Sonja Müller

Die Syntax-Pragmatik-Schnittstelle

Ein Studienbuch

A. Francke Verlag Tübingen

Inhalt

Fußnoten

2.2.2.1 Weitere Elemente im Vorfeld und ihre Rangfolge

Werden nur overte Topiks betrachtet, ist der Wert 56,8 %.

4.2.1 Grammatische Unterschiede und Gemeinsamkeiten

U.a. die Kasusverhältnisse veranlassen Dewald (2012: 83) dazu, das Freie Thema und das HT nicht zusammenzufassen. Anders als beim HT ist der Kasus der herausgestellten Phrase nicht variabel, da die Einleitungsphrasen bzw. sprachliches Material innerhalb dieser Phrasen ihn festlegen (vgl. z.B. (i) und (ii)).

(i) Was + XP (Akkusativ) angeht/anbelangt/betrifft, …

(ii) Um von XP (Dativ) zu reden, …

Zu einem weiteren Unterschied hinsichtlich der Einbettbarkeit vgl. Dewald (2012: 79).

Die zugehörigen Tondateien sind verfügbar unter: http://www.linguistik.net/cgi-bin/focus.pl.

4.2.3 Syntaktische Analysen

An dieser Stelle werden andere Indizes verwendet, um eine Verwechslung mit den Indizes der Spuren in (63) zu vermeiden.

5.4.1 Eine Doppelsatzstruktur-Analyse

Wie aus (100) und (103) ersichtlich, steht die nicht von der Tilgung betroffene CP im Spezifikator der Koordinationsphrase. Die Struktur, die von der Tilgung betroffen ist, ist das Komplement des Kopfes:. In den Beispielen (111), (112) und (114) wird der Einfachheit halber nur abgebildet, zwischen welchen Teilsätzen die Koordinationsrelation bestehen kann.

6.3.1 Kiezdeutsch als Varietät des Deutschen

Die soziolinguistische Beschränkung des Kietzdeutsch wird in Maria Pohles Beitrag zum Science Slam in Berlin 2015 sehr anschaulich erklärt. Ihr Auftritt ist hier einzusehen: https://www.youtube.com/watch?v=9emFFPr4sMs.

Gegenstand dieses Buches sind Phänomene an der Syntax-Pragmatik-Schnittstelle. Meine Absicht ist es, anhand der betrachteten Strukturen aufzuzeigen, inwiefern bestimmte (syntaktisch auffällige) Strukturen mit bestimmten Diskursfunktionen bzw. informationsstrukturellen Status einhergehen.

 

Ich verstehe das Buch nicht als reine Einführung in die Pragmatik/Informationsstruktur oder in die Syntax. Vielmehr möchte ich aufzeigen, an welchen Stellen die ansonsten meist in Isolation behandelten Konzepte miteinander interagieren.

Ich beabsichtige mit diesem Band auch, neue Forschungsliteratur für ein Lehrbuch zugänglich zu machen. Bücher zur Syntax und Pragmatik beschränken sich oftmals auf alte Arbeiten und (kanonische) Erkenntnisse. Zu Schnittstellenphänomenen, wie ich sie hier behandeln möchte, hat es in den letzten 15 Jahren sehr viel Forschungsarbeit gegeben, die deshalb auch in der universitären Lehre Beachtung finden sollte. Ich hoffe, mit diesem Band Lehrmaterialien zu einem Thema bereitzustellen, die über das Niveau einer Einführung hinausgehen und deshalb die Lücke zwischen genuinen Fachtexten und Grundlagenliteratur schließen können.

 

Bei einem Thema, bei dem zwei Teilbereiche linguistischer Beschreibung aufeinander treffen, ist es natürlich nicht zu vermeiden, dass auf unabhängige Erkenntnisse beider Teilgebiete Bezug genommen wird. Ich habe deshalb Kapitel 1 eingefügt, das Hintergründe zu beiden Beschreibungsebenen vorstellt. Das Kapitel verfolgt nicht das Ziel, eine genuine Einführung in diese Themenbereiche zu geben (auf entsprechende Arbeiten verweise ich), sondern einige der Aspekte einzuführen, auf die die Ansätze, die in den Kapiteln 2 bis 7 vorgestellt werden, Bezug nehmen, und für die es sich m.E. deshalb lohnt, sie vorweg in Isolation zu betrachten. Die Auswahl der eingeführten Konzepte orientiert sich an den in den Folgekapiteln behandelten Ansätzen.

Jedes Kapitel dieses Studienbuches schließt mit Übungsaufgaben zum jeweiligen Thema. Die Lösungen zu den Aufgaben stehen auf der Homepage zum Buch unter http://www.narr-studienbuecher.de/ zum Download zur Verfügung.

 

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei Tillmann Bub, der mein Vorhaben befürwortet und die Entstehung des Buches anschließend begleitet hat, sowie bei Julia Schumacher für die Durchsicht des Buches, ihre Korrekturen und weiteren Verbesserungsvorschläge.

 

Ich würde mich freuen, wenn aus diesem Band zur Interaktion von Syntax und Pragmatik weitere Beiträge zu anderen Schnittstellen hervorgingen.

 

 

Köln, im Dezember 2018     Sonja Müller

Hintergründe

In diesem Kapitel werden einige Aspekte aus den Bereichen der Syntax (Abschnitt 1.1) und der Informations-/Diskursstruktur (Abschnitt 1.2) eingeführt, die in die Beschäftigung mit den Phänomenen, die in den Kapiteln 2 bis 7 untersucht werden, eingegangen sind.

1.1 Syntaktische Aspekte

Im Bereich der Syntax orientieren sich die in diesem Buch vorgestellten Arbeiten weitestgehend an den Vorstellungen der Generativen SyntaxGenerative Syntax, wie sie seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts als Folge auf die ersten Arbeiten Chomskys (weiter)entwickelt wurde.

1.1.1 Lineare Aspekte der Wortstellung

Absicht der Syntaxforschung ist es, Modelle zu entwickeln, die Regularitäten im deutschen Satzbau abzubilden vermögen. Eine erste Erkenntnis in diesem Bereich ist die Beobachtung, dass die Konstituenten eines Satzes auf der horizontalen Ebene nicht beliebig angeordnet werden können.

Eine frühe Generalisierung über derartige lineare Regularitäten stellt das Topologische FeldermodellTopologisches Feldermodell (TFM) dar, das in seinen Grundzügen schon auf Drach (1937) zurückgeht. Das Modell besteht aus fünf Feldern: VorfeldVorfeld (VF), linke SatzklammerLinke Satzklammer (LSK), MittelfeldMittelfeld (MF), rechte SatzklammerRechte Satzklammer (RSK), NachfeldNachfeld (NF).

Für die Besetzung der Felder gelten bestimmte Bedingungen: So kann im Vorfeld eine Konstituente stehen. Die Beispiele in (1a) bis (1d) zeigen, dass diese Konstituente im Prinzip beliebig groß sein kann, solange es sich um eine Konstituente handelt. Da Konstituenten z.B. durch Pronominalisierung ermittelt werden können, können wir die Forderung aufgrund von (1a) als erfüllt ansehen (zu KonstituententestsKonstituententest vgl. z.B. Wöllstein-Leisten et al. 1997: 12ff.).

(1)

 

VF

LSK

MF

RSK

NF

 

a.

Er

hat

die arme Frau geheiratet.

 

 

 

b.

[Der Mann]

hat

die arme Frau geheiratet.

 

 

 

c.

[Der reiche Mann]

hat

die arme Frau geheiratet.

 

 

 

d.

[Der reiche Mann aus Kampen]

hat

die arme Frau geheiratet.

 

 

In der LSK stehen entweder die KonjunktionKonjunktion oder das finite VerbFinites Verb. Die Konjunktion besetzt diese Position in der Regel im Falle konjunktional eingeleiteter Nebensätze, wie sie in (2a) bis (c) auftreten.

 

VF

LSK

MF

RSK

NF

 

a.

 

dass

der arme Mann die reiche Frau heiraten

wird

 

 

b.

 

weil

die Hobbydetektivin den Fall

löste

 

 

c.

 

als

eine Chance auf den Klassenerhalt bestanden

hat

 

Das finite Verb steht in selbständigen Sätzen wie in (1a) bis (1d) in der LSK. Wenn die LSK durch eine Konjunktion besetzt ist, steht das finite Verb in der RSK, wie in (2a) bis (c). Manche Autoren vertreten auch, dass in der RSK auch infinite Bestandteile des Prädikats (wie Partizipien und Infinitive) positioniert werden. Wir werden in Abschnitt 1.1.2 sehen, dass die Generalisierung, dass diese Position nur durch das finite Verb gefüllt wird, eine einfache Zuordnung erlaubt, die andernfalls nicht möglich wäre. Im MF stehen alle Konstituenten, die zwischen den Elementen in den Satzklammern vorkommen. Das NF wird meist durch Nebensätze besetzt oder durch ,schwere‘ nicht-satzwertige Konstituenten. (3) zeigt einige Beispiele für mögliche NF-Besetzungen (zu weiteren Details des TFMs vgl. auch Wöllstein-Leisten et al. 1997: 5364, Wöllstein 2010).

(3)

 

VF

LSK

MF

RSK

NF

 

a.

[Der Pfarrer]

sagt

 

 

[dass der reiche

Mann die arme

Frau geheiratet hat].

 

b.

Sie

hat

den Mann gesehen,

 

[der das Shampoo gestohlen hat].

 

c.

Ich

bin

meinem Nachbarn nie begegnet

 

[all die Jahre, die ich in Bielefeld gelebt habe].

Durch die Aufteilung der Konstituenten auf die Felder bildet das TFM eine wichtige Generalisierung des Deutschen ab: Für das finite Verb gibt es im Satz drei mögliche Positionen: Es kann in der letzten Position stehen. Dann resultiert ein Verbend (VE)-SatzVerbend-Satz. Geht eine Konstituente voraus, steht das finite Verb in der zweiten Position (Verbzweit (V2)-SatzVerbzweit-Satz). Ist das Vorfeld unbesetzt, liegt ein Verberst (V1)-SatzVerberst-Satz vor.

Vergleicht man eine Reihe von Strukturen im Feldermodell, stellt man fest, dass bestimmte Konstituenten an verschiedenen Stellen im Satz stehen können. Diese Variabilität in der Wortstellung hat man durch die Annahme zu erfassen versucht, dass Konstituenten sich – unter gewissen Gesetzmäßigkeiten – umstellen lassen. Diese Metapher der BewegungBewegung ist in einem ganz bestimmten Paradigma verankert, der Generativen SyntaxGenerative Syntax, und innerhalb dieses

Die generative Syntaxforschung geht davon aus, dass es eine zugrundeliegende SatzstrukturZugrundeliegende Satzstruktur gibt, aus der andere Strukturen abgeleitet werden. Diese zugrundeliegende Struktur ist im Deutschen die Abfolge SOVSOV (Subjekt-Objekt-Verb), d.h. die Abfolge des Nebensatzes.

Ausgehend von dieser Grundabfolge lassen sich jegliche Sätze leicht ableiten. In (5) sind die Sätze aus (4) im TFM abgebildet.

(4)

a.

weil Maria den Hund füttert

 

b.

Füttert Maria den Hund?

 

c.

Maria füttert den Hund.

 

d.

Den Hund füttert Maria.

 

e.

Wen füttert Maria?

 

f.

Peter sagt, dass Maria den Hund füttert.

In der Grundabfolge, der sogenannten TiefenstrukturTiefenstruktur, ist die Wortstellung SOV. Diese tritt im Nebensatz ohnehin auf. Um die anderen Sätze abzuleiten, sind die drei Operationen in (6) vonnöten.

Bewegungsoperationen

 

a.

Finitumvoranstellung

 

b.

Topikalisierung

 

c.

Extraposition

Durch die FinitumvoranstellungFinitumvoranstellung wird das finite Verb von der RSK in die LSK bewegt. Durch die Anwendung dieser Umstellung erhält man in der Regel einen selbständigen SatzSelbständiger Satz. Sie erfolgt in (4)/(5) deshalb in (b) bis (f). Wird eine Konstituente umgestellt, hinterlässt sie in ihrer UrsprungspositionUrsprungsposition eine Spur (t für Englisch trace). Die Indizes zeigen uns, welche Spur zu welcher Konstituente gehört. Bei der TopikalisierungTopikalisierung wird eine Konstituente aus dem MF ins VF umgestellt. Dies ist der Fall in (c) bis (f). In (e) wird die vorangestellte Phrase zuvor noch w-pronominalisiert, d.h. durch ein w-Pronomenw-Pronomen ersetzt. Man spricht deshalb auch von w-Bewegungw-Bewegung. Bei der ExtrapositionExtraposition wird eine satzwertige oder nicht-satzwertige ,schwere‘ Konstituente ins NF versetzt, wie z.B. in (f). Die abgeleitete Struktur, d.h. die Struktur, die nach den Umstellungen vorliegt, ist die sogenannte OberflächenstrukturOberflächenstruktur.

1.1.2 Hierarchische Aspekte der Wortstellung

Nach derartigen linearen Generalisierungen betrachten wir im Folgenden ein komplexeres Modell, das auch für Hierarchien aufkommt (vgl. z.B. Grewendorf & Hamm & Sternefeld 1987: 213227). Im TFM ist allein entscheidend, dass bestimmte Wörter überhaupt Konstituenten bilden, weil es z.B. die Beschränkung gibt, dass im VF nur eine Konstituente stehen kann. Konstituenten sind allerdings intern strukturiert. Der Pfarrer ist intuitiv sicherlich von geheiratet zu unterscheiden, wenngleich beide Konstituenten gleichermaßen im VF stehen können.

Man hat sich zahlreiche Strukturen von Phrasen angeschaut und herausgefunden, dass sie unter einem bestimmten Abstraktionsniveau gleich aufgebaut sind. Das Ergebnis dieser Analyse ist die sogenannte X'-TheorieX'-Theorie (lies: X-bar), die für alle Phrasen in allen Sprachen die Struktur in (7) voraussagt.

Jede Phrase besteht aus einem KopfKopf X0. Dies ist das zentrale Element der Phrase, das ihr ihren Namen gibt. Der Kopf nimmt eine andere Phrase obligatorisch zu sich, das KomplementKomplement (YP). Dieser komplexere Teil der Phrase (die X'-Ebene, die der Theorie den Namen gibt) kann zudem durch einen SpezifikatorSpezifikator (Spec) ggf. modifiziert werden. Dann ist die Phrase abgeschlossen.

Mit diesem Strukturerzeugungsmechanismus lassen sich verschiedenste Arten von Phrasen generieren bzw. analysieren. In (8) liegen jeweils VerbalphrasenVerbalphrase (VPn) vor. Das Verb ist der Kopf der Phrase, es bestimmt über die Gestalt seines Komplements. Das Dreieck verwendet man in der Darstellung, wenn die interne Struktur der Phrase übergangen wird (vgl. z.B. (9) und (10)). Der Spezifikator der VP ist z.B. besetzt, wenn zwei Objekte beteiligt sind, wie in (10).

(8)

a.

[ein Buch] kaufen

 

b.

[dass Hans ein Eis isst] sagen

 

c.

[in den Urlaub] fahren

(11) zeigt Beispiele für NominalphrasenNominalphrase (NPn).

(11)

a. Tochter [des Arztes]

 

b. Entdeckung [Amerikas]

Bei NPn ist die Spec-Position z.B. besetzt, wenn ein Artikel auftritt (vgl. (13)).

In (14) liegen PräpositionalphrasenPräpositionalphrase (PPn) vor.

(14)

a.

auf [dem Baum]

 

b.

unter [dem Tisch]

(16)

a.

[auf das Fahrrad] stolz

 

b.

[dem König] treu

In allen Beispielen projiziertProjektion ein Kopf eine Phrase. Weitere Elemente, die vom Kopf gefordert werden, treten hinzu. Dabei muss ein Kopf keine derartigen Forderungen an Komplemente stellen. Er kann auch alleine eine Phrase aufspannen. (18) und (19) zeigen zwei Beispiele.

Die Kategorien N, A, V und P, die in (8) bis (19) vorkommen, sind lexikalische KategorienLexikalische Kategorie. Innerhalb einer Phrase stehen nur Einheiten, die zur ValenzstrukturValenzstruktur der lexikalischen Einheit gehören, d.h. die als syntaktische Mitspieler vom Kopf vorgegeben werden. Die Mitspieler sind die ArgumenteArgument einer lexikalischen Kategorie.

In (8a) hat kaufen z.B. eine Leerstelle für eine NP im Akkusativ (AKK), in (12) Tochter für eine NP im Genitiv (GEN), in (15) auf für eine NP im Dativ (DAT) und in (17) stolz eine für eine PP. Jegliche fakultative Angaben, die nicht vom Kopf gefordert sein können, sind nicht Teil der Phrase. Um auch adverbiale BestimmungenAdverbial wie schnell in schnell zur Schule gehen

Während die lexikalischen Kategorien es erlauben, einzelne Phrasen abzubilden, muss das Inventar von N(omen), A(djektiv), V(erb) und P(räposition) um funktionale KategorienFunktionale Kategorie erweitert werden, um die gesamte Satzstruktur erfassen zu können.

Betrachtet man eine VP wie in (21), etabliert der verbale Kopf eine Situation. Das heißt, bekannt sind die Verbsemantik sowie die Mitspieler (NPs, PPs).

Das Verb kann in einem Satz nur finit oder infinit sein. Das finite VerbFinites Verb flektiert nach Person, Numerus, Tempus und Verbmodus. Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen diesen Finitheitsmerkmalen und dem Subjekt. Tritt ein finites Verb auf, benötigt man auch ein sichtbares Subjekt. Das Subjekt kongruiertKongruenz mit dem finiten Verb in Person und Numerus (in (22) 3. Person, Singular).

(22)

a.

[Der Mann] läuft.

 

b.

[Der Mann] kauft [ein Buch].

 

c.

[Der Mann] gedenkt [des Freundes].

 

d.

[Der Mann] dankt [dem Freund].

Man nimmt deshalb an, dass der Kasus eines Objekts vom Verb bestimmt wird, während das Subjekt seinen Kasus von den Finitheitsmerkmalen des finiten Verbs erhält. Für die Repräsentation eines Satzes nimmt man deshalb an, dass es oberhalb der VP eine IP (= Inflection PhraseInflection Phrase) gibt (vgl. (23)). Der Kopf dieser Phrase ist I0 und nimmt die VP als sein Komplement.

I0 beinhaltet kein lexikalisches Material, sondern die Merkmale für Person, Numerus, Tempus und Modus. Das Verb gelangt dieser Vorstellung nach als Verbstamm in die Struktur und erhält dort seine Finitheitsmerkmale, die in Form bestimmter Endungen realisiert werden. Das Verb muss sich von V0 zu I0 bewegen (wenn es finit ist), um diese Merkmale in I0 zu erhalten. Darüberhinaus weist I0 SpecIP den Nominativkasus zu, weshalb das Subjekt in genau dieser Position steht (vgl. (24)).

Oberhalb der IP setzt sich der funktionale Überbau fort. Innerhalb der finiten Sätze lässt sich ferner unterscheiden, ob es sich um selbständige oder unselbständige Sätze handelt (vgl. (25)).

(25)

a.

weil Maria den Hund füttert

 

b.

Maria füttert den Hund.

(26)

a.

Füttert Maria den Hund?

 

b.

Wen füttert Maria?/Wer füttert den Hund?

Die Phrase, die für diese Information zuständig ist, ist die CP (= Complementizer Phrase). Der Kopf dieser Phrase ist C0, ihr Komplement die IP. In einem unselbständigen Satz beinhaltet C0 die Konjunktion (vgl. (27)).

In einem selbständigen Satz (vgl. (28)) beinhaltet C0 das finite Verb, das sich von I0 weiterbewegt. In einem V1-SatzVerberst-Satz ist SpecCP leer, in einem V2-SatzVerbzweit-Satz beinhaltet SpecCP eine Konstituente, die aus ihrer Basisposition in diese Position vorangestellt wird.

Oben haben wir gesehen, dass die Finitheit in I0 verankert wird und in dieser Phrase die Nominativzuweisung an das Subjekt erfolgt bzw. die Kongruenz zwischen dem Subjekt und dem finiten Verb hergestellt wird. Innerhalb der CP wiederum entscheidet sich, ob ein selbständiger oder unselbständiger Satz vorliegt und um welchen Satztyp es sich handelt.

Man kann die Positionen des CP/IP-ModellsCP/IP-Modell auf die Felder des Topologischen FeldermodellsTopologisches Feldermodell beziehen. Das Vorfeld entspricht dabei SpecCP, die linke Satzklammer (LSK) wird C0 zugeordnet und die rechte Satzklammer (RSK) entspricht I0. Unter dieser Sicht werden keine weiteren Operationen benötigt, als die drei, die wir bereits kennengelernt haben. Lediglich die Finitumvoranstellung muss etwas erweitert werden. Die TopikalisierungTopikalisierung hat als Ziel SpecCP, bei der FinitumvoranstellungFinitumvoranstellung wird das Verb nicht nur von I0 nach C0 bewegt, sondern es wird von V0 über I0 zu C0 angehoben. Für unsere Darstellung vom Anfang würde dies bedeuten, dass das Verb zunächst unflektiert im MittelfeldMittelfeld steht und in die RSK bewegt wird, um flektiert zu werden, bevor es in die LSK vorangestellt wird.

 

Wenn I0 der RSK entspricht, fehlt in der Repräsentation in (28) noch das NachfeldNachfeld. Man hat hier angenommen, dass per AdjunktionAdjunktion an die IP eine Position erzeugt wird, in die extraponierte Konstituenten bewegt werden (vgl. (29)).

Definitheit hat mit Bekanntheit zu tun. Tritt ein indefiniter ArtikelIndefiniter Artikel auf (vgl. (30a)), ist der Referent der NP i.d.R. in der Diskurssituation noch nicht bekannt. Wird ein definiter ArtikelDefiniter Artikel verwendet, ist der NP-Referent bereits in den Diskurs eingeführt worden (vgl. (30b)).

(30)

a.

Ein Mann lacht.

 

b.

Der Mann lacht.

Spezifizität bezieht sich auf die Identifizierbarkeit eines Referenten, d.h. ob man sich mit der NP auf einen bestimmten Referenten bezieht. Unter der unspezifischen LesartUnspezifische Interpretation bedeutet der Satz in (31), dass der Dirigent irgendeine weibliche Person sucht, die Geige spielt. Unter der spezifischen LesartSpezifische Interpretation sucht der Dirigent eine bestimmte Geigerin.

(31)

Der Dirigent sucht eine Geigerin.

Wir können eine Phrase wie der Mann nun als NP wie in (33) oder als DP wie in (34) analysieren.

SpecDP ist z.B. besetzt, wenn ein pränominaler Genitiv auftritt, wie in (35).

D0 kann auch leer bleiben. Dies ist beispielsweise bei Eigennamen der Fall (vgl. (36)).

Grundannahmen des Grammatikmodells

Das bis hierher entworfene Bild entspricht dem Modell der Rektions- und BindungstheorieRektions- und Bindungstheorie (Chomsky 1981), das als T-ModellT-Modell bezeichnet wird, weil es wie ein umgedrehtes T aussieht (vgl. (37)).

Dieser Vorstellung nach entstammen die Wörter, die Bestandteil eines Satzes sind, dem mentalen LexikonMentales Lexikon. Wörter weisen einen LexikoneintragLexikoneintrag auf, dem neben phonologischer und semantischer Information auch Informationen zur ValenzValenz, d.h. zur Argumentstruktur,Argumentstruktur zu entnehmen sind. Das heißt, von einem Verb wie kaufen wissen wir z.B., dass es zwei Argumente hat, eine NP im Nominativ und eine NP im Akkusativ. Ebenfalls wissen wir, dass die erste NP interpretatorisch ein Handelnder ist (AgensAgens) (anders als diese NP im Falle von erhalten (EmpfängerEmpfänger) (Peter erhält einen Brief.) oder profitieren (BenefizientBenefizient) (Peter profitiert von Marias Monatskarte für die Straßenbahn.)). Die NP im Akkusativ wird im Fall von kaufen als das, womit etwas gemacht wird, verstanden (ThemaThema) (im Gegensatz zur Akkusativ-NP bei benutzen (InstrumentInstrument) (Hans benutzte ein Messer.) oder erreichen (ZielZiel) (Hans erreichte das Ziel.)). Diese inhaltlichen Füllungen der Argumentstellen werden als thematische RollenThematische Rolle (θ-Rollen) bezeichnet. (38) zeigt einen Lexikoneintrag für den Verbstamm weck-.

Das Verb hat zwei Argumente im Nominativ und Akkusativ, fakultativ kann zusätzlich eine PP auftreten. Das erste Argument erhält die θ-Rolle Agens, d.h. es gibt einen Handelnden, das zweite Argument ,erleidet‘ sozusagen etwas (PatiensPatiens), indem er/sie geweckt wird. Fakultativ kann angegeben werden, aus welcher Domäne er/sie geweckt wird (Traum, Schlaf, Koma).

Man hat nun entlang der Positionen, in denen die bewegten Elemente zu stehen kommen, BewegungstypenBewegungstypen klassifiziert:

Ist die Zielposition eine Kopfposition, handelt es sich um KopfbewegungKopfbewegung. Dies trifft auf die Bewegung von V0 zu I0 (zu C0) zu, d.h. die Flexion und Voranstellung des finiten Verbs.

Ferner unterscheidet man A(rgument)-Argument-Bewegung und Non-A(rgument)(A')-BewegungNon-Argument-Bewegung. Eine A-Position ist eine Position, der eine θ-Rolle zugewiesen werden kann. Eine A'-Position ist entsprechend eine Position, der keine θ-Rolle zugewiesen werden kann. SpecCP ist somit eine A'-Position, weil in dieser Position kein Element basisgeneriert ist. Elemente können nur aus dem Mittelfeld dorthin vorangestellt werden (und haben dann ggf. schon ihre θ-Rolle). SpecIP (durch das Subjekt besetzt) und die Komplementposition von V0 sind A-Positionen.

Die TopikalisierungTopikalisierung bzw. w-Bewegungw-Bewegung sind demnach jeweils Fälle von A'-Bewegung. A-Bewegung, die uns in unserer Darstellung oben nicht begegnet ist, liegt beispielsweise vor, wenn ein Element in die SpecIP-Position bewegt wird (vgl. z.B. Philippi & Tewes 2010: Kapitel 6). Die A'-Bewegung tritt zudem in zwei zu unterscheidenden Varianten auf. Wenn sie innerhalb eines Satzes vorkommt (wie in (39)), spricht man von kurzer A'-BewegungKurze A'-Bewegung.

(39)

a.

Wen1 hat Maria t1 eingeladen?

 

b.

[Den Dirigenten]1 hat Maria t1 eingeladen.

Sie kann aber auch über eine Nebensatzgrenze hinweg erfolgen, wie in (40). Man spricht dann von langer A'-BewegungLange A'-Bewegung.

(40)

a.

Wen1 meint Klara, dass Maria t1 eingeladen hat?

 

b.

[Den Dirigenten]1 meint Klara, dass Maria t1 eingeladen hat.

Da die erzeugte Struktur auch interpretiert und produziert/wahrgenommen werden muss, muss das Grammatiksystem auch Repräsentationen erzeugen, die hierfür relevante Informationen bereitstellen. Dies sind die Ebenen der Phonetischen FormPhonetische Form (PF) und der Logischen FormLogische Form (LF). Zwischen der Oberflächenstruktur und der LF sowie zwischen der Oberflächenstruktur und der PF gibt es wiederum mögliche Umstellungen. Hierbei handelt es sich einerseits um Bewegung, die man nicht sieht. Man spricht von coverter BewegungCoverte Bewegung oder LF-BewegungLF-Bewegung. Andererseits kann Bewegung auch sichtbar sein, aber keinen interpretatorischen Effekt haben. Dann liegt eine stilistische UmstellungStilistische Bewegung vor. Man spricht auch von PF-BewegungPF-Bewegung.

w-Interrogativsätzew-Interrogativsatz sind ein Beispiel für Strukturen, bei denen sprachliche Ausdrücke an anderen Positionen interpretiert werden, als in denen sie sich auf der Oberflächenstruktur

(41)

PF: Wen hat Peter getroffen?

 

LF: Für welches x, x ist eine Person, gilt: Peter hat x getroffen.

Im Deutschen entstehen derartige Fragen dadurch, dass eine w-Phrasew-Phrase an den linken Satzrand versetzt wird. Die Option, dass das w-Pronomen in der Basisposition verbleibt, besteht nicht. Dies ist nur unter deutlicher Akzentuierung des Pronomens in der Lesart einer Echo-FrageEcho-Frage möglich.

(42)

Peter hat WEN getroffen?

Es gibt allerdings Sprachen, in denen für eine derartige Frage die w-Phrase nicht an den linken Rand bewegt wird. Im japanischen Beispiel in (43) befindet sich der w-Ausdruck in seiner Basisposition.

(43)

John-wa

naze

kubi-ni natta

no?

 

John-TOPIK

warum

wurde

entlassen

FRAGE

 

‚Warum wurde John entlassen?‘

 

(Jungen & Lohnstein 2007: 241)

Die Paraphrasen der LF sind allerdings entscheidenderweise die gleichen, wie wenn ein w-Element bewegt worden ist (vgl. (44)).

(44)

LF: Für welches x, x ist ein Grund, gilt: John wurde wegen x entlassen.

Unabhängig der Oberflächenposition der w-Ausdrücke ist anzunehmen, dass sie sich auf der Ebene von LF an den linken Satzrand bewegt haben. Da sie sich erst nach der Erzeugung der Oberflächenstruktur dorthin bewegen, bleibt die Bewegung covertCoverte Bewegung. (45) und (46) illustrieren die stilistische BewegungStilistische Bewegung, die zwischen der Oberflächenstruktur und PF erfolgen kann.

(45)

a.

Maria kauft im Kaufhaus ein Kleid.

 

b.

Maria kauft t1 ein Kleid [im Kaufhaus]1.

(46)

a.

weil Peter [das Haus zu bauen] versucht

 

b.

weil Peter t1 versucht, [das Haus zu bauen]1

Die Bewegungen ins Nachfeld haben hier keinen interpretatorischen Effekt. Man sieht bzw. hört sie, aber sie bringen nicht verschiedene Interpretationen mit sich.

Der nächste Abschnitt unternimmt eine ähnliche Einführung relevanter Konzepte im Bereich der Informationsstruktur.

 

Aufgaben

1. Stellen Sie die folgenden Sätze (mit Bewegung) im Topologischen Feldermodell dar. Analysieren Sie auch die auftretenden Nebensätze separat.

(i)

Melanie ist krank, weil sie bereits ihre Sommerjacke trug.

(ii)

Den vor dem Fernseher sitzenden Hans ärgert, dass er keine Karte für das Pokalspiel bekommen hat.

(iii)

Soll Klaus das Treppenhaus putzen?

2. Stellen Sie die folgenden Phrasen mit der X'-Theorie dar.

den Fluss entlang

(v)

unter der Rheinbrücke wohnen

(vi)

traurig des Hundes gedenken

(vii)

das Brot mit gesunden Körnern

(viii)

des Sieges sicher

3. Stellen Sie die folgenden Sätze im CP/IP-Schema dar.

(ix)

Hannah leidet in Spanien an Bauchweh.

(x)

Wen trifft Paul im Schwimmbad?

(xi)

Klaus behauptet, dass der Chef die Sekretärin entlässt.

1.2 Informationsstruktur

Analysiert man Sätze wie in Abschnitt 1.1 dargestellt, liegt der Fokus der Betrachtung auf rein strukturellen Eigenschaften. Sätze werden von Sprechern im Gespräch aber natürlich auch zu bestimmten Zwecken verwendet. Da wir uns in diesem Buch für die Zusammenhänge zwischen der grammatischen Form von Sätzen und ihrer Verwendung im Diskurs interessieren, ist es ebenfalls nötig, zunächst einige grundlegende Aspekte auf Seiten der Verwendung von Sätzen zu betrachten. Insbesondere wird bei den Phänomenen in Kapitel 2 bis 7 die InformationsstrukturInformationsstruktur im Mittelpunkt stehen. Musan (2002: 200) charakterisiert die Informationsstruktur folgendermaßen:

Die Informationsstruktur versucht […] unter anderem zu erfassen, dass der Satz nicht nur eine bestimmte INFORMATION AUSDRÜCKT, sondern auch im konkreten Informationsfluss zwischen einem ,Sprecher‘ und einem ,Hörer‘ im weiteren Sinne bestimmte INFORMATIONEN ÜBERMITTELT.

Was man sich unter dem übermittelten Anteil einer Äußerung vorstellen und durch welche sprachlichen Mittel diese Information kodiert werden kann, illustrieren wir im Folgenden anhand zweier Dimensionen der Informationsstruktur, der Fokus-Hintergrund-GliederungFokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) und der Topik-Kommentar-GliederungTopik-Kommentar-Gliederung (TKG).

1.2.1 Fokus-Hintergrund-Gliederung

Im Prinzip kann in einem Satz jede Konstituente akzentuiert werden (im Folgenden angezeigt durch Großschreibung). Der Satz in (47) kann realisiert werden wie in (48).

(47)

Hans wird morgen nach Köln fahren.

(48)

a.

HANS wird morgen nach Köln fahren.

 

b.

Hans wird MORgen nach Köln fahren.

 

c.

Hans wird morgen nach Köln FAHren.

 

d.

Hans WIRD morgen nach Köln fahren.

 

e.

Hans wird morgen nach KÖLN fahren.

Akzent sind lokale Modifikatoren der IntonationskonturIntonationskontur, die man als Prominenz wahrnimmt. Phonetisch entspricht dies einer Veränderung der GrundfrequenzGrundfrequenz (Tonhöhe), es geht aber auch eine größere Intensität (Lautstärke) und Dauer (Länge) der akzentuierten Silben einher (vgl. Baumann 1999: 3).

In Abbildung 1 sieht man, dass die zweite Silbe von Berlin einen TonhöhenakzentTonhöhenakzent erhält. Auf der x-Achse ist die Zeit aufgetragen, auf der y-Achse die Frequenz.

Abbildung 1: Tonakzent (Féry 1993: 66)

Strukturell sind die Sätze in (48) identisch. Es treten jeweils die gleichen Wörter und Konstituenten auf, die zudem dieselbe syntaktische Funktion erfüllen. Die Sätze drücken auch alle dieselbe PropositionProposition aus, nämlich dass Hans am folgenden Tag nach Köln fahren wird. Aus diesem Grund sind alle Sätze aus (48) unter genau denselben Umständen wahr. (48a) ist wahr, wenn Hans morgen nach Köln fahren wird. Gleiches gilt für (48b) bis (48e). Dennoch sind die Sätze aber nicht komplett identisch. Sie sind nicht – was die Voraussetzung für SynonymieSynonymie wäre – in jedem Kontext füreinander austauschbar. Die Sätze haben vielmehr unterschiedliche Verwendungsbedingungen. (48e) kann z.B. eine Antwort auf die Frage in (49) sein.

(49)

A:

Wohin wird Hans morgen fahren?

 

B:

Hans wird morgen nach KÖLN fahren.

Man kann auf die Frage in (49) aber mit keinem anderen der Sätze aus (48) antworten, wie (50) zeigt.

A:

Wohin wird Hans morgen fahren?

 

B:

#HANS wird morgen nach Köln fahren.

 

B':

#Hans wird MORgen nach Köln fahren.

 

B'':

#Hans wird morgen nach Köln FAHren.

 

B''':

#Hans WIRD morgen nach Köln fahren.

Die Antworten in (50) sind nicht ungrammatisch, doch man hat das Gefühl, dass sie nicht recht passen.

Wenn Sätze nicht ungrammatisch, sondern eher inadäquat sind, zeigt man dies durch die Raute # an. Man sagt auch, die Sätze sind markiertMarkiertheit.

Ändert man die Frage, ist ein anderer Satz aus (48) passend, die anderen eignen sich aber wiederum nicht als Antwort (vgl. z.B. (51)).

(51)

A:

Wer wird morgen nach Köln fahren?

 

B:

HANS wird morgen nach Köln fahren.

 

B':

#Hans wird MORgen nach Köln fahren.

 

B'':

#Hans wird morgen nach Köln FAHren.

 

B''':

#Hans WIRD morgen nach Köln fahren.

 

B'''':

#Hans wird morgen nach KÖLN fahren.

Man stellt fest, dass die Sätze völlig akzeptabel sind, wenn man mit der akzentuierten (man sagt auch fokussiertenFokus) Konstituente die Antwort gibt. Nimmt man an, dass das, was durch eine w-Frage erfragt wird, fehlende, unbekannte, unerwartete Information ist, während der Rest des Satzes bekannt, akzeptiert und erwartbar ist, lässt sich über einen Satz wie den zweiten Satz in (52) sagen, dass er in zwei Teile zerfällt.

(52)

A:

Wer wird morgen nach Köln fahren?

 

B:

[Fokus HANS] [Hintergrund wird morgen nach Köln fahren].

Dies ist zum einen akzeptierte und erwartbare Information (wird morgen nach Köln fahren) und zum anderen neue und unerwartete Information (Hans). Eine derartige Gliederung fällt unter die InformationsstrukturInformationsstruktur eines Satzes.

Information der ersten Art gehört zum HintergrundHintergrund, Information der letzten Art zum FokusFokus. Diese Dichotomie von Fokus und Hintergrund stellt eine informationsstrukturelle DimensionInformationsstrukturelle Dimension dar. Notationell kann man die jeweilige Information klammern und durch Indizes auszeichnen (vgl. (52)).

(53)

Charlottes Foto ist schön.

 

 

– Nein, [Fokus CharLOTte] [Hintergrund ist schön].

(Musan 2010: 52)

Aufgrund derartiger Beobachtungen ist vorgeschlagen worden, Fokus nicht als neue Information zu charakterisieren, sondern als Thematisierung von AlternativenThematisierung von Alternativen (vgl. Krifka 2007: 18). Der Fokus legt dieser Ansicht nach Alternativen zu einer im Satz genannten Einheit nahe, die bei der Interpretation der Äußerung eine Rolle spielen.

Über die Natur der Alternativen macht diese Definition keine Aussage und es lassen sich tatsächlich u.a. verschiedene Funktionen von FokusFokusfunktionen unterscheiden (vgl. Krifka 2007: 21ff., Musan 2010: 42f.).

(54)

A:

Was tut weh?

 

B:

[Fokus Mein ZAHN] tut weh.

(55)

A:

Eva hat [Fokus eine RATte].

 

 

B:

Nein, Eva hat [Fokus eine KATze].

(Musan 2010: 43)

(56)

A:

Eva hat [Fokus eine RATte].

 

B:

Ja, Eva hat [Fokus eine RATte].

(57)

Mareike hat [Fokus ein KaNINchen]. Eva hat [Fokus eine KATze].

 

(Musan 2010: 43)

In (54) liefert die fokussierte Einheit als Antwort auf die Frage tatsächlich neue Information, man spricht von einem InformationsfokusInformationsfokus. Die Fokusalternativen werden durch die Frage eröffnet (Zahn, Arm, Bein etc.). In (55) spricht man von einem KorrekturfokusKorrekturfokus. Eine Aussage der Form Eva hat X. muss unmittelbar vorangegangen sein, der korrigierte Ausdruck wird verneint. Ähnlich muss in (56) eine (in diesem Fall genauer die gleiche) Aussage vorangegangen sein. Der fokussierte Ausdruck wird allerdings nicht verneint, sondern bestätigt (BestätigungsfokusBestätigungsfokus). In (57) werden die beiden Fokuseinheiten gegenübergestellt, weshalb man diesen Fall als KontrastfokusKontrastfokus bezeichnet.

(58)

A:

Wen hat Irma eingeladen?

 

B:

Sie hat [Fokus HANS] eingeladen.

Wenn ein Wort, das alleine den Fokus bildet, aus mehr als einer Silbe besteht, erhält diejenige Silbe den Fokusakzent, die den Wortakzent trägt:

(59)

A:

Wen hat Irma eingeladen?

 

B:

Sie hat [Fokus STEfan] eingeladen.

Besteht eine NP aus mehr als einem Nomen, ist zwar auch die Silbe des Nomens akzentuiert, die NP steht aber als Ganzes im Fokus (vgl. (60)).

(60)

A:

Wen hat Irma eingeladen?

 

B:

Sie hat [Fokus ihren SCHULfreund] eingeladen.

Die akzentuierte Silbe bezeichnet man als FokusexponentenFokusexponent. Die Beispiele in (58) bis (60) zeigen, dass der Fokus genauso groß sein kann wie der Fokusexponent, der Fokusbereich aber auch größer sein kann. Dass eine NP im Fokus steht, kann über den Test durch die Bildung einer w-Frage abgeleitet werden. Man kann dies weiterführen und dadurch zeigen, dass auch größere Bereiche eines Satzes ggf. Fokus sein können. In (61) und (62) zeigen die Fragen an, dass die VP bzw. CP den Fokus bildet.

(61)

A:

Was hat Irma gemacht?

 

B:

Sie hat [Fokus ihren SCHULfreund eingeladen].

(62)

A:

Was war los?

 

B:

[Fokus Irma hat ihren SCHULfreund eingeladen].

Wird das Nomen Schulfreund akzentuiert, kann die NP anscheinend alleine den Fokus bilden (enger FokusEnger Fokus), es können aber auch größere Teile des Satzes den Fokus ausmachen (weiter Fokusweiter Fokus). Das Verhältnis zwischen Fokusexponent und Fokusbereich bezeichnet man als FokusprojektionFokusprojektion bzw. FokusvererbungFokusvererbungFokusprojektion. Das heißt, der Fokus wird von dieser Silbe auf größere Teile des Satzes projiziert. Es ist Gegenstand der Forschung, die Bedingungen zu formulieren, unter denen Fokusprojektion möglich ist (vgl. z.B. Selkirk 1995, Büring 2006). Wichtig ist, dass wir sehen, dass Fokus und Akzent nicht stets zusammenfallen.

Fokus ist eine informationsstrukturelle KategorieInformationsstrukturelle Dimension, die nicht notwendigerweise mit AkzentAkzentuierung zusammenfällt, die im Deutschen aber durch Akzent markiert wird.