taumelt rückwärts gegen den Tisch, der ihm am nächsten ist. Er bemerkt zu spät, dass es sich zu seinem Entsetzen dabei um den handelt, der die riesige achtstöckige Hochzeitstorte trägt, und greift nach Henrys Arm, um sich festzuhalten, aber das bewirkt nur, dass sie beide aus dem Gleichgewicht geraten und zusammen gegen den Tortenständer prallen.
Er schaut zu, als die Torte sich wie in Zeitlupe neigt, schwankt, zittert und schließlich umkippt. Er kann rein gar nichts tun, um sie aufzuhalten. In einer Lawine aus weißer Buttercreme kommt sie heruntergekracht, eine Art zuckriger Fünfundsiebzigtausend-Dollar-Albtraum.
Im Raum wird es mit einem Mal schrecklich still, als er und Henry ebenfalls zu Boden gehen, hinunter auf die Trümmer der Torte auf dem kunstvoll verzierten Teppich, wobei Alex’ Faust noch immer Henrys Ärmel umklammert. Der Inhalt von dessen Champagnerglas ist über sie beide verschüttet und das Glas zerbrochen, und aus den Augenwinkeln sieht Alex einen Schnitt oberhalb von Henrys Wangenknochen, der gerade zu bluten beginnt.
Während er mit Glasur und Champagner bedeckt an die Decke starrt, kann er einen Moment lang nur daran denken, dass zumindest Henrys Tanz mit June nicht die größte Story der königlichen Hochzeit sein wird.
Sein nächster Gedanke ist, dass seine Mutter ihn kaltblütig ermorden wird.
Neben sich hört er Henry langsam murmeln: »Heilige Scheiße.«
Schwach registriert er, dass es das erste Mal ist, dass er den Prinzen fluchen gehört hat, ehe der Blitz einer Kamera aufleuchtet.
Mit einem widerhallenden Knall klatscht Zahra einen Zeitschriftenstapel auf den Tisch im Presseraum des Westflügels.
»Und das sind bloß die, die ich heute Morgen auf dem Weg hierher gesehen habe«, sagt sie. »Ich brauche dich wohl nicht daran zu erinnern, dass ich nur zwei Straßen entfernt wohne.«
Alex starrt die Schlagzeilen vor sich an.
Der fünfundsiebzigtausend-Dollar-Fehltritt
Königsschlacht: Prinz Henry und der Präsidentinnensohn prügeln sich auf der königlichen Hochzeit
Tortensturz: Alex Claremont-Diaz löst den zweiten Britisch-Amerikanischen Krieg aus
Jede davon begleitet ein Foto von ihm und Henry flach auf dem Rücken in einem Haufen von Tortenmatsch. Henrys alberner Anzug ist ganz verrutscht und mit zerdrückten Buttercremeblumen beschmiert, Alex hält dessen Handgelenk fest und ein dünner roter Schnitt verläuft quer über dessen Wange.
»Bist du sicher, dass wir diese Besprechung nicht eher im Krisenraum abhalten sollten?«, versucht Alex es.
Weder Zahra noch seine Mutter, die ihnen gegenüber am Tisch sitzt, scheinen seine Bemerkung witzig zu finden. Die Präsidentin bedenkt ihn über ihre Lesebrille hinweg mit einem vernichtenden Blick, und er presst die Lippen zusammen.
Vor Zahra, der stellvertretenden Stabschefin seiner Mutter und ihre rechte Hand, fürchtet er sich nicht direkt. Sie hat eine harte Schale, aber Alex ist überzeugt, dass irgendwo dort drinnen etwas Weiches ist. Er hat mehr Angst vor dem, was seine Mutter tun könnte. Während sie aufwuchsen, wurden sie stets dazu angehalten, offen über ihre Gefühle zu sprechen, und dann wurde seine Mutter Präsidentin und plötzlich ging es in ihrem Leben weniger um Gefühle und mehr um internationale Beziehungen. Er ist sich nicht sicher, welche Option ein schlimmeres Schicksal bedeutet.
»›Insider von der königlichen Hochzeitsfeier geben an, dass man die beiden wenige Minuten vor der … tortalen Katastrophe miteinander streiten sah‹«, liest Ellen mit äußerster Geringschätzung aus ihrem Exemplar der Sun vor. Alex versucht nicht einmal zu erraten, wie sie an die heutige Ausgabe eines britischen Boulevardblattes gekommen ist. Die Wege der Präsidentinnen-Mom sind unergründlich. »›Doch Quellen aus dem Königshaus berichten, dass die Fehde des Präsidentinnensohns mit Henry schon seit Jahren andauere. Eine Quelle verriet der Sun, dass es zwischen Henry und dem Präsidentinnensohn bereit seit ihrer ersten Begegnung bei den Olympischen Spielen in Rio Zwistigkeiten gebe, und die Feindschaft hat nur zugenommen – dieser Tage können sie sich nicht einmal im selben Raum aufhalten. Scheint, als sei es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Alex das Ganze auf amerikanische Weise anging: mit einer gewaltsamen Auseinandersetzung.‹«
»Ich finde wirklich nicht, dass man es als gewaltsam bezeichnen kann, wenn jemand über einen Tisch stolpert –«
»Alexander«, sagt Ellen in beängstigend ruhigem Tonfall, »halt den Mund.«
Er gehorcht.
»›Man kommt nicht umhin, sich zu fragen«, liest Ellen weiter vor, »ob der Groll zwischen diesen beiden mächtigen Söhnen zu dem beigetragen hat, was viele als eisige und distanzierte Beziehung zwischen der Regierung von Präsidentin Ellen Claremont und dem Königshaus in den letzten Jahren bezeichnen.‹«
Sie wirft die Zeitschrift beiseite und verschränkt die Arme auf dem Tisch. »Bitte erzähl mir einen anderen Witz«, sagt Ellen. »Ich hätte so gern, dass du mir erklärst, inwiefern das lustig ist.«
Alex öffnet und schließt ein paarmal den Mund.
»Er hat angefangen«, sagt er schließlich. »Ich habe ihn kaum angerührt – er ist derjenige, der mich geschubst hat, und ich habe mich nur an ihm festgehalten, um nicht zu fallen, und –«
»Schatz, ich kann dir gar nicht sagen, wie gleichgültig es den Medien ist, wer hier mit was angefangen hat«, sagt Ellen. »Als deine Mutter kann ich anerkennen, dass es vielleicht nicht deine Schuld war, aber als Präsidentin wünsche ich mir nur, dass die CIA deinen Tod vortäuscht und ich das Mitgefühl wegen meines toten Kindes ausnutzen kann, um für eine zweite Amtszeit gewählt zu werden.«
Alex spannt das Kinn an. Er ist es gewohnt, Dinge zu tun, die die Mitarbeiter seiner Mutter verärgern – als Teenager hatte er eine Vorliebe dafür, ihre Kolleginnen und Kollegen auf internen Benefizveranstaltungen in DC mit ihrem widersprüchlichen Abstimmverhalten zu konfrontieren – und er war schon wegen peinlicherer Sachen in den Klatschblättern. Doch noch nie auf eine derart verheerende Weise und mit internationalen Auswirkungen.
»Ich habe im Moment keine Zeit, mich damit herumzuschlagen, also werden wir Folgendes tun«, sagt Ellen und zieht eine Mappe aus ihrem Ordner. Sie enthält einige offiziell aussehende Dokumente, die mit Klebezetteln in verschiedenen Farben versehen sind. Auf dem ersten steht: VEREINBARTE BEDINGUNGEN
»Ähm«, macht Alex.
»Du«, sagt sie, »bist nett zu Henry. Du brichst am Samstag auf und verbringst den Sonntag in England.«
Alex blinzelt. »Ist es zu spät, die Option zu wählen, bei der ich meinen Tod vortäusche?«
»Zahra wird dir die restlichen Anweisungen geben«, fährt Ellen ungerührt fort. »Ich habe jetzt ungefähr fünfhundert Sitzungen.« Sie steht auf und geht zur Tür, wobei sie innehält, um sich auf die Hand zu küssen und sie ihm auf den Kopf zu legen. »Hab dich lieb.«
Dann ist sie verschwunden, das Klackern ihrer Absätze hallt hinter ihr den Flur entlang, und Zahra lässt sich auf dem Stuhl nieder, den sie frei gemacht hat, mit einem Gesichtsausdruck, als würde sie lieber wirklich seinen Tod arrangieren. Sie ist eigentlich nicht die mächtigste oder wichtigste Akteurin im Weißen Haus seiner Mutter, aber sie arbeitet schon an ihrer Seite, seit Alex fünf ist und Zahra frisch aus Howard kam. Sie ist die Einzige, der man es zutraut, sich mit der Präsidentinnenfamilie herumzuschlagen.
»Okay, wir machen es folgendermaßen«, sagt sie. »Ich war die ganze Nacht in einer Konferenz mit einem Haufen stockkonservativer königlicher Betreuer und PR-Ärsche und dem verdammten Stallmeister des Prinzen, um das hier in die Wege zu leiten, deshalb wirst du diesem Plan bis ins kleinste Detail folgen und es nicht versauen, kapiert?«
Insgeheim findet Alex die ganze Sache noch immer vollkommen lächerlich, doch er nickt. Zahra sieht absolut nicht überzeugt aus, sie fährt allerdings mit Nachdruck fort.
»Zunächst werden das Weiße Haus und das Königshaus eine gemeinsame Stellungnahme abgeben, in der es heißt, dass das, was auf der königlichen Hochzeit passiert ist, ein reiner Unfall und ein Missverständnis war –«
»Das stimmt ja auch.«
»– und dass, obwohl ihr selten Zeit habt, euch zu treffen, du und Prinz Henry schon seit einigen Jahren enge persönliche Freunde seid.«
»Wir sind was?«
»Schau«, sagt Zahra und trinkt einen Schluck aus ihrem riesigen Edelstahl-Kaffeebecher. »Beide Seiten müssen am Ende gut dastehen, und das lässt sich nur hinbekommen, wenn wir es so aussehen lassen, als wäre eure kleine Prügelei auf der Hochzeit eine Art homoerotische Panne unter Kumpels gewesen, okay? Du kannst den Prinzen hassen, soviel du willst, in deinem Tagebuch gemeine Gedichte über ihn schreiben, aber sobald du eine Kamera siehst, benimmst du dich, als wäre er dein Sonnenschein, und du machst es überzeugend.«
»Hast du Henry mal getroffen?«, fragt Alex. »Wie soll ich das hinkriegen? Er hat so viel Persönlichkeit wie ein Kohlkopf.«
»Verstehst du wirklich nicht, dass es mir scheißegal ist, wie es dir damit geht?«, fragt Zahra. »Es wird genau so ablaufen, damit du nicht das ganze Land von der Kampagne zur Wiederwahl deiner Mutter ablenkst. Wenn sie nächstes Jahr die Debattenbühne betritt, willst du, dass sie der Welt erklären muss, warum ihr Sohn versucht, die europäischen Beziehungen der USA zu destabilisieren?«
Nun, nein, das will er nicht. Und er weiß im Grunde, dass er eigentlich ein besserer Stratege ist, als er in diesem Fall war, und dass er ohne seinen Groll wahrscheinlich selbst auf diesen Plan gekommen wäre.
»Also, Henry ist dein neuer bester Freund«, fährt Zahra fort. »Du wirst lächeln und nicken und niemandem ans Bein pissen, während du und Henry das Wochenende damit verbringt, bei Benefizveranstaltungen aufzutreten und mit der Presse darüber zu reden, wie sehr ihr die Gesellschaft des anderen schätzt. Wenn jemand nach ihm fragt, will ich dich schwärmen hören, als wäre er dein verdammter Abschlussballpartner.«
Sie schiebt ihm eine Liste und Tabellen herüber, so detailliert, dass sie von ihm stammen könnten, mit der Überschrift: »Merkblatt zu seiner königlichen Hoheit Prinz Henry«
»Du wirst das auswendig lernen, damit du weißt, was du sagen sollst, wenn irgendjemand versucht, dich bei einer Lüge zu ertappen«, meint sie. Unter »Hobbys« sind Polo und Regattasegeln aufgelistet. Alex würde sich am liebsten selbst verbrennen.
»Bekommt er auch so eins über mich?«, fragt er hilflos.
»Jep. Und nur damit das klar ist, das zu erstellen war einer der deprimierendsten Momente meiner Laufbahn.« Sie schiebt ihm eine weitere Seite herüber, auf der im Einzelnen die Pflichten für das Wochenende stehen.
Mindestens zwei (2) Beiträge pro Tag in den sozialen Medien, die England bzw. den Besuch dort hervorheben.
Ein (1) Liveinterview mit ITV This Morning, das fünf (5) Minuten dauert, übereinstimmend mit der festgelegten Geschichte.
Zwei (2) gemeinsame Auftritte in Gegenwart von Fotografen: ein (1) privates Treffen, ein (1) öffentlicher Benefiz-Auftritt.
»Warum muss ich hin? Er ist derjenige, der mich in diese blöde Torte geschubst hat – sollte nicht er hierherkommen und mit mir bei Saturday Night Live auftreten müssen oder so?«
»Weil es die königliche Hochzeit war, die du ruiniert hast, und sie diejenigen sind, die jetzt fünfundsiebzigtausend Kröten ärmer sind«, sagt Zahra. »Abgesehen davon arrangieren wir gerade seine Anwesenheit bei einem Staatsbankett in ein paar Monaten. Er ist davon ebenso wenig begeistert wie du.«
Alex kneift sich in den Nasenrücken, von wo aus sich bereits ein stressbedingter Kopfschmerz ausbreitet. »Ich habe Uni.«
»Am Sonntagabend, DC-Zeit, bist du wieder hier«, informiert Zahra ihn. »Du wirst nichts verpassen.«
»Es gibt also wirklich keine Möglichkeit, wie ich aus dieser Nummer herauskomme?«
»Nein.«
Alex presst die Lippen aufeinander. Er braucht eine Liste.
Als er klein war, hatte er im Haus in Austin unter dem abgenutzten Jeanskissen des Fenstersitzes eine Sammlung loser Blätter versteckt, die mit geschwungener Krakelschrift bedeckt waren. Weitschweifige Abhandlungen über die Rolle der Regierung in den USA, in denen alle Gs seitenverkehrt waren, vom Englischen ins Spanische übersetzte Stellen sowie Tabellen mit den Stärken und Schwächen seiner Klassenkameraden aus der Grundschule. Und Listen. Haufenweise Listen. Die Listen helfen.
Also: Gründe, warum das eine gute Idee ist.
Erstens. Seine Mutter braucht positive Berichterstattung.
Zweitens. Eine negative Vorgeschichte im Bereich Auslandsbeziehungen wird seiner Karriere ganz sicher nicht zuträglich sein.
Drittens. Eine kostenlose Reise nach Europa.
»Okay«, sagt er und nimmt die Mappe. »Ich mache es. Aber ich werde kein bisschen Spaß haben.«
»Das will ich hoffen.«
Das WH-Trio ist offiziell der Spitzname für Alex, June und Nora, den das People Magazin kurz vor der Amtseinsetzung geprägt hat. Tatsächlich hat das PRPeople