Zum Buch
Eine Sammlung der 30 schönsten Briefe rund um das Thema »Mutter« – im Geschenkbuchformat und in wunderschöner Ausstattung. Das Buch basiert auf der sensationell populären Website »Letters of Note«, einer Art Online-Museum des Schriftverkehrs, das bereits von über 70 Millionen Menschen besucht wurde. Mit Briefen von unter anderem Sylvia Plath, George Bernard Shaw, Laura Dern, Martin Luther King, Louisa May Alcott und Richard Wagner.
Zum Autor
Shaun Usher ist Autor und alleiniger Betreiber der Blogs lettersofnote.com, listsofnote.com und speechesofnote.com. Hierfür durchforstet er die Archive dieser Welt nach faszinierenden Briefen, ungewöhnlichen Listen und inspirierenden Reden. Usher lebt mit seiner Frau Karina und seinen beiden Söhnen in Manchester. Letters of Note war sein erstes Buch, das gleich ein Weltbestseller wurde.
HERAUSGEGEBEN
VON SHAUN USHER
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
Letters of Note – Mothers bei Canongate, Edinburgh
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt
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Copyright © 2020 Shaun Usher
Copyright © 2020 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Lektorat: Markus Naegele
Redaktion: Loel Zwecker
Umschlaggestaltung: Eisele Grafik-Design, München,
Umschlagillustration: Martina Eisele
unter Verwendung von: Bigstock (tpinpart, lesichkadesign)
Illustrationen im Innenteil: © shutterstock/Thanaporn Pinpart
Satz: Leingärtner, Nabburg
e-ISBN: 978-3-641-25218-2
V001
www.heyne-hardcore.de
Für alle Mütter,
aber im Besonderen
für meine
Inhalt
EINLEITUNG
Übersetzt von Kristof Kurz
DU BIST EIN VORBILD
Melissa Rivers an Joan Rivers
Übersetzt von Conny Lösch
ICH WEISS, MUTTER, ICH WEISS
Anne Sexton an Linda Sexton
Übersetzt von Ruth Keen
ICH BIN DANNY DEVITOS MUTTER
Julia DeVito an Kirk Douglas
Übersetzt von Markus Naegele
LEUCHTE STETS UND STÄNDIG
Caitlin Moran an Lizzie Moran
Übersetzt von Stephan Glietsch
IST ES NICHT SCHÖN, MUTTER?
E. B. White an Stanley Hart White
Übersetzt von Teja Schwaner
IN ZWEI TAGEN MUSS ICH STERBEN
Ichizo Hayashi an seine Mutter
Übersetzt von Norbert Jakober
DEINE GESPANNTE MUTTER
Jessie Bernard an ihr ungeborenes Kind
Übersetzt von Lisa Kögeböhn
ES LIEGT NUN BEI DIR
B. D. Hyman an Bette Davis
Übersetzt von Stefanie Schlatt
JEDER HAT IM LEBEN EINE ROLLE
Queen Esther Gupton Cheatham Jones an Renée Cheatham Neblett
Übersetzt von Nicolai von Schweder-Schreiner
SIE WAR MEINE GANZE FAMILIE
Tarê an ihre Tante Horeina
Übersetzt von Markus Naegele
EINFACH WIRD ES NIEMALS SEIN
Hannah Woodhead an ihre Mutter
Übersetzt von Philip Bradatsch
SIE HÄTTE ES ENORM GENOSSEN
George Bernard Shaw an Stella Patrick Campbell
Übersetzt von Kirsten Borchardt
ICH GEHE DAVON AUS, DICH WIEDERZUSEHEN
Mary Isabel Stephens an Margaret Mitchell
Übersetzt von Andrea Kunstmann
GUTE SEELE
Edna St. Vincent Millay an Cora B. Millay
Übersetzt von Katja Bendels
ICH HABE DIE BESTE MUTTER DER WELT
Martin Luther King Jr. an Alberta King Williams
Übersetzt von Jan Schönherr
ICH ERWARTE DICH
Sylvia Plath an Aurelia Plath
Übersetzt von Nikolaus Hansen
LIEBSTER WINSTON, DU MACHST MICH SEHR TRAURIG
Jennie Churchill an Winston Churchill
Übersetzt von Katja Scholtz
DEINE GESCHICHTE BESTIMMST DU SELBST
Laura Dern an Jaya Dern
Übersetzt von Stefanie Schlatt
WAS IST EINE MINUTE?
Tina LeBlanc Sadoski an Mister Rogers
Übersetzt von Tim Müller
MUTTERLIEBE BEDARF KEINER GRÜNDE
Richard Wagner an Johanna Wagner
LEBT EIN LEBENSWERTES LEBEN
Julie Yip-Williams an Mia und Isabelle
Übersetzt von Robert Brack
BITTE, SAG’S DEINER MUTTER
G. K. Chesterton an Marie Louise Chesterton
Übersetzt von Timur Vermes
ICH WERDE IMMER BEI DIR SEIN
Milada Horáková an Jana Horáková
Übersetzt von Alexander Wagner
MEINE MISSION AUF ERDEN IST BEREITS ERFÜLLT
Vivian Rosewarne an seine Mutter
Übersetzt von Joscha Faralisch
DEINE DICH LIEBENDE TOCHTER
Louisa May Alcott an Abby May Alcott
Übersetzt von Markus Naegele
ICH SCHREIBE DIR ZUM ERSTEN MAL NACH MEINER VERURTEILUNG ZUM TOD
Baya Hocine an ihre Mutter
Übersetzt von Julia Winkel
ICH LIEBE SIE MEHR ALS ALLES
Martha Gellhorn an Lucy Moorehead
Übersetzt von Kristian Lutze
DEIN VERLUST BEGLEITET MICH
Karin Cook an Joan Cook Carpenter
Übersetzt von Katja Bendels
LIEBE TÖCHTER
Patton Halliday Quinn an Edith Quinn
Übersetzt von Stephan Kleiner
HÖRE, MOM
Wallace Stegner an Hilda Stegner
Übersetzt von Thomas Krüger
ÜBERSETZERVITEN
ABDRUCKNACHWEISE
DANKSAGUNG
EINLEITUNG
Übersetzt von Kristof Kurz
Man könnte sagen, dass unsere erste Korrespondenz mit unseren Müttern bereits stattfindet, wenn wir das Licht der Welt noch gar nicht erblickt haben. Unsere frühesten Briefe bestehen aus Tritten, Schlägen, Schubsern und Stößen mit Kopf und Ellenbogen: eine angemessen unsanfte Vorwarnung, dass sich mindestens zwei menschliche Leben dramatisch und auf ewig verändern werden. Gelegentlich prägt diese Art der Kommunikation die gesamte Beziehung zwischen Mutter und Kind und markiert den Anfangspunkt eines lebenslangen Kampfes um Koexistenz; traurigerweise bedeutet sie in anderen Fällen die letzte Gelegenheit zu einer Verständigung überhaupt. Für die meisten jedoch sind diese aufgeregten unmittelbaren Botschaften der Beginn einer Verbindung, die ein Leben lang und gelegentlich sogar darüber hinaus anhält.
Mit Letters of Note: Mütter wird dieser wohl fundamentalsten und auch kompliziertesten menschlichen Beziehung durch eine Sammlung von dreißig Briefen von, an oder über Mütter ein Denkmal gesetzt. iese Briefe werden Sie amüsieren, empören, trösten oder betrüben – je nach Ihrer Laune, dem Wochentag, dem Blick, den Ihre Tochter Ihnen gerade zugeworfen hat, dem Tonfall der letzten SMS Ihrer Mutter oder dem Grad der Schlampigkeit, mit der Ihr Sohn den Geschirrspüler ausgeräumt hat, bevor er wieder in seinem Zimmer verschwunden ist (das er übrigens seit Wochen nicht aufgeräumt hat). Und von seinem neuesten Tattoo wollen wir gar nicht erst anfangen …
Der älteste Brief in diesem Band wurde im 4. Jahrhundert n. Chr. von einem ägyptischen Mädchen verfasst, die den Tod ihrer Mutter betrauert, der jüngste von einer Engländerin, die 2018 durch einen Film dazu angeregt wurde, ihrer Mutter zu schreiben.
Aus den vielen Jahren dazwischen stammt der Brief einer enttäuschten Mutter an ihren jugendlichen Sohn, der weit hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben war, später jedoch sein Land siegreich durch den Zweiten Weltkrieg führen sollte; ein hitziger Briefwechsel zwischen einem Hollywoodstar und ihrer Tochter, der in den Lebenserinnerungen beider Frauen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde; ein herzzerreißender, aber auch wunderschöner Brief, in dem eine todkranke Frau ihren Töchtern von ihrem baldigen Ende berichtet; der Abschiedsbrief eines dreiundzwanzigjährigen Kamikazepiloten an seine Mutter, verfasst nur Tage vor seinem letzten Einsatz; und noch viele mehr.
Bei der Recherche für dieses Buch sind mir schon bald zwei bemerkenswerte Tatsachen aufgefallen: Zum einen schreibt die Mehrzahl der Mütter ihren Kindern, wenn diese entweder sehr jung oder noch gar nicht geboren sind – hoffnungsvolle Briefe, die diese makellosen, unschuldigen kleinen Wesen auf der Welt willkommen heißen und ihnen dringend benötigte Ratschläge mit auf den Weg geben. Zum anderen fiel aber auch auf, dass umgekehrt die meisten Briefe von Kindern an ihre Mütter dann verfasst werden, wenn sich das Leben der Eltern seinem Ende zuneigt oder bereits vorüber ist – hier handelt es sich um Abschiedsbriefe, die oft das Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, nicht füreinander da gewesen zu sein, wenn es darauf ankam.
Langer Rede kurzer Sinn (und bitte entschuldigen Sie, wenn ich mich anhöre wie Ihre Mutter): Wir müssen unseren Müttern in der langen Zeit zwischen Geburt und Tod mehr Briefe schicken. Sie werden es uns ebenso danken wie die nächste Generation, die diese bewegende Korrespondenz einst erben wird.
Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, ich muss noch einen Brief schreiben.
Shaun Usher
2020
DU BIST EIN VORBILD
Melissa Rivers an Joan Rivers
2013
Übersetzt von Conny Lösch
Am Sonntag, dem 7. September 2014, versammelten sich unzählige Menschen vor dem Temple Emanu-El in der New Yorker Fifth Avenue, um der verstorbenen Joan Rivers die letzte Ehre zu erweisen. Rivers, die 1933 als Tochter russischer Einwanderer in Brooklyn geboren wurde, war als Komikerin dank zahlreicher Fernsehsendungen seit den Sechzigerjahren im ganzen Land bekannt. An jenem Tag wurden viele Reden im Gedenken an Rivers gehalten, unter anderem auch von ihrer Tochter Melissa, deren Gästezimmer Rivers im Verlauf der Jahre immer wieder genutzt hatte, wenn sie sich für Dreharbeiten in Los Angeles aufhielt. Nachdem Melissa einige Worte gesagt hatte, las sie zur großen Erheiterung der Versammelten den Brief vor, den sie ihrer verstorbenen Mutter im vorangegangenen Jahr geschrieben hatte.
Mom,
ich habe den Brief erhalten, den Du mir gestern Nacht unter der Schlafzimmertür durchgeschoben hast. Da ich annahm, er enthielte liebevolle Ratschläge, die Du mir ans Herz legen wolltest, freute ich mich sehr darauf, ihn zu lesen. Stell Dir nur vor, wie erstaunt ich war, als ich ihn öffnete und sah, dass er mit der Anrede »Sehr geehrte Vermieterin« begann. Im Folgenden will ich nacheinander auf Deine Beschwerden eingehen:
1. Auch wenn ich Deinen Wunsch verstehe, Deine Unterbringung durch eine Vergrößerung der Räumlichkeiten »aufzuwerten«, so kann ich doch Cooper (den dreizehnjährigen Sohn) nicht guten Gewissens in die Wäschekammer abschieben. Ich gebe Dir recht, er würde dort im Hinblick auf das Falten und Zusammenlegen von Wäsche viel fürs Leben lernen, aber da ich ihn künftig nicht in der Reinigungsbranche sehe, muss ich dies ablehnen.
Ich weiß, dass Du ein wahres kreatives Genie bist (und ich habe große Achtung vor Deinen Eingebungen), aber ohne meine Zustimmung eine Wand einzureißen, ist kein geeignetes Mittel, dieser Kreativität Ausdruck zu verleihen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Grenzüberschreitung, sondern auch um einen Verstoß gegen die Bauvorschriften. Außerdem wird der Handwerker erst nächste Woche kommen, Deine Erweiterungspläne müssen daher aufgeschoben werden.
2. Betrifft Deinen »Mitbewohner« (Deine Formulierung), Cooper. Es ist nicht okay, meine Regeln zu unterlaufen, wenn ich ihn Deiner Obhut anvertraue. Es ist nicht okay, wenn Du ihm Chips und Eis zum Abendessen erlaubst. Es ist nicht okay, wenn Du ihn die Schule schwänzen lässt und stattdessen mit ihm ins Kino gehst. Und es ist wirklich überhaupt nicht okay, wenn es sich bei dem Film um Der letzte Tango in Paris handelt.
Was Deine Einladung seiner Freunde in einen »Gentlemen’s Club« betrifft, so akzeptiere ich Deine Begründung, es handle sich um eine lehrreiche Erfahrung für die Kinder – Du hast recht, er ist derzeit der beliebteste Junge an der Schule –, aber mir wäre es lieber, er würde Biologie nicht von diesen »Gentlemen« und ihren Damen Bambi, Trixie und Kitten lernen. Auch kann ich mich Deiner Behauptung nicht anschließen, ich hätte eine feindliche Atmosphäre geschaffen, nur weil ich Dich angeschrien habe.
3. Obwohl ich mich freue, dass Du Dich mit Freunden triffst, musst Du den Whirlpool nach Deinen Partys wieder auffüllen. Tatsächlich wirst Du die Partys insgesamt reduzieren müssen. Stell Dir vor, wie erstaunt ich war, als ich die Oben-ohne-Fotos Deiner ausgelassen im Whirlpool scherzenden Freundinnen gesehen habe, die Du auf Facebook gepostet hast.
Ich finde es toll, dass Du öfter Leute einlädst, aber ich kann die Beschwerden der Nachbarn über die lauten Partyspiele wie Ring Around the Walker, Naked Duck oder Duck Caregiver nicht länger ignorieren.
Ich stelle Dir gerne das Haus für ein geselliges Beisammensein zur Verfügung, aber Du kannst es nicht an andere vermieten, als »Party-Zentrale« bewerben oder dort T-Shirts mit dem Aufdruck »F… Jimmy Buffett« verteilen.
Abschließend hoffe ich, dass ich auf Deine Beschwerden und Fragen zu Deiner Zufriedenheit eingegangen bin. Ich habe Dich sehr gerne bei mir zu Hause und bin für jede Minute dankbar, die Cooper und ich mit Dir verbringen dürfen. Du bist ein Vorbild. Und seit dreißig Tagen mit der Miete im Verzug.
Alles Liebe
Melissa
ICH WEISS MUTTER, ICH WEISS
Anne Sexton an Linda Sexton
April 1969
Übersetzt von Ruth Keen
Anne Sexton, geboren 1928 in Newton, Massachusetts, litt einen Großteil ihres Erwachsenenlebens unter einer bipolaren Störung. Ihre psychischen Probleme verstärkten sich noch, als sie im Alter von Mitte und Ende zwanzig ihre beiden Töchter bekam. Während eines Klinikaufenthalts 1955, als Linda, ihre erste Tochter, zwei Jahre alt war, begann Sexton auf Anraten ihres Therapeuten Gedichte zu schreiben – was ihr half, gegen ihre Suizidgedanken anzukämpfen, sodass ihre Familie und Freunde wieder Hoffnung schöpften. Auf einer Reise 1969, zwei Jahre bevor sie für ihre Lyriksammlung Live or Die (Lebe oder Stirb) den Pulitzerpreis erhielt, schrieb Sexton ihrer damals fünfzehnjährigen Tochter Linda eine Botschaft für die Zukunft. Fünf Jahre nachdem dieser gefühlvolle Brief entstanden war, nahm sich Anne Sexton schließlich doch das Leben. Sie war fünfundvierzig Jahre alt.
Mittwoch, 14:45 Uhr
Liebe Linda,
ich sitze in einem Flugzeug auf dem Weg nach St. Louis, wo ich eine Lesung halten soll. Vorhin habe ich eine Geschichte im New Yorker gelesen, die mich an meine Mutter erinnerte, und da habe ich ihr zugeflüstert, hier so ganz allein auf meinem Platz: »Ich weiß, Mutter, ich weiß.« (Hab einen Stift gefunden!) Ich dachte an Dich – wie Du eines Tages ganz allein irgendwo hinfliegst und ich vielleicht tot bin und Du mit mir reden willst.
Ich will Dir antworten. (Linda, es muss ja nicht im Flugzeug sein, es kann genauso gut an irgendeinem Nachmittag sein, wenn Du selber vierzig bist und an Deinem eigenen Küchentisch sitzt und Tee trinkst. Jederzeit.) – Lass mich Dir sagen:
1. Ich liebe Dich.
2. Du hast mich nie enttäuscht.
3. Ich weiß. Ich habe das auch durchgemacht. Ich war auch mal vierzig und hatte eine Mutter, die tot war und die ich noch gebraucht hätte.
Hier kommt meine Nachricht an die vierzigjährige Linda. Ganz gleich, was geschieht, Du warst immer mein kleiner Bobolink*, meine einzigartige Linda Gray. Das Leben ist nicht leicht. Es ist furchtbar einsam. Ich weiß das. Jetzt weißt auch Du es – wo immer Du bist, Linda, und gerade mit mir redest. Aber ich hatte ein gutes Leben – ich habe zuerst »unglücklich« geschrieben –, aber ich habe es bis zum Anschlag ausgekostet. Tu das auch, Linda, koste es bis zum Anschlag aus! Geh aufs Ganze. Ich liebe Dich, meine vierzigjährige Linda, und ich liebe, was Du tust, was Du im Leben für Dich entdeckst, was Du bist! – Sei eine selbstbestimmte Frau. Sei ein Teil von denen, die Du liebst. Rede mit meinen Gedichten und rede mit Deinem Herzen – ich bin in beiden, wenn Du mich brauchst. Ich habe gelogen, Linda. Ich habe meine Mutter sehr wohl geliebt, und sie hat mich geliebt. Sie hat mich nie in den Arm genommen, aber sie fehlt mir; darum muss ich so tun, als hätte ich sie nie geliebt – oder sie mich! Dumme Anne! So, da hast Du’s!
XOXOXO
Mom
* Eine amerikanische Vogelart.
ICH BIN DANNY DEVITOS MUTTER
Julia DeVito an Kirk Douglas
1973
Übersetzt von Markus Naegele
1973 – ganz am Anfang seiner langen und glanzvollen Schauspielerkarriere – erhielt Danny DeVito eine Rolle in Scalawag – Der Pirat der 7 Meere, ein heute nahezu vergessener Film, in dem der damals bereits berühmte Kirk Douglas Regie führte und auch die Hauptrolle spielte. Der Film erhielt, wenn überhaupt, äußerst lauwarme Kritiken. Doch immerhin eine Person – DeVitos Mutter Julia – war unendlich stolz auf den Film und schrieb Kirk Douglas einen begeisterten Brief, um ihm dafür zu danken, dass ihr Sohn darin mitspielen durfte. Jahre später sollte Julia selbst an der Seite ihres Sohnes in der erfolgreichen Sitcom Taxi zu sehen sein. Nachdem sie 1987 verstorben war, druckte Douglas ihren Brief im Jahr darauf in seiner Autobiografie ab. Und im Jahr 1991 verlas Danny DeVito ihn schließlich öffentlich bei den AFI-Awards, als er Kirk Douglas für sein Lebenswerk ehrte.
Sehr geehrte Herr und Frau Douglas,
ich bin Danny DeVitos Mutter, und ich möchte Ihnen beiden dafür danken, dass Sie meinem Sohn eine Rolle in Ihrem Film »Scallywag« gegeben haben. Unsere Familie hat den Film gemeinsam im Paramount in New York City gesehen, er war großartig. Einige meiner Freunde und Verwandten haben den Film in Florida gesehen und mich heute angerufen und gesagt, dass Danny darin toll war und ihnen seine Schauspielleistung gefallen hat. Das hat mich sehr stolz gemacht. Halb Asbury Park wartet nur darauf, dass der Film hier anläuft. Meine Tochter besitzt einen Schönheitssalon in Neptune, New Jersey, und hat darin ein Schild aufgehängt, auf dem steht: »Scallywag läuft demnächst auch hier.« Sie sehen also, die Werbetrommel wird gerührt.
Liebe Grüße an Ihren Sohn Michael, er hat ein Wochenende bei uns verbracht & wir lieben ihn & wir schauen donnerstags auch immer Die Straßen von San Francisco.
Ich möchte Ihnen noch einmal ganz herzlich danken, dass Sie meinem Sohn eine Rolle in Ihrem Film gegeben haben. Es ist toll, neben einem so großen Filmstar wie Ihnen spielen zu dürfen.
Mit herzlichen Grüßen
Mrs. Dan DeVito
LEUCHTE STETS UND STÄNDIG
Caitlin Moran an Lizzie Moran
Juli 2013
Übersetzt von Stephan Glietsch
Die englische Journalistin und Autorin Caitlin Moran wuchs als Älteste von sieben Geschwistern einer Arbeiterfamilie in Wolverhampton auf. Heute lebt und arbeitet sie in Brighton. Seit ihrer Teenagerzeit schreibt sie für ein breites Publikum und wurde bereits mit fünfzehn Jahren von der Zeitung The Observer als »Young Reporter of the Year« geehrt. Es war die erste von vielen Auszeichnungen, die sie seither für ihre Arbeit erhielt. Selbst zweifache Mutter, schrieb sie 2013 einer ihrer Töchter diesen Brief. Damals erklärte sie: »Meine Tochter wird bald dreizehn Jahre alt, und ich rauche in letzter Zeit viel. Deshalb habe ich – in den frühen Morgenstunden, wenn meine Lungen sich anfühlen, als ob eine kleine Maus daran kratzt, um herauszukommen – darüber nachgedacht, ihr einen dieser ›Jetzt, da ich tot bin, bleibt Dir dieser Brief von mir, den Du zurate ziehen kannst, um Dein nun mutterloses Leben fortzusetzen‹ Briefe zu schreiben. Hier ist mein erster Entwurf. Später peppe ich ihn vielleicht noch etwas auf. Nach einer weiteren Kippe.
Liebe Lizzie,
hallo, ich bin’s, Deine Mum … hör mal, es gibt da ein paar Dinge, die ich im Leben gelernt habe und die Du in den kommenden Jahren vielleicht hilfreich finden wirst. Es ist keine erschöpfende Liste, aber es ist ein guter Anfang. Dazu kriegst Du ’ne Menge Geld von meiner Lebensversicherung – also stürz Dich bei eBay wie wild auf diese gebrauchten Vintage-Kleider, auf die Du so stehst. Du hast immer wunderschön darin ausgesehen. Du hast immer wunderschön ausgesehen.