DONALD TRUMP
DIE WAHRE GESCHICHTE SEINER PRÄSIDENTSCHAFT
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1. Auflage 2020
© 2020 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
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Die englische Originalausgabe erschien 2019 bei Center Street unter dem Titel
Inside Trump’s White House.
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Übersetzung: Petra Pyka
Redaktion: Daniel Bussenius
Korrektorat: Anja Hilgarth
Umschlaggestaltung: Marc-Torben-Fischer
Umschlagabbildung: Nicholas Kamm/Getty Images
Satz: Helmut Schaffer
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
eBook: ePubMATIC.com
ISBN Print 978-3-95972-280-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-517-0
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-518-7
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Für Amelia und Elisa
Einleitung: Trump triumphiert
Die Überwindung der Schwerkraft
Eine offizielle Geschichte
Die rätselhafte Rolle Jared Kushners
Ein Präsident, der etwas bewegt
»Vielleicht gehe ich ja als außenpolitischer Präsident in die Geschichte ein«
Keine Zeit für Mar-a-Lago
Melania kommt über Weihnachten zurück
1. Kapitel: Kein Atomkrieg, solange ich Präsident bin
Der Auftrag
Der Vizepräsident platzt herein
Mittagessen mit dem Präsidenten
Das schlimmste Reizwort für Kim
2. Kapitel: Lunch mit dem Präsidenten
Der Gipfel in Singapur, wie Trump ihn erlebte
Melania Trump verfolgte CNN
Der Friedensnobelpreis
Die Geschichte führt Buch
Vergessen Sie die Briefe nicht
Der Gipfel von Saigon
3. Kapitel: Ivankas Büro im West Wing
Ivanka richtet sich ein
Die Geschichte des Präsidenten
Die Magie ehrgeiziger Pläne
Mit mulmigen Gefühlen auf der Rolltreppe
Es galt, eine Rolle zu spielen
Die Macherin
4. Kapitel: Donald Trump Jr. und das Geflüster im Aufzug
Väterlicher Rat
Der Moment der Entscheidung
Der Milliardär der Arbeiterklasse
Trump wird nie nominiert werden
Hinter den Kulissen bei den Debatten der Republikaner
Krieg mit dem Republican National Committee
5. Kapitel: Eric Trump und die Fahrt zum Trump Tower
Eric Trump über die Gründe für die Kandidatur seines Vaters
Was ist ein Caucus?
Die Entscheidung für Mike Pence – die wahre Geschichte
Kein Mitstreiter weit und breit
Sieg oder Niederlage? Welcher Geschichte glaubten Sie?
Eine Umfrageverschwörung?
Wenn die Wähler lügen
Der Präsident hat keine Ahnung
6. Kapitel: Lara Trump: »Ich weinte die ganze Strecke«
Die Kellnerin aus Wilmington
Wie lässt sich North Carolina gewinnen?
Der Frauenbus
Die Oktoberüberraschung
Woran sich Jared Kushner erinnert
Euphorie im Bus
7. Kapitel: Im Nebel der Wahlnacht
Der große Coup in Wisconsin
Wir können das hier gewinnen
Vorbereitungen für das Eingeständnis der Niederlage
Wer sagte Trump, er habe verloren?
Wir geben jetzt nicht auf
Brads eigene Daten
8. Kapitel: Der größte Über raschungs erfolg in der amerikanischen Geschichte
Eine Party in der Trump’schen Küche
Als Trump North Carolina holte
Trump zerreißt seine Rede
»Worauf warten wir? Auf geht’s!«
Im Peninsula Hotel gehen die Lichter aus
9. Kapitel: Der Umzug ins Weiße Haus
Entdeckungsreise im Blair House
Zum ersten Mal im Weißen Haus
Einen Cheeseburger für Eric
High Heels und ihre Nachteile
Der Albtraum ist vorbei
10. Kapitel: Die Schlammschlacht in den Medien
Selbst schuld?
Keine Schonzeit für Trump
Woher der Widerstand seinen Namen hat
Tumulte in Portland
Von der Straßengang zur Bewegung
Für viele eine herbe Enttäuschung
11. Kapitel: Russisches Roulette
Die Ursprünge der russischen Verschwörungstheorie
John McCain wehrt sich
Die Rechnung von James Comey
Donald Trump nennt das Verrat
12. Kapitel: Ein Sonntagabend zu Hause bei Jared und Ivanka
Die Politik ist ein seltsames Geschäft
Wie Jared und Ivanka an ihre Büros im West Wing kamen
Die unerwarteten Vorteile der russischen Hexenjagd
Wenn es unmöglich ist, überlasst es Jared
Die Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem
Kriege und Kriegsgerüchte
Lunch im King David Hotel
13. Kapitel: Der beste Präsident für den Arbeitsmarkt, den Gott je erschaffen hat
Donald Trumps Versprechen
Eric Trump weiß, warum
Stephanie Grishams großer Auftritt
Mick Mulvaney, der Mann mit den zwei Jobs
Wie das Trump-Team die Wende schaffte
Was Jared Kushner über den Arbeitsmarkt zu sagen hat
Mehr darüber, wie Absprachen mit den Russen die Wirtschaft retteten
Donald Trumps »großes, schönes Weihnachtsgeschenk«
Tägliche Handelsinformationen für den Präsidenten
Trumps heimliche Wirtschaftsmanöver
Der Außenseiter-Präsident
14. Kapitel: Die IS-Horrorstory
Die Obama-Doktrin
Donald Trumps Triumph
Die Strategie gegen den IS
Was Trump anders machte
Keine leichten Entscheidungen
15. Kapitel: Amerikas schändliches Geheimnis
Die Verhaftung Andrew Brunsons
Trump schaltet sich ein
Ein Hilfeersuchen an Netanjahu
Trumps Knock-out-Schlag
Freiheit für die Geisel
Tic Tacs im Roosevelt Room
Kein Lösegeld
16. Kapitel: Der außenpolitische Präsident
Donald Trumps erfolgreiche Außenpolitik
Premierminister Shinzo Abe von Japan
Präsident Xi und die Magie von Mar-a-Lago
Angela Merkel: »Größte Staatschefin der Welt«?
»Macron trat mit großen Hoffnungen an«
Boris Johnson und der schlafende Riese
Der Aufstieg von Matteo Salvini in Italien
Der Krieg, der noch nicht eingetreten ist
17. Kapitel: Die Neuauflage der Monroe-Doktrin
Trump und Mexiko
Ein besserer Deal für alle drei Länder
Das Immigrationsproblem
18. Kapitel: Keine Absprachen, keine Behinderung
James Comey muss gehen
Michael Flynn: Opfer eines politischen Krieges
Die Rache des FBI
CNN schlägt zurück
Die Erwartungen der Demokraten
Der Mueller-Bericht kommt, der große Knall bleibt aus
Als Trump das erfuhr
Die »Keep It Great«-Kundgebung in Orlando
19. Kapitel: Gott und der Supreme Court
Trumps geheime Wählerquelle
Beten mit Paula
Umzug in den Trump Tower
Gott und das Geld
Die Kandidatur
»Paula, Sie beten!«
»Und wen wollen Sie im Supreme Court haben?«
20. Kapitel: Tiffanys Sicht der Dinge
Die kalifornische Trump
Von einem Tag auf den anderen im Licht der Öffentlichkeit
Das Vermächtnis der Familie Trump
Tiffany im Weißen Haus
Zum Buckingham Palace, bitte
21. Kapitel: Melanias Revanche
Was für eine First Lady?
Melania und die ablehnende Haltung der Medien
Melania und Donald – eine Liebesgeschichte
Die Afrikareise
Unter Druck die Fassung bewahren
22. Kapitel: Sie dürfen ihn als groß bezeichnen
Trumps Wirtschaft im Licht der Geschichte
Der Präsident des Friedens
Die Neuerfindung der Politik und der Kommunikation
Der bessere Politiker
Ein Maßstab für die Intelligenz eines Präsidenten
Das Impeachment-Spiel
Seine schärfsten Kritiker
Die Kunst des Unmöglichen
Dank: Donald Trump am Apparat
Über den Autor
Endnoten
»Manche dieser Bücher sind kaum zu ertragen – sie sind voller unwahrer Geschichten.«
Präsident Trump zum Autor bei einer Besprechung im Oval Office1
Es war am 23. Dezember 2018. Viele Mitarbeiter des Weißen Hauses hatten sich bereits in den Weihnachtsurlaub verabschiedet. Das Anwesen wirkte beinahe verlassen – verglichen mit den meisten anderen Abenden jedenfalls. Draußen strahlten Scheinwerfer das Gebäude an und leuchteten das Gelände aus. Drinnen war die üppige Weihnachtsbeleuchtung großenteils bereits abgeschaltet. Nur die Sicherheitsleute und etwas Servicepersonal hatten noch Dienst. Manche Mitarbeiter hatten sich ihre Schichten so gelegt, dass sie möglichst bald zu ihren Familien nach Hause konnten.
Präsident Donald Trump hielt sich noch in den Staatsgemächern des Weißen Hauses auf. Gerade nahm er den Weg zwischen den zahlreichen Weihnachtsbäumen hindurch – ganz allein. Personal war natürlich immer in der Nähe, doch die Mitarbeiter hielten sich möglichst unsichtbar im Hintergrund. Manche benutzten sogar kleine Taschenlampen, um sich unauffällig zu bewegen. Wenn der Präsident an ihnen vorbeikam, lächelte er und erkundigte sich freundlich nach der Familie. Er war auf dem Weg in den Blue Room. Dort stand der Hauptbaum des Weißen Hauses im Dunklen, und der Präsident blickte aus der Düsternis in die glitzernde Nacht hinaus. Gleich links ragte das Washington Monument in Flutlicht getaucht über der Stadt auf.2 Im Vordergrund strahlte der National Christmas Tree so hell, dass die leuchtende Marmorkuppel des Jefferson Memorial dahinter kaum zu erkennen war.
Donald Trump hatte gerade die Hälfte seiner ersten Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten hinter sich. Doch an jenem Abend war er nur ein einsamer Mann, allein im dunklen Blue Room des Weißen Hauses, in dessen Fenstern sich die fernen Marmormonumente anderer großer Männer spiegelten.
Er hatte einen spektakulären Aufstieg hinter sich. 2016 war Trump von den Republikanern als Präsidentschaftskandidat nominiert worden – der einhelligen Meinung der Politikexperten zum Trotz. Monate später hatte er die Experten erneut eines Besseren belehrt und die Wahl gewonnen. Noch am Wahltag hatte ihm die New York Times eine Gewinnchance von 9 Prozent ausgerechnet.3 Hollywood, akademische Kreise, die Wall Street und die nationalen Medien waren gegen ihn gewesen. Sämtliche Altpräsidenten, ob Republikaner oder Demokraten, hatten gegen ihn gestimmt. 240 Zeitungen hatten seine Gegnerin, Hillary Clinton, unterstützt, 19 ihn.4 Die Milliardäre hatten im Verhältnis 20 zu 1 gegen ihn gestimmt.5 Dennoch hatte er die Wahl mit einem Erdrutschsieg für sich entschieden.
Im Wahlkampf hatte er versprochen, er werde »für den Arbeitsmarkt der beste Präsident, den Gott je erschaffen hat«. Doch die Ökonomen in aller Welt begegneten ihm mit Verachtung und spotteten über seine Wirtschaftsprognosen. Mathematisch unmöglich seien sie, hieß es.6
Noch kurz vor der Wahl erklärte die Washington Post, wenn er gewönne, würde er »die Weltwirtschaft ruinieren«.7
Am Tag nach seiner Wahl sagte Paul Krugman von der New York Times »auf unabsehbare Zeit eine weltweite Rezession« voraus.8
Larry Summers, ehemaliger Finanzminister und leitender Wirtschaftsberater von Clinton und Obama, verwarf Trumps Haushaltsplan als »lachhaft«. Er könnte funktionieren, wenn man an »Zahnfeen« glaube, meinte Summers, der auch schon Präsident der Harvard University gewesen war.9
»Nein, Schweine können nicht fliegen«, erklärte Chefökonom Robert Brusca von FAO Economics. »Donald Trump ist ein Träumer.«10
Doch am Ende des Jahres waren Donald Trumps Träume für Amerika wahr geworden. Seine Wirtschaft hatte mühelos der Schwerkraft getrotzt. Im zweiten Quartal 2018 hatte das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts bereits über 4,1 Prozent gelegen.11 Die Löhne stiegen, die Arbeitslosenquote war gering.
CNN hatte versichert: »Ein Wahlsieg Trumps würde die Aktien auf Talfahrt schicken.«12 Stattdessen knackte die New Yorker Börse in seinen beiden ersten Amtsjahren 96-mal neue Rekordmarken. Noch immer hieß es, es stünde eine Rezession bevor und das spektakuläre Wachstum der beiden Vorjahre sei nunmehr vorbei. Wieder falsch: Der Boom sollte noch weit ins Jahr 2019 hinein anhalten. Natürlich würde früher oder später eine Marktkorrektur einsetzen, doch während die Weltwirtschaft stagnierte, verzeichnete Trumps Amerika weiterhin dynamisches Wachstum. Am Ende seines ersten Präsidentschaftsjahrs hatte Donald Trump zwei der wichtigsten Themen aus dem Präsidentschaftswahlkampf 2016 bravourös abgearbeitet: Er hatte Arbeitsplätze geschaffen und das Terror-Kalifat des Islamischen Staates im Irak und in Syrien (IS) zerschlagen.13
Am Ende seines zweiten Amtsjahrs war die Liste seiner Leistungen noch viel länger geworden. Festgehalten hat sie Paul Bedard in einem Artikel im Washington Examiner mit dem Titel: »Trump’s list: 289 accomplishments in just 20 months, ›Relentless‹ Promise-Keeping«.14
Seine Kritiker hatten mit Donald Trumps unerwartetem Wahlsieg nicht gerechnet. Sie hatten ihm nicht geglaubt, als er einen baldigen Konjunkturaufschwung versprochen hatte. Sie leugneten die Niederlage des IS, der sein 90.000 Quadratkilometer großes Territorium eingebüßt hatte. Sie behaupteten, der IS sei nicht vollständig vernichtet, deshalb sei auch der Krieg nicht gewonnen. Genauso gut könnte man sagen, die Alliierten hätten den Zweiten Weltkrieg nicht wirklich gewonnen, weil es noch immer Nazis auf der Welt gibt.
2014, also lange bevor Trump zur Präsidentenwahl antrat, noch als Unternehmer, hatte er bereits ein Lieblingszitat des deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer getwittert: »Das Talent gleicht dem Schützen, der ein Ziel trifft, welches die übrigen nicht erreichen können; das Genie dem, der eins trifft, bis zu welchem sie nicht einmal zu sehen vermögen.«15
Barack Obama und Hillary Clinton hatten sich im Wahlkampf beide über Trump lustig gemacht. »Wo will er diese Jobs denn hernehmen?«, wollte Obama wissen. »Hat er einen Zauberstab?«16 Clinton hatte über seinen »geheimen« Plan gespottet, den IS zu vernichten. »Das Geheimnis ist: Er hat keinen Plan.«17
Was die Wirtschafts- und Außenpolitikexperten, die Obamas und Clintons und die Medien nicht sehen konnten, hatte Donald Trump klar erkannt und offen ausgesprochen. Wie Schopenhauers Genie war Donald Trump bei der Regierungsarbeit neue Wege gegangen – mit unbestreitbaren Ergebnissen.
Als Donald Trump erstmals zum Präsidenten gewählt worden war, erklärte Robert F. Kennedy Jr., der schillernde Geschäftsmann habe eine Chance, ein großer Präsident zu werden, weil er »anders denkt«.18 Es waren Trumps bilderstürmerische, mitunter unerhörte Methoden, die es ihm ermöglichten, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Dadurch konnte die vergessene amerikanische Mittelschicht wieder auf die Füße kommen und ihre Träume leben. Und es waren Trumps Fähigkeiten als Querdenker, die den schwer greifbaren IS letztlich unter Kontrolle brachten.
Die Ironie dabei: Je hysterischer und krampfhafter Präsident Donald Trump und seine Familie angegangen werden, desto tiefer werden sie in den Marmor der Geschichte gemeißelt werden. Künftige Autoren werden sich nicht beeindrucken lassen von Lügenmärchen, die ihn als russischen Spion hinstellten. Oder von den nationalen Medien, die abgeschmackte Falschmeldungen über die First Lady in die Welt setzten. Oder von populären Late-Night-Comedians, die ihr Fernsehpublikum aufforderten, pornografische Bilder über die Familie Trump zu verbreiten.19
Es waren hämische, geschmacklose, persönliche Angriffe auf die Familie Trump, zu denen Führungskräfte aus Wirtschaft und Medien angestachelt hatten und die durch von ihnen ausgewählte Personen des öffentlichen Lebens propagiert wurden. Mit etwas zeitlichem Abstand würden sie die meisten vernunftbegabten Beobachter mit Abscheu erfüllen. Die Geschichte entsteht aus Fakten, nicht aus den kruden Emotionen, die im Fernsehen hohe Einschaltquoten brachten. Doch die Leidenschaft, mit der Donald Trump herabgewürdigt und letztlich entmachtet werden sollte – entgegen dem Willen des Volkes, das ihn zum Präsidenten gewählt hatte –, bewirkte nur, dass seine Stunden und Tage im Weißen Haus umso denkwürdiger werden.
Die Anwürfe sorgten für Dramatik und stellten sicher, dass die eigentlichen Leistungen nicht vergessen würden. Die Lügen würden von den Mühlen der Geschichte früher oder später zu Staub zermahlen. Unterdessen würde das Getuschel darüber für Schriftsteller, Künstler und Stückeschreiber unwiderstehlich sein, und so würden sie am Ende der Faszination und dem Mysterium dieser reichen, mächtigen Familie noch Vorschub leisten.
Im Januar 2019 begann ich mit der Arbeit an der autorisierten Geschichte der Trump-Präsidentschaft. Daran schlossen sich über Monate geführte Gespräche mit dem Präsidenten selbst, seiner Familie und leitenden Mitgliedern seiner Regierung an. Dass dies eine beispiellose, faszinierende Reise in eine der schillerndsten Präsidentschaften der amerikanischen Geschichte werden würde, damit hatte ich damals voll und ganz gerechnet. Doch was wirklich auf mich zukam, traf mich dennoch vollkommen unvorbereitet.
Das dritte Amtsjahr, in dem ich meine Arbeit aufnahm, sollte sich als eines der ereignisreichsten in der Geschichte unseres Landes entpuppen. Dem Präsidentenamt selbst und auch unserer Demokratie stand eine Bewährungsprobe bevor. Und ich sollte dabei sein, ganz nah dran, und alles mitbekommen. Meine Aufgabe war, die Leser mit mir auf die Reise zu nehmen – ins Weiße Haus und in die Familie Trump. Sie sollten hören und sehen, was ich erlebte. Es war die Chance, diese maßgeblichen historischen Ereignisse aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, aus dem Auge des Sturms heraus – hinaus in den wilden Wirbelwind.
Gut möglich, dass in hundert Jahren – wenn es uns alle nicht mehr gibt, und auch die meisten unserer Enkel nicht – noch immer Bücher und Theaterstücke über die Trumps geschrieben werden. Ob sie dann so grausam dargestellt werden wie die Borgias und die Medicis oder so großartig gefeiert werden wie die Rockefellers und die Kennedys, wird davon abhängen, was heute geschrieben wird – und von den Primärquellen, die ihre Geschichten erzählen. Meine Absicht lautete, wahrhaftig und fair zu schreiben.
Im Laufe der Wochen verschlang ich viele der kenntnisreichen und kontroversen Bücher, die bereits auf dem Markt waren. Die meisten stützten sich auf Aussagen aus zweiter Hand – gewöhnlich anonym. Vor Gericht würde das als Hörensagen gewertet. Selbst die wenigen Darstellungen, in denen persönliche Begegnungen mit Trump enthalten waren, wurden von diesem und anderen Beteiligten oft entschieden zurückgewiesen. Immer wieder hörte ich von den genannten Quellen und Zeugen solcher Geschichten: »Das ist nie passiert.«
Den Präsidenten frustrierte das Ganze sichtlich. »Da darf einer in der Air Force One mitfliegen«, erzählte er mir, »und dann schreibt er ein Buch darüber. Diese Woche hat mich ein Reporter angerufen und nach meinem ›engen Mitarbeiter‹ gefragt, der das Weiße Haus verlassen habe, um ein Buch zu schreiben. ›Sie wissen schon – Ihr enger Mitarbeiter?‹, hieß es. Als er mir den Namen nannte, wusste ich gar nicht, von wem er sprach. Wäre das wirklich ein enger Mitarbeiter gewesen, hätte ich doch wohl seinen Namen kennen müssen.«
Dagegen war beim Präsidenten, seinem Stab und seiner Familie Erleichterung zu spüren, dass sich jemand der mühevollen Aufgabe widmen würde, die Geschichte korrekt zu rekonstruieren – Stein um Stein. Sie waren bereit für jemanden, der die Worte festhalten würde, die sie selbst offiziell von sich geben und anschließend nicht dementieren müssten.
»Ich bin wirklich froh, dass Sie das machen«, unterbrach sich Präsidentensohn Eric Trump mitten in einem unserer Gespräche selbst. »Da draußen kursieren so viele Bücher, die alles falsch darstellen.«20
»Ich kann Ihnen 2000 Geschichten erzählen«, erklärte mir Präsidententochter Ivanka Trump.21
»Und ich möchte sie alle hören«, entgegnete ich.
»Wollen Sie wissen, wie das wirklich ablief, als sich mein Vater für Mike Pence entschied?«, meinte Eric Trump herausfordernd bei einer Gelegenheit. »Es gibt ein Buch darüber, doch die Fakten stimmen alle nicht.«
»Erzählen Sie’s mir«, lachte ich.
Jeden Tag schickten mir Mitarbeiter des Weißen Hauses Namen und Telefonnummern von Kontaktpersonen. Viele der Namen hatte ich noch nie gehört. »Sie müssen unbedingt mit Dan Scavino sprechen, er ist jeden Tag mit dem Präsidenten zusammen. Und mit Keith Schiller, seit vielen Jahren sein Leibwächter und Freund.«22
Ivanka ging es vor allem um solche Menschen, die enorm viel geleistet hatten, dafür aber kaum gewürdigt worden waren. Sehr früh schon arrangierte sie für mich ein Gespräch mit Brad Parscale, der bei Trumps Überraschungssieg 2016 ein entscheidender Akteur gewesen war und nun Trumps Kampagne für 2020 leitet.
Als ich meine ersten Recherchen anstellte, stand hinter vielen der Geschichten, denen ich auf der Spur war, eine Art grauer Eminenz: Jared Kushner, der brillante Ehemann von Präsidententochter Ivanka – Donald Trumps Schwiegersohn. Die meisten wichtigen Ereignisse in Trumps ersten beiden Amtsjahren trugen eindeutig seine Handschrift.
Es waren augenscheinlich unmögliche Projekte, die Jared persönlich auf Geheiß des Präsidenten zunächst im Stillen anstieß. Zu Anfang der Regierungszeit Trumps waren manche Mitglieder seines Stabs irritiert und befürchteten, Kushner könnte ihnen ihre hart umkämpften Hoheitsgebiete streitig machen. Doch nicht einer führte offiziell Beschwerde. Warum auch? Jareds Projekte würden sowieso im Sande verlaufen. Jeder Einwand würde Kushner nur mehr Glaubwürdigkeit verschaffen.
Mit der Zeit, als die unmöglichen Projekte unerwartete Früchte trugen, wurde Jared Kushner im Weißen Haus zur Legende. Er war sozusagen die Feuerwehr des Präsidenten und wurde immer dann hinzugerufen, wenn es bei einem Projekt brannte. Selbst die jungen Leute in meinem Rechercheteam sahen ihn bald als Heldenfigur und kommentierten oft: »Das klingt mal wieder ganz nach Jared Kushner.«
Letztlich wurde aber klar: Das Geheimnis hinter Jared und Ivanka Kushner war in Wirklichkeit der Präsident. Er war die graue Eminenz, die hinter seinem Schwiegersohn und seiner Tochter stand – nicht umgekehrt. So arbeitete Donald Trump: Er umging seine eigene Bürokratie auf dem kurzen Dienstweg, um Dinge in seinem gedrängten Zeitplan zu erledigen.
Mehrere Monate lang stand tatsächlich infrage, ob ich auch Zugang zu Kushner erhalten sollte. Er war in allen bisherigen Büchern eine markante Hintergrundfigur, wurde aber nie als Quelle angeführt. Sämtliche Geschichten stammten aus zweiter oder dritter Hand. Würde er mir zur Verfügung stehen?
Schließlich wurde diese Tür dann nach und nach für mich geöffnet – und damit eine reiche Quelle unschätzbarer Insiderinformationen, ganz wie ich es erwartet hatte. Zunächst wollte mich Jared Kushner unsere Gespräche nicht aufzeichnen lassen, sodass ich auf hingekritzelte Notizen angewiesen war. Dabei waren seine Geschichten die allerwichtigsten. Er erzählte sie auf dem Sofa in seinem Haus in Georgetown, während das Kaminfeuer knisterte, oder in seinem Büro, das zwischen dem Oval Office und der Suite des Stabschefs im erlesenen Südkorridor des West Wing lag. Und wirklich jede Geschichte war es wert, geduldig darauf zu warten. Mein junges Team war höchst beeindruckt. »Sie dürfen jetzt wirklich mit Spiderman sprechen?«
Wie sich herausstellte, war Jareds größter Fan seine achtjährige Tochter Arabella. Offensichtlich verfolgte sie an ihrem Computer die Nachrichten und beurteilte nach ihren eigenen Maßstäben, was dabei herauskam. Einmal kam er spätabends aus dem Weißen Haus zurück, wo er dafür gesorgt hatte, dass ein Gesetz zur Strafrechtsreform verabschiedet wurde. Arabella begrüßte ihn an der Tür und fragte dann demonstrativ ihren Computer: »Siri, wie viele Unschuldige hat Jared Kushner heute aus dem Gefängnis befreit?«
Die künstliche Intelligenz hatte die aktuellen Fakten noch nicht parat und konnte die Frage nicht beantworten. Da verkündete Arabella an ihrer Stelle: »Bis gestern hatte mein Vater in seinem ganzen Leben erst zwei Menschen geholfen, aus dem Gefängnis frei zu kommen. Heute sind es 10.000. Hmmm. Kein schlechter Tag, Daddy.«23
Bill Shine, der stellvertretende Stabschef des Weißen Hauses, und Sarah Huckabee Sanders, die Pressesprecherin des Weißen Hauses, spielten eine zentrale Rolle bei allem, was ich tat. Ohne ihre Fingerzeige hätte ich dieses Buch nie schreiben können. Es kam darauf an, die richtigen Fakten zu beschaffen, und dafür waren erst Bill und Sarah entscheidend, und nach Bills Ausscheiden Sarah allein. Als sie schließlich ebenfalls ging, übernahm Stephanie Grisham, neue Kommunikationschefin und Pressesprecherin des Weißen Hauses, mit ihrem herausragenden Team.
In den letzten turbulenten Monaten der Fertigstellung dieses Buches war es die Autorität des Stabschefs im Weißen Haus – Mick Mulvaney –, die mir wirklich jede Türe öffnete und das Unmögliche möglich machte.
Was ich dabei besonders ironisch fand: Die wahren Geschichten, so berichtet, wie sie sich wirklich zugetragen hatten, in Anwesenheit der richtigen Personen, die Dinge erzählten, an die sich auch alle anderen erinnerten, waren in aller Regel viel spannender als die populären Erfindungen der Buchindustrie und PR-Fachleute. Die unbekannten Geschichten, die noch keiner erzählt hatte, waren oft die faszinierendsten.
Als ich mich schließlich zu Präsident Donald Trump persönlich setzte und mein Aufnahmegerät einschaltete, war er der sechste US-Präsident, den ich interviewte. Und im Lauf der Monate wurde er der fünfte US-Präsident, den ich besser kennenlernte. Es war mein bescheidenes Privileg, zwei US-Präsidenten als Berater zu dienen, mit einem anderen als Co-Autor ein Buch zu schreiben und einer der wenigen lebenden Autoren zu sein, die über alle 44 US-Präsidenten geschrieben haben.
Donald J. Trump ist vielleicht der einflussreichste Präsident in der modernen amerikanischen Geschichte.
Das ist das Fazit meiner Rekapitulation seiner ersten beiden Amtsjahre.
Andere Präsidenten wie Gerald Ford, Jimmy Carter und Ronald Reagan strebten verzweifelt nach energiewirtschaftlicher Unabhängigkeit. Donald Trump hat sie erreicht.
Manche Präsidenten betrachteten junge Drogenkonsumenten, die nicht gewalttätig waren, als Bedrohung der Gesellschaft und änderten Gesetze, um sie hinter Gitter zu bringen. Donald Trump gab ihnen Arbeitsplätze.
1964 hatte Präsident Lyndon Baines Johnson »der Armut und der Arbeitslosigkeit in diesen Vereinigten Staaten den totalen Krieg« erklärt.24 Johnson gab den Armen staatlich geförderten Wohnraum, Lebensmittelmarken und Sozialhilfe, deren Höhe sich nach der Zahl der Kinder in einer Familie richtete. Unter Donald Trump fiel die Arbeitslosigkeit auf das niedrigste Niveau, das in der amerikanischen Geschichte jemals verzeichnet wurde. Dadurch konnten 6 Millionen Amerikaner künftig ohne Lebensmittelmarken auskommen.
Andere Präsidenten, demokratische ebenso wie republikanische, sahen zu, wie Klientelkapitalismus das Land korrumpierte. Finanziert wurde dieser Prozess allem Anschein nach von den Armen und von den Alten, die feste Einkünfte bezogen. Die Altersvorsorge litt darunter. Doch in den ersten beiden Jahren unter Donald Trumps Regierung explodierte die freie Marktwirtschaft. Viele ältere Mitbürger erlebten in Donald Trumps ersten beiden Amtsjahren, dass ihre Ruhestandsgelder höhere Renditen abwarfen als in den 16 Jahren unter seinen beiden Amtsvorgängern Bush und Obama.25
Die Mittelschicht, die in den Jahren unter Bush und Obama erlebt hatte, wie der Wert ihrer Eigenheime vernichtet wurde, spürte wieder Aufwind.26
Andere Präsidenten vermieden es, die Steuern zu reformieren. Selbst Ronald Reagan brauchte dafür fünf Jahre. Donald Trump erledigte das bereits im ersten Amtsjahr.
Andere Präsidenten stolperten über die Nominierung von Kandidaten für den Supreme Court. Die Liberalen erwarteten inzwischen, dass ein demokratischer Präsident Richter nach ihrem Geschmack nominieren würde – und darüber hinaus den einen oder anderen liberalen Richter als Geschenk von einem republikanischen Präsidenten. Die liberale Sozial- und Kulturagenda, unterstützt durch die nationalen Medien, betrachtete sich in ihrer Einstellung als den Wählern voraus und war auf ein Justizsystem angewiesen, das tat, was die Wähler verweigerten.
Donald J. Trump war anders. Er war gewählt worden mithilfe von Konservativen, Libertären und demokratischen Wählern aus der Arbeiterschicht und hielt sein Versprechen: Er nominierte einen konservativen Kandidaten, Neil Gorsuch, für den Supreme Court, und Brett Kavanaugh, einen weiteren Konservativen, sobald er eine weitere Gelegenheit dazu hatte. Die amerikanischen Linken waren außer sich. Demonstranten, teils bezahlt vom linksorientierten Milliardär George Soros, schimpften laut in den Korridoren des Kongresses und störten Senatsanhörungen.27 Es wurde erbittert gestritten, und alle erwarteten, dass Trump nachgeben und seine Nominierung zurückziehen würde, wie es vielleicht andere republikanische Präsidenten vor ihm getan hätten.
Doch Trump ließ sich nie erschüttern. Brett Kavanaugh wurde ordnungsgemäß bestätigt. Am Ende seines ersten Amtsjahrs hatte Donald Trump viermal so viele Berufungsrichter ernannt wie Barack Obama und mehr als jeder andere Präsident in der amerikanischen Geschichte.28
Ganz gleich über welches Thema wir gerade sprachen, Donald Trump schweifte bald davon ab und nahm die eine oder andere kritische außenpolitische Frage auf. Er missbilligte zutiefst, wenn Amerikaner bei unnötigem »nation building« ihr Leben und ihr Geld aufs Spiel setzten. Einmal, als wir eigentlich gerade historische Hintergründe erörterten, ertappte er sich selbst dabei und dachte dann plötzlich laut: »Vielleicht gehe ich ja als außenpolitischer Präsident in die Geschichte ein.«
Am 20. August 2012 hatte Präsident Barack Obama seine rote Linie gezogen und seinen Feinden warnend signalisiert: bis hierher und nicht weiter.30 Dem syrischen Diktator Bashar al-Assad wurde erklärt, dass er nicht folgenlos Sarin gegen seine Landsleute einsetzen konnte. Als er nur wenige Monate später genau das tat und Hunderte Kinder tötete und verletzte, schwieg Obama.
Der neu gewählte Präsident Donald J. Trump stand demselben Gegner gegenüber. Als dieser dieselbe Grenze überschritt, ließ er 59 Raketen auf Syrien herabregnen.31
Die Welt war gewarnt.
Schon viele Präsidentschaftskandidaten, darunter George H. W. Bush, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama, hatten versprochen, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Einmal im Amt, war davon keine Rede mehr. Donald Trump ließ Taten folgen.
Als Trump Amerika warnte, dass unvorteilhafte Handelsabkommen unsere Wirtschaft lähmten und amerikanische Arbeitsplätze kosteten, schlugen ihm sofort Empörung und Opposition entgegen. Namhafte Medienleute und die Sprecher akademischer Denkfabriken unkten, mit dem Ausstieg aus dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA (North American Free Trade Agreement) habe er unsere Beziehungen zu unseren nächsten Nachbarn und wichtigsten Handelspartnern Kanada und Mexiko für alle Zeit zerrüttet. So ein Bruch in den Beziehungen, gaben die Kritiker zu bedenken, wäre nie zu heilen.
Trump focht die Hysterie nicht an. Er betraute seinen Schwiegersohn Jared Kushner mit der Aufgabe, ein neues, besseres Abkommen zu konzipieren. Ganz, als würde er einen gebrochenen und schief zusammengewachsenen Knochen erneut brechen und richten. Dieser Prozess war für alle Beteiligten und Beobachter schmerzhaft, aber notwendig. Und vermutlich hätte kein anderer Präsident in der neueren Geschichte den Mut dazu gehabt. Mexikos Außenminister bezeichnete das Abkommen als besser für alle drei Länder.32
Als Trump die NATO-Mitglieder aufforderte, ihre Zusagen einzuhalten und ihren kleinen, symbolischen Beitrag zu ihrer eigenen Verteidigung zu leisten, erntete er erneut Vorwürfe: Er zerstöre eines unserer ältesten Bündnisse und gefährde die freie Welt.
»Überlegen Sie mal«, sagte er mit skeptischem Ton in einem unserer Interviews, »wir geben Milliarden Dollar für Raketen aus und stellen sie so reichen Ländern zur Verfügung. Wir verschenken sie einfach – und zwar an manche der reichsten Länder der Welt.«
Seit Trump Präsident ist, zeigen die NATO-Länder, die besonders ungeniert gegen ihre eigene Vereinbarung verstießen, nach und nach mehr Disziplin. Trumps Vorstoß spülte den Vereinigten Staaten über 40 Milliarden US-Dollar in die Kasse, die sie sonst nie erhalten hätten. Die NATO-Länder wendeten 100 Milliarden US-Dollar mehr für ihre Verteidigung auf. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete das Bündnis als stärker denn je.33
Frühere Präsidenten hatten für Amerika im Geheimen über die Freilassung von Geiseln verhandelt. Es war peinlich für Amerika, gegenüber internationalen Terroristen oder kriegerischen Nationen solche Schwäche zu zeigen. Manchmal hielten sogar Verbündete wie die Türkei Amerikaner als Geiseln. Allein während der Monate, in denen ich Zugang zur Regierung Trump hatte, holte Donald Trump 21 amerikanische Geiseln aus aller Welt nach Hause zurück.34 Die nationalen Medien ignorierten diese Geschichten mehrheitlich. Ich konnte ein paar der geretteten Geiseln für dieses Buch interviewen.
Es lässt sich sagen, dass es elf amerikanischen Präsidenten nicht gelungen ist, mit Nordkorea Frieden zu schließen oder das Land davon abzuhalten, fortgesetzt bedrohliche Atomwaffen zu entwickeln. Donald Trump traf am 12. Juni 2018 in Singapur mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un zusammen und unterzeichnete ein Abkommen zur Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Und erstmals seit dem Ende des Koreakriegs im Jahr 1953 konnten die sterblichen Überreste amerikanischer Soldaten in die Vereinigten Staaten heimgeholt werden.
Vor Donald Trump hatten vier amerikanische Präsidenten, die das Land über 28 Jahre seiner Geschichte regierten, einem der größten Vermögenstransfers in der Weltgeschichte nicht nur tatenlos zugesehen, sondern ihn sogar noch begünstigt. Es handelte sich dabei um Vermögen von Amerikanern, hauptsächlich Angehörigen der Mittelschicht, das Jahr um Jahr, Dollar für Dollar abfloss – in ein Land, das nach Ansicht mancher die Vereinigten Staaten als größte Wirtschaftsmacht der Erde in Kürze ablösen könnte: die Volksrepublik China.
2017 war Donald Trumps erstes vollständiges Jahr im Weißen Haus. Damals importierten die Vereinigten Staaten pro Jahr chinesische Waren im Wert von 505 Milliarden US-Dollar.35 Einer Schätzung zufolge hatte China Amerika geistiges Eigentum im Wert von 600 Milliarden US-Dollar gestohlen. Schon seit Jahren floss eine Menge Geld aus den Vereinigten Staaten ab. Vollzogen hatte sich dieser gewaltige Vermögenstransfer und intellektuelle Diebstahl unter der Ägide der amerikanischen Präsidenten George H. W. Bush, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama – unter Beihilfe einer mächtigen, gierigen Unternehmenslobby. Diplomaten und Politiker hatten Amerika in die tödliche Umarmung mit China gezwungen – manche möglicherweise in guter Absicht, andere aber aus tiefer finanzieller Verstrickung mit Unternehmensinteressen heraus.
Paradoxerweise bedurfte es eines unkonventionellen New Yorker Geschäftsmanns, der nicht durch eigene Geschäfte mit China vorbelastet war, um die Gefahr zu erkennen und die unbequemen Strategien zu entwickeln, um einen allmählichen Rückzug aus einer Situation zu ermöglichen, die viele als anhaltende wirtschaftliche Falle betrachteten.
Am 23. Dezember 2018 stand Donald Trump also alleine im Blue Room des Weißen Hauses im Dunkeln, während sich die fernen Marmormonumente in den Fensterscheiben spiegelten. Ihm standen weitere Herausforderungen und heftige Angriffe bevor. Er hatte ein langes, ereignisreiches Leben hinter sich, einen unvergänglichen Markennamen geschaffen und den höchsten Gipfel der Weltmacht erklommen. Dennoch war ihm klar: Die größten Herausforderungen seines Lebens lagen in den nächsten Tagen vor ihm. Die Ergebnisse der Untersuchungen des Sonderermittlers Robert Mueller über den Präsidenten hingen in jenen Weihnachtstagen wie eine dunkle Wolke über dem Weißen Haus.
Am Mittag des Heiligen Abends hatte Donald Trump provokant getwittert: »Ich sitze allein im Weißen Haus (ich Armer) und warte darauf, dass die Demokraten zurückkommen, um sich über die dringend nötige Grenzsicherung* zu einigen.«36
Der Präsident hatte sich auf sein Anwesen in Florida gefreut – auf milde Brisen und mondhelle Nächte. Eigentlich hatte er mit seiner Familie die Mitternachtsmette der Episcopal Church in Bethesda-by-the-Sea besuchen wollen. Als er 2016 nach der Wahl als designierter Präsident mit der neuen First Lady dort zum Weihnachtsgottesdienst gegangen war, hatten sie stehende Ovationen erhalten. Im nächsten Jahr waren sie wiedergekommen – diesmal mit ihrem Sohn Barron.
Florida und Mar-a-Lago standen für dringend benötigte Zeit mit Familie und Freunden, für eine Flucht aus dem unwirtlichen politischen Winter in Washington. Aber Trump war schließlich ein Kämpfer. Bestand noch eine Chance auf »seine Mauer« – also darauf, ein weiteres Wahlversprechen einzulösen –, so würde er sie nutzen.
Sein Schwiegersohn Jared Kushner war am Samstag vor Weihnachten nach Mar-a-Lago abgereist und würde am folgenden Mittwoch wiederkommen. Bevor er die Stadt verließ, hatte er dem Präsidenten angeboten: »Ich kann bei dir bleiben.« Die Vorstellung, dass Donald Trump die Feiertage ohne Familie verbringen sollte, gefiel ihm gar nicht. »Dann bist du nicht alleine.«37
»Nein, nein, du fährst mit deiner Familie nach Florida«, hatte der Präsident beharrt und mit leiser Wehmut hinzugefügt: »Weißt du, Mar-a-Lago gehört mir. Und ich habe noch ein paar andere Häuser. Dort kann ich jederzeit hin. Dieses Haus hier ist gemietet. Also bleibe ich einfach hier und genieße es.«
Jared lächelte, als er mir die Geschichte erzählte. »Er wusste sehr genau, dass das Weiße Haus nicht ihm gehörte, sondern dem Land, und dass er sich hier nur für kurze Zeit aufhalten würde.«
Eric Trump, das dritte Kind des Präsidenten, erinnert sich ebenfalls an ein Gespräch mit seinem Vater in jenem Dezember. Eric verbrachte Weihnachten oft in der Heimat seiner Frau Lara in North Carolina. Dieses Jahr hatten sie sich aber ebenfalls für Mar-a-Lago entschieden. Lara war Triathletin. Sie mochte die Sonne und konnte dort trainieren – schwimmen, Rad fahren, laufen. Und sie hatten dort Gelegenheit, mitten im Winter mit den Hunden an den Strand zu gehen. Sie wusste, wie gern ihr Schwiegervater in Florida war. »Ich dachte, wie traurig, dass er nicht da sein würde.«
Eric und Lara diskutierten ernsthaft darüber. »Ich finde, wir sollten nach Washington fahren und bei meinem Vater sein«, meinte Eric.38
»Rufen wir ihn an«, schlug Lara vor. »Wenn er uns bei sich haben möchte, fahren wir hin. Meine Eltern verstehen das schon.«
Doch der Präsident wollte nichts davon hören. »Nein, nein, ihr jungen Leute sollt euren Spaß haben. Macht euch um mich keine Sorgen. Ich bleibe hier und arbeite für das Land.« Er zog sie ein bisschen auf und gab den Märtyrer.
Am Nachmittag des 24. Dezembers, am Heiligen Abend 2018, flog First Lady Melania Trump nach Washington zurück, um bei ihrem Mann zu sein. Gemeinsam mit dem Präsidenten nahm sie Anrufe für den Weihnachtsmann entgegen. Das hatte sich zu einer Präsidententradition entwickelt. 1955 hatte ein Kind beim Nordamerikanischen Luft- und Weltraum-Verteidigungskommando (NORAD) angerufen und den Weihnachtsmann sprechen wollen. Seither nahm das NORAD jedes Jahr Anrufe entgegen, und zumindest der First Lady machte das nach eigener Aussage großen Spaß. Die Medien durften ein paar Ausschnitte aufzeichnen, darunter ein lustiger Wortwechsel zwischen dem Präsidenten und dem siebenjährigen Coleman.
»Glaubst du denn noch an den Weihnachtsmann?«, wollte der Präsident wissen. »Mit sieben bist du doch dafür schon ein bisschen groß, oder?« Sie unterhielten sich eine Weile, der Präsident hörte zu und lachte. »Na, dann wünsche ich dir viel Spaß.«39
Melania war es offensichtlich gelungen, ihren Mann aus seiner Lethargie zu reißen. Kurz vor Mitternacht erschienen sie bei der festlichen Weihnachtsmette in der National Cathedral.40 Sie wurden in die erste Reihe eskortiert.
Der Präsident und die First Lady genossen offenbar das Zusammensein und den vertrauten Gottesdienst zur Christnacht. Die gewaltige Orgel ließ die Kathedrale förmlich erbeben, und die jungen Stimmen des Chors schallten bis zu den höchsten Sparren der Kirche hinauf – Knabensopran, der die unmögliche eine Oktave mehr erreicht. »Hark the Herald Angels Sing«.
Für das teilweise rätselhafte Verhalten des Präsidenten und der First Lady in der letzten Zeit und so manches ausweichende Gespräch mit der Familie über die Feiertage gab es Sicherheitsgründe. Sie wollten nämlich gemeinsam in aller Stille in den Irak reisen, um die Soldaten dort zu besuchen. Es wäre der erste Besuch dieses Präsidenten in einem Kriegsgebiet – und das allererste Mal für eine First Lady. Der Secret Service war strikt dagegen gewesen, doch Melania hatte darauf bestanden. Sie wollte ihn nicht alleine gehen lassen. Sie würden am 25. Dezember gemeinsam hinfliegen.41
Als die Gemeinde in der National Cathedral sacht »Silent Night« anstimmte, breitete sich andächtige Stille aus, und der Präsident ergriff Melanias Hand. Es sollte die letzte stille Nacht der Familie Trump für viele Monate sein.
»Dies ist mein persönlicher Briefwechsel mit Kim Jong-un. Sie können die Briefe nicht behalten, aber Sie dürfen sie lesen. Sie sind fantastisch. Das ist Geschichte.«
Präsident Donald Trump42
Die Atmosphäre im Weißen Haus stand in krassem Gegensatz zu dem düsteren politischen Sturm, der draußen tobte.
Am 24. Januar 2019 war die Nation in Aufruhr. Die Bundesverwaltung erlebte den längsten Shutdown*, in der amerikanischen Geschichte. Erst tags zuvor hatte die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation abgesagt, indem sie ihm den Auftritt im Kapitol verweigerte. So erbittert hatten sich Parteien seit den Tagen des Bürgerkriegs nicht mehr bekämpft. Die nationalen Medien leckten sich noch die Wunden, weil es ihnen nicht gelungen war, die von ihnen erkorene Kandidatin ins Weiße Haus zu bringen. Sie verbreiteten allen Ernstes die Theorie, der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten sei ein russischer Spion. Der unabhängige Sonderermittler Robert Mueller werde das in Kürze nachweisen, behaupteten sie.
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