ESSEN AUS WACHS IST
SO PERFEKT, DASS ES ECHT SCHEINT –
ECHTES ESSEN EIN IMITAT?
IN TOKYO
WIE KANN MAN NUR WISSEN,
WAS MAN ESSEN SOLL?
Gewidmet dem Andenken an Jonathan Gold (1960–2018)
TIM ANDERSON
Fotografien: Nassima Rothacker
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© der deutschsprachigen Ausgabe 2020 by Südwest Verlag, einem Unternehmen der
Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München.
© der englischsprachigen Originalausgabe 2019 by Hardie
Grant Books, an Imprint of Hardie Grant Publishing
Copyright text Tim Anderson
Copyright photography Nassima Rothacker
Projektleitung: Eva M. Salzgeber
Übersetzung: Heinrich Degen, München
Gesamtproducing: trans texas
publishing services GmbH, Köln
Lektorat: trans texas publishing services GmbH, Köln
Buch & Cover Design: Evi O. Studio
ISBN 978-3-641-25440-7
V001
www.suedwest-verlag.de
EINLEITUNG
BITTE LESEN, BEVOR SIE LOSLEGEN
B2FDEPACHIKA
Ein Führer zu japanischen Zutaten
B1FTOKYO STREET
U-Bahn-Kioske, Convenience Shops und Verkaufsautomaten
1FTOKYO LOCAL
Spezialitäten der Stadt
2FTOKYO NATIONAL
Japanische Regionalküche in der Hauptstadt
3FTOKYO GLOBAL
Ausländisch beeinflusste Köstlichkeiten
4FAT HOME IN TOKYO
Wenig Platz, einfache Küche
5FTOKYO MODERN
Heutige Japanküche
Glossar
Register
Danksagung
Über den Autor
WIE HIER
IST ES SONST
NIRGENDWO
Haben Sie schon vom Paris-Syndrom gehört? Das Paris-Syndrom ist ein vorübergehender psychischer Zustand, der durch herbe Enttäuschung und einen Kulturschock auf den Champs-Élysées ausgelöst wird. Gemeint ist eine emotionale Ausnahmesituation von Menschen, die das erste Mal Paris besuchen und eine extreme Diskrepanz zu ihren Erwartungen feststellen. Schwere Formen des Paris-Syndroms können zu Angstzuständen, Herzrasen, Paranoia, Erbrechen und Halluzinationen führen. Todesfälle sind nicht bekannt, doch dieses verrückte Phänomen gibt es tatsächlich. Ich liebe Paris, kann aber verstehen, wie es dazu kommt. Wenn man ein glamouröses, romantisches Märchen im Stil von Moulin Rouge oder Ein Amerikaner in Paris erwartet und stattdessen schmutzige Straßen voller zynischer Touristenfallen und Billigläden vorfindet, muss das traumatisch sein.
KAUM VORSTELLBAR, DASS SO ETWAS IN TOKYO PASSIERT.
Ein vergleichbares „Tokyo-Syndrom“ gibt es nicht. Und wenn, wäre es vielleicht wie ein fantastischer Psychodrogentrip ohne Nebenwirkungen. Sollte es tatsächlich ein Tokyo-Syndrom geben, es wäre wahrscheinlich das exakte Gegenteil des Paris-Syndroms. Tokyo ist eine überwältigende und beeindruckende Stadt, gerade beim ersten Besuch nur schwer zu fassen. Sie waren schon in London oder New York – gewaltige und fantastische Städte – doch im Vergleich zu Tokyo erscheinen sie wie Provinzstädtchen. Tokyo ist nicht nur riesig, Tokyo ist auch irgendwie verrückt. Es gibt keine andere Stadt, die so schwindelerregend vertikal, so bunt, so schnell, so belebt und so voller unterschiedlicher Reize ist. (Vegas mag eine Ausnahme sein, ist aber für ein gutes Kochbuch kaum geeignet.)
Egal wie wundersam und verrückt Sie sich Tokyo vorstellen, Sie werden kaum enttäuscht werden. Im Gegenteil, Sie werden Tokyo als tolle Stadt mit fünf Sternen auszeichnen: Und es ist eine unglaubliche Stadt, die ihre fünf Sterne verdient.
UND DAS ESSEN ERST, MEIN GOTT, DAS ESSEN!
Viele Japaner und streitlustige Japanophile (ich gehöre nicht dazu) werden Ihnen erklären, dass Tokyo nicht das beste Essen Japans bietet. Vielleicht haben sie recht. Und selbst wenn – das Essen in Tokyo ist immerhin so gut, dass ich mir niemanden vorstellen kann, der dort enttäuscht wird. Das gilt auch für jene, die gar keine japanischen Speisen mögen, denn Tokyo hat mehr zu bieten: Das Angebot etwa an italienischer Pizza, koreanischem Barbecue, hawaiianischem Poke und österreichischem Gebäck gehört zum Besten der Welt.
Für eine Stadt mit einem Immigrantenanteil von unter 0,2 Prozent (kein Scherz!) ist Tokyo, was die Küche betrifft, eine bemerkenswert kosmopolitische Stadt. Ich werde das wohl nie richtig verstehen, vermute aber, das kommt daher, dass die Tokyoter in einer Kultur fortschrittsorientierter Innovation kombiniert mit einer Tradition des Handwerks und der Liebe zum Detail leben. Dieser Kombination verdanken wir einige der interessantesten und köstlichsten Speisen unserer Erde, seien es Ramen, Pizza oder Softeis.
In den meisten Städten erwartet man nicht, dass Convenience Shops, Minimärkte oder gar Verkaufsautomaten Speisen anbieten, die über minimale Ansprüche hinausgehen und sogar akzeptabel schmecken. In Tokyo merkt man schon bald, dass es anders sein kann. Verkaufsautomaten bieten neben vielen anderen Dingen Hunderte Varianten von kaltem und heißem Tee, wärmender Dashi, knusprig frittiertem Hähnchen, Highballs und erstaunlich leckeren heißen (im Winter angenehm wärmenden) Dosensuppen. Dann gibt es an jeder Ecke Kombini, die typischen Convenience Shops, die stets geöffnet haben und alles Nötige im Angebot haben – vom Regenschirm bis zu Sauerstoff in Dosenform (tatsächlich) oder gutem und preiswertem Mittagessen. Diese Kombini sind wahrscheinlich das, was ich außerhalb von Japan am meisten vermisse.
Man kann in Tokyo ganz problemlos und dabei erstaunlich gut an Kiosken der U-Bahnstationen und bei Fastfoodketten essen. Doch Tokyos kulinarische Einzigartigkeit beginnt sich zu entfalten, wenn man etwas tiefer geht. Folgen Sie Ihrer Nase, um süß-rauchige Yakitori, buttrige Gebäckteilchen, wohlige Currys oder Tonkotsu Ramen, eine umwerfend köstliche und wie flüssiges Gold schimmernde Brühe aus Schweinefleisch. Lernen Sie die vielen Bento-Varianten kennen, fein säuberlich in Lunchboxen verpackte Köstlichkeiten mit einem enormen Geschmacksspektrum. Und wenn Sie sich etwas gönnen wollen, wählen Sie eines der Edelrestaurants aus, die – egal ob Sushi, Pekingente oder französische Haute Cuisine – das Beste vom Besten servieren. Tokyo bietet alles.
Bei all den edlen Genüssen, den strahlenden Lichtern und hoch aufragenden Gebäuden vergisst man leicht, dass Tokyo einfach das Zuhause vieler Millionen Menschen ist. Für Besucher ist Tokyo ein Vergnügungspark, für seine Einwohner Alltagsroutine. Hier leben tatsächlich Menschen – teilweise in Vorstädten, teilweise mitten in der Stadt. Die Küche zu Hause ist ein Ort, wo man sich von Trubel und Glamour erholt, wo meist einfach und bodenständig gekocht wird, wenn auch beeinflusst durch das unvergleichliche Produktangebot und die sich stets wandelnden kosmopolitischen Trends. Wenn Sie in Tokyo leben, müssen Sie vielleicht mit einer winzigen Küche auskommen, haben aber Zugriff auf einige der aufregendsten Zutaten der Welt.
Dies ist ein Kochbuch, klar! Es kann aber auch als Reiseführer für einen Tokyotrip dienen. Einige Rezepte sind von dortigen Restaurants inspiriert, die einen Besuch lohnen. Andere Gerichte haben keine spezielle Quelle, doch ich gebe Hinweise, wo sie hervorragend zubereitet werden. Aber das sind nur persönliche Empfehlungen. Vor Ihrer Reise nach Tokyo sollten Sie sich unbedingt Ihre eigene Tour zusammenstellen! Informieren Sie sich auch über die Öffnungszeiten und Ruhetage, um nicht nach einem langen Weg durch die ganze Stadt vor verschlossenen Türen zu stehen. Das Glossar ist Ihnen hoffentlich eine nützliche Hilfe beim Kochen oder Reisen.
Ich war achtmal in Tokyo und habe mich nie gelangweilt: Die Stadt hat wirklich immer wieder etwas in petto, um mich zu überraschen und zu begeistern. Nur wenige Städte der Welt sind ähnlich dynamisch, aufregend und die Entdeckung lohnend, und ich kann mir nicht vorstellen, es irgendwann leid zu sein, hierher zu kommen.
Was machen Sie eigentlich nächste Woche?
ICH HAB’ ZEIT!
UND DIE FLÜGE SIND BILLIG!
LOS GEHT’S
EIN TYPISCHER TAG AUF EINEM TOKYO-TRIP
Start in den Tag auf einer Toilette, die mehr Hightech bietet als Ihr Auto Zum Frühstück klebrige, übelriechende fermentierte Sojabohnen (Natto) verschlingen Durch das Labyrinth der Station Shinjuku irren Entspannt durch die Gärten des Kaiserpalasts streifen Lunch in einem Roboter-/Dienstmagd-/Butler-/Eulen- oder Hello-Kitty-Café Eine Stunde durch die Läden von Akihabara ziehen (und mehrere Tausend Yen ausgeben) Touristen und Touristenmitbringsel in der Nakamise-Dori begaffen Überraschend schöne handgefertigte Essstäbchen und eine Flasche Ramune (Limonade) kaufen Mit einem „All you can drink“-Bierangebot in den Abend starten In eine Izakaya gehen und sich quer durchs Angebot futtern Shochu trinken Freunde finden Karaoke ausprobieren Zufällig in ein Bordell marschieren – schnell wieder raus Noch mehr Shochu Schinkensandwich aus dem Kombini Nochmals auf die Hightech-Toilette Bettruhe
BEVOR SIE
LOSLEGEN
BITTE LESEN
!
HINWEIS ZU DEN KAPITELN
Dieses Kochbuch ist nicht traditionell in Kapitel mit Frühstück, Mittag- und Abendessen gegliedert, sondern führt Sie durch die Ebenen der Gastronomie in Tokyo – vom Untergrund hinauf auf die Dächer der Hochhäuser. Wenn die japanische Küche Neuland für Sie ist, beginnen Sie mit den Grundzutaten im Depachika-Kapitel, die man unter anderem in den Lebensmittelabteilungen im Untergeschoss der Kaufhäuser findet. Dann bewegen wir uns auf Ebene B1F auf Straßenniveau, wo wir die Hits der Kioske an U-Bahnstationen, der Convenience Shops und Verkaufsautomaten kennenlernen. Kapitel 1F (erstes Obergeschoss) bietet traditionelle Gerichte aus Tokyo wie Ramen, Soba und Sushi. In 2F genießen wir japanische Regionalküche mit Gerichten unter anderem aus Hokkaido, Okinawa und Osaka. Die Küche Tokyos ist stark durch ausländische Einflüsse geprägt, und 3F widmet sich diesen köstlichen Adaptionen wie Poke, Pizza, Pasta und japonisiertem Brandteiggebäck. Viele Tokyoter leben in Apartments, weshalb Kapitel 4F die besten selbst zubereiteten Mahlzeiten wie Bento, Frühstück und Wok-Gerichte präsentiert – alles, was in einer (winzig) kleinen Küche machbar ist. Und schließlich erreichen wir 5F, die Rooftop Bar mit moderner Fusionküche und eleganten Cocktails zum Abschluss.
Wählen Sie ganz nach Belieben: Die meisten Gerichte sind eigenständige Mahlzeiten, manche sind aber etwas knapper bemessen, sodass man sie perfekt mit anderen Speisen, einer Schale Reis oder einer Miso-Suppe kombinieren kann. Sie können mit den einfacheren Rezepten aus dem Kapitel Tokyo Street beginnen oder mit At Home In Tokyo oder ganz am Ende – alles ist machbar.
HINWEISE ZU DEN REZEPTEN
Umrechnung der
Mengenangaben
1 Teelöffel = 5 ml
1 Esslöffel = 15 ml
1 Tasse = 250 ml
Verwenden Sie frische
Zutaten, speziell
frische Kräuter.
Falls nötig, die
Zutaten vor der
Verarbeitung waschen.
Verwenden Sie normales
Salz, außer es sind
Salzflocken angegeben.
Nehmen Sie die von Ihnen
bevorzugte Butter.
Alle Rezepte verwenden
japanischen Reis.
Wenn nicht anders
angegeben, verwenden
Sie mittelgroße Eier.
HINWEIS ZUM FRITTIEREN
Zum Frittieren einen sehr großen, tiefen Topf benutzen. Zwischen Öloberfläche und Topfrand sollten mindestens 10 cm Abstand sein, damit nichts überschäumt. Ein neutrales Öl wie Erdnuss-, Sonnenblumen- oder Rapsöl mit hohem Rauchpunkt verwenden. Die Öltemperatur mit einem Küchenthermometer (online oder im Küchenladen erhältlich) kontrollieren.
EIN FÜHRER ZU JAPANISCHEN ZUTATEN
Wenn Sie nur einen oder zwei Tage in Tokyo verbringen und die dortige Essenskultur möglichst effizient kennenlernen wollen, empfehle ich eines der vielen Depachika – Lebensmittelabteilungen im Untergeschoss von Kaufhäusern. Manchmal sind Depachika kaum mehr als sehr hübsche Supermärkte, doch meist sind es ausgedehnte Gewölbe, angefüllt mit Spezialitäten und Getränken. Das Angebot ist schier unglaublich und bietet u.a. herrliches Brot und feinste Pâtisserie, edlen Käse, frisch gerollte Sushi, Regalmeter voller Sake und Wein, alle Arten von Bento, ausgefallenste Gewürze, köstlichstes traditionelles Konfekt und natürlich die großartigsten Frisch-Produkte aus aller Welt; darunter die weltberühmten Melonen und Mangos, die als Geschenke für mehr als ¥10 000 pro Stück verkauft werden.
Ich verbringe oft Stunden im Depachika. Wenn ich nach Tokyo reise, nehme ich immer einen leeren Koffer mit, um mir für zu Hause einen Vorrat anzulegen. Schon nach wenigen Ausflügen in die Lebensmittelabteilungen Der Kaufhäuser ist der Koffer randvoll. Kleiner Hinweis: Oft gibt es Einfuhrbeschränkungen für das Heimatland, also vor dem Einkauf beim heimischen Zoll oder im Netz erkundigen. Depachika sind derart mit faszinierenden Produkten vollgestopft, dass sie Lebensmittelmuseen mit Animations- und Showprogramm gleichen. Aber sie sind perfekte Orte, um die enorme gastronomische Vielfalt Tokyos (und Japans) von Grund auf kennenzulernen.
SOJASAUCE
Sojasauce ist eine der Geschmacksvarianten, die am stärksten mit japanischen Speisen assoziiert wird. Und ich glaube, genau dieser Geschmack macht sie so beliebt. Salzig-malzig, wie Fleischextrakt, intensiv Umami und leicht würzig – diese Kombination mag man einfach, ohne sich groß daran gewöhnen zu müssen, und es ist einfach, damit zu kochen. In einem Depachika – oder jedem beliebigen japanischen Supermarkt – findet man Dutzende Varianten von dicker, konzentrierter Tamari bis zu leichter Shiro Shoyu auf Weizenbasis („weiße Sojasauce“) bis hin zu speziellen Saucen wie unpasteurisierter „roher“ Sojasauce oder aus Seetang oder Meerestieren gebraute besonders geschmacksintensive, Umami-geprägte Saucen, die an Fischsaucen erinnern. Sie sollten mit einer Koikuchi-Sojasauce einsteigen (was „reich“ bedeutet), die sich als Basis für verschiedenste Gerichte eignet. Wählen Sie eine gute Qualität, eine nur aus Weizen, Sojabohnen, Salz und Wasser hergestellte Sojasauce und unbedingt eine japanische – die chinesischen sind nicht schlecht, schmecken aber anders. Wer einen leichteren Geschmack möchte, kann eine „schwache“ Usukuchi-Sojasauce nehmen, die sich gut für Tofu und zum zurückhaltenden Würzen von Dashi und Brühe oder für zarten weißen Fisch eignet.
TSUKEMONO
Auch das eingelegte Gemüse, Tsukemono, wird einem beim Streifzug durch ein Depachika ins Auge – und in die Nase – stechen. Verschiedenste schmackhafte Pflanzen werden auf alle möglichen Arten konserviert; wie z. B. Daikon in Reiskleie, eine Mischung aus Wurzelgemüse in süß-saurem Sirup, würzige gesalzene Senfblätter, milchsaure Pflaumen oder scharfe Essiggurken. Häufig werden sie in ihrer Lake in großen Kisten oder Fässern präsentiert, und wäre da nicht der Geruch (er variiert von leichtem Essigaroma bis zu Ammoniak) könnte man an eine Art Bonbonladen für Gemüse denken mit intensiven Rosa-, Rot-, Grün- und Gelbtönen. Auberginen können sogar eine blaue Note haben. Geschmack und Textur des eingelegten Gemüses variieren so stark wie ihr Erscheinungsbild. Sie sind eine einfache Möglichkeit, einer Speise einen typisch japanischen Geschmack zu verleihen. Ein klassisches japanisches Abendessen besteht aus etwas eingelegtem Gemüse, dazu Schalen mit Miso-Suppe, Reis, gegartem Fisch oder Fleisch sowie frisch gegartem Gemüse.
MISO
Miso ist eine meiner Lieblingsgeschmacksnoten – eine Kombination aus salzig, süß, würzig und Umami, mit komplexen Aromen, die fruchtig und leicht wie Frischkäse oder kräftig und voll wie Aceto balsamico sein können. Miso ist ein kulinarisches Allzweckmittel, das allen möglichen Gerichten den Geschmack „nach mehr“ verleiht, nicht nur japanischen. Natürlich ist Miso eine entscheidende Zutat vieler traditioneller und moderner japanischer Gerichte und das spezielle, durch Fermentieren erzielte Aroma (charakteristisch für mit Koji-Schimmelpilz hergestellte Produkte) ist unverwechselbar japanisch. Beginnen Sie mit einem einfachen weißen und roten Miso, um sich mit den Aromen vertraut zu machen, erforschen Sie dann das ganze Miso-Universum und führen Sie Ihre Küche in neue Geschmacksdimensionen.
SAKE
Sake wird gewöhnlich als Reiswein bezeichnet, obwohl seine Herstellung eher dem Bierbrauen gleicht: Die Stärke von Getreidekörnern (hier Reis) wird in Zucker umgewandelt (durch den bewährten Koji-Pilz), dann gekocht, gekühlt, mit Hefe geimpft und zu Alkohol vergoren. Sake hat typischerweise einen Alkoholgehalt von 14 bis 16 Vol.-% und ist somit eher dem Wein zuzuordnen, statt hochprozentigen Getränken, wie viele meinen. Man trinkt ihn aus verschiedenen Gründen, vor allem wegen seines Umami-Gehalts. Tatsächlich vermerkt das Etikett den Aminosäurewert, der auf die Geschmacksintensität hinweist. Sake ist angenehm zu trinken und besonders gut zum Kochen geeignet. Selbst in kleinen Mengen kann er Gerichten eine intensive, dabei subtile Geschmackstiefe verleihen. Ich beschreibe Sake in der Küche manchmal als Sojasauce ohne Salz, was vielleicht seltsam klingt, doch er liefert den gleichen malzig, üppigen und leicht erdigen Geschmack und zugleich etwas Süße und Säure.
Es gibt viele, viele Sakesorten, doch fürs Kochen muss es nicht der teuerste sein; man möchte dafür einen netten, preiswerten Sake, der gerade eben trinkbar ist. Es gibt auch Ryorishu, Sake eigens zum Kochen, der typischerweise aus Alkoholdestillat mit fermentierter Reiswürze und anderen Zusätzen gemacht wird. Diese Sake-Sorte ist aber nicht zum Trinken geeignet. Bei Koch-Sake mit Salzzusatz aufpassen, denn das kann unter Umständen zu unvorhersehbaren Geschmacksergebnissen führen.
MIRIN
Mirin ist eine Art stark gesüßter Sake, der einen ähnlich malzigen Reisgeschmack mit extra Zucker und Viskosität bietet. Die Spitzenqualität wird als Hon Mirin (echter Mirin) bezeichnet und ohne Zusätze nur durch Brauen hergestellt. Hon Mirin kann ausgesprochen köstlich schmecken, vor allem, wenn er aus Naturreis (braunem Reis) gemacht ist, der für einen leicht nussigen, karamellartigen Geschmack sorgt. Für den Küchenalltag ist man mit der viel billigeren Würze im „Mirin-Stil“ gut bedient, die ebenfalls aus fermentiertem Reis gemacht wird, aber wenig oder keinen Alkohol hat und mit Aromastoffen und Sirup aufgepeppt wird. Diese Mirin-Würze schmeckt natürlich nicht so gut wie echter Mirin, genügt aber meistens, da sie hauptsächlich zum Süßen dient.
REISESSIG
Genau wie Sake und Mirin gibt es Reisessig in vielen Stilen und Qualitäten. Reisessig der Spitzenklasse wird nur aus gesäuertem fermentiertem Reis erzeugt. Er wird oft aus Vollkornreis hergestellt und gelagert, um einen sehr schmackhaften Essig zu erhalten. Die meisten Sorten werden teilweise oder ganz aus Branntweinessig und Koji-Reis-Aromen gemacht. Ehrlich gesagt, sind sie meist ganz in Ordnung, ohne die spitze Säure von destilliertem Essig oder von Reisessig aus anderen Ländern. Kaufen Sie ein japanisches Produkt und achten Sie darauf, dass manche billige Reisessige Salz enthalten.
DASHI UND TSUYU
Dashi ist eine Brühe, die durch Auskochen von Kombu (Seetang) und Katsuobushi (getrocknete, geräucherte Bonitoflocken) gemacht wird. Dashi liefert eine der zwei Basisgeschmacksnoten der japanischen Küche (die andere ist Koji). Dashi ist leicht, aber gehaltvoll und sättigend, rauchig und fischig-salzig, aber in einer subtilen Weise, die wunderbar mit anderen Aromen harmoniert. Dashi lässt sich leicht selbst herstellen, wird aber meist einfach aus Pulver oder Konzentrat gemacht. Dashi-Pulver ist ein erstaunlich gutes Produkt mit vollem, bemerkenswert „authentischem“ Geschmack, anders als das westliche Pendant, der Brühwürfel. Für die meisten gehört Dashi-Pulver zur Grundausstattung des häuslichen Vorratschranks, gut zum Ansetzen von Dashi, aber auch ein fantastisches Gewürz, wie ich von meiner Schwiegermutter gelernt habe. Eine Prise davon über gebratenen Reis oder eine Pastasauce gestreut, sorgt für einen wunderbar runden Geschmack, ähnlich wie Sardellen, aber ohne so viel Salz.
Ähnliche Convenienceprodukte sind flüssige Dashi, Dashi-Konzentrate oder Tsuyu, die in Flaschen erhältlich sind. Sie werden oft natürlich gebraut und schmecken mehr wie „echte“ Dashi. Tsuyu ist konzentrierte und mit Sojasauce, Sake, Mirin oder Zucker gewürzte Dashi, die sich als Dip eignet oder mit Wasser verdünnt für Brühe oder als Basis anderer Gerichte verwendet wird. Tsuyu ist wirklich köstlich, mit einem synergetischen Umami-Effekt aus der Kombination von Kombu, Katsuobushi und Sojasauce.
KOJI
Koji ist die japanische Bezeichnung für Aspergillus oryzae, ein Schimmelpilz, der zur Fermentierung und Verzuckerung von Getreide und Hülsenfrüchten bei der Herstellung von Sojasauce, Miso, Sake, Reisessig und vielen anderen japanischen Produkten genutzt wird. Bei der Fermentierung bewirkt er ein typisch erdiges Aroma, das neben Dashi als Basis des japanischen Geschmacks gilt. Wegen seiner Bedeutung für die traditionelle japanische Küche, wird Koji auch als „Nationalpilz“ Japans bezeichnet.
NUDELN
Nudeln gibt es in Japan als frische, tiefgekühlte, getrocknete oder Instantvariante. Manche wie Soba oder Somen, die getrocknet gut schmecken, werden kaum frisch verkauft, andere sind eindeutig frisch oder tiefgekühlt am besten. Besonders Ramen und Udon schmecken nur frisch, denn ihre Textur leidet beim Trocknen. Instantnudeln sind oft überraschend gut, denn das blitzartige Frittieren bei der Herstellung scheint ihre Struktur besser zu erhalten.
ZITRUSFRÜCHTE
Japan bietet einige der erstaunlichsten Früchte, die mir je begegnet sind, doch im Depachika zieht es mich direkt in die Zitrusabteilung. Manche wie Dekopon-Tangerinen oder Ponkan, ein Mandarinen-Pomelo-Hybrid, schmecken am besten roh, andere sind ideal zum Kochen. Yuzu mit einem unvergleichlichen Limetten-Zitronen-Aroma ist ein Klassiker, aber auch limettenartige Sorten wie Sudachi und Kabosu lohnen die Suche, und bereits ein kleines Stück davon kann eine Schale Suppe oder ein Sushi-Häppchen verfeinern.
FISCH
Sie möchten schmackhaftes Sashimi, haben aber wenig Geld? Kaufen Sie einfach Fisch in einem Depachika. Man kann dort Seafood in toller Qualität bekommen, akribisch pariert, zugeschnitten und verpackt, fertig zum Mitnehmen. Zu Hause muss man es nur noch aufschneiden und anrichten. Das ist auch nicht ganz billig, aber die ökonomischste Variante, rohen Fisch zu genießen.
PILZE
Pilze sind unheimlich wichtig in der japanischen Küche, speziell Shiitake, mit wunderbar fleischigem Geschmack und fleischiger Textur. Dann gibt es dünne Enoki, fedrige Maitsutake, saftige Eringi, niedliche Shimeji und seltene Arten, wie die für ihr würziges Holzaroma gepriesenen Matsutake, die pro Kilo bis zu ¥ 100 000 kosten. Japanische Pilze, generell eher geschmacksintensiv, schmecken pur gegrillt mit Meersalz, in Tempura ausgebacken oder in einem Eintopf. Aber sie machen sich auch gut in Wokgerichten, Suppen und Reisgerichten.
WURZELGEMÜSE
Die japanische Küche gilt als stark von Gemüse geprägt. Ich weiß nicht, ob sie diese Reputation verdient, speziell im Vergleich etwa zur indischen Küche, doch in der Tat kennt die japanische Kochtradition unzählige Möglichkeiten, um aus langweiligem Gemüse köstliche Gerichte zu zaubern. Wurzelgemüse wie Daikon, Steckrüben, Taro, Klettenwurzeln und Karotten tauchen in der japanischen Küche häufig auf. Ich vermute, weil sie wie ein Schwamm den Geschmack aufsaugen. Ein Stück Daikon, in feiner Dashi oder in süßer Sojasauce gekocht, absorbiert diesen Geschmack voll und ganz, um ihn beim Zerbeißen schlagartig am Gaumen wieder freizusetzen. Auch würzig eingelegt schmeckt Gemüse hervorragend.
MEERESALGEN
Das gebirgige Terrain Japans erschwert den Ackerbau, doch die Japaner nutzten schon immer das üppige Angebot an Meerespflanzen rund um die Inselgruppe. Kombu, Nori und Wakame sind die gängigsten in der japanischen Küche verarbeiteten Meeresalgen. Kombu (Kelp) ist getrockneter Seetang, den man für Dashi verwendet, er kann aber auch gekocht gegessen werden. Nori wird in Blattform zum Einwickeln von Sushi oder als grüne Flocken verkauft, die man als Gewürz und als schmackhafte Garnitur verwendet. Wakame ist vor allem als Einlage in Miso-Suppe und als Salat mit zarter Textur und typischem Eisengeschmack bekannt. Beginnen Sie mit diesen Sorten und schauen Sie dann, welche weiteren Algen Sie noch entdecken können.
NICHTJAPANISCHE ZUTATEN
Die japanische Küche hat bis heute so viele Zutaten aus der ganzen Welt adaptiert, dass es nur fair ist, einige davon in die typische japanische Speisekammer aufzunehmen. Depachika haben etwa immer eine gute Bäckerei, ein ansehnliches Sortiment an europäischem Käse, eine solide Auswahl an Kräutern und Gewürzen und natürlich eine Vielzahl wichtiger Zutaten aus den Nachbarländern Japans wie Chili-Bohnen-Paste aus Sichuan, Thai-Fischsauce oder koreanischen Kimchi. Für streng traditionell zubereitete japanische Gerichte braucht man sie nicht, doch nur wenige Menschen in Tokyo beschränken sich darauf, warum sollten wir es tun?
JAPANISCHER REIS
Meist ist eine japanische Mahlzeit ohne Reis keine japanische Mahlzeit. Und selbst bei einem kurzen Zwischenstopp in Tokyo wird man etwas Reis essen. Japanische Airlines servieren typischerweise Reis als Teil ihres Bordmenüs, und Onigiri-Reisbällchen sind einer der wenigen Snacks, die man selbst an den unterversorgten Terminals des Narita Airport bekommen kann. Man findet Reis auf jedem Niveau der japanischen Gastronomie, in Convenience Shops, Kantinen, Essbuden, Curryhäusern, Izakaya, heimischen Küchen und natürlich Sushi-Bars. Sogar Nudelläden bieten oft Reis als Beilage an, für den Fall, dass die Nudeln alleine nicht reichen. Das erscheint wie eine Beleidigung der Nudeln, doch sie sind und bleiben nur Anwärter auf den Thron des japanischen Kohlenhydrat-Kaisers.
Wenn Sie japanische Speisen zu Hause zubereiten wollen, werden Sie auch japanischen Reis kochen. Das ist nicht schwer, erfordert allerdings auch etwas mehr Aufwand, als ihn in einen Topf mit kochendem Wasser zu werfen. Japanischer Reis gart durch Absorption, das erfordert etwas mehr Präzision. Man braucht erstens einen Topf mit dicht schließendem Deckel und zweitens eine gut regulierbare Wärmequelle.
Ich messe den Reis immer nach Gewicht, das ist einfacher und präziser als nach Volumen. Man wiegt einfach alles und gibt es in den Kochtopf, anstatt mit Tassen und Ähnlichem zu hantieren. Das Gewichtsverhältnis Reis zu Wasser ist 1 zu 1,3 (das entspricht in etwa einem Volumenverhältnis von 1 zu 1,1). Hier ein Beispiel:
für 300 g Reis (4 Portionen) braucht man 390 ml Wasser
Kochen Sie nie weniger als 150 Gramm, denn kleinere Mengen sind problematisch – das Wasser verdunstet zu schnell und der Reis wird am Ende meist am Topfboden kleben.