Ulrich Hildebrandt

Der Gesundheitsminister

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Das Treffen der Freunde

Das Bundesministerium für Gesundheit

Der Unbekannte

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV)

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG)

Mit Krankenhäusern Geld verdienen

Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

Die Private Krankenversicherung (PKV)

Ambulante Notfallversorgung

Die Ostsee

Vertrauen in die Medizin und die Krankenhäuser?

Der Versuchsballon

Im Kreuzverhör

Wiedersehen

Die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)

Das Interview und der schlechte Tag

Die Offenbarung

Der Talk mit Isabell

Impressum neobooks

Das Treffen der Freunde


„Du machst es!“

Jakob legt den Hörer auf und lehnt sich zurück. Lange, ohne nachzudenken, mit leerem Kopf und ohne sich auf dem Bürostuhl zu bewegen. Das saß, das hatten seine Freunde so entschieden und einer hat es ihm mitgeteilt. Mitgeteilt, angetragen? Befohlen, schlicht befohlen. Eine Bitte klingt anders.


Sie kennen sich seit der Internatszeit. Während der gemeinsamen Jahre an der Schlei hatten sie erfahren, was Freundschaft ist. Die stellte sich einfach so ein. Keiner hatte den anderen gesucht. Später haben sie oft darüber gelacht, wenn einer aus der Gruppe darüber sinnierte, wie es so kommen konnte. Sie wissen es bis heute nicht. War es das Alleinsein in der Abgeschiedenheit des Internates, die Entfernung von Familie und Freunden aus der Vorinternatszeit? Sie kamen zu dem Schluss, dass sich die Richtigen getroffen haben. Dabei waren sie so anders, so verschieden. Im Punkt Sympathie aber einig. Jeder war für sich ein Unikum, das empfanden sie damals so. Jeder hatte etwas Eigenes. Spezielle Interessen, Kenntnisse, die die anderen nicht hatten, oder besondere Erlebnisse, weil ihre Eltern, oder eine Hälfte davon, beruflich durch die Welt tingelten.


In einem weiteren Punkt waren sie sich sehr ähnlich. Jeder hatte bereits ziemlich klare Vorstellungen, wohin das Leben ihn führen sollte. Jakob wollte in die Politik. Näher konnte er sein Ziel damals nicht beschreiben. Für die Freunde war das Ziel unübersehbar. Erst war er Klassensprecher, schließlich Schulsprecher. Das ganze Internat hatte das unausgesprochene Gefühl, dass für diese Position nur einer in Frage kam. Jakobs bester Freund, sah das auch so. Weil er ähnliche Ambitionen hatte. Nur den Weg stellte er sich anders vor. Erst wollte er ein Wirtschaftsstudium absolvieren, dann sollte es in die Politik gehen. Jakob wollte beides in einem Zug angehen.


Mit den Mädchen des Internates hatten sie es nicht besonders dicke. Jakob pflegte eine lockere Beziehung zu Isabell. Die zwei trafen sich hin und wieder außerhalb des Freundeskreises. Aus politischen Gründen, wie Jakob zu erklären versuchte. Seine Freunde sahen das anders. Nur für politische Ambitionen war Isabell viel zu hübsch. Das glaubte ihm keiner. Isabell wollte Journalistin werden. Das sollte Jakobs Nähe zu Isabell erklären.


Tatsächlich wurde Isabell Journalistin. Nicht nur das. Sie bekam auch eine eigene Talkshow im Fernsehen. Eine für politische Themen. Und tatsächlich wurde Isabell die Freundin von Jakob. Nicht ausschließlich aus politischen Gründen.


Das Ende der Internatszeit hatten die Freunde ausgiebig in Südfrankreich gefeiert. In dem Feriendomizil, das die Eltern eines Freundes zur Verfügung gestellt hatten. Auch Isabell war dabei und noch zwei andere Mädchen aus dem Internat. Politik stand nicht im Vordergrund.


Jakob trat in eine konservative Partei ein und stürzte sich in die politische Tagesarbeit. So, wie es Hunderte vor ihm taten und wie es Hunderte nach ihm tun werden. Mit Basisarbeit, mit Anwesenheit, mit Überzeugung. Aber auch mit Frustration am Info Stand. Mit dem Verteilen von Fähnchen und Prospekten. Mit Präsenz in den sozialen Medien. Mit Einmischen, mit Mitreden und mit Einstecken. Mit Anerkennung, mit Missgunst, mit Intrige und Kumpanei. Die ganze Palette.


Er hielt durch und wurde schließlich in seinem Wahlkreis für einen Sitz im Bundestag nominiert. Den er auch errang und den er antrat. So ganz nebenbei absolvierte er sein Wirtschaftsstudium und lernte Politik und Wirtschaft auf einen Nenner zu bringen. Das machte ihn bei seinen Parteifreunden bekannt und begehrt. Ob es immer Freunde waren, das sei dahingestellt. Jakob hatte längst erkannt, dass die Luft nach oben dünner wurde. Für den nötigen Auftrieb schmiedete er Allianzen, die ihn weitertrugen. Bis er schließlich den Posten eines Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium ergattern konnte.


„Du machst es!“, lautet die Aufforderung seiner Freunde aus den Internatstagen. Es ist die Zeit der politischen Entscheidungen. Seine Partei stand schon einmal besser da. Es sieht so aus, als könnte sie die stärkste Fraktion werden. Wenn auch mit erheblichen Abstrichen, gemessen am letzten Abschneiden. Die Demoskopen liefern fortwährend neue Wasserstände. Intern werden bereits, wie eigentlich immer, verschiedene Koalitionsszenarien durchgespielt. Die Koalition mit dem bisherigen Partner ist ausgelutscht. Es muss neuer Wind her. Das kann nur in einer Dreiergemeinschaft gelingen. Die aufzustellen ist wieder so ein Ding. Die Identitäten der drei liegen weit auseinander. Aber der Versuch, es zu dritt zu wagen, ist für die drei mehr als ein Abenteuer. Sollte es gelingen, wären die drei in der Regierung. Allein schon der Gedanke, nicht auf der Oppositionsbank sitzen zu müssen, macht flügge. Lässt so manches Prinzip davonfliegen. Was vorher galt, bekommt ein neues Profil. Mit Rundungen, wo keine waren und mit Kanten, wo früher alles glatt war.


Bevor die Entscheidung der Wähler fällt, ist der eine und der andere Ministerposten virtuell schon besetzt. Jakobs Partei spielt das Spiel mit. Als Staatssekretär ist er nicht involviert, aber gut informiert. Die gedanklichen Winkelzüge gehen in alle Richtungen und Jakob wundert sich darüber, welche Namen genannt werden. Und mit wem, welcher Posten besetzt werden soll.


Dass seine Freunde ihn ins Spiel bringen, empfindet er als einen Scherz. Ehrgeiz allein erklimmt keine Berge. Und der Anstieg muss gut vorbereitet sein. Die Ausrüstung für den Anstieg fehlt ihm vollkommen. Es sollte hoch hinauf gehen.


In Sherpa Manier haben die Freunde entschieden, Jakob auf den Posten des Gesundheitsministers zu hieven. Harry bekommt den Auftrag mit Jakob zu telefonieren.

„Von Gesundheit verstehe ich nichts, rein gar nichts“, entgegnet Jakob. „Ihr seid verrückt, einfach nur verrückt. Das könnt ihr mit mir nicht machen.“

„Das siehst du völlig falsch. Du verstehst die Wirtschaft, das zählt. Die Gesundheit ist nur Beiwerk. Wenn wir von über 300 Milliarden Euro in der Gesundheitswirtschaft reden, dann reden wir von Geld und nicht von Fieber.“ Das sagt einer, der es wissen könnte. Harry, eigentlich Harald, ist CEO einer gesetzlichen Krankenversicherung.

„Für mich ist Gesundheit nicht Wirtschaft“, entgegnet Jakob. „Gesundheit hat was mit Medizin zu tun. Und die Medizin ist Sache der Ärzte. Die Wirtschaft bietet eine Plattform. Ohne die geht es nicht, zugegeben. Auf der wirtschaftlichen Plattform bewegt sich die Medizin. Aber sie dominiert. Sie steht über der Wirtschaft.“

„Das war einmal“, entgegnet Harry.

„Wir brauchen nicht weiter zu reden.“ Jakob hat nicht die geringste Lust, das Thema zu vertiefen.


Die Freunde haben ein Treffen vereinbart. Ein Treffen ohne Jakob. Der Anruf von Harry erscheint ihnen im Nachhinein als ziemlich plump. Es sollte nur ein Stimmungsballon sein. Wurde es auch. Mit einem Knall wurde klar, dass Jakob auf Abwehr gestellt hat. Dabei führen sie wirklich nichts im Schilde. Jakob ist einer der Ihren. Ein starker, ein ganz starker. Die Idee für den Ministerposten hat ein enger Freund. Einer, mit dem Jakob sehr häufig zusammen ist. Thomas, Tom genannt, ist in seiner Partei gut vernetzt. Er spielt weit vorn mit. Ein großes Rad will er nicht drehen. Nach eigener Einschätzung fehlt ihm dafür das letzte Quäntchen an politischer Intuition. Tom gehört zu der Spezies, die gern in der zweiten Reihe steht. Nicht wegen der Deckung, nicht wegen der Pfeile, die er aus dem Hintergrund schießen könnte. Sondern wegen eines Gefühls der Sicherheit. Ein weiterer Schritt nach hinten, fällt in der zweiten Reihe nicht auf. Tom ist auch das, was man als einen Wasserträger aus freien Stücken bezeichnen könnte. Er hilft lieber denen, denen er mehr zutraut, als sich selbst. Weil er überzeugt ist, dass Jakob der Mann für den Posten des Gesundheitsministers ist, hat er das Treffen arrangiert. Neben ihm und Harry ist auch noch José dabei. José ist ziemlich viel und weit herumgekommen. Auch er hat Wirtschaft studiert, aber nicht so richtig den Absprung von der Wissenschaft gefunden. Die Kombination von Wirtschaft und Wissenschaft, das ist sein Ding. Er war an unterschiedlichen Unis und Institutionen unterwegs gewesen. Auch im Ausland. So richtig sesshaft wurde er vor nicht allzu langer Zeit. Wegen einer Frau, wegen der daraus resultierenden Familie und den Kindern, die dann folgten. Die Gesundheitsökonomie ist sein Thema.


„Es war sehr naiv, den Jakob mit einem dilettantischen Anruf zu überfallen“, betont Harry.

„Stimmt, das ging voll daneben. Macht aber nichts. Ich spreche morgen mit ihm und dann gehen wir in die zweite Runde.“ Tom sieht darin kein Problem.

„Glaubt ihr, dass er es macht?“ José ist eher skeptisch.

„Ein bisschen hängt das von uns ab. Wir müssen ihm den verfahrenen Zustand des Gesundheitswesens erklären“, erläutert Harry. „Was allgemein geredet wird, ist zu wenig. Wir müssen in die Tiefe gehen. Dafür sind wir übrigens gut aufgestellt. Mit dir, José, als Gesundheitsökonom und mit mir. Ich versteh was von den Krankenkassen.“ Er sagt das mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Was prompt Tom auf den Plan ruft.

„Weht da nicht ein Hauch von Lobbyismus rüber?“

„Noch nicht. Nein, überhaupt nicht. Aber ein paar Gedanken aus unserer Sichtweise werde ich schon rüberbringen müssen“, betont Harry.

„Unsere Runde ist nicht schlecht“, fährt Tom fort. „Aber uns fehlt jemand aus der Medizin. Jemand aus dem Krankenhaus, oder aus den Ärzteverbänden.“

„Das lässt sich machen“, sagt José. „Ich kenne einige. Kein Problem. Die holen wir uns, wenn wir sie brauchen.“

„Das sieht gut aus“, resümiert Tom. „Wir laden Jakob zum Essen ein und dann präsentieren wir unser Konzept. Was isst der eigentlich gern? Die Wahl des Lokals ist nicht unerheblich.“

„Alles, was Isabell nicht mag.“ Harry findet die Frage offenbar lustig.

„Das ist nicht zum Lachen“, erwidert Tom, der sichtlich bemüht ist, den Dampfer in Fahrt zu bringen. „An einem falschen Essen ist schon so manches Projekt gescheitert. Isabell liegt auf der vegetarischen Spur. Was Deftiges wäre schon gut. Etwas mit Bier könnte ihm gefallen. Er trinkt gern Bier, das weiß ich. Es gibt da so ein Lokal, das ausgesuchte Biersorten vom Fass hat. Das Essen soll sehr gut sein.“

„Du meinst jetzt aber nicht so eine laute Bierkneipe. Schließlich wollen wir uns unterhalten.“


Die Bemerkung von José hatte noch eine kleine Diskussion zur Folge. Am Ende waren sie sich einig, in welchem Lokal das Gespräch stattfinden sollte. Den Anlass sollte Jakob erst erfahren, wenn sie das erste Bier hinter sich haben. Als vorgeschobener Grund soll der Besuch eines neuen Lokals genannt werden, das einige Erwartungen verspräche. Tom übernimmt die Organisation des Termins, was erwartungsgemäß nicht einfach ist. Jakob hat kaum noch Lücken. Vor allem die Abstimmung mit Isabells Zeitplan macht das Zeitfenster klein. Die beiden haben vereinbart, dass außerhalb des Berufes ihre gemeinsame Zeit absolute Priorität hat. Tom hat echte Schwierigkeiten, einem Treffen der Internatstruppe den Anflug von Bedeutung anzuheften. Umso mehr, als der Grund für das Treffen nicht mehr als ein Kneipenbesuch sein soll. Da es eine Männerrunde werden soll, ist die Wahl eines Bierlokals mit deftiger Küche für Frauenwünsche nicht begehrlich. So ist es auch gewollt und es klappt. Die Männer sind unter sich.


Jakobs Freunde telefonieren noch mehrmals hin und her, um den Gesprächsverlauf für den Abend zu planen. Einen weiteren Reinfall darf es nicht geben. Drei Wochen nach dem Treffen sitzen sie in dem Bierlokal „Die zornige Ameise“. Tom war zuvor da gewesen und hat einen Tisch reserviert, der etwas abgesetzt in einer Nische steht. Gut geeignet für ein Gespräch ohne Gelegenheitslauscher. Der Geräuschpegel würde für eine zusätzliche Sprachverneblung sorgen.


Jakob ist sichtlich entspannt. Nicht schlecht für den Abend. Das Lokal gefällt ihm und Lust auf Bier hat er heute auch.

„Wer von euch hatte die Initiative? Schön, dass wir uns wieder einmal treffen. José, dich habe ich ewig lang nicht gesehen. Warst du nicht in Dänemark?“

„Da war ich auch. Aber das ist schon länger her. Zuletzt war ich bei der EU.“

„Bei der EU? Du beschäftigst dich, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, mit Gesundheitsökonomie.“ Jakob hat unbeabsichtigt den Gesprächsball in die richtige Ecke geschossen.

„Ja das ist mein Thema. In Brüssel habe ich an einem europäischen Gemeinschaftsprojekt mitgewirkt. Wir wollten herausfinden, wie sich die Gesundheitssysteme der EU Staaten voneinander unterscheiden. Und wir wollten Gemeinsamkeiten ausloten.“

„Das ist euch sicher gelungen“, antwortet Jakob mit einem Schmunzeln.

„Wie du dir denken kannst, ist es uns gelungen. Aber es hilft uns nicht weiter. Die EU hat eine schöne große Bibliothek. Da kommt der Bericht wohl rein. Zu den vielen anderen.“ José quittiert Jakobs Frage ebenfalls mit einem Lächeln. Tom findet, dass das Thema zu früh dran ist und schwenkt zurück auf die Beziehungsebene.

„Wie geht es Isabell? Wie toll sie aussieht, wissen wir ja. Vom Fernsehen. Ich meine, ist sie zufrieden mit ihrem Job?“

„Auf jeden Fall. Sie ist in ihrem Element. Sie liebt den Themenwechsel. Dank der Politik. Im Augenblick ist richtig was los. Das ist gut für Isabell. Wie sieht es bei dir aus? Ich meine in deinem Ministerium. Habt ihr heiße Projekte in der Pipeline? Die Wirtschaft läuft ja von selbst. Ihr müsst eigentlich nur gute Zahlen verkünden und könnt euch zurücklehnen.“

Jakob stichelt gern und tut es auch heute wieder.

„Du sagst es“, antwortet Tom gelassen. „Wir haben wenig zu tun und müssen sehen, wie wir die Zeit rumkriegen. Deshalb bin ich froh, dass ihr mich heute hierher gelotst habt. Ich gebe einen aus, das Bier geht auf mich.“


Nachdem jeder von jedem das Aktuelle aus Beruf und Familie erfahren hat, kommt Tom zurück zum eigentlichen Anlass des Abends.


„Der Anruf von Harry, vor einigen Wochen, war blöd.“

„Wie meinst du das, blöd?“, fragt Jakob. Offensichtlich hatten wichtigere Ereignisse den Telefon Flop längst verdrängt.

„Ich meine unsere Idee, dass du Gesundheitsminister werden musst…“ Jakob lässt ihn nicht ausreden.

„Ach so, ich muss Gesundheitsminister werden und ihr entscheidet das. Ihr drei. Nicht die Partei, nicht die Gremien, nicht der Wähler. Ihr sagt, dass ich muss.“ Jakob greift zum Glas und trinkt einen kräftigen Schluck. Er scheint sichtlich aufgebracht zu sein, denn er steht auf und geht zum Tresen. Die Blicke vom Tisch folgen ihm. Als er zurück an den Tisch kommt und sich hinsetzt, scheint er wieder entspannt zu sein.

„Ihr habt alle nichts mehr zu trinken. Bei uns kommt kein Kellner vorbei. Ich habe nachbestellt.“

Tom reagiert umgehend. „Jakob versteh uns bitte. Wir möchten dir das erklären. Hör es dir einfach an, dann reden wir weiter. Okay?“

„Okay, der Abend ist noch jung. Warum sollte ich nein sagen? Wir sind Freunde und können über alles reden.“

„Danke Jakob“, antwortet Tom. „Soll ich anfangen?“

„Ja fang an“, sagt Harry. „Aber erst, wenn wir etwas gegessen haben.“


Das taten sie auch und redeten dabei über Politik. Gesundheitspolitik ausgenommen. Nach einer kurzen Verdauungspause nimmt Tom den Gesprächsfaden wieder auf.

„Jakob du kennst die Tagespolitik. Das Thema Gesundheit ist nicht vorrangig, aber denk an zurückliegende Gesundheitsthemen. Die Hygiene im Krankenhaus ist eines davon. Dann die Finanzierung der Krankenhäuser. Das Lamentieren über die Nichtbilligung der Investitionsgelder durch die Länder. Und dann noch das aktuelle Dauerthema, die Pflege. Das ist nur ein Teil der Baustellen im Gesundheitswesen. Wir denken vorausschauend. Anders, als in der vergangenen Legislaturperiode gedacht wurde. Dein Parteifreund, der Bundesgesundheitsminister, hat Hinterher-Politik gemacht. Ist den Ereignissen hinterhergelaufen und hat kosmetische Veränderungen vollzogen. Das geht in Zukunft nicht mehr, das Hinterheragieren.“

„So, ihr denkt ich sei der Mann für das Vorausschauende“, erwidert Jakob.

„Ja, davon sind wir überzeugt“, antworten Harry und José im Gleichklang.

Jakob schaut nachdenklich in sein Glas. Jetzt hat er verstanden. Seine Freunde wollen, dass er Gesundheitsminister würde. Genauer gesagt Bundesgesundheitsminister. Für das ganze Land. Einfach so, wollen das die Freunde.


„Warum wollt ihr, dass ich auf so einen Posten hinarbeite? Ich kann das noch nicht erkennen. Von dir Tom weiß ich, dass du kein Ministeramt anstrebst. Und du Harry, du Krankenkassenoberster, du könntest schon eher interessiert an mir sein. Dein Zugangsdrang zu gesundheitspolitischen Entscheidern ist selbst mir verständlich. Und bei dir José bin ich mir überhaupt nicht sicher. Du denkst primär wissenschaftlich, nicht geschäftsorientiert. Erklärt es mir, ich kann es nicht verstehen.“

„Das machen wir“, antwortet Tom. „Ich versuche es auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Du weißt, dass der Kern unseres Gesundheitswesens die gemeinsame Selbstverwaltung ist. Bis dahin klar?“

„Natürlich“, erwidert Jakob.

„Siehst du“, antwortet Tom, „bis dahin klar. Aber danach nicht mehr. Aus Selbstverwaltung ist nämlich Selbstbedienung geworden. Jeder Akteur in der gemeinsamen Selbstverwaltung bedient sich nach Belieben am System. Die Ärzte, die Physiotherapeuten, die Apotheker, die Krankenhäuser, die Krankenkassen, einfach alle. Fehlt noch einer? Jeder nimmt, was er bekommen kann.“

„Übertreibst du nicht?“, fragt Jakob.

„Nein, ich übertreibe nicht. Ich, oder besser wir, können gut verstehen, dass du dich überrumpelt fühlst. Gesundheit war bisher nicht dein Thema…“

„Und soll es jetzt werden“, unterbricht Jakob.

„So ist es.“ José meldet sich zu Wort. „Gesundheit und Wirtschaft sind untrennbar verbunden. Tom erwähnte schon, dass die Bundesländer ihren gesetzlichen Investitionspflichten für die Krankenhäuser nicht nachkommen. Aus verschiedenen Gründen. Lassen wir das jetzt, es führt zu weit. Es ist auch nur ein Beispiel.“


Wieder entsteht eine Gedankenpause. Die Freunde warten auf eine Antwort von Jakob.

„Es ehrt mich, dass ihr euch derartige Gedanken macht. Aber ganz ehrlich, ihr stellt euch das sehr einfach vor.“

„Das hätte ich bis vor kurzem auch gedacht“, erwidert Tom. „Seitdem ich mitbekomme, was so diskutiert und geplant wird, halte ich alles für möglich. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, welche Namen da fallen. Die Dimension der Planspiele hat mich vollkommen überrascht. Warum sollen wir uns heraushalten?“

„Und ich bin euer Ball im Spiel. So stellt ihr euch das doch vor“, entgegnet Jakob verärgert.

„Nein so ist es nicht“, sagt José. „Es ist unsere Sorge. Die lässt sich in wenigen Sätzen nicht erklären. Wir sind ja schon froh, wenn du uns ein Signal geben würdest. Das Signal, dass du dich mit dem Gedanken befassen wirst. Dann reden wir nochmal drüber.“


Jakob denkt angestrengt nach. Hält sein Glas fest, schiebt es hin und her, blickt seine Freunde einzeln an, seufzt kurz und richtet sich gerade auf.

„Ich gebe euch Recht. Bei der Dimension dessen, was heute in den Begriff Gesundheitswirtschaft eingeht, nämlich die besagten 300 Milliarden Euro und mehr, sind wir tatsächlich mitten in der Wirtschaft angekommen. Übrigens, der Begriff Wirtschaft gefällt mir überhaupt nicht. Gesundheitswesen ist für mich verträglicher.“

„Wenn es nur das ist“, antwortet Tom.

Jakob fährt fort. „Was mir an euch gefällt, das ist euer vorrausschauendes Denken. Ich habe die Gesetze zur Gesundheitspolitik mitentschieden, als Abgeordneter, wie jeder andere auch. Aber nicht mitgedacht. Gedacht habe ich mir, dass die Leute im Gesundheitsministerium schon wissen, was in ihren Gesetzesvorlagen drinsteht. Mehr nicht. Jetzt, wo ihr es sagt, sind es Entscheidungen auf Vorgänge, die lange vorher gelaufen sind. Das ist keine vorausschauende Politik.“

„Ist es nicht“, erwidert José. „Womit wir wieder bei unseren Sorgen sind. Wir erkennen keine Konzepte. Gesundheitspolitik ist kein Schwerpunkt in der Politik, ausgenommen die Pflege. Die wird derzeit voll ausgespielt und von den unterschiedlichsten Interessenten befeuert. Stimmt doch Harry, oder?“

„Ich sage besser nichts zur Pflege. Ich könnte euch sagen, was sie kostet, wenn sie auf einem attraktiven Niveau wäre. Später ja. Erst einmal müssen wir Jakob überzeugen.“

„Überzeugt bin ich noch nicht“, antwortet Jakob. „Aber, wie sagt man, angestachelt. Die Nähe zur Wirtschaft ist ein tragendes Argument. Aber mal ehrlich, von Gesundheit, von Gesundheitspolitik habe ich herzlich wenig Ahnung.“

„Womit wir mitten im Thema sind, Jakob. Genau das wird unsere Aufgabe sein. Wir coachen dich, wir bringen dir Gesundheitspolitik bei.“

„Du siehst, so gemein sind wir nicht“, sagt José. „Wir sagen nicht, du sollst, ohne dir unsere volle Unterstützung zu versichern. Du wirst der erste Resort Minister sein, der wirklich Ahnung von seinem Fach hat.“


Die letzte Bemerkung von José entspannt die Diskussion. Jakob beteiligt sich jetzt viel lockerer an dem Gespräch. Es ist wieder so wie früher, wenn sie engagiert die Themen durchkauten. Am Ende zieht Tom einen Umschlag aus der Jacke und übergibt ihn Jakob.

„Hier ist noch was zum Einschlafen, nein lies es besser, wenn du ganz wach bist. Es ist ein Papier, von uns dreien verfasst. Darin findest du noch einmal unseren Ansatz. Wir haben kurz dargestellt, welchen Weg unser Gesundheitssystem gemacht hat. Und es sind die Komponenten, die Player, genannt, die heute das Sagen haben. Die sollst du verstehen lernen, darin wollen wir dich fit machen. Zum Wohlergehen unseres Gesundheitswesens. Du wirst das wollen.“


Jakob fährt nachdenklich nach Hause. Seine Gedanken sind gefangen von dem Treffen mit seinen Freunden. Beinahe hätte er einen Fußgänger auf der Motorhaube gehabt, als er in seinen Kiez einfährt. Um diese Zeit wechselt das Partyvolk stimmungsgeladen aus den Kneipen in die Clubs. Wirtschaft, sein Fach, und Gesundheit, nicht sein Fach, erscheinen ihm an diesem Abend bezugsreicher, als bisher gedacht. Mal abwarten, was Isabell dazu sagen wird.


Sie sehen sich nicht jeden Tag. Isabell besteht auf zwei getrennten Wohnungen. Anders könne sie nicht arbeiten, auf die Rückzugsoase keineswegs verzichten. Weil es so bleibt, empfindet auch Jakob, dass Rückzug guttut. Sie telefonieren fast täglich, manchmal nur ein kurzes Hallo, ganz oft brauchen sie sich gegenseitig. Um den Tag abzuschließen, um Gefühle auszutauschen, um sich für anstehende Herausforderungen einzurichten. Das hilft ungeheuer. Jeder hat sein eigenes Terrain, völlig anders, aber längst nicht mehr fremd. Einer ist Ratgeber des anderen. Aber nur, wenn es sein muss, wenn er gebraucht wird. Oft reicht es schon, wenn sie ein Thema nur anreißen. Bereits wenige Gedanken, von dem anderen ausgesprochen, können einen gangbaren Weg durch das Dickicht bahnen. Jakob will mit Isabell über die Idee seiner Freunde reden. Über die Idee, mehr ist es in seinen Augen noch nicht. Aber keine Bemerkung zu Isabell, bevor er das Papier gelesen hat.


Es vergehen zwei Tage an denen ein Termin und eine Sitzung die andere jagt. Schließlich findet er Zeit für das Papier. Es trägt die Überschrift „Selbstverwaltung im Gesundheitswesen“.

Jakob liest den Text seiner Freunde.

Eigentlich müsste der Staat das Gesundheitswesen organisieren und im Griff haben. Wer denn sonst, wenn nicht er. Dass seine Bürger gesund und leistungsfähig bleiben, ist doch wohl Voraussetzung für ein funktionierendes Staatsgebilde. Oder anders gesagt: die Aufgabe ist von öffentlichem Interesse.

Er tut es aber nicht. Warum nicht? Vielleicht aus erzieherischen Überlegungen. Um zu demonstrieren, wie schwierig es ist, Gesetze zu machen und dann mit den Gesetzen zu leben. Vielleicht auch um seine Mitbürger am Gemeinwesen aktiv zu beteiligen. Staat sind wir doch alle. Den gewählten Vertretern die ganze Last des Staates aufzubürden, das soll es nicht sein.

So hat der Staat, für uns alle, die Selbstverwaltung erfunden. Selbstverwaltung ist die organisierte Mitwirkung an Aufgaben, die durch Gesetze definiert sind. Natürlich, oder zum Glück, muss nicht jeder mitmachen, an der Selbstverwaltung. Da es eine öffentliche Aufgabe ist, also etwas wovon alle profitieren sollen, wurden Institutionen geschaffen, die sich mit dieser Aufgabe beschäftigen.

Selbstverwaltung gab es schon im Mittelalter und davor. Die ging nicht vom Staat aus, sondern von Handwerkern und Kaufleuten. Besonders erfolgreich war die Hanse, eine Vereinigung von Kaufleuten, die ihre Waren auf Schiffen über die Nord-, und Ostsee transportierten. Die Sicherheit der Transportwege und die Vertretung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen machten die Hanse stark und die Hansestädte reich.

In Zünften organisierten sich vom Mittelalter bis in das neunzehnte Jahrhundert die Handwerker eines Standes. Heute würden wir sagen, dass die jeweilige Berufsgruppe ein soziales und ökonomisches Netzwerk bildete. Diese Netzwerke gibt es nach wie vor. Heute heißen sie Körperschaften und sind nicht mehr freiwillig, daher auch der Begriff „öffentlich-rechtlich“.

Mag es einem gelegentlich auch anders vorkommen, so sind die Handwerks-, Ärzte-, und Rechtsanwaltskammern keine mafiösen Vereinigungen, sondern gesetzlich vorgeschriebene Körperschaften. Die Mitgliedschaft in diesen, selbstverwalteten, Kammerberufen ist allerdings Pflicht.

Bleiben wir beim Gesundheitswesen und blicken wir zurück in das 19. Jahrhundert. Zurück bis zum ersten deutschen Kaiser, Wilhelm I. Es ist die Zeit des Wandels vom Agrar-, zum Industriestaat. Schlechte Arbeitsbedingungen in den Fabriken führten zu Streiks und zur Gründung der Arbeiterbewegung. Reichskanzler Otto von Bismarck erkannte die Sprengkraft der extremen sozialen Gegensätze. Er sah die Monarchie und das begünstigte Bürgertum in Gefahr. Durch die Einführung der staatlichen Sozialgesetzgebung erhoffte er sich, den Sozialdemokraten, der treibenden Kraft, ihre politische Grundlage entziehen zu können.

Auf Bismarcks Initiative verabschiedete der Reichstag am 15. Juni 1883 das „Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“. Versicherungspflichtig waren Arbeiter, die mehr als 2000 Mark im Jahr verdienten. 2/3 der Beiträge bezahlte der Versicherte, 1/3 der Arbeitgeber. Eine Gesetzgebung, die dem Staat nichts kostete. Davon betroffen waren nahezu alle lohnabhängigen Beschäftigten im Kaiserreich. Das klingt nach viel, betraf jedoch in der Anfangszeit nur 9 % der Bevölkerung. Bei einem Wechsel des Arbeitgebers blieb der Versicherungsschutz erhalten. Das war neu gegenüber den betrieblichen Krankenversicherungen, die es vorher schon gab. Im Krankheitsfall trug die Kasse die Kosten für die ärztliche Behandlung und für die Medikamente. Vom dritten Krankheitstag an zahlte die Versicherung die Hälfte des durchschnittlichen Lohnes. Das reichte aber nicht, um eine vierköpfige Familie zu ernähren.

Bismarcks wegweisende Krankenversicherung für Arbeitnehmer war im Ansatz ein Gesetz zur Verhinderung politischer Unruhen. Also in erster Linie politisch, in zweiter Linie sozial. Der politische Ansatz überwog. Auf Druck der erstarkenden Arbeiterbewegung folgte ein Jahr später die Unfallversicherung. 1889 verabschiedete der Reichstag die Invaliditäts- und Altersversicherung. 1891 kam die Rentenversicherung dazu. Sie wurde ab dem 70. Lebensjahr wirksam, allerdings nicht für viele, weil kaum einer 70 Jahre alt wurde. Alle Komponenten zusammen bilden die Sozialversicherung. Seinem Initiator zu Ehren die Bismarck’sche Sozialversicherung.

Otto von Bismarck hat den Startschuss gegeben für die Entstehung eines Systems, das einmal als Selbstverwaltung begann und zur Selbstbedienung verkam: das heutige deutsche Gesundheitssystem.

Unser heutiges Gesundheitssystem ist nicht auf dem Reißbrett entstanden, sondern von dem Geist seiner langen Entstehungsphase geprägt. Wie man bei Bismarck erkennen kann, war die Krankenversicherung für Lohnarbeiter keine soziale Wohltat, sondern politisches Kalkül. Aber daraus wurde die Versicherung, die heute fast 90 % der Bevölkerung unseres Landes im Krankheitsfall gesetzlich absichert. Aus dem ursprünglich einfachen Konstrukt ist aber auch ein Konglomerat aus Institutionen, Berufsgruppen und Einrichtungen entstanden, die, gelinde gesagt, unterschiedliche Interessen verfolgen.

Unsere Aufgabe wird sein, dieses Konglomerat zu entwirren. Wir möchten dir das Zusammenspiel der konträren Komponenten verständlich machen. Wir wollen dir die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen einzeln vorstellen. Du sollst deren Struktur, deren Handlungsweise und deren Absichten erkennen. Es sind einige, von denen wir sprechen werden: das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), die Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG), die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV).

Du sollst erkennen, dass Egoismus allgegenwärtig ist. Dass jeder Partner primär seinen Vorteil sucht. Soweit wir das überblicken können, sollst du es erfahren.

Da wir sicher sind, dass unsere Darstellung dich anspornen wird, die Missstände anzugehen, müssen wir dich nicht weiter bekehren. Du ganz persönlich wirst den Willen haben, den eisernen Rechen in die Hand zu nehmen. Wir kennen dich, wir wissen, dass die Aufgabe wie für dich gemacht ist.

Am Ende wirst du das Gesundheitssystem umkrempeln, auf ein neues Podest stellen. Ein Podest, das du aus deinen Erkenntnissen gebaut haben wirst. Dabei wollen wir dir helfen. Es ist Zeit für eine Erneuerung und du bist der Erneuerer.


Jakob legt das Papier aus der Hand. Irgendwie ist ihm unwohl. Er hat das Gefühl, dass andere in sein Leben eingreifen. Wären es nicht seine Freunde, dann hätte er dem Gefühl sofort Recht gegeben. Bisher hatte er immer selbst entschieden. Sein Weg in der Partei war nicht mit Gefälligkeiten gepflastert. Es waren immer seine Schritte, er wurde nie getragen. Er war ausschließlich seiner Überzeugung gefolgt. Das wissen seine Freunde und seine politischen Kontrahenten ebenso. Tom steht ihm sehr nahe. Beide haben sie das Leidenschaftsgen. Tom ist leidenschaftlich in der Partei, Jakob verteilt die Leidenschaft auf Partei und Wirtschaft. Toms Ansinnen leuchtet ein. Aber warum José? Warum ist er, der Wissenschaftler, plötzlich politisch engagiert? Er sagt, es sei seine Sorge um die politische Entwicklung im Gesundheitswesen. Vielleicht ist es das und Jakob kann es nicht durchschauen. Bei Harry ist die Sache klar. Der ist gewieft, geschäftstüchtig und hat einen Kopf voller Ideen. Die Krankenversicherung, die er leitet, steht besonders gut da. Nicht von selbst. Dass Harry die Nähe zur Politik sucht, ist verständlich. Obwohl sie Freunde sind, würde Harry sich nicht aufhalten lassen, zum Vorteil seiner Krankenkasse zu agieren. Kein Problem. Wenn die Absichten durchschaubar sind, kann man mit ihnen umgehen.


Isabell und Jakob sitzen in ihrem Lieblingslokal und trinken ihren Lieblingswein.

„Das überrascht mich überhaupt nicht“, sagt Isabell, nachdem Jakob von dem Treffen berichtet hat. „Die haben dich genau an dem Punkt deiner Karriere erwischt, an dem ein Schwenk nur guttut. Sei froh. Als Staatssekretär in einem Ministerium stehst du auf einer Stufe, von der du den nächsten Schritt nicht allein tun kannst. Mit eigener Kraft kannst du runter- aber nicht hochspringen.“

„Ich will ja gar nicht springen“, antwortet Jakob.

„Dann bleib, wo du bist und lass dich nach einem Ministerwechsel austauschen.“

„Staatssekretäre bleiben, oft jedenfalls.“

„Aber nicht immer. Wenn du auf eine Garantie schielst, dann bist du im Vorherrein politisch tot. Willst du das sein?“

„Natürlich nicht“, antwortet Tom.

„Denke ich mir. So kenne ich dich. Mal ganz ehrlich, unsere Gesundheitspolitik ist tot. Da passiert doch gar nichts, außer Aktionismus. Einer meiner Redakteure sagte mir, dass in der vergangenen Legislaturperiode über zwanzig Gesetzte aus dem Bundesministerium für Gesundheit auf den Weg gebracht wurden. Alle wurden verabschiedet. Ist dir eines davon im Bewusstsein geblieben? Als aktiver Politiker bist du doch nahe dran.“

„Auf Anhieb keines so richtig. Wahrscheinlich wurden die im Vermittlungsausschuss derart weichgespült, dass nichts Markantes übrigblieb.“

„Dank Harry“, sagt Isabell mit einem süffisanten Lächeln.

„Untätigkeit kannst du Harry nicht vorwerfen. Ich kenne ihn gut. Lobbyismus durch die Hintertür ist aber nicht sein Ding. Harry geht durch den Haupteingang.“

„Durch den solltest du auch gehen, schnurstracks hinein ins Gesundheitsministerium.“

„Guter Plan“, sagt Jakob.


Damit ist das Thema erst einmal durch. Sie trinken ein zweites Glas Wein und Isabell isst einen Avocado Salat. Frühstück, Mittag- und Abendessen in einem. Es geht beiden richtig gut.


Den Anruf von Tom hat Jakob erwartet. Es sind ein paar Tage vergangen, die Entscheidung steht an.

„Machst du es?“, fragt Tom ohne Einleitung und Umschweife.

„Ich mache es, ich mach mich auf den Weg.“

„Nichts anderes habe ich von dir erwartet“, antwortet Tom. „Ich mach den Plan und du das Spiel. Den Weg gehen wir gemeinsam.“

„Wie stellst du dir den Weg vor?“, fragt Jakob.

„Es sind mehrere Wege. Einer ist, dass ich die Arbeit des Gesundheitsministeriums desavouiere. In kleinen Portionen und an vielen Ecken. Wenn mehrere Brandherde lodern, weiß keiner, wer der Brandstifter ist. Aber es muss ein Dauerfeuer werden. Ich habe einen Vertrauten im Ministerium. Der ist total unzufrieden mit der Gangart seines Chefs. Aber er ist zu klein, um einen Brand zu entfachen. Ich habe schon mit ihm gesprochen und um ein Protokoll gebeten. Er stellt mir die Arbeit des Ministeriums aus seiner Sicht dar. Das liest du dir durch und hinterher reden wir zu dritt darüber. Gehst du da mit?“

„Wenn es hinterher eine Aussprache gibt, dann ja. Du weißt, dass ich Verschwörungen hasse. Nur ein Papier lesen und den Inhalt für bare Münze nehmen, das geht gar nicht.“

„Das sehe ich auch so“, pflichtet Tom bei. „Dann machen wir das so.“

„Eine Frage noch, Tom. Das mit dem Desavouieren, muss das sein?“

„Das muss sein, das geht nicht anders. Wir müssen eine Diskussion in Gang setzen. Um das Ministerium ist es ziemlich still. Das Ministerium muss ins Gerede kommen. Wenn wir das erreicht haben, dann treten wir mit unseren Konzepten auf den Plan.“

„Wenn du meinst“, antwortet Jakob. Zweifel blieben.


Das Bundesministerium für Gesundheit


Zwei Tage später hatte Jakob ein Schriftstück in den Händen. Überschrift: „Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG)“ Verfasst von Toms „Vertrautem“.


Neben dem Gesundheitswesen ist unser Ministerium, das BMG, auch für die gesetzliche Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung zuständig. Unsere Arbeit verlief in der schwarz-roten Legislaturperiode von 2013 - 2017 relativ geräuschlos. Zumindest in der Öffentlichkeit. Dank der hohen Beschäftigung und dank der steigenden Beiträge zur Sozialversicherung wehte ein milder Wind um unser Ministerium. Der warme Wind umschmeichelte auch den gut gefüllten Geldtopf der gesetzlichen Krankenkassen und stimmte diese ausgeglichen und ungewöhnlich zurückhaltend.


Das Aufbegehren von Seiten der Krankenhäuser haben wir mit dem Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) von 2016 pariert. Anstatt die problematischen Strukturen anzugehen, haben wir einfach den Geldhahn aufgedreht. Die Zahlen dafür sehen so aus: 2017 haben wir den Krankenhäusern, auf ihre Grundfinanzierung, zusätzlich 1,8 Milliarden Euro draufgepackt, 2018 waren es 1,9 Milliarden. 2020 werden es schon über 2 Milliarden Euro extra Geld sein. Unser Gesetz soll den Anschein erwecken, dass wir überfällige Korrekturen in Gang setzen. Dazu einige Beispiele.


Strukturfonds: 500 Millionen Euro spendieren wir jährlich für die Absicht, die stationären Kapazitäten der Akutkrankenhäuser zu reduzieren. Der Strukturfonds soll dazu beitragen, die Krankenhausbetten entweder abzubauen oder in eine andere Nutzung zu übertragen. Spötter aus der Presse bezeichnen den Fonds als Abwrackfonds. Der Fonds greift aber nur dann, wenn sich die Bundesländer mit der gleichen Summe hälftig beteiligen. Das werden sie kaum tun. Auf die Bettenreduzierung werden alle getrost warten können. Wenn trotzdem erste Ergebnisse positiv bewertet wurden, dann wegen der Umwidmung in gewinnbringende Abteilungen.


Hygieneförderprogramm: 280 Millionen Euro gibt unser Ministerium für Hygienemaßnahmen. Verlängert auf drei weitere Jahre. Zusätzliches Geld für die Krankenhäuser, damit die Hygiene stimmt? Die Öffentlichkeit hat Recht, wenn sie erstaunt fragt, ob man ein Krankenhaus betreiben darf, ohne den Nachweis zu erbringen, dass die Hygiene einwandfrei ist?


Pflegestellenförderprogramm: Zu wenig Pflegestellen, der Dauerbrenner in der öffentlichen Debatte. Dem galt es zu entgegnen. Gleich drei Pflegestärkungsgesetze haben wir in nur einer Legislaturperiode verabschiedet. Für die Einstellung zusätzlicher Pflegekräfte haben wir beim Bund Geld locker gemacht. Der Bund stellte 2017 bis zu 220 Millionen Euro zur Verfügung. Ab 2018 jährlich bis zu 330 Millionen. Auf welcher Basis wir den Bedarf errechnet haben? Das wissen wir selbst nicht. In den deutschen Krankenhäusern gibt es keinen Schlüssel für das Pflegepersonal.


Pflegezuschlag: Bevor wir das Gesetz geändert haben, gab es einen finanziellen Zuschlag auf die Fallpauschalen. Mit den Fallpauschalen wird bekanntlich die Krankenhausleistung von den Krankenkassen vergütet. Die Fallpauschalen sollen eigentlich die Personalkosten beinhalten. Offensichtlich sind die Fallpauschalen doch zu knapp bemessen. Ansonsten hätte es keinen Zuschlag geben müssen. Diesen, sogenannten Versorgungszuschlag, so hieß der bisher, haben wir einfach nur umbenannt. Wir nennen ihn jetzt Pflegezuschlag. Das klingt besser und besänftigt die Öffentlichkeit. Ist doch clever von uns, oder? Und schon haben wir Zusatzgeld für die Pflege ausgegeben. Zusätzlich zu den Entgelten für ihre Behandlungsfälle, erhalten die Krankenhäuser noch einmal bis zu 500 Millionen Euro jährlich. Dafür, dass sie ihr Pflegepersonal bezahlen können. Ich denke, dass die uns ganz schön gelinkt haben. Ihre Lobbyisten haben gute Arbeit geleistet und uns über den Tisch gezogen. Nur dafür, dass Ruhe im Krankenhaussektor besteht.


Unser Ministerium für Gesundheit war in der letzten Legislaturperiode nicht untätig. 25 Gesetzesvorhaben haben wir auf den Weg gebracht. Die wurden dann im Bundestag verabschiedet. Nicht immer so, wie wir es wollten. Nichtstun sieht sicher anders aus.


Die drängenden Themen haben wir jedoch nicht mit Biss angegangen. Drei „Pflegestärkungsgesetzte“, sind ein wortstarker Anspruch, aber kein mutiger Schritt. Ein bisschen Unterstützung für Pflegebedürftige und deren Familien, eine neue Definition des Pflegebegriffes und ein Versuch, die Pflegedienste besser zu kontrollieren. Ein paar Spritzer aus der Gießkanne, ein bisschen mehr Geld. Aber immer noch kein Personalschlüssel für die Pflege im Krankenhaus.


Neben den Gesetzen haben wir auch noch Verordnungen und Verwaltungsvorschriften erlassen. Bekanntlich ist unser Gesundheitswesen durch die Selbstverwaltung geprägt. Selbstverwaltung heißt, die anderen mitmachen lassen. Schließlich bestimmen wir die Gangart. So wollen wir das jedenfalls nach außen vermitteln. Also delegieren wir die Aufgaben an die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung. Sollen die sich doch rumschlagen!


Die Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft wurden von uns beauftragt, eine Untergrenze für Pflegestellen zu vereinbaren. Wie viele Patienten darf eine Schwester im Nachtdienst betreuen? Wie soll der Pflegeschlüssel auf der Intensivstation lauten? Erste Ergebnisse wollten wir schon 2018 sehen. Wir warten immer noch. Die Antwort dürfte klar sein: dafür ist kein Geld im System.


Auch in der Krankenhausplanung haben wir uns etwas Schlaues ausgedacht. Für die Überzahl der Krankenhäuser und Betten sind die Bundesländer verantwortlich. Die tun aber nichts, reduzieren nicht. Denen kommen wir mit Qualität bei, so unser Plan. Qualität zieht immer und kommt bei den Patienten gut an. Wir beauftragen die Selbstverwaltung, sogenannte Qualitätsindikatoren zu bestimmen. Also Merkmale zu definieren, mit denen man messen kann, ob beispielsweise eine Kniegelenkoperation einwandfrei gelungen ist. Oder so ähnlich. Wenn die Qualität schlecht ist, wird die Klinik, zumindest die operierende Abteilung, geschlossen. Basta! Und schon haben wir weniger Krankenhausbetten.


Noch so ein brennendes Thema, welches unser Ministerium berührt. Es wird zu viel operiert. Zu viel an den Hüften, den Knien, den Schilddrüsen, den Rachenmandeln, im Becken der Frauen, an den Herzkranzgefäßen, usw. Dem muss Einhalt geboten werden. Nicht mit Verboten, mit Meinung, mit Zweitmeinung. Zwei Ärzte haben nie die gleiche Meinung zu ein und derselben Erkrankung. Das wussten schon unsere Großeltern. Der Auftrag geht an unsere Selbstverwaltung.


Und wenn sie es nicht tun, die Akteure der Selbstverwaltung? Von wegen, nicht tun. Erst einmal steht es im Gesetz, zweitens gibt es Fristen. Und drittens gibt es die Ersatzverordnung. Dann bestimmen eben wir, was Sache ist. Erst dann? Ich frage mich, warum wir es nicht gleich selbst auf den Weg bringen?


Mein persönliches Fazit: Unser Ministerium bastelt und repariert im Kleinen. Weil im Augenblick Steuergeld da ist, versuchen wir mit Geld die Gemüter zu beruhigen. Ein Gesundheitssystem, das Jahrzehnte überdauern kann, ist das nicht.“


Stimmt, denkt Jakob. Dem kann er nicht widersprechen. Mit Gesundheit hat er sich bisher zwar nur am Rande beschäftigt. Doch dem Text des „Vertrauten“ von Tom pflichtet er spontan zu. Mit Geldgeschenken hier und dort lässt sich das Gesundheitswesen nicht wetterfest zurren. Und mit Delegieren auch nicht. Erste Gedanken fallen ihm spontan ein. Dem Gespräch mit Tom und seinem Vertrauten sieht er mit Spannung entgegen.


Wie zu erwarten fragt Tom sehr bald nach. „Jakob, hast du den Text gelesen? Konntest du damit etwas anfangen?“

„Ganz bestimmt. Meines Erachtens haben die Einiges auf den Weg gebracht.“

„Sie haben das Geld der Steuerzahler ausgegeben, nichts anderes“, sagt Tom.

„Das tun wir auch. Die Frage ist doch nur, ob wir das Geld richtig ausgeben.“

„Das ist die ewige Frage. Ich mache einen Vorschlag. Wir treffen uns bei mir. Ich koche eine Pasta und wir reden. Der Typ, der dir den Text geschickt hat, möchte anonym bleiben. Kein Name, kein Treffen in der Öffentlichkeit.“

„Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich nicht auf Verschwörungen stehe“, erwidert Jakob.


Manchmal kann er die Hartnäckigkeit von Tom nicht gut haben. Seine forsche Vorgehensweise, das Drängen auf schnelle Entscheidungen, überhaupt das Ansinnen, ihn auf einen Ministerposten zu hieven, hat nach wie vor einen Beigeschmack. So sei das eben in der Politik, lautete Isabells Statement. Ohne Seilschaften kein Fortkommen. Dem kann Jakob zwar beipflichten, doch seine Rolle als gezogener gefällt ihm überhaupt nicht.


Es ist einer der nicht so häufigen Abende, die sie gemeinsam verbringen. Isabell holt Jakob mit ihrem Porsche im Ministerium ab. Porschefahren ist ihre Leidenschaft. Zum bestandenen Abitur hat Isabell ihren ersten Porsche geschenkt bekommen. Den gebrauchten Porsche ihres Vaters. Ihre Eltern waren zu dieser Zeit in einer Krise und hatten sich ziemlich entfremdet. Ihr Vater war mehr im Ausland als zuhause. Von Familienharmonie konnte keine Rede sein. Und ihren Vater sah Isabell nur gelegentlich. Vielleicht war der geschenkte Porsche ein Ersatz für entgangene Nähe.


Am Kauf des zweiten Porsche beteiligte sich Isabell mit selbst verdientem Geld. Damals war sie noch nicht eng mit Jakob liiert. Ihre freie Zeit verbringt Isabell oft mit einer Freundin, Lara. Sie hatten sich beim Kauf des zweiten Porsche kennengelernt. Sportliches Fahren gehört in Laras Familie zum Alltag, zum Beruf. Laras Vater ist Inhaber einer Autowerkstadt. Einer Werkstadt für Sportwagen. Zu seinem Geschäft gehört der Handel mit jungen Gebrauchten und auch mit Neuwagen. Sein Kundenkreis ist ziemlich ambitioniert. Frauen und Männer, die schnelle Autos lieben. Neben ihrem Alltag und ihrem Beruf. Wegen der Schönheit der Sportwagen, der Eleganz, der Schnelligkeit oder einer Kombination von allem. Von Anfang an begleitet Isabell ihre Freundin Lara zu kleinen Autorennen, Bergfahrten oder Zeitfahrten. Nichts für Profis, sondern für Liebhaber und Enthusiasten. Manchmal fährt Isabell selbst und Lara sitzt auf dem Beifahrersitz. Dass die beiden auch mal die Plätze tauschen, ist ihrer Sympathie und ihrer Vertrautheit geschuldet. Die hält an, als Jakob wieder in das Leben von Isabell eintritt.


Jakob und Isabell waren sich anlässlich eines Interviews sehr nahegekommen. Isabell arbeitete als Redakteurin bei dem Sender, für den sie heute als Moderatorin eine Leuchtturmfunktion einnimmt. Das Interview mit Jakob hatte Isabell beachtliche Aufmerksamkeit im Sender beschert. Ihr Fragestil hatte dazu geführt, dass Jakob einen politisch brisanten Vorgang bestätigte, der damals nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Zumindest aus der Sicht seiner Partei. Das brachte ihm Beachtung in den Medien ein, aber auch massive Kritik aus seiner Partei. Für Jakob war es eine schwere Zeit. Er stand für seine Aussage gerade, aus Überzeugung. Seine Partei warf ihm Verrat und Illoyalität vor. Hardliner in der Partei wollten ihn abschießen. Jakob widerstand den Anfechtungen aus den eigenen Reihen. Vielleicht auch mit Unterstützung von Isabell. Die Welle war hochgeschlagen und wurde aus den verschiedensten Richtungen in Bewegung gehalten. Isabell trat gezielten Falschmeldungen vehement entgegen. Die Offenheit von Jakob hatte ihr einen Punkt im Sender gebracht. Sie schätzte seine Geradlinigkeit und erkannte die niedrigen Beweggründe seiner Widersacher. In mehreren Telefonaten entwickelte sie mit Jakob eine Gegenstrategie, die sie zusammen erfolgreich einsetzten. Die Wogen glätteten sich.


Heute verbringen sie den gemeinsamen Abend in Isabells Wohnung. Auf der Hinfahrt haben sie Sushi to go bei Isabells bevorzugtem japanischem Restaurant abgeholt. Sushi ist ein Zugeständnis an den Geschmack von Isabell, nicht an den von Jakob.

„Ich habe heute das Papier von Toms Mann aus dem Gesundheitsministerium gelesen.“

„Was steht drin?“, fragt Isabell und macht gleichzeitig mit den Stäbchen ein Fragezeichen in der Luft.

„Es ist der Tätigkeitsnachweis aus einer Legislaturperiode. Mit einer gehörigen Portion Selbstkritik und Skepsis aus der Sicht des Verfassers. Willst du mehr wissen?“

„Nein. Ihr habt doch das Treffen mit Tom. Heute ist unser Tag, ich meine unsere Nacht. Vergiss deine Politik. Morgen darfst du wieder.“

Sie stand auf und ging ins Bad.


Der Unbekannte


Tom steht in seiner Küche und arbeitet an den letzten Zutaten für die Pasta. Es gibt Linguine mit Wildschweinragout. Vorher einen gemischten Salat. Der Unbekannte aus dem Gesundheitsministerium ist noch nicht eingetroffen, aber die Flasche Amarone della Valpolicella bereits geöffnet. Tom schenkt ein.

„Heute starten wir unser gemeinsames Projekt. Da du keine Verschwörungen magst, ist es namenlos.“ Tom lacht entspannt und stößt mit Jakob an. „Er müsste jeden Augenblick da sein.“ Womit er Recht hat. Tom stellt die beiden einander vor. Den Namen des „Vertrauten“ nennt er nicht, aber er duzt ihn. Das soll auch für Jakob gelten.

„Erst essen wir, dann wird geredet“, sagt Tom. 

Sie unterhalten sich während des Essens über die italienische Küche und tauschen Vorlieben in puncto Pasta, Käse und Wein aus. Toms Pasta ist von gleichbleibender Qualität. Jakob hat schon mehrfach bei Tom gegessen, immer nur Pasta. Entweder er kann nichts anderes oder er liebt Pasta über alles. Tom legt los.