DR. MED. SIMONE KOCH
Beschwerdefrei leben durch lektinarme Ernährung
FÜR JULIAN
Mein spezieller Dank gilt Nico und Michaela, die dieses Projekt eingeleitet haben und damit wesentlich dafür verantwortlich sind, dass es realisiert werden konnte.
Ich danke allen Mitarbeitern des Verlags, meiner Lektorin, aber vor allem meinem Redakteur Herrn Frisch und dem Fotograf Herrn Einenkel für die tolle Zusammenarbeit und die Realisierung dieses schönen Projektes.
Speziell möchte ich Yavi danken, von der ich so viel über das Schreiben lernen durfte.
Ich danke allen meinen Followern und Patienten für ihr Vertrauen und ihre Treue. Ohne euch wäre nichts von all dem möglich.
Meinen Literaturkreismädels und vor allem Ulli! Maria und Daggie, weil ihr einfach wundervoll seid. Meinen großartigen Kolleginnen Jenny und Jessica, ohne die ich in all meinem kreativen Chaos nichts hinbekommen würde.
Max, Marc, Felix, Monique, Judith, Tim, Josi, Douwe, Nico, Michaela und all den anderen, die ich jetzt vergessen habe: Ihr seid mein Herzensstamm. Danke, dass ich mich bei euch zu Hause fühlen darf und dass ihr mir geholfen habt, durch schwere Zeiten zu gehen.
Meinen Eltern und meiner Schwester für ihre immerwährende Liebe und Unterstützung.
Und Julian. Für Deine Liebe, Deine Kraft und Deine starken Schultern, wann immer ich sie brauche.
Kapitel 1 | AUTOIMMUNERKRANKUNGEN – DIE PLAGE UNSERER ZEIT
Chronische Entzündungen
Hormonelle Disruptoren oder: Die Geister, die ich rief
Darmpermeabilitätsstörung: das Leaky-Gut-Syndrom
Typ-IV-Allergien
Kapitel 2 | MEINE GESCHICHTE
Meine Kindheit
Meine Studentenzeit
Junge Mutter
Meine Rettung
Kapitel 3 | GESCHICHTE DER EUROPÄISCHEN ERNÄHRUNG
Unsere heutigen Essgewohnheiten
Ernährung der Steinzeitmenschen
Grundnahrungsmittel unserer Vorfahren
Nachtschattengewächse
Kapitel 4 | VERARBEITUNGSVERFAHREN FÜR LEKTINHALTIGE NAHRUNGSMITTEL
Getreide
Leguminosen/Hülsenfrüchte
Quinoa, Amaranth und Mais
Nachtschattengewächse: Chili, Tomate und Co.
Milchprodukte
Gemüse
Kapitel 5 | WAS SIND LEKTINE?
Schutz vor Lektinen
Verdauungsenzyme
Der erste Verteidigungsring: Schleim
Der zweite Verteidigungsring: unsere freundlichen Mitbewohner
Die letzte Bastion: sekretorisches Immunglobulin A (IgA)
Auswirkungen von Lektinen auf unseren Körper: kleines Protein, große Wirkung
Das gefährlichste Lektin: Gluten in Weizen
Weizenkeim-Agglutinin (WGA) in (Vollkorn-)Weizen
Orzenin in Reis
Avenin in Hafer
Kafi rin in Hirse
Hämagglutinine in Hülsenfrüchten
Lektine in Quinoa und Amaranth
Secalin in Roggen, Hordein in Gerste
Lektin in Mais
Kasein in Milchprodukten
Lektin in Eiern
Lektin in Obst
Kapitel 6 | MEINE TOP 5 FÜR UND GEGEN AUTOIMMUNERKRANKUNGEN
Top 1: Unterbrechung der natürlichen Lichtzyklen und permanentes künstliches Licht
Top 2: Störungen des Mikrobioms überall an und in unserem Körper
Top 3: Xenohormone und andere hormonelle Disruptoren
Top 4: Massive Zunahme des Konsums von Omega-6-Fettsäuren
Top 5: Unzureichender Schlaf
Kapitel 7 | KLEINE HELFERLEIN: JETZT WIRD’S PRAKTISCH – TESTVERFAHREN UND NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL
Verschiedene Testverfahren
Hilfreiche Nahrungsergänzungsmittel
Kapitel 8 | JETZT WIRD ES PRAKTISCH
»Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie« (Friedrich Nietzsche)
Vorbereitung ist alles
Dauerhafte Versorgung aus körpereigenen Quellen
Phase 1: Reinigung und Reset
Phase 2: Beginnender Aufbau
Phase 3: Fortgeschrittener Aufbau
Phase 4: Mehr Genuss zum Schluss
Und später …
Täglich frisch kochen
Ein praktisches Beispiel: mein Alltag
Nützliche Küchenhelfer
Kontrolle der Entzündung: intermittierendes Fasten
Kapitel 9 | LEKTINFREIE REZEPTE
Frühstück – Rezepte für Phase 1
Frühstück – Rezepte für Phase 2
Snacks – Rezepte für Phase 2
Hauptgerichte – Rezepte für Phase 1
Hauptgerichte – Rezepte für Phase 2
Hauptgerichte – Rezepte für Phase 3 und Phase 4
Süßes und Desserts ab Phase 2
Brühen, Saucen und Co.
Impressum
Autoimmunerkrankungen sind auf dem Vormarsch. Das merkt man schon, wenn man einmal auf einer Familienfeier oder einem Grillfest herumfragt: Erstaunlich viele Menschen leiden an irgendeiner Autoimmunerkrankung. Eine zu haben, ist eher Regel als Ausnahme.
Schon allein die autoimmune Thyreoiditis, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse führt und nach ihrem Erstbeschreiber Hakaru Hashimoto (1881–1934) benannt ist: Hashimoto-Thyreoiditis, hat in Deutschland eine Häufigkeit (Prävalenz) von 7 bis 10 Prozent. Damit kann sie guten Gewissens als Massenphänomen bezeichnet werden.
Zählt man noch Allergien dazu, die auch nur Reaktionen eines hyperaktiven Immunsystems gegen den eigenen Körper sind, ausgelöst durch einen Umweltreiz, so betreffen Autoimmunerkrankungen mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Und die Tendenz ist steigend. Damit werden Autoimmunerkrankungen zu einem großen Problem für unser Gesundheits-system, und durch die dadurch bedingten Krankheitstage und eventuell einen kompletten Ausfall auch zu einem großen Problem für unsere Gesellschaft – von der zum Teil erheblichen Einschränkung der Lebensqualität des Einzelnen einmal ganz abgesehen. Warum das so ist, konnte trotz zahlreicher Bemühungen bislang nicht abschließend geklärt werden. Es gibt allerdings verschiedenste Theorien.
In indigenen Bevölkerungen kommen Autoimmunerkrankungen sehr selten vor. Sobald diese sich aber an die westliche Lebensweise anpassen, entspricht die Anzahl der Erkrankungen sehr schnell unserer oder liegt sogar noch höher. Das legt nahe, dass Autoimmunerkrankungen etwas mit unserem Lebensstil zu tun haben.
Auch andere Fakten geben Hinweise: So war zum Beispiel vor der Wende die Rate an Allergien und Autoimmunerkrankungen vor allem aus dem atopischen Kreis (wie zum Beispiel Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis) in den neuen Bundesländern deutlich geringer, glich sich nach der Wende aber schnell an, obwohl die Menschen sich von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Lebensweise und ihrer Abstammung glichen und auch räumlich nur durch eine willkürliche Grenze getrennt wurden.
Die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen scheint also von vielen Einflüssen abhängig zu sein und auf verschiedenen Ursachen zu beruhen, sie führen am Ende aber zum selben Ergebnis: zu einer erhöhten Aktivität des Immunsystems und einer stillen chronischen Entzündung des Körpers mit der Folge, dass am Ende eigenes Gewebe angegriffen und zerstört wird.
Stille chronische Entzündungen sind mitverantwortlich für Übergewicht, hormonelle Disbalancen und eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Chronische Entzündungen führen zu Disbalancen der wichtigen Masterhormone (wie Leptin und Insulin) und lösen hier sogenannte Resistenzen, also Widerstandsfähigkeiten, aus. Und diese Resistenzen erhöhen die Bereitschaft des Körpers für Entzündungen. Dieser Teufelskreis kann sich über Jahre hinweg fortsetzen und stellt einen erheblichen Stressor für den Körper dar. Stress wiederum ist ebenfalls ein Trigger (Auslöser) für Entzündungen.
Dabei sind Entzündungen erst einmal nichts Schlechtes. Verletzen wir uns, ruft unser Körper verschiedene Interleukine auf den Plan, also körpereigene Botenstoffe der Zellen des Immunsystems, die ihrerseits Zellen des Immunsystems herbeirufen. Das führt zu Rötungen und Schwellungen und leitet den Heilungsprozess ein. Ohne entzündliche Prozesse würden wir innerhalb kürzester Zeit von den Massen an Bakterien in und um uns herum getötet und aufgefressen werden – eindrucksvoll zu sehen an Menschen, deren Immunsystem nicht intakt ist und die nur in einer völlig keimfreien Umgebung überleben können.
Normalerweise handelt es sich bei diesen entzündlichen Prozessen um ein zeitlich begrenztes, akutes Geschehen. Die Zellen des Immunsystems erkennen den Feind und vernichten ihn. Je nachdem, wie gefährlich er ist, müssen möglicherweise Spezialtruppen zu Hilfe gerufen werden, aber am Ende siegt meist das Immunsystem oder steht der Tod – vor allem in Zeiten vor Antibiotika und Co.
Nach dem Sieg merken sich die Gedächtniszellen unseres Körpers dieses Geschehen, um in einer ähnlichen Situation noch besser und schneller reagieren zu können.
Was aber, wenn der Alarmzustand zum Dauerzustand wird? Die Zellen unseres Immunsystems verhalten sich dann wie wir, wenn wir uns unter Dauerbeschuss befinden und keine Erholung bekommen: Sie werden unaufmerksam und extrem reizbar. Irgendwann reicht die kleinste Kleinigkeit, und unser Immunsystem rastet aus und greift eigentlich völlig harmlose Substanzen und auch Zellen des eigenen Körpers an. Eine Autoimmunerkrankung ist entstanden.
Folgende Faktoren können zu einer chronischen Entzündung und damit auch zu einer Autoimmunerkrankung führen:
• Nahrungsmittelunverträglichkeiten,
• übermäßiger, langfristiger körperlicher Stress,
• chronischer psychischer Stress,
• chronischer Schlafmangel,
• erhöhter Konsum entzündungsfördernder ungesättigter Fettsäuren,
• chronische Virusinfektionen,
• chronische bakterielle Infektionen,
• hormonelle Disruptoren,
• Giftstoffe,
• langfristige Einnahme von künstlichen Hormonen,
• starke hormonelle Schwankungen,
• psychische Traumata,
• Dysbiosen des Dickdarms,
• Darmpermeabilitätsstörungen,
• hormonelle Disbalancen zugunsten entzündungsprovozierender (proinflammatorischer) Hormone,
• Mikronährstoffmängel,
• genetische Polymorphismen, sogenannte SNPs (single nucleotide polymorphisms),
• genetische Mängel von Abwehrsubstanzen,
• vermehrte Blutzuckerspitzen,
• Toxine,
• Übergewicht
• und vieles andere mehr.
Viele dieser Einzelfaktoren bedingen sich gegenseitig:
1. Bestimmte Mikronährstoffmängel können beispielsweise einen ungünstigen Effekt auf das Immunsystem haben und stellen gleichzeitig einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Undichtigkeit des Darms (eines Leaky-Gut-Syndroms) dar.
2. Übergewicht verursacht aufgrund der Hormonaktivität des Fettgewebes chronische Entzündungen und diese führen durch ein Außer-Kraft-Setzen der Sättigungshormone und durch Verschiebungen der Geschlechtshormone zueinander abermals zu Übergewicht.
Nach unserem derzeitigen Wissensstand basieren nur etwa 30 Prozent des Geschehens auf unserer genetischen Grundlage; durch einen entsprechenden Lebensstil lässt sich der Ausbruch einer Erkrankung meist vermeiden. Und nur bei einigen sehr spezifischen Erkrankungen tritt die Erkrankung nicht ohne eine genetische Variation auf. Das gilt beispielsweise für die Zöliakie, die immer mit Veränderungen auf den Genen HLA-DQ2 und/oder HLA-DQ8 einhergeht. Verschiedene genetische Veränderungen an nur einer Aminosäure in unserem Genom (Erbgut) können zu Fehlfunktionen bestimmter Enzyme führen. Je nachdem, ob eine oder beide Seiten der DNA betroffen sind und ob es mehrere für dieses Enzym verantwortliche Gene gibt, sind diese Störungen stärker oder schwächer ausgeprägt.
Wer mehrere solcher sogenannter SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms) hat, für den besteht ein höheres Risiko, im Laufe seines Lebens an einer chronischen (Autoimmun-)Erkrankung zu erkranken. Doch selbst dann sind wir nicht Opfer einer unumkehrbaren Notwendigkeit. Vielmehr trägt unser Lebensstil wesentlich dazu bei, ob diese »Fehler« in unserem Leben zu Problemen führen. Allerdings haben sie einen erheblichen Einfluss, sodass manche Menschen völlig problemlos ein extrem ungesundes und stresserfülltes Leben führen können, während andere schon gegenüber geringen Stressoren so empfindlich reagieren, dass ihr Leben völlig aus der Bahn gerät.
Manchmal lassen sich Ursache und Wirkung auch schwer voneinander unterscheiden. So geht beispielsweise bei vielen Menschen ein Ungleichgewicht zu Ungunsten der entzündungshemmenden Hormone Progesteron und Testosteron der Entwicklung einer Autoimmunerkrankung voraus. Das kann angeboren sein, in sehr vielen Fällen ist es aber auch erworben. Für die erworbenen Störungen in diesem Bereich gibt es zwei wesentliche Ursachen:
1. die sogenannten hormonellen Disruptoren, also Stoffe aus unserer Umwelt, die unser Hormonsystem stören, und
2. Stress jeglicher Art, der unseren Körper dazu treibt, aus der gleichen Ursprungssubstanz mehr Stresshormone als Geschlechtshormone zu produzieren und vor allem »Grundmaterial« von den antientzündlichen Hormonen abzuzweigen.
Besonders ungünstig ist es natürlich, wenn ein genetisch bedingter Mangel und ein diesen Mangel begünstigender Lebensstil zusammenkommen. Weil der Verlust beziehungsweise die Verminderung der beiden mächtigsten antientzündlichen Hormone eine so wesentliche Rolle spielt, im Folgenden ein bisschen mehr dazu.
Eine ganze Reihe von chemischen Stoffen, die teils massenweise in der Industrie zum Einsatz kommen, greifen in unser Hormonsystem ein – zum Teil, indem sie die Rezeptoren unseres Körpers blockieren und ihm so vorgaukeln, es seien genug Hormone vorhanden, zum Teil, indem sie direkt die Funktion unserer Geschlechtsdrüsen stören.
Viele dieser Stoffe, wie zum Beispiel Teflon, sind sehr langlebig und haben sich über die Hochwinde und Ozeane auf unserem ganzen Planeten verteilt. So lässt sich Teflon sogar in der Leber von Eisbären in Grönland oder im Blut von Amazonas-Indianern nachweisen, die fast keinen Kontakt zur Außenwelt hatten. Durch das Übermaß dieser Stoffe kommen Mädchen in den Industrienationen immer früher in die Pubertät und geht die Zeugungsfähigkeit vor allem des männlichen Geschlechts immer weiter zurück. Die meisten dieser Stoffe imitieren die Funktion des Hormons Östrogen oder behindern die Produktion von Testosteron und Progesteron in den Keimdrüsen.
Die beiden zuletzt genannten Hormone gehören zu den stärksten antientzündlichen Hormonen, die unser Körper zu bieten hat. Sie übernehmen für unser Immunsystem eine Art Wächter- und Beruhigungsfunktion. Fehlen sie, ist das Risiko erheblich höher, dass sich die Zellen unseres Immunsystems wie eine Herde aufgescheuchter Gnus verhalten, die alles platt trampelt, was sich ihnen in den Weg stellt, als wenn sie in ausreichender Menge vorhanden sind.
Da solche chemischen Stoffe vielfach auch in Pestiziden und Ähnlichem zu finden sind, sollte man kontrolliert biologisch angebautes Gemüse und Fleisch von artgerecht gehaltenem Vieh kaufen.
Mich intensiver mit diesen Stoffen zu beschäftigen, würde den Rahmen dieses Buches sprengen, der Leser ist jedoch dazu eingeladen, auf meiner Homepage www.autoimmunhilfe.de vorbeizuschauen. Hier gibt es zahlreiche Blogbeiträge zum Thema.
Doch selbst wer sich besonders gesund ernährt und versucht, alle Giftstoffe in seinem Leben zu meiden, kann zur Entwicklung derartiger Disbalancen beitragen, sofern er das Ganze mit falschem Ehrgeiz angeht und dadurch Stress auslöst.
Der Ausgangsstoff all unserer Steroidhormone ist nämlich Pregnenolon. Er wird von unserem Körper je nach Bedarf auf drei Achsen verteilt:
1. Progesteron-/Aldosteronachse,
2. die Cortisolachse und
3. die Geschlechtshormonachse.
Dabei ist die Menge an Pregnenolon begrenzt. Zwar kann unser Körper die Produktion kurzfristig erhöhen, sofern genügend Cholesterin vorhanden ist (denn alle Steroidhormone werden aus Cholesterin gebildet), langfristig schiebt unser Körper dem aber einen Riegel vor, um Langzeitschäden zu vermeiden. Haben wir chronischen Stress – sei es durch eine permanente Belastung bei der Arbeit, eine unglückliche Beziehung, zu viel Sport oder eine chronische Erkrankung –, zweigt unser Körper verstärkt Pregnenolon für die Cortisolachse ab und bedient die anderen Achsen nur noch vermindert. Gleichzeitig verwandelt er Progesteron in Cortisol, weshalb vor allem die Progesteronachse leidet. Die Folge: ein Mangel am antientzündlichen Hormon Progesteron. Das kann bei Frauen zum Beispiel zu verstärkten und schmerzhaften Monatsblutungen, erschwerter Empfängnis oder schmerzenden Brüsten führen. Und die Einnahme eines hormonellen Verhütungsmittels verschärft dieses Geschehen noch erheblich, weil dadurch nun meist gar kein Progesteron mehr in den Eierstöcken produziert wird.
Bei Männern kommt es zu einem funktionell bedingten Testosteronmangel, der den Fettanteil im Körper erhöhen und zu Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Schlafstörungen und einem Libidoverlust führen kann, um nur einige Symptome zu nennen.
All diese Beschwerden können auch durch potenziell schädliche Bestandteile in unserer Nahrung hervorgerufen werden. Lektine beispielsweise sind einerseits in der Lage, direkt auf körpereigene Prozesse wie zum Beispiel auf den Hormonstoffwechsel zu wirken, und andererseits können sie dem Körper in vielerlei Hinsicht Stress bereiten.
Die oben genannten hormonellen Veränderungen sind auch für die Entwicklung eines weiteren erheblichen Risikofaktors für eine Autoimmunerkrankung relevant: die Darmpermeabilitätsstörung, vielfach auch aus dem Englischen als Leaky-Gut-Syndrom bezeichnet. Je nach Studie gehen Forscher davon aus, dass eine Darmpermeabilitätsstörung bei 80 bis 100 Prozent aller Autoimmunerkrankten vorliegt. Einige sehen hierin eine wesentliche Ursache für die Krankheit, andere halten sie für eine Folge der Erkrankung. Ich persönlich glaube, dass sich wie so oft Huhn und Ei nicht wirklich voneinander trennen lassen. Sicher ist allerdings, dass eine Autoimmunerkrankung ursächlich und ohne die Anwendung von starken Medikamenten mit erheblichen Nebenwirkungen nicht verbessert werden kann, solange eine Darmpermeabilitätsstörung besteht. Daher werden wir später noch intensiv auf dieses Syndrom eingehen.
Was wir zu uns nehmen, ist enorm wichtig für die Gesundheit und Intaktheit unseres Darms. Schließlich hat er jeden Tag und permanent Kontakt zu dem, was wir essen.
Stellen Sie sich vor, Sie müssten jede Nacht in einem Bett aus Dornen liegen, Ihre Haut wäre inzwischen völlig durchlöchert und Ihr ganzer Körper deutlich weniger leistungsfähig. Natürlich würden Sie sich mit der Zeit an den Schmerz gewöhnen, ihn nicht mehr so stark wahrnehmen und auch lernen, sich nachts nicht mehr zu bewegen, sodass die Schäden geringer würden. Doch es wäre permanenter Stress, infolgedessen würden Sie sich nicht erholen und es könnten sowohl Stoffe in unseren Körper eindringen, die da nichts verloren haben, als auch Dinge (in diesem Beispiel wohl vor allem Blut) den Körper verlassen, die dort gebraucht werden.
Eines dieser Dornengewächse, die wir unserem Darm tagtäglich zumuten, sind die Lektine in unserer Nahrung. Sie kommen überall vor. Ich finde es wichtig, sich das klar vor Augen zu führen. Denn eine lektinfreie Ernährung ist nicht möglich.
Die Abwendung von traditionellen Lebensweisen, die Globalisierung und diverse Zuchtprogramme sowie genetische Veränderungen an Pflanzen haben in der heutigen Zeit sogar zu einer exponentiellen Zunahme von Lektinen in unserer Ernährung geführt.
Grundsätzlich sind Lektine Kohlenhydrate bindende Proteine (Glykoproteine), die Zellen zusammenballen können (engl. agglutinate), ohne sie zu verändern. Deshalb werden sie auch Agglutinine genannt. Zudem sind sie Anti-Nährstoffe, die unsere Nährstoffverwertung beeinträchtigen können. Lektine kommen in den meisten Pflanzen vor, denn sie produzieren diese Stoffe, um nicht gefressen zu werden. Daraus lässt sich ableiten, dass besonders appetitlich präsentierte Pflanzenteile meist wenig Lektine enthalten (um über den Umweg durch einen Fressfeind das Erbmaterial zu verteilen), zum langfristigen Überleben benötigte Pflanzenteile hingegen umso mehr.
Da die Pflanze nicht gefressen werden möchte, bedient sie sich verschiedener Mechanismen, um Fressfeinde zu schädigen. Sobald Lektine erst einmal in den Fressfeind (in diesem Falle in uns) hineingekommen sind, können sie ihre wesentliche schädigende Wirkung entfalten: Sie machen den Darm undicht.
Unser Darm hat nämlich normalerweise eine Barriere, die unzureichend verdaute Moleküle oder Schadstoffe nicht durch die Darmwand in den Blutkreislauf gelangen lässt. Lektine rufen Veränderungen an der Darmwand hervor, die diese Barrierefunktion stören. Werden wiederholt für den Dünndarm schädliche Moleküle verzehrt, führt dies zu einer verstärkten Durchlässigkeit der Darmwand, und Lektine gelangen in den Blutkreislauf.
Lektine sind also ein wichtiger Schlüssel dazu, den Gesundheitszustand bei einer Autoimmunerkrankung zu verbessern. Bei einigen Autoimmunerkrankungen wird ein direkter ursächlicher Zusammenhang mit dem Verzehr bestimmter Lektine vermutet. So bindet beispielsweise Weizenagglutinin besonders stark an Immunglobulin A (IgA) und steht im Verdacht, eine IgA-Nephropathie auszulösen, also die häufigste primär chronische Erkrankung der Nierenkörperchen; die in Milchprodukten enthaltenen Lektine sollen unmittelbar an der Entstehung von Diabetes mellitus Typ I und multipler Sklerose beteiligt sein.
Je nach persönlicher Empfindlichkeit kann die weitgehende Beseitigung von Lektinen aus der Ernährung die Erkrankung zum Stillstand bringen und zu einer sogenannten Remission führen. Remission bedeutet, dass die Erkrankung keinerlei Beschwerden macht und sich auch von außen nicht mehr ohne Weiteres nachweisen lässt.
Die genetische Anpassung an bestimmte Lektingruppen spielt bei ihrer Verträglichkeit eine große Rolle. Europäer und Menschen europäischer Abstammung reagieren zum Beispiel besonders empfindlich auf Nachtschattengewächse. Diese kamen ja erst vor rund 650 Jahren aus Südamerika zu uns und selbst danach dauerte es noch lange, bis sie zu einem festen Bestandteil unserer Ernährung wurden. Unsere Vorfahren kannten weder Tomaten noch Paprikaschoten oder Kartoffeln – und überlebten trotzdem ohne schwerwiegende Mängel. Das sollten wir immer bedenken, wenn wir glauben, ohne Nachtschattengewächse kein Gemüse mehr zum Essen zur Verfügung zu haben.
Eine Rückbesinnung auf die ursprünglich in Europa heimischen Nahrungsmittel kann nicht nur zu einer interessanten kulinarischen Reise werden, sondern auch enorm bei der Verbesserung der eigenen Erkrankung helfen.
Auch wenn der ständige Kontakt mit bestimmten Lektingruppen zu einer gewissen Widerstandskraft (Resilienz) ihnen gegenüber führt, treten in bestimmen Bevölkerungsgruppen mit einem traditionell hohen Konsum an stark lektinhaltigen Lebensmitteln mehr Autoimmunerkrankungen auf. Diese Entwicklung hat sich vor allem verschärft, seit die Industrie Hilfsmittel bereitstellt, um die traditionelle Verarbeitung von Lebensmitteln zu umgehen.
Dies trifft zum Beispiel auf die indische Bevölkerung zu. Hier werden seit jeher große Mengen Hülsenfrüchte verzehrt, die viel Lektin enthalten. In Indien leiden die Menschen im Vergleich zum Rest der Welt überproportional häufig an Autoimmunerkrankungen, vor allem aus der Gruppe der Sklerosen und Kollagenosen, also der Verhärtung von Organen oder Gewebe durch die Vermehrung von Bindegewebe, also an Bindegewebserkrankungen.
Aber man muss gar nicht so weit weg gehen. In Deutschland stellen Brot und Getreidebreie seit Langem einen großen Anteil an der Ernährung. Schon die Wikinger aßen viel Gerstenfladenbrot, das auf einem heißen Stein geröstet wurde. Allerdings wurden, in Ermangelung industriell hergestellter Hefe, hierfür stets Sauerteige verwendet. Und eine traditionelle Sauerteigherstellung mit entsprechend langer Fermentation führt zu einer nahezu vollständigen Zerstörung der Lektine im Getreide. In Studien konnte sogar eine Verträglichkeit von Sauerteigbrot bei Zöliakie-Erkrankten gezeigt werden.
Doch Lektine können nicht nur zu einer Darmpermeabilitätsstörung führen. Vielmehr gehören sie zu den Nahrungsstoffen, die relativ häufig für eine direkte Aktivierung oder auch Überaktivierung des T-Zell-Systems verantwortlich sind. Diese Aktivierungen lösen Allergien vom verzögerten Typ – Typ-IV-Allergien – aus und werden bei ständigem Kontakt schnell chronisch. Bei dieser Allergieform zeigen sich Symptome erst viele Stunden, meist 24 bis 72 Stunden, nach Kontakt mit dem Allergen. Daher ist es sehr schwer, einen Zusammenhang herzustellen. Die meisten Menschen kennen nur die Typ-I-Allergien, die mit unmittelbaren und oft beeindruckenden Symptomen einhergehen. Durch den direkten Zusammenhang ist es hier wesentlich leichter, sich über Ursache und Wirkung klar zu werden und die entsprechenden Allergene zu meiden. Allergien vom Typ IV lösen zum Teil sehr unspezifische Symptome aus. Hierzu können gehören:
• Magen-Darm-Beschwerden,
• Schlafstörungen,
• innere Unruhe,
• Stimmungsschwankungen,
• Stressintoleranz,
• laufende Nase,
• geschwollene Schleimhäute,
• Gliederschmerzen,
• Müdigkeit,
• Erschöpfung
• und vieles andere mehr.
Eine ständige Aktivierung des T-Zell-Systems führt zu einem extremen Raubbau an den Energievorräten des Körpers. Denn kaum etwas in unserem Körper ist so energiehungrig wie unser Immunsystem. Bei einer chronischen Aktivierung kann der Kontakt mit problematischen Nahrungsmitteln daher zu extremen Energieeinbußen kurz nach der Mahlzeit führen. Diese können zum Teil so schlimm sein, dass derjenige gezwungen ist, sich hinzulegen und auszuruhen. Geht das nicht, können im schlimmsten Fall eine verwaschene Sprache und präkollaptische Zustände auftreten.
Gleichzeitig kommt es oft zu Heißhunger auf Zucker und stärkehaltige Lebensmittel, da unser Körper das stark überaktivierte Stresssystem zu beruhigen und sich mit neuer Energie zu versorgen versucht. Werden hierfür wieder Nahrungsmittel verzehrt, die den ganzen Prozess ausgelöst haben, befinden wir uns schnell in einem verhängnisvollen Kreislauf, der sich immer wieder selbst anstößt. Das Ganze verschlimmert sich umso mehr, je weniger Energie unser Körper anfangs hatte.
Bei Menschen mit einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung kommt noch erschwerend hinzu, dass die verminderte Produktion von Schilddrüsenhormonen zu einer verminderten Produktion von Adenosintriphosphat (kurz ATP) führt, dem Energietreibstoff aus den Kraftwerken unserer Zellen (Mitochondrien).
Außerdem kann die permanente Zellaktivierung und die mit ihr einhergehende chronische Entzündung zu einer Veränderung der Serotoninproduktion führen. Serotonin ist als sogenanntes Glückshormon den meisten von uns ein Begriff. Ein Serotoninmangel kann zu Depressionen führen und an dieser Stelle setzen auch viele Psychopharmaka an. Durch die chronische Aktivierung des T-Zell-Systems, wie sie unter anderem oft durch Lektine hervorgerufen wird, wird die essenzielle Aminosäure Tryptophan zunehmend nicht mehr in das wichtige Serotonin umgewandelt, sondern in das Fehlprodukt Kynurenin. Dadurch kann es zu Depressionen, schwarzen Gedanken und im schlimmsten Fall sogar zu Psychosen kommen. Da Serotonin in gewisser Weise eine Vorläuferstufe des Hormons Melatonin ist, unseres inneren Taktgebers, treten womöglich auch Schlafstörungen und erhebliche Verschiebungen des Tag-Nacht-Rhythmus auf.
Mit welchen Tests man eine Nahrungsmittelallergie dieses Typs ermitteln kann und welche Nahrungsergänzungsmittel die Symptome lindern können, lesen Sie ausführlich im Praxisteil.
Damit Sie verstehen, wie ich überhaupt zu diesem Thema gekommen bin und warum ich gerade das Thema »Ernährung und Lektine« für so wichtig halte, möchte ich Ihnen meine persönliche Geschichte erzählen.
Ich kam etwas zu früh auf die Welt, nachdem bei meiner Mutter die Fruchtblase geplatzt und die Geburt, zumindest laut meiner Mutter, recht brutal eingeleitet worden war. Der Übertritt ins Leben kam für mich also etwas überraschend und war nicht von mir initiiert. Glücklicherweise erleichterte mir meine Mutter den Einstieg, indem sie mich zunächst voll und ausschließlich stillte. In den ersten Monaten ist der Darm des Säuglings nämlich noch sehr stark durchlässig, und bei jeder Nahrungsaufnahme dringen Stoffe in den noch völlig ungeschulten Körper ein, die das Immunsystem reizen und überfordern können. Leider dauerte dieser Idealzustand aber nicht lange an. Denn meine Mutter versuchte gemäß den kinderheilkundlichen Empfehlungen dieser Zeit ab dem vierten Lebensmonat, Brei und Tee ins Kind zu bekommen. Wie ich heute weiß, waren diese Bemühungen allerdings wegen meines noch sehr stark ausgeprägten Zungenstoßreflexes wenig von Erfolg gekrönt, mein Immunsystem dürfte jedoch auf das so früh eingeführte Getreide wenig friedlich reagiert haben. Ob diese Versuche damit in Zusammenhang stehen oder nicht, lässt sich nicht mehr sagen, doch recht bald danach bekam ich meine erste Lungenentzündung, und viele weitere folgten. Bis heute neige ich zu Streptokokkeninfektionen vor allem der Atemwege, wenn sich das auch deutlich gebessert hat.
Schon als Kind aß ich weder besonders gerne Brot noch trank ich gerne Milch. Nach meiner morgendlichen Milch und dem erzwungenen Frühstück war mir regelmäßig schlecht. Deshalb landete mein Schulbrot schon sehr früh im Müll statt in meinem Magen. Ich hatte einfach das Gefühl, mir tue es nicht gut.
Als in meiner Familie – ganz im Sinne der damals populären Vollkornbewegung – Frischkornbrei eingeführt wurde, hatte das für mich katastrophale Folgen. Mir wurde davon schlecht, ich kämpfte mit Magenschmerzen und schlimmsten Völlegefühlen. Leider dauerte eine ganze Weile, bis ich ihn endlich nicht mehr essen musste. Dass ich vielleicht ein grundsätzliches Problem mit einem so »gesunden« Nahrungsmittel wie Vollkorngetreide haben könnte, darauf kam damals niemand.
Als ich zehn war, fand meine Mutter sich plötzlich allein mit zwei Kindern wieder. Ich erinnere mich nicht, ob sie vorher viel gekocht hatte, aber nun gab es viel Fertigessen aus der Dose. Ich erinnere mich genau an das ständige Gefühl des Aufgeblähtseins. Für mich war das zum Teil so unangenehm, dass ich tagelang fast nichts aß. Besonders schlimm war es am Wochenende und im Urlaub. Retrospektiv weiß ich, dass das daran lag, dass ich dann frühstückte, was ich sonst eigentlich nie tat. Damals konnte ich aber keinen Zusammenhang herstellen.
Mit Beginn meines Studiums und dem Umzug in eine andere Stadt verschwand Brot fast völlig von meinem Speiseplan. Erstens wollte ich Gewicht verlieren und versuchte es mit der damals populären Forever-Young-Diät, in der nur wenig Brot vorgesehen war. Und zweitens mochte ich es einfach nicht besonders. Ich war auch kein großer Nudelfreund. Insgesamt gab es bei mir vor allem viel Reis und Kartoffeln. Obwohl ich zwar immer recht schlank war, hatte ich doch ein recht ausgeprägtes Mondgesicht und war mit ein paar Kilos zu viel ins Studium gestartet. Ohne viel Zutun verlor ich nun im ersten Jahr zehn Kilogramm, und vor allem mein Gesicht veränderte sich. In den Semesterferien jedoch, die ich üblicherweise zu Hause verbrachte, kehrte bezeichnenderweise mein Mondgesicht zurück, legte ich unnatürlich schnell Gewicht zu und hatte wieder mit Magen-Darm-Beschwerden zu kämpfen. Nach wie vor war mir der Zusammenhang mit dem extrem hohen Getreidekonsum zu Hause nicht klar.