Helmut Rießbeck, Dr. med.
ärztlicher Psychotherapeut, tiefenpsychologisch fundiert, Allgemeinarzt, Internist, spezielle Psychotraumatologie (DeGPT), Weiterbildungen in Katathym Imaginativer Psychotherapie, EMDR, Ego-State Therapie, enaktive Traumatherapie (E. Nijenhuis), niedergelassen in freier Praxis, Supervisor von Einzel- und Gruppenpsychotherapie, Dozent für Psychotherapie regional und überregional, Mitbegründer von Ego- State Deutschland, Mitgründer und Vorsitzender des Traumahilfezentrums Nürnberg e.V., im Vorstand der Pierre-Janet Gesellschaft tätig, Arbeiten und Veröffentlichungen zu Teilemodellen der Persönlichkeit und dissoziative Störungen.
Müller, Gertraud, Dr. med.
Internistin, Psychotherapeutin, Weiterbildung in Katathym Imaginativer Psychotraumatherapie, seit 1989 Professorin an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, langjährige Leitung des DAAD-Projektes »Qualifikation zukünftiger SozialpädagogInnen für die soziale Arbeit mit psychisch kranken und behinderten Menschen« im Rahmen des »Stabilitätspakts Südosteuropa«, Arbeitsschwerpunkte: Chronische Krankheiten, Psychotraumata. Seit vielen Jahren in eigener Praxis psychotherapeutisch tätig.
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Umschlagabbildung: Gerhard Rießbeck
1. Auflage 2019
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-035134-9
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-035135-6
epub: ISBN 978-3-17-035136-3
mobi: ISBN 978-3-17-035137-0
AIP |
Adaptive Information Processing |
BASK |
Behavior, Affect, Sensation, Knowledge (Cognition) |
BLS |
Bilaterale Stimulation |
CARES |
Constant Activation of Resourceful Ego States and Safety |
CIPOS |
Constant Installation of Present Orientation and Safety |
DESNOS |
Disorder of Extreme Stress Not Otherwise Specified |
EMDR |
Eye Movement Desensitization and Reprocessing |
ES |
Ego State |
EST |
Ego-State Therapie |
K |
Klientin |
(k)PTBS |
(komplexe) Posttraumatische Belastungsstörung |
KReST |
Körper-, Ressourcen- und Systemorientierte Traumatherapie |
KIPT |
Katathym Imaginative Psychotraumatherapie |
ICD |
International Classification of Diseases |
IRRT |
Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy |
NK |
Negative Kognition |
P |
Patient/Patientin |
PE |
Prolonged Exposure |
PITT |
Psychodynamisch-Imaginative Traumatherapie |
PK |
Positive Kognition |
RDI |
Resource Development and Integration |
RIT |
Ressourcen Integrierende Therapie |
SARI |
Safety and Stabilisation/ Accessing/ Resolving and Restabilisation/Integration and Identity |
SUC |
Subjective Units of Comfort |
SUD |
Subjective Units of Discomfort |
T |
Therapeut/Therapeutin |
TRIMB |
Trauma Recapitulation with Imagination, Motion and Breath |
VoC |
Validity of Cognition |
Erich Fried, Aufhebung
»Sein Unglück ausatmen können, tief ausatmen,
so dass man wieder einatmen kann
und vielleicht auch sein Unglück sagen können in Worten,
in wirklichen Worten, die Zusammenhänge und Sinn haben
und die man selbst noch verstehen kann und
die vielleicht sogar irgendwer sonst versteht oder verstehen könnte
und Weinen können,
das wäre schon fast wieder Glück«
(aus: Erich Fried, Beunruhigungen. Gedichte © 1984, 1997 Verlag Klaus Wagenbach, Berlin.)
Ein Weiterbildungsseminar für Therapeutinnen und Therapeuten am Traumahilfezentrum Nürnberg beschäftigte sich im Herbst 2017 einerseits mit der Frage, was wir bisher über Traumakonfrontation und -integration zu wissen glauben, andererseits wurde ein Strauß von weitgehend in Deutschland entwickelten, gelehrten und angewandten Traumakonfrontationsmethoden vorgestellt. Dieser Strauß war bunt und vielfältig: Erzählen, Malen, Imaginieren, Visualisieren waren kreative Möglichkeiten des Vorgehens. Neben Knospen gab es auch voll erblühte Blumen: Manche Methoden waren noch nicht in einem Buch veröffentlicht, andere mehrfach beschrieben. Manche waren evaluiert worden, andere nicht. Gemeinsam war allen, dass aufmerksame, engagierte, kreative, klinisch erfahrene und gut belesene Therapeutinnen und Therapeuten aufgrund ihres traumatherapeutischen Wissens und eigener Beobachtungen in der Praxis Methoden entwickelt hatten, die ihre Patientinnen und Patienten aus dem Gefangensein, Eingefrorensein in Erinnerungen an traumatisches Geschehen befreien, ihr Erleben wieder lebendiger, bunter machen sollten, auch wenn die Narben immer noch sichtbar waren. Erich Fried drückt dies in obenstehendem Gedicht sehr passend aus: »…Weinen können, das wäre schon fast wieder Glück«.
Die Veranstalter des Seminars wünschten sich, dass der Strauß nicht nur einmalig für die am Seminar Teilnehmenden blühte, sondern auch für andere eine Bereicherung darstellte, und so war die Idee zu einer Publikation geboren.
Der von uns gewählte Titel dieses Buches wirkt zuerst vielleicht technisch und sehr auf Prozeduren angelegt. Bei näherer Betrachtung werden Sie feststellen, die Autorinnen und Autoren beschäftigen sich hier mit einem klinisch praktisch schwierigen wie auch umstrittenen Bereich psychotherapeutischen Denkens und Handelns. Ein Bereich, der nicht nur Therapeutinnen und Therapeuten oft in große Unsicherheiten und Zwiespälte stürzt. Wir begegnen dem Leid, der Verletzung hier sehr direkt und damit auch zumindest implizit großen Fragen der menschlichen Existenz.
Die Begegnung mit Menschen, welche die Erinnerungslast traumatischer Erfahrungen durch ihr Leben schleppen, ist eine Alltagserfahrung für die meisten von uns. Sie ist keineswegs auf therapeutische Zusammenhänge beschränkt. Fast unmittelbar und reflexhaft versuchen die so Angesprochenen einerseits berührt und auch fasziniert, das Dargebotene in irgendeiner Weise zu entschärfen, zu umgehen oder ganz auszublenden. Es ist daher auch nicht verwunderlich, wenn Therapieansätze, die sich auf die traumatische Erinnerungslast fokussieren, zu intensiven polarisierenden Debatten führen.
Dies geschah auch im Vorfeld des vom Nürnberger Traumahilfezentrum (www.thzn.org) ausgerichteten Symposions im September 2017. Die Veranstalter wollten gezielt Methodiken vorstellen, die aus unterschiedlichen und zum Teil gegensätzlichen Grundannahmen entstanden. Dabei war die Erwartung, es werde sich zeigen, dass es sehr wesentliche Gemeinsamkeiten für alle diese Therapieansätze gibt. Da Veröffentlichungen über EMDR in der traumatologischen Literatur bereits einen prominenten Platz einnehmen, entschlossen wir uns EMDR als Basiskonzept nicht erneut darzustellen, sondern in Verbindung mit dem Ego-State-Konzept. Es waren sowohl mehr defensiv wie auch offensiv orientierte Methodiken vertreten.
Das Symposion selbst verlief sehr anregend. Wegen Terminschwierigkeiten konnten einige der wichtigen Referentinnen nicht teilnehmen, so dass das Bedürfnis wuchs, den Kongressband um einige Beiträge, den von Susanne Leutner, Ulrike Reddemann und Ellen Spangenberg zu erweitern. Natürlich kann der vorgelegte Band nicht umfassend sein, alleine schon dadurch, dass es strittig sein dürfte, welche traumafokussierte Therapiemethode im Kern integrativ wirkt. Eigentlich soll es das Ziel jeglicher Therapie sein, Belastungserfahrungen besser zu integrieren. Wir haben uns daher auf die Arbeitsweisen konzentriert, die mit traumatischer Erinnerungslast explizit umgehen.
Bereits im Symposion war klar – es wird kaum eine Methode geben, die sich als überlegen erweisen wird. So unterschiedlich die Erschütterungen auf Menschen mit ihren verschiedenen Lebensentwicklungen wirken, so verschieden sind Therapeutinnen und Therapeuten auch. Daher geben alle Autorinnen und Autoren auch eine Einführung in ihre Grundannahmen, insbesondere in die Grundhaltung, die bei der Arbeit mit traumatischer Last erforderlich ist. Hier gibt es in diesem Buch ein großes Maß an Übereinstimmung für die Orientierung an Würde, Wahlfreiheit, Vorhersehbarkeit und dem Prinzip der gleichen Augenhöhe.
Alle Methodiken dieses Werkes beschreiben Vier-Augen Therapien. Allerdings sind wohl auch gruppenbasierte Methodiken mit Aktualisierung traumatischer Erinnerung wirksam, wenngleich gegenwärtig noch zu wenig erforscht, um insbesondere in der niedergelassenen Praxis als Standard angewendet zu werden. Die enge Verzahnung von ressourcenaktivierender Gruppenarbeit mit traumafokussierender Einzeltherapie ist zwar schwer zu realisieren, wird sich vermutlich aber als besonders vorteilhaft erweisen.
Aufgefallen ist uns beim Schreiben des Buches, dass sehr viel Forschungsarbeit zu leisten wäre: Nicht nur die Wirksamkeit der einzelnen Methoden bzw. ihre Nebenwirkungen, (Differential-) Indikationen und Kontraindikationen sind (noch besser) zu untersuchen, sondern auch einzelne Wirkfaktoren – so könnten die therapeutischen Wirkungen vertieft und verstetigt werden. Gleichzeitig würden Anstrengungen und Belastungen für Patientinnen vermindert.
Als Herausgeber haben wir allen Wünschen widerstanden, die Beiträge zu vereinheitlichen. Sie sind daher hinsichtlich der Einteilung, des »Zungenschlages« recht unterschiedlich, und geben etwas von der Persönlichkeit der Autorinnen und Autoren wieder. Dies ermöglicht es den Lesenden sich leichter mit einzelnen Arbeitsweisen zu identifizieren oder auch beobachtende Distanz zu wählen. Transkripte waren uns ein besonderes Anliegen, der Lebendigkeit halber. Wir sind ohnehin der Überzeugung, dass Menschen Therapie letztlich vor allem in der persönlichen Begegnung mit erfahrenen Therapeutinnen und Therapeuten lernen können. In den jeweiligen Transkripten steht das »P:« für die direkte Rede von Patient/Patientin, das »T:« für die direkte Rede von Therapeut/Therapeutin.
Die einzelnen Beiträge bauen nicht direkt aufeinander auf. Gertraud Müller beleuchtet die Problematik der Traumakonfrontation und ihrer Wirkung grundsätzlich. Dann findet sich mit Lutz Besser, Helmut Rießbeck und Susanne Leutner eine Gruppe mit starken dissoziationspsychologischen Wurzeln und Verankerung im EMDR. Mervyn Schmucker und Dorothea Weinberg sind besonders mit der Konfrontation »in sensu« verbunden. Dorothea Weinberg nutzt dabei Malen, welches auch bei der katathym imaginativen Psychotraumatherapie von Beate Steiner üblich ist. Ulrike Reddemann, Beate Steiner und Ellen Spangenberg sind am eindeutigsten als imaginative Methoden zu verorten. Auf diese Weise erfährt das Buch eine Aufteilung in zwei Schwerpunkte. Helmut Rießbeck fasst Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Methoden zusammen und zeigt in einem abschließenden Beispiel, wie multimodales Arbeiten gelingen kann.
Die »Gender-Debatte« hat uns auch in diesem Buch erfasst. Wir haben uns dafür entschieden als geschlechtsspezifische Anrede grundsätzlich die weibliche Form zu verwenden in Würdigung der Tatsache, dass Therapeutinnen und auch Betroffene insbesondere bei sexueller Gewalt überwiegend Frauen sind. Dies war der Wunsch der Mehrheit der Beiträgerinnen und Beiträger. Bei Tätern dann ausschließlich die männliche Form zu verwenden ist aber eine problematische Suggestion, welche die Wirklichkeit nicht zutreffend abbildet. Auch die von uns verwendete Schreibweise soll so verstanden werden, dass alle Geschlechtsidentitäten selbstverständlich angesprochen sind. Zum Glück sind die Dinge hier sehr im Fluss – die Zukunft wird hinsichtlich der Schreibweise sicher mehr Gelassenheit bringen.
Unser Dank als Herausgeber gilt unserer Lektorin, Frau Annika Grupp, die sorgfältig und kritisch ermutigend unser Projekt mit großer Geduld und Verständnis für technische Schwächen begleitet hat. Das Team des Traumahilfezentrums Nürnberg, insbesondere Edith Erhard, hat das Symposion mit Zuversicht und Ausdauer zum Erfolg geführt. Unsere Familien habe uns bei der Überwindung von Selbstzweifeln geholfen, und dabei, nicht dauerhaft an den Schreibtischen kleben zu bleiben.
In einer Zeit in der soziale Dominanz zum gesellschaftlichen Prinzip zu werden droht, sind Bücher die offenen Diskurs und kooperative Begegnung fördern sollen auch im psychotherapeutischen Bereich keine leichte Sache. Wir wünschen uns umso mehr diesen Austausch, auf Tagungen, Kongressen, Intervisionszirkeln, Trialogen mit Betroffenen und im öffentlichen Raum. Der vorliegende Band soll hierzu beitragen.
Hilde Domin, Wen es trifft
…
Keine Katze mit sieben Leben,
keine Eidechse und kein Seestern,
denen das verlorene Glied nachwächst,
kein zerschnittener Wurm
ist so zäh wie der Mensch,
den man in die Sonne
von Liebe und Hoffnung legt.
Mit Brandmalen auf seinem Körper
und den Narben der Wunden
verblaßt ihm die Angst.
Sein entlaubter
Freudenbaum
treibt neue Knospen,
selbst die Rinde des Vertrauens
wächst langsam nach.
…
(aus: Hilde Domin, Gesammelte Gedichte © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1987)
Besser, Lutz-Ulrich
FA für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Kinder- und Jugendpsychiater. Spezialisiert auf die Behandlung posttraumatischer Störungen und Persönlichkeitsveränderungen. Tiefenpsychologische, KIP- und Körpertherapie-Ausbildung. System. Familientherapie- und Supervisorenausbildung. Traumatherapie, EMDR-Trainer für Kinder- und Jugendliche / EMDRIA-Europa. Gründer und Leiter des zptn. Traumalehrtherapeut in nationalen und internationalen Kontexten.
Leutner, Susanne
Dipl.-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin in Bonn, Praxis für Psychotherapie mit Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen (TP). Dozentin und EMDR-Europa zertifizierte Supervisorin. Gemeinsame Leitung mit Elfie Cronauer des Instituts für Ego-State-Therapie (EST-Institut Rheinland), Bonn. Fortbildungen in EMDR (Supervisorin), PITT (Supervisorin und Teammitglied), Hypnotherapie, Ego-State-Therapie (Trainerin), Theorie der Strukturellen Dissoziation, ISSTD-Training, Gesprächspsychotherapie, Paar-, Familien- und Sozialtherapie. Langjährige stellvertretende Vorsitzende von EMDRIA Deutschland und Vorstandsmitglied von EMDR Europe.
Müller, Gertraud, Dr. med.
Internistin, Psychotherapeutin, Weiterbildung in Katathym Imaginativer Psychotraumatherapie, seit 1989 Professorin an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, langjährige Leitung des DAAD-Projektes »Qualifikation zukünftiger SozialpädagogInnen für die soziale Arbeit mit psychisch kranken und behinderten Menschen« im Rahmen des »Stabilitätspakts Südosteuropa«, Arbeitsschwerpunkte: Chronische Krankheiten, Psychotraumata. Seit vielen Jahren in eigener Praxis psychotherapeutisch tätig.
Reddemann, Ulrike
Dipl.Psych., Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis. Spezielle Psychotraumatherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (DeGPT), EMDR-Therapeutin (EMDRIA), Lehrtherapeutin und Supervisorin PITT, Lehrtherapeutin für Psychotraumatologie u. a. am Wieslocher Institut für systemische Lösungen (WISL). Personenzentrierte Psychotherapie (GwG), Fort- und Weiterbildungen in verhaltenstherapeutischen, tiefenpsychologischen, hypnosystemischen Verfahren, Somatic experiencing.
Rentsch, Isabelle, lic. phil.,
Eidg. anerkannte Psychotherapeutin in eigener Praxis in Zürich. Psychotherapeutin ASP/SBAP. Tiefenpsychologisch fundierte Gestaltende Psychotherapeutin und Kunsttherapeutin grad. DFKGT/GPK, Lehrtherapeutin und Supervisorin Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie PITT®, Zusatzqualifikation Spezielle Psychotraumatherapie DeGPT. Diverse Lehraufträge (u. a. Pädagogische Hochschule Bern, Alanus Hochschule Alfter).
Riedeburg-Tröscher, Ines
Dipl. Psychologin, approbierte Psychologische Psychotherapeutin. Praktische Tätigkeit an verschiedenen Kliniken, Gestalttherapeutin, Kognitive Verhaltenstherapeutin, IRRT-Therapeutin, Praxis für Psychotherapie und Psychotraumatherapie in Wiesbaden, Leiterin des IRRT-Zentrums Wiesbaden, IRRT-Workshop Co-Leiterin bei Prof. M. Schmucker, IRRT-Supervisorin.
Rießbeck, Helmut, Dr. med.
ärztlicher Psychotherapeut, tiefenpsychologisch fundiert, Allgemeinarzt, Internist, spezielle Psychotraumatologie (DeGPT), Weiterbildungen in Katathym Imaginativer Psychotherapie, EMDR, Ego-State Therapie, enaktive Traumatherapie (E.Nijenhuis), niedergelassen in freier Praxis, Supervisor von Einzel- und Gruppenpsychotherapie, Dozent für Psychotherapie regional und überregional, Mitbegründer von Ego- State Deutschland, Mitgründer und Vorsitzender des Traumahilfezentrums Nürnberg e.V., im Vorstand der Pierre-Janet Gesellschaft tätig, Arbeiten und Veröffentlichungen zu Teilemodellen der Persönlichkeit und dissoziative Störungen.
Schmucker, Mervyn, Prof. Dr.
Psychologe, Urheber der IRRT, langjähriger Mitarbeiter von Prof. Aaron Beck (University of Pennsylvania), leitete dessen Ausbildungszentrum für kognitive Verhaltenstherapie; Zusammenarbeit mit Prof. Edna Foa in PTBS-Forschung; war Supervisand und Arbeitskollege von Jeffrey Young. Seit 2008 Senior Clinical Consultant an der Klinik am Waldschlößchen, Dresden; seit 2016 Trainer und Supervisor in den Oberbergkliniken; leitet in den deutschsprachigen Ländern IRRT-zertifizierte Trainings, Seminare, Workshops, Vorträge und Supervision.
Spangenberg, Ellen
Ärztliche Psychotherapeutin, Schwerpunkt Psychotraumatologie. Nach langjähriger Tätigkeit als Assistenz- und Oberärztin in traumatherapeutischen Kliniken seit 2008 niedergelassen in eigener Praxis. Seit 2006 Referentin für Psychotraumatologie. In ihren Fortbildungen vermittelt sie neben Grundlagen der Traumatherapie behutsame Ansätze der Traumabearbeitung wie die TRIMB-Methode. Dabei wird eine Haltung vermittelt, die die Selbstwirksamkeit und Würde der Patientinnen in den Mittelpunkt stellen.
Steiner, Beate
Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin (DGPT), Psychotraumatherapeutin (DeGPT). Lehrpsychotherapeutin und -analytikerin, Supervisorin und Dozentin, Leiterin des Instituts »Arbeitskreis für Psychotraumatologie und Katathym Imaginative Psychotherapie« in Darmstadt.
Weinberg, Dorothea
Dipl.-Psych., Mag. Theol., Psychologische Psychotherapeutin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Schwerpunkt: Frühe Vernachlässigung und Traumaerfahrung im Kindesalter. Entwicklung von zwei kinderspezifischen Traumabehandlungsverfahren: Traumabezogene Spieltherapie und Strukturierte TraumaIntervention. Außerdem Bindungs- und Dissoziationstherapie. Dozentin, Fachbuchautorin und Institutsleiterin.
Im alten Griechenland wurde einst das Orakel gefragt, was die durch einen Speer verursachte, seit langem eiternde Wunde des Königs Telephos heilen könne. Die Antwort lautete: »der, der verwundet hat, soll auch heilen« (Rose, 2003, S. 224). Tatsächlich führten schließlich Eisenspäne eben dieser Waffe in Form einer Wundauflage zu einer zügigen Heilung des chronischen Geschwürs. Dies erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich – das einst traumatisierende Agens wird zur Heilung benötigt. Ähnliches geschieht, wenn Patientinnen, die psychisch verwundet wurden, im Rahmen einer Konfrontation mit ihren Traumaerinnerungen Linderung ihrer psychischen Schmerzen erfahren – sie stellen sich noch einmal dem, was sie vielleicht am meisten fürchten und vermeiden.
Im ersten Kapitel soll diesem Paradox nachgegangen werden und es sollen theoretische Grundlagen für »Traumakonfrontation« und »Traumaintegration« gelegt werden, die dann im Zuge der Vorstellung verschiedener Traumakonfrontationsmethoden in den folgenden Kapiteln in praktische therapeutische Handlungsanweisungen umgesetzt werden. Theoretische Grundlagen der Psychotraumatologie werden verkürzt und nur insoweit dargestellt, als sie für das Verständnis der Wirkung von Traumaexposition notwendig sind. Da es noch kein vollständiges Theoriegebäude zu dieser Thematik gibt, werden sicherlich viele Fragen offenbleiben – zukünftige Forschergenerationen werden also noch ausreichend zu tun haben.
Die in Deutschland wohl meistzitierte Definition für ein psychisches Trauma lautet:
»Vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt.« (Fischer & Riedesser, 2003, S. 82).
Die Autoren betonen, dass diese Paradoxie, nämlich in existenzieller Bedrohung nicht adäquat handeln zu können, nicht nur in seiner subjektiven und objektiven, sondern auch in seiner individualistischen und sozialen Dimension, sowie seiner Entwicklung im Laufe der Zeit, also dynamisch, gesehen werden müsste. Traumatische Ereignisse, wie z. B. Umweltkatastrophen oder Gewalterlebnisse können zu Krankheitssymptomen führen, die entweder spontan ausheilen oder aber wegen erheblicher Beeinträchtigungen zu krankheitswertigen Störungen führen.
Traumatische Ereignisse können (müssen aber nicht!) zu Symptomen bzw. zu unterschiedlichen Krankheitsbildern führen, wobei es bei einmaliger Traumatisierung (Monotrauma) seltener zu krankheitsrelevanten Störungen kommt, wie z. B. zu einer Anpassungsstörung oder einer ggf. mit zeitlicher Latenz auftretenden posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit Symptomen der Übererregung, Vermeidung bzw. Intrusionen, wie Alpträumen oder Flashbacks. Mehrfachtraumatisierungen, insbesondere wenn sie in der Kindheit durch nahe Bezugspersonen verursacht werden, führen zu komplexeren Störungsbildern, die neben den Symptomen der PTBS nicht nur zu Störungen im interpersonellen und affektiven Bereich, wie z. B. Beziehungsstörungen oder Depressionen, sondern auch zu negativen Veränderungen des Selbstkonzepts führen (Reddemann & Wöller, 2017). Auch Folgen für die körperliche Stressregulation sollten Beachtung finden. Von den primären, also bei der Traumatisierung direkt durch die Überflutung des Informationsverarbeitungssystems entstandenen Folgen wie Übererregung, können sekundäre, traumakompensatorische, abgegrenzt werden, wie z. B. Suchterkrankungen oder Vermeidungsverhalten.
Bereits seit Pierre Janet (van der Hart, Brown & van der Kolk, 1989) wird die Traumapsychotherapie in die drei Phasen Stabilisierung, Konfrontation und Integration der traumatischen Erfahrung in die Lebensgeschichte (Trauer und Neuorientierung) eingeteilt. Ulrich Sachsse (2009a) definiert Stabilisierung als das Erlernen der Fähigkeit Erregungsniveau, Affekte und dissoziatives Verhalten kontrollieren, sowie verletzten innere Anteile trösten zu können. Traumakonfrontation/-exposition wird insbesondere in der Verhaltenstherapie wie folgt definiert (Boos, A., 2014): Ein möglichst lebendiges und detailgetreues Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses über einen längeren Zeitraum hinweg in der Vorstellung (in sensu).
Natürlich wäre auch eine Exposition in vivo denkbar. Im Gegensatz zum hier erwähnten »längeren Zeitraum« definieren Reddemann & Wöller (2017, S. 66) »schonender«: »Eine detaillierte Auseinandersetzung mit einer traumatisierenden Erfahrung als eine wohldosierte Konfrontation mit den traumatischen Szenen«. Einige Experten führen aus, dass der Begriff »Traumakonfrontation« schlichtweg falsch oder zumindest unscharf sei, da man ja keine Konfrontation mit einem vergangenen Trauma durchführen könne. Stattdessen komme es nur zu einer Begegnung mit inneren Sinnesseindrücken, Gefühlen, Körpersensationen, also eigentlich »mit Phantomen, Hirngespinsten, inzwischen dysfunktionalen Gerhirn-Engrammen« (Sachsse 2010, S. X). Wobei »Hirn-Engramme« zu kurz greift (»Reductive Physicalism«), ist doch der Mensch bzw. sind doch des Menschen Erinnerungen mehr als in der Materie Gespeichertes! (Nijenhuis, 2015). Durch die Konfrontation mit diesen Erinnerungen soll u. a. Traumatisches prozessiert werden. Hierunter versteht man die Verknüpfung von Informationen, die bisher getrennt gehalten wurden, so dass Verstehen möglich wird. Ein Prozess, der sich ggf. auch nach der Therapiestunde fortsetzt (Huber, 2011).
In der letzten Therapiephase des Trauerns und Neubeginnens geht es vor allem um die Akzeptanz des Erlittenen und die Trauer um traumabedingte Einschränkungen (Reddemann & Wöller, 2017). Eines der wichtigsten Ziele der gesamten Traumatherapie ist die Integration, nämlich der
»Prozess der völligen Akzeptanz oder vielleicht besser Assoziation aller dissoziierten Aspekte, wie Gedanken, Gefühle, Ängste, Kognitionen, Erfahrungen, Gedächtnisinhalte. Diese Aufnahme des Abgespaltenen ins normale Bewusstsein kann innerhalb einer Therapie erfolgen, ist aber auch ein Prozess im Rahmen der natürlichen (spontanen) Traumaheilung« (Downing, 2003, Übersetzung der Autorin).
Die eigene Sicherheit bedrohende Ereignisse, die eine intensive psychophysiologische Erregung auslösen, führen zur Ausbildung von Furchtstrukturen (Foa & Kozak, 1986), also Nervennetzwerken, die den bedrohlichen Stimulus ebenso beinhalten, wie kognitive und emotionale Elemente sowie körperliche Reaktionen. Triggerreize bzw. intrusives Wiedererleben führen über eine Teilaktivierung des Furchtnetzwerkes zu einem unkontrollierten Anstieg der Symptomatik, was durch Vermeidungsverhalten (kurzfristig) verhindert werden kann. Bei der Konfrontation mit den Erinnerungen an das traumatische Erleben über 10 bis 15 Minuten kommt es zu einer vollständigen Aktivierung des Furchtnetzwerks und zunächst zu einer starken Angstreaktion, die dann aber wieder abnimmt. Letztendlich wird die Furchtstruktur gelöscht. Gleichzeitig werden Informationen, die mit denen der Furchtstruktur inkompatibel sind, z. B. die sichernde Anwesenheit der Therapeutin, integriert, was zu einem Nachlassen der traumassoziierten Gefühle durch Gewöhnung (Habituation) führt. Ziel von Exposition ist letztendlich, dass die Betroffenen die gegenteilige Erfahrung machen, also dass Befürchtetes (z. B. ich werde sterben) nicht eintritt, Angst ausgehalten werden kann und abnimmt (für eine zusammenfassende Darstellung vgl. Boss, 2014, S. 35). Das Neulernen bei diesem Extinktionsmodell geht also über den Aufbau gegenregulatorischer Prozesse. Eine aktive Hemmung aversiver, impliziter Gefühlszustände soll durch Wiederholungen aufgebaut werden – es handelt sich also eigentlich nicht um eine Löschung, sondern um zusätzliches, gegenregulatorisches Lernen – hier: Angst kann ausgehalten werden. (Hensel, 2017).
Durch das hohe Erregungsniveau, das beim Abspeichern von traumatischer Erinnerung herrscht, kommt es zur Bildung verschiedener sensorischer, emotionaler, kognitiver und körperlicher Erinnerungsfragmente im implizite Gedächtnis, die im weiteren Verlauf durch Triggerreize erneut aktiviert werden können und nicht mit funktionalen Gedächtnisinhalten vernetzt sind, weshalb sie nicht überarbeitet oder verändert werden können. (Van der Kolk, Burbidge & Suzuki, 1998). Gleichzeitig werden das Sprachzentrum und die Aktivität des Hippocampus gehemmt, so dass eine zeitliche und räumliche Einordnung des Erlebten ebenso wenig gelingt, wie die Konstruktion eines Narrativs (Van der Kolk et al. 1998). Auch können Teile des Geschehens nicht erinnert werden (peritraumatische Dissoziation); andere werden, mitverursacht durch den hohen Adrenalinspiegel während der Traumatisierung, ins Gedächtnis scheinbar unveränderlich »eingebrannt« und verändern sich durch nachfolgende Erfahrung nicht. (Van der Kolk et al., 1998). Mittels der Konfrontation mit den traumatischen Erinnerungen werden dysfunktional gespeicherte, kompartimentierte Erinnerungen, wie die Teile eines Puzzles wieder zusammengesetzt (Prozession), zu einem Ganzen integriert (Integration) und ins semantische Gedächtnis übernommen, ein Narrativ wird ermöglicht, die Abspeicherung ins Dort und Damals gelingt.
Bisher war man der Meinung, dass unter hoher emotionaler Aktivierung Erlerntes, das im impliziten Gedächtnis gespeichert wird, also dem Bewusstsein nicht zugänglich ist, nur sehr schwer bis gar nicht veränderbar sei ( Kap. 1.3.2, der wie »eingebrannte« Traumagedächtnisinhalt). Dem widersprechen neuere, durch Experimente an Tieren und Menschen gewonnene Forschungsergebnisse: Emotional Erlerntes, das im impliziten Gedächtnis, also im Unbewussten gespeichert ist, kann getilgt werden, wenn der zu ändernde Gedächtnisinhalt 1) aktiviert wird, 2) gleichzeitig eine Erfahrung angeboten wird, die in Diskrepanz zum vormals Erlernten steht und zuletzt 3) eine Modifikation durch das Hinzufügen von etwas Neuem, Anderen erreicht wird (Ecker, Ticic & Hulley, 2016). Dies wäre beispielsweise beim klassischen EMDR-Protokoll (Shapiro, 1998) gegeben: Es wird ein Hotspot der traumatischen Erinnerung aufgerufen, z. B. der körperliche Angriff (= Aktivierung des Gedächtnisinhaltes), es wird die damalige Kognition »Ich sterbe« und die wünschenswerte Kognition z. B. »Ich lebe!« erarbeitet (= Diskrepanzerzeugung) und im Laufe der Prozessierung werden weitere Ressourcen »eingewebt« (= Hinzufügen von Neuem). Für die praktische Anwendung wichtig ist, dass sich die Rekonsolidierung nur auf den anvisierten, zum jetzigen Zeitpunkt dysfunktionalen Inhalt bezieht (im Beispiel die Kognition »Ich werde sterben«), andere Gedächtnisinhalte also nicht gelöscht werden und die Erinnerungen des expliziten Gedächtnisses davon unberührt bleiben. Das bedeutet, dass z. B. das traumatisches Geschehen, hier der Überfall, erinnert werden kann, ebenso, dass wahrscheinlich Angst empfunden wurde, aber die Angstreaktion wird nicht mehr ausgelöst (Ecker et al., 2016). Wichtig ist, dass es bei der Gedächtnisrekonsolidierung, also beim Überschreiben der »dysfunktionalen« Information, nur einer kurzen Exposition mit moderatem Arousal bedarf und die Symptomreduktion oft unmittelbar erfolgt und anstrengungsfrei aufrechterhalten werden kann. Dies steht im Gegensatz zum Extinktionslernen, das u. a. beim Furchtstrukturmodell (
Kap. 3.1) zugrunde liegt: Hier ist zum Aufbau gegenregulatorischer Prozesse – das neu Gelernte steht ja in Konkurrenz zu alten Gedächtnisinhalten – eine lange Exposition mit hohem Arousal und mehreren Wiederholungen erforderlich und die Symptomreduktion erfolgt nur allmählich (Hensel, 2017).
Definiert man Konfrontation als ein möglichst lebendiges und detailgetreues Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses über einen längeren Zeitraum hinweg in der Vorstellung ( Kap. 1.2.3), so würde dieses dritte Modell nicht aufgenommen werden können, da es bei ihm um die (tröstende, liebevolle) Begegnung mit einem traumatisierten Selbstanteil geht. Lässt man aber auch die Begegnung mit einem Teil des traumatischen Erlebnisses in der Vorstellung gelten, hier also die Begegnung mit dem Selbstanteil, der das Trauma erleiden musste, so wäre diese Betrachtungsweise eine fruchtbare Ergänzung. Den theoretischen Hintergrund bildet die Strukturelle Dissoziation der Persönlichkeit: Infolge der Traumatisierung bilden sich Persönlichkeitsanteile aus, die Erinnerungen an das traumatisierende Ereignis in sich tragen – es handelt sich um psychobiologische Systeme, die ein Selbstempfinden haben und innerhalb der Gesamtpersönlichkeit nicht ausreichend integriert sind (Van der Hart, Ellert, Nijenhuis, & Steele, 2008). Im Extremfall sind sie unbewusst, in weniger gravierenden Fällen will das Alltags-Ich (anscheinend normaler Persönlichkeitsanteil, ANP, Van der Hart, et al. 2008) mit den traumatisierten jüngeren Anteilen »nichts zu tun haben«, es will diese Anteile meiden, weil sie an das Trauma erinnern, von diesem »beschmutzt« sind. Regt man die tröstende Hinwendung zu diesen abgespaltenen Ego-States durch das innere Team, das Alltags-Ich oder Innere Helfer an (z. B. PITT
Kap. 7, Katathym Imaginative Psychotraumatherapie
Kap. 8, Ego-State-Therapie
Kap. 3) so kommt es ebenfalls zu einer Integration, nämlich der des traumatisierten Selbstanteils.
Neben dem klassischen Modell der Habituation und dem Extinktionsmodell ( Kap. 1.3.1) existieren neuere Modellvorstellungen, die besagen, dass auch implizit unter hoher emotionaler Erregung eingespeicherte im Jetzt dysfunktionale Gedächtnisinhalte unter ganz bestimmten Bedingungen modifiziert werden können (
Kap. 1.3.3), und eine Assoziation mit den durch die traumatische Übererregung bei der Einspeicherung fragmentierten Gedächtnisinhalten möglich ist, wodurch letztendlich eine Speicherung als Narrativ im biographischen Gedächtnis erfolgt (
Kap. 1.3.2).
Wie weiter oben ausgeführt ( Kap. 1.2.3), steht Traumakonfrontation nicht für sich alleine, sondern ist Teil eines Therapiekonzeptes, das häufig in drei Phasen (Stabilisierung, Konfrontation, Neubeginn) gegliedert wird. Hochgradig umstritten ist im Diskurs der Therapierenden und Forschenden, ob eine Stabilisierung vor der Konfrontationsphase überhaupt notwendig ist, wie lange diese Phase insbesondere bei komplextraumatisierten Menschen dauern sollte, und ob bereits Stabilisierung allein schon zum Ziel führen könne. Letztendlich geht es um die Frage, ob durch eine zu lange Stabilisierung die Exposition, deren Wirksamkeit gut belegt ist, verhindert oder unnötig hinausgezögert wird (Neuner, 2008; Boos, 2014) oder aber, ob es durch eine verfrühte Exposition bei nicht ausreichend stabilen Patientinnen, insbesondere bei Vorliegen einer komplexen PTBS zu Nebenwirkungen, wie z. B. Dissoziation oder Überflutung mit traumatischen Gedächtnisinhalten mit deutlicher Symptomverschlechterung kommen könnte (Reddemann & Wöller, 2017; Cloître et al. 2011). Eine Wurzel dieser noch umstrittenen Frage ist die Tatsache, dass es die Diagnose »Komplexe posttraumatische Belastungsstörung« in der ICD 10 (World Health Organization, 2000) noch gar nicht gibt (im ICD 11 wird sie aufgenommen) und daher diese schwerer kranke Patientengruppe noch weniger beforscht ist, als diejenige mit einer einfachen PTBS. Auch wurde erstere aus manchen Studien ausgeschlossen oder ist ggf. frühzeitig aus der Studie ausgeschieden (Drop-Out-Rate). Allerdings haben Cloître et al. (2010) in einer randomisierten kontrollierten Studie belegt, dass Patientinnen mit einer komplexen PTBS durch Vorschaltung eines Skillstraining bessere Behandlungseffekte durch Konfrontation erzielten als ohne diese. Auch die ISTSS (International Society for Traumatic Stress Studies) empfiehlt in ihren Expert Consensus Treatment Guidelines for Complex PTSD in Adults (Cloître, et al. 2012) eine Stabilisierungsphase. Bei den Recherchen zu diesem Thema fiel auf, dass einige Autorinnen und Autoren, die eher zu den Gegnerinnen und Gegnern (langer) Stabilisierungsphasen zu zählen sind, bei den Voraussetzungen für die Konfrontation Eigenschaften beschreiben, die ggf. erst durch stabilisierende ressourcenorientierte Therapie zu erwerben sind, so dass auf diese Weise stabilisierenden Arbeit quasi durch die Hintertür wieder auf die Bühne tritt. So schreibt Boos (2014), dass Patienten mit stark dissoziativen Symptomen vor der Konfrontation anti-dissoziative Skills lernen sollten, oder Hensel (2017) plädiert dafür, dass das Kind über ausreichend Ressourcen oder Skills verfügen sollte, um eine störungsfreies Prozessieren möglich zu machen. Der Autor bringt es auf den Punkt: Es kommt nicht auf die Länge der Phase an oder darauf, ob ein sicherer Ort imaginativ erarbeitet wurde, sondern darauf, ob die Patientin so gut auf die Prozessierungsarbeit vorbereitet ist, dass sie bei Kontakt mit belastendem Material assoziiert bleiben und den dualen Aufmerksamkeitsfokus in Gegenwart der Therapeutin aufrechterhalten kann (Hensel, 2017). Zusammenfassend geht es weniger um die Frage Stabilisierung vor Konfrontation »Ja« oder »Nein«, sondern darum, ob die Patientinnen stabil genug sind, die Konfrontationsarbeit in der von den Therapeutinnen ausgewählten Dosierung ohne schädigende Nebenwirkungen zu durchlaufen. Gut ist, wenn sich die Therapeutinnen immer bewusst sind, dass sie sich im Spannungsfeld von potenzieller Schädigung ihrer Patientinnen durch zu lange Stabilisierung d. h. gemeinsame Vermeidung von Exposition und zu früher Konfrontation mit dem Risiko erheblicher Destabilisierung der Kranken (Sachsse 2010) bewegt. Wesentlich scheint, dass neuronale Netzwerke, die Ressourcen beinhalten, deutlich aktiver sind als traumaassoziierte (Sack, 2010).
In diesem Zusammenhang ist auch zu fragen, ob die beiden Therapiebausteine in der Praxis so trennscharf unterschieden werden können: Bei der Pendeltechnik (Sack, 2010), also wenn Patientinnen in kurzen Abständen in Gegenwart der Therapeutin zwischen einer belastenden Erinnerung, beispielsweise ihre Hilflosigkeit und dem gegenteiligen Ressourcenbild, also z. B. einer Situation vollständiger Bemächtigung hin- und herpendeln, finden beide »Phasen« fast gleichzeitig statt. Auch inhaltlich sind sie nicht so klar zu trennen, wie die Definitionen suggerieren, wirkt doch eine gute konfrontative Arbeit unmittelbar stabilisierend (Sack, 2010).
Da eine konfrontative Behandlung größtmögliche Sicherheit im Hier und Jetzt voraussetzt, sollte das ganze Therapiesetting dem entsprechen – das geht von finanzieller Absicherung der Therapie (stehen ausreichend Therapiestunden zur Verfügung?) über eine gute Diagnostik (hierbei muss z. B. auch die Struktur- und Bindungsdiagnose gestellt sein) bis zum Aufbau einer sichernden, haltenden Beziehung zur Therapeutin mit der Grundhaltung der Ressourcenorientierung und »parteilicher Abstinenz« (ausführlich vgl. z. B. Reddemann & Wöller, 2017 S. 33 ff.). Ein gemeinsam erarbeiteter, traumaadaptierter Behandlungsplan ist selbstverständlich.