BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar: www.dnb.de
2020
Alle Rechte vorbehalten
© by Athesia Buch GmbH, Bozen
Redaktion: J. Christian Rainer
Umschlagfoto: © Yingko – stock.adobe.com
Design & Layout: Athesia-Tappeiner Verlag
Druck: Cierre Grafica, Caselle di Sommacampagna
ISBN 978-88-6839-478-3
www.athesia-tappeiner.com
buchverlag@athesia.it
Gesundheit, liebe Leserinnen und Leser, ist kein Optional, auf das man gegebenenfalls auch verzichten kann. Und sie ist erst recht keine Selbstverständlichkeit. Als Arzt weiß ich das nur zu gut, ich werde Tag für Tag daran erinnert, was passiert, wenn jemand plötzlich krank wird, wenn ihm das Lebensglück, die Lebensfreude und oft auch die Lebensgrundlage entzogen werden. Ich weiß, wie es ist, wenn der persönliche Aktionsradius auf ein Minimum begrenzt wird, wenn Einschränkungen, Schmerzen, Unsicherheit und vor allem Angst unseren Alltag beherrschen. Schon allein diese Erfahrung hat mich gelehrt, dass unsere Gesundheit das wertvollste Geschenk ist, das uns gemacht wurde und den Glücklichen unter uns jeden Tag aufs Neue erhalten bleibt. Deshalb ist es unsere Pflicht, auf dieses Geschenk achtzugeben, es liegt (auch) in unserer Verantwortung, darauf aufzupassen, es zu hegen und zu pflegen.
Sicher: Auch wenn wir noch so gesund leben, Risiken meiden und alles dafür tun, unseren Körper und unseren Geist gesund zu halten, ist das immer noch keine Garantie dafür, dass wir gesund, fit und lange leben. Wir erhöhen aber die Chance darauf. Und zwar signifikant. Deshalb gehört zur Verantwortung für unsere Gesundheit auch die Pflicht, uns für einen Lebensstil zu entscheiden, der unsere Gesundheit fördert, anstatt ihr zu schaden, der unseren Körper stärkt, anstatt ihn zu schwächen, der unseren Geist fit erhält, anstatt ihn mehr und mehr abstumpfen zu lassen.
Stellt sich natürlich die Frage: Wie sieht ein solcher Lebensstil aus? Was muss ich tun, was muss ich lassen, und worauf muss ich verzichten? Bei der Antwort auf diese Fragen verlasse ich mich als Mediziner nicht auf Volks- und Binsenweisheiten, sondern auf die Wissenschaft. Ich verlasse mich auf Daten und Fakten, auf Erkenntnisse, die mit wissenschaftlichen, nachvollziehbaren und wiederholbaren Methoden gewonnen worden sind. Und mein Glück ist: Kaum ein wissenschaftliches Feld ist dermaßen intensiv beackert worden (und wird immer noch so intensiv beackert) wie das medizinische. Auch daran ersehen wir, welchen Stellenwert die Gesundheit in unserer Gesellschaft hat.
Seit jeher versucht der Mensch zu verstehen, wie er Krankheiten bestmöglich heilen kann. Und seit jeher versucht er auch zu verstehen, wie er Krankheiten vorbeugen kann. Das allein schon hat zu einem enormen Haufen an Wissen über unseren Körper und die Prozesse darin geführt. Auf diesem enormen Haufen an Wissen stehen wir heute, und darauf baut auch dieses Buch auf. Es baut auf dem Wissen auf, das wir schon seit Jahrzehnten über die heilende, vor allem aber präventive Wirkung von körperlicher Aktivität, von Bewegung und Sport haben. Es baut auf dem Wissen auf, das wir über die heilende und präventive Wirkung einer ausgewogenen, maßvollen Ernährung haben. Zu diesen beiden Säulen von Therapie und Prävention gibt es unzählige wissenschaftliche Bücher, Artikel und Studien, es gibt eine immense Datenlage, die wir uns zunutze machen, und auch die Empirie zeigt uns den Zusammenhang zwischen Bewegung, Ernährung und Gesundheit Tag für Tag deutlich auf.
Relativ neu ist dagegen die wissenschaftlich fundierte Erkenntnis, dass nicht nur Bewegung und Ernährung unstrittig positive Wirkungen auf unsere Gesundheit zeitigen, sondern auch längere Essenspausen, also ein mehr oder minder ausgedehntes Fasten. Dieser Erkenntnis – und zweifelsohne auch der gewichtsreduzierenden Wirkung des
Fastens – verdankt das Intervallfasten oder intermittierende Fasten seine Popularität. Es ist so etwas wie die Light-Version des Heilfastens, es ist überaus einfach zu verstehen und noch einfacher in der Handhabung, es braucht kaum Vorwissen und schon gar keine Vorbereitung. Auch deshalb sind die Erfolge in der Praxis beeindruckend, und auch deshalb ist das Thema wert, näher betrachtet zu werden.
Wenn wir demnach davon ausgehen, dass wir eine Verantwortung unserem Körper und unserer Gesundheit gegenüber haben (und davon bin ich, wie ich eingangs schon geschildert habe, überzeugt), dann ist es unsere Pflicht, uns die wissenschaftlichen Erkenntnisse zunutze zu machen, und zwar so breit wie möglich. Dieses Buch konzentriert sich daher nicht auf das Intervallfasten und schon gar nicht auf die Gewichtsreduktion durch Intervallfasten, die ein – zugegeben überaus erfreulicher – Nebeneffekt ist. Vielmehr konzentriert es sich auf die Vermittlung eines gesunden Lebensstils, der alle Erkenntnisse aus Therapie und Prävention zusammenfasst, eines gesunden Lebensstils also, der die Vorteile von ausreichend Bewegung und ausgewogener Ernährung mit jenen des intermittierenden Fastens verbindet.
Wenn Sie sich nun fragen, wie das gehen soll, dann halten Sie das richtige Buch in den Händen. Auf den folgenden Seiten zeige ich Ihnen, wie dieser gesunde Lebensstil aussieht, was Sie in der Praxis tun können und sollen, worauf Sie verzichten sollten, was Ihnen gut- und was Ihnen weniger guttut. Ich zeige Ihnen auch, welche Prozesse im Körper Sie durch Ihren Lebensstil anstoßen – im positiven wie im negativen Sinne. Eines muss ich Ihnen allerdings auch schon vorneweg sagen: Allein vom Lesen werden Sie nicht gesund. Und Sie bleiben es auch nicht. Dennoch öffnet Wissen über medizinische Zusammenhänge und gesundheitliche Auswirkungen bestimmter Handlungsweisen die Tür zu einem gesunderen, fitteren, genussvolleren und wohl auch längeren Leben.
Diese Tür öffnet dieses Buch, den Schritt hindurch zu machen, ist aber eine Entscheidung, die jeder selbst für sich treffen muss: überlegt, informiert, eingehend alle Vor- und Nachteile abwägend, dann aber konsequent.
Meine Hoffnung ist: Wir sehen uns auf der anderen Seite!
Christian Thuile
Europa ist ein Kontinent der Dicken. Dass dies kein Vorurteil ist, sondern Realität, zeigt ein Blick auf die Daten: Mehr als jeder zweite erwachsene Europäer gilt mittlerweile als übergewichtig, fast jeder sechste gar als fettleibig. Selbst Kinder neigen immer öfter zu Übergewicht. Grundsätzlich ist dies, so kurios es auch klingen mag, eine gute Nachricht. Übergewicht ist schließlich ein sicht- und spürbares Zeichen von Wohlstand und Überfluss. Je höher also der Anteil der Übergewichtigen in einer Gesellschaft, desto höher ist tendenziell auch deren Lebensstandard. Die Ursache für diesen Zusammenhang liegt in der menschlichen Evolution. Über fast 100.000 Jahre Menschheitsgeschichte hat sich unser Körper zu einer bis ins letzte Detail ausgeklügelten Maschine zur effizienten Verwaltung des Mangels entwickelt. Weil üppige Mahlzeiten, weil ein Sich-satt-Essen für unsere Urahnen die Ausnahme waren, hat unser Körper Wege und Möglichkeiten der Lagerhaltung entwickelt. Wann immer wir also mehr Kalorien zu uns nehmen, als wir verbrauchen, werden die überschüssigen Kalorien in Fett umgewandelt, das in mageren Zeiten verbrannt werden kann. Wie gesagt: Ein ausgeklügelter Mechanismus, der dem Menschen in Zeiten des Darbens hilft, über die Runden zu kommen, der sich aber gegen uns richtet, wenn magere Zeiten dauerhaft ausbleiben. Dann legt der Körper Vorräte an, die er nie verwertet.
Übergewicht vs. Fettleibigkeit
Stimmt das Verhältnis von Körpergewicht und Körpergröße nicht zusammen, sagen wir gemeinhin, ein Mensch sei mager oder dick. In der Medizin spricht man bei „dicken“ Menschen von Übergewicht oder Präadipositas, das noch zur Fettleibigkeit (Adipositas) gesteigert werden kann. Während Übergewicht ein aus medizinischer Sicht nicht wünschenswerter Zustand ist, ist die Fettleibigkeit eine chronische Krankheit. Die Lebensqualität fettleibiger Menschen ist stark eingeschränkt, das Risiko für eine Reihe von Krankheiten steigt signifikant, und auch sozial ist Fettleibigkeit aufgrund der Stigmatisierung der Betroffenen ein enormes Problem.
Eine dicke Fettschicht ist also nichts anderes als eine gut gefüllte Vorratskammer, die wir mit uns herumschleppen. Das Problem ist: Wir betreten die Vorratskammer nie, weil ständig Nahrung im Überfluss vorhanden ist und wir diesen Überfluss – auch evolutionär bedingt – nutzen wollen. Unsere Genetik ist nach wie vor auf Mangel gepolt, sodass uns unser Reptilienhirn suggeriert, so viele Vorräte wie nur irgendwie möglich einzulagern. Man weiß ja nie … Das Ergebnis dieser evolutionären Prägung ist, dass in Zeiten des dauerhaften Überflusses unsere körperliche Vorratskammer wächst und wächst und irgendwann aus allen Nähten platzt. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Sosehr also Übergewicht und sogar Fettleibigkeit evolutionstechnisch nicht nur erklärbar, sondern eine gute Nachricht sind, sosehr sträuben sich uns Medizinern angesichts des wachsenden Bauchumfangs unserer Gesellschaft die Nackenhaare. Aus medizinisch-gesundheitlicher Sicht ist ein in der Gesellschaft immer weiter um sich greifendes Übergewicht schließlich eine Hiobsbotschaft. Eine dicke Fettschicht erschwert das Leben nicht nur (auch das im wahrsten Sinne des Wortes), sie verkürzt es auch. Unser Wohlstandsbauch ist nichts anderes als ein Killer.
Lange Jahre glaubte man, ein bisschen Speck auf den Rippen sei durchaus gesund. Schließlich habe der Körper etwas, wovon er in Extremsituationen zehren könne. Heute kann man diese verharmlosende Sicht von Übergewicht, vor allem aber von Fettleibigkeit getrost auf den Müllhaufen der Medizingeschichte werfen, denn neuere Studien deuten alle eindeutig in dieselbe Richtung: Übergewicht schadet. Und wie. Wenn wir beim Bild des Killers bleiben wollen: Der Strafauszug unseres Übeltäters namens Übergewicht ist ellenlang, weshalb wir uns nur die wichtigsten Verbrechen herauspicken.
Bin ich zu dick?
Die Frage, ob ich zu dick bin, kann ich im Grunde nur selbst beantworten, ist sie doch eine sehr subjektive. Trotzdem gibt es Versuche, Übergewicht objektiv zu messen.
Klar ist: Weder der BMI noch das THV oder der Bauchumfang sind das Amen im Gebet. Weist jemand etwa viel Muskelmasse auf, steigen die Maße an, von Übergewicht kann aber keine Rede sein. Auch werden Faktoren wie etwa das Alter völlig außer Acht gelassen. Trotzdem sind alle drei Maße Indikatoren, die uns helfen, das eigene Gewicht einigermaßen richtig einzuordnen.
Die medizinische Argumentation, gegen Übergewicht und Fettleibigkeit anzukämpfen, ist ohne jeden Zweifel stichhaltig. Wer seine Chance auf ein langes, möglichst gesundes Leben erhöhen oder doch zumindest erhalten möchte, sollte auf seine Linie achten. Und zwar mit Argusaugen. Zugleich ist mir klar, dass es in den allermeisten Fällen sehr schwer ist, jemanden mit gesundheitlichen Argumenten zu einer Diät, zu einer grundlegenden, tiefgreifenden, mitunter schmerzhaften Änderung seines Lebensstils zu bewegen. Sehr viel überzeugender wirkt für viele der Blick in den Spiegel. Wer einmal anfängt, seinem nackten Spiegelbild den Rücken zuzukehren, hat das Problem zumindest erkannt. Für einmal ist unser ästhetisches Empfinden also im Einklang mit dem medizinischen Soll: Schlanke Menschen sind nicht nur das gängige Schönheitsideal, sie sind auch tendenziell gesünder, sie werden älter und bleiben fitter.
Schönheit
Schönheit mag im Auge des Betrachters liegen, trotzdem gibt es erstaunliche Übereinstimmungen, wenn man Versuchspersonen fragt, wen sie als schön empfinden und wen weniger. Bei der Beurteilung des Körperbaus hängt dabei viel vom Verhältnis zwischen Taille und Hüfte ab. So hat man bei einer Versuchsreihe an der Universität von Texas herausgefunden, dass Männer als besonders schön gelten, wenn das Verhältnis von Taille zu Hüfte 0,9 beträgt, bei Frauen sollte das Ergebnis 0,7 sein – das Marilyn-Monroe-Maß. Aus ärztlicher Sicht beeindruckend ist, dass diese Schönheitswerte fast punktgenau mit den medizinischen übereinstimmen, gilt doch ein Verhältnis zwischen 0,67 und 0,8 bei Frauen und zwischen 0,85 und 0,95 bei Männern als gesund. Evolutionär betrachtet ergibt die Übereinstimmung zwischen „gesund“ und „schön“ durchaus Sinn: Schließlich steigt die Chance, unser Erbgut erfolgreich weiterzugeben, mit der Gesundheit seiner Träger. Schönheit mag also wirklich im Auge des Betrachters liegen. Dieses Auge ist aber jenes der Evolution.
Warum tun sich viele Menschen aber dennoch so schwer, sich für eine Diät zu motivieren? Warum scheitern Jahr für Jahr Millionen Menschen daran, eine einmal begonnene Diät durchzuziehen? Ist es wirklich nicht genug zu wissen, dass uns eine erfolgreiche Diät schöner, gesünder und bis ins Alter fitter macht? Nein, ganz offensichtlich nicht. Diäten basieren schließlich stets auf zwei Prinzipien, die uns schon beim Lesen einen Schauer über den Rücken jagen: Disziplin und Verzicht. Es gibt keine Du-darfst-alles-Diät, es gibt keine Wen-kümmert’s-Diät. Egal, ob Trennkost, Friss-die-Hälfte, Formuladiät oder „low carb“, egal, ob No-sugar, Paläodiät, Intervallfasten oder Weight Watchers: Alle Diäten setzen auf die Entscheidung, bestimmte Nahrungsmittelgruppen gegenüber anderen zu bevorzugen, auf manche ganz zu verzichten und in jedem Fall maßvoll zu essen und zu trinken. Sich also im Griff zu haben.
Vor Beginn einer Diät muss man sich demnach im Klaren darüber sein, dass der größte Feind bei der Umsetzung nicht das Knurren im Magen ist, sondern die Stimme im Kopf. Jene Stimme, mit der wir uns selbst fragen, warum wir uns das alles antun, warum wir uns quälen müssen, warum wir nicht einfach so leben können, wie es uns am besten gefällt. Diese Stimme gilt es, zum Verstummen zu bringen, und zwar nachhaltig. Und wie geht das?
Wie auch immer Sie sich motivieren: Es lohnt sich! Die Vorteile einer Diät wiegen die Anstrengungen des Verzichts mehr als nur auf. Menschen, die ihren Lebensstil erfolgreich umstellen, gehen aus dieser Umstellung gesünder hervor, sie gehen daraus attraktiver und fitter hervor und daher ausgeglichener, selbstbewusster, gefestigter und – warum nicht? – auch glücklicher. Deshalb ist die im Titel gestellte Frage, warum wir uns überhaupt mit einer Diät quälen sollten, grundsätzlich die falsche. Die Frage müsste eigentlich lauten: Warum quälen wir uns und unseren Körper, indem wir keine Diät machen?
„Krankenkost, medizinisch begründete Ernährung zur Therapie oder Vorbeugung von Erkrankungen“