Cover

Sarah Harvey

KAIZEN

Schritt für Schritt zu einem erfüllten Leben mit der japanischen Erfolgsformel 

Übersetzt aus dem Englischen von Christina Raftery

First published in 2019 by Bluebird an imprint of Pan Macmillan, a division of Macmillan Publishers International Limited.

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© Sarah Harvey 2019

© 2020 der deutschsprachigen Ausgabe by Irisiana Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Geviert, Grafik & Typografie

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-25588-6
V001

INHALT

Prolog: Kaizen und ich

Einführung

Beginnen

Gesundheit

Arbeit

Geld

Zuhause

Beziehungen

Gewohnheiten & Herausforderungen

Mögliche Hindernisse

Zusammenfassung

Über die Autorin

Danksagung, Endnoten & Bildnachweis

PROLOG

KAIZEN UND ICH

Im September 2017 entschied ich mich, meinen Verlagsjob in London zu kündigen und nach Japan zu ziehen. Obwohl ich meine Arbeit mochte und ein reges soziales Leben führte, verspürte ich Symptome von Lustlosigkeit und Burn-out. Die politische Situation wurde immer unsicherer, und überhaupt hatte ich zunehmend das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Ich ging zum Yoga und praktizierte Achtsamkeit, was mir aber auch nicht zu mehr Stabilität verhalf. So sehr ich auch versuchte, alte Gewohnheiten zu ändern, so schnell scheiterte ich an neuen Verhaltensmustern. Kurzum: Ich war erschöpft, uninspiriert und musste dringend aus meiner Routine ausbrechen.

Kurz nach meiner Ankunft in Japan bemerkte ich ein Phänomen: Selbst in der betriebsamsten, dicht bebautesten Gegend herrschte ein Gefühl der Ruhe. Zur Rush Hour war die U-Bahn in Tokio genauso bevölkert – wenn nicht sogar mehr – wie jene in London, aber es gab keine passiv-aggressive Drängelei um einen Platz. Zwar wurde man sardinenähnlich in die Wagen gepresst, aber es herrschte praktisch Stille. Auf der Straße herrschte eigentlich immer Stau, aber niemand hupte oder fuhr herum wie ein Verrückter. Eigentlich sah man nie gestresste Menschen, stattdessen dominierten ein Gefühl der Struktur und ein entschleunigtes Tempo. Meine neue japanische Heimat war teilweise größer und belebter, aber irgendwie weniger hektisch und dadurch offener, sauberer und entspannter als die Orte, an denen ich bisher gelebt hatte. Das motivierte mich, ebenfalls zu entspannen, meine Lebensweise anzupassen und neue kreative Herausforderungen anzunehmen. Mich auf eine neue Kultur einzulassen, öffnete mir die Augen für das, was sich in mein eigenes Londoner Leben eingeschlichen hatte, wo ich mit Autopilot unterwegs gewesen war und nicht besonders gut für mich selbst gesorgt hatte.

Nach sechs Monaten in Japan, in denen sich mein Verhalten deutlich verändert hatte, begann ich mich für die Details und kleinen Schritte zu begeistern, denen dort weitaus mehr Bedeutung beigemessen wird. Bei Straßenarbeiten sieht man riesige Teams, jedes Mitglied auf eine winzige Aufgabe fixiert, sei es das Abmessen, das Ausgraben oder das Umleiten der Passanten. Und statt dass die Arbeiten Wochen (oder Jahre!) dauern, ist die Straße meist nach ein paar Tagen wieder befahrbar. Im Japanisch-Kurs lernte ich, wie wichtig es ist, dass die Striche der Schrift in einer bestimmten Reihenfolge – dem Kakijun – ausgeführt werden, und dass die Kinder fast ihre gesamte Pflichtschulzeit dazu benötigen, alle 2136 Kanji Zeichen zu lernen. Kleine Details haben in der Kultur Japans große Bedeutung. Ich fing an, zu diesem Phänomen zu recherchieren und entdeckte auf diesem Weg die Philosophie und Praxis des Kaizen (Ky’zen).

Grob als »gute Veränderung« oder »Verbesserung« übersetzt, geht es bei Kaizen nicht um Veränderung um der Veränderung willen, sondern darum, bestimmte Ziele zu definieren – sowohl lang- als auch kurzfristige –, gefolgt von kleinen, machbaren Schritten auf dem Weg dorthin. Statt große, dramatische Umwälzungen empfiehlt die Methode, unsere Absichten stufenweise umzusetzen.

Kaizen nützt die aktuellen psychologischen Kenntnisse, warum es uns so schwerfällt, schlechte Angewohnheiten aufzugeben und wie wir an neuen Herausforderungen dranbleiben können. Es bietet eine klare Struktur, mit Änderungen umzugehen. Kaizen ist vor allem im Business-Bereich bekannt, bietet aber auch große Vorteile für die persönliche Entwicklung. Es hat das Potenzial, Ihr Selbstverständnis, Ihre Ziele und Ihre Umgebung nachhaltig zu verändern.

Die Beschäftigung mit Kaizen ließ mich über die lange Tradition nachdenken, uns in puncto ganzheitlicher Lebensführung von anderen Kulturen – besonders fernöstlicher – inspirieren zu lassen. Wir leben in sehr bewegten, unsicheren Zeiten und ich glaube, dass es kein Zufall ist, bei der Suche nach Alternativen über den nationalen Tellerrand zu blicken. Beispiele dafür sind Ideen aus Skandinavien – darunter das dänische Hygge und Lykke, das schwedische Lagom oder das finnische Sisu – sowie japanische Konzepte wie Ikigai, Wabi-Sabi, Kakeibo, Kintsugi, Shinrin-Yoku und Marie Kondos populäre Aufräum-Methoden.

Mein eigener Tapetenwechsel und die Erfahrungen, die er mit sich brachte, machten es mir leichter, bisherige Routinen abzulegen. Im Geist des Kaizen entwickelte ich neue, positive Gewohnheiten. Ich fing wieder an zu schreiben und jeden Morgen Yoga zu üben – etwas, das ich früher sehr mochte, aber hatte schleifen lassen. Manche Gewohnheiten änderten sich durch äußere Umstände (in Tokio ist es sehr schwer, anständigen Cheddar-Käse zu finden), aber vieles geschah auch durch mein eigenes Zutun. Weit weg von meinen bisherigen Verlockungen veränderte sich mein Blickwinkel auf frühere »Verfehlungen«, sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. Da ich nun freiberuflich arbeitete, wurde mir klar, welche Nachteile das Büroleben für mich hatte. Auf der anderen Seite musste ich an meiner Selbstdisziplin arbeiten und darauf achten, dass sich die Arbeit nicht zu weit in den Abend erstreckte (woran ich ehrlicherweise oft scheiterte).

Inzwischen bin ich wieder in London und übernehme kleine, aber grundlegende Änderungen, die ich mir in Japan angewöhnt habe. Ich beobachte bewusster, wie sich meine Handlungen auf meine körperliche und mentale Gesundheit auswirken, und achte besonders darauf, wie ich entschleunigen, Einladungen absagen und Social-Media-Aktivitäten reduzieren kann. Die japanische Gesellschaft ist weit weg davon, perfekt zu sein – was die Gleichberechtigung der Geschlechter betrifft, rangiert Japan laut einer 2017 durchgeführten Studie auf einem elenden 114. Platz unter 144 Ländern1: unter den sieben größten Wirtschaftsmächten der Welt abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Unter den Industrienationen gehört Japan zu den Spitzenreitern, was lange Arbeitszeiten betrifft, Überstunden sind Teil der Kultur2. Persönlich habe ich meine Zeit in Japan und die kulturellen Unterschiede jedoch dazu nutzen können, Gewohnheiten, die längst zu meiner zweiten Natur geworden waren, aus etwas größerer Distanz zu betrachten und anders mit ihnen umgehen zu können. Sie hat meinen Alltag entscheidend zum Besseren beeinflusst. Heute fühle ich mich weitaus kreativer, entspannter und konzentrierter.

Kaizen eignet sich für alle, die ihre Routine ändern wollen. Statt sich jedoch ins durchaus angsteinflößende »kalte Wasser« zu stürzen, geht es darum, einen Schritt zurück zu treten und Ihre aktuellen Gewohnheiten zu analysieren: Was können Sie in Ihrem Leben verbessern, welche Herausforderungen könnten Sie sich setzen und wie könnte ein Plan aussehen, um dies in kleinen Schritten zu verwirklichen? Es gibt zahllose Lebenshilfebücher, die Ihnen Strategien für ein glücklicheres Leben versprechen: Ratgeber für Fastenprogramme, die »Eat Clean«-Fraktion, die uns mehr Kokosöl ans Herz legt, sowie rigide Fitnesspläne, durchexerziert von Ex-Soldaten mit Sixpacks und furchteinflößender Brustmuskulatur. Die meisten Menschen empfinden solche Programme als zu extrem und ihre vollen Terminkalender erschweren es ihnen ohnehin, dran zu bleiben. Auch nach Rücksprache mit einigen Psychologen, die sich auf den Umgang mit Gewohnheiten spezialisiert haben, kann ich zusammenfassen: Der Schlüssel zu nachhaltigen Veränderungen ist ein Prozess der kleinen Schritte.

Mein eigenes Leben ist dabei keinesfalls makellos. Ich besitze keine charmante Villa am Seeufer, und es gibt Tage, an denen ich feststelle, bislang nur beigefarbenes Essen zu mir genommen zu haben. Allerdings bin ich mir meines Verhaltens und meiner Abläufe auf jeden Fall bewusster geworden und bleibe dran, die Bereiche in meinem Leben, die mich nicht erfüllen, langsam zu ändern. Ich kümmere mich besser um mich selbst, bin aufgeschlossener, Neues zu lernen und zu erreichen. Wenn ich es also kann, können Sie es auch – meine Freunde und Familie würden das bestätigen. Um in den folgenden Kapiteln zu beschreiben, welchen riesigen Effekt auch kleinste Veränderungen haben können, habe ich darüber hinaus mit Kaizen-Praktizierenden, Psychologen und inspirierenden Menschen aus meinem Bekanntenkreis gesprochen.

Zugegeben: Nicht viele Menschen haben den Luxus, sich für Änderungen in ihrem Leben auf einen anderen Kontinent begeben zu können. Liebend gerne würde ich Ihnen jedoch mein Buch als »Reisepass« ans Herz legen – für einen spannenden Weg der kleinen Schritte, hin zu neuen Abenteuern.

Sarah