Cover

Ozzy Osbourne

mit Chris Ayres


OZZY

Die Autobiografie



Aus dem Amerikanischen
von Stephan Gebauer, Heike Schlatterer
und Violette Topalova






WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN

Inhalt

Teil eins: Bühne frei
1 Der Räuber John
2 Ozzy Zig braucht ’nen Gig
3 Die Hexe und der Nazi
4 »Ihr Jungs seid nicht schwarz
5 Wie ich den Vikar ermordete
6 Der Anfang vom Ende
Teil zwei: Zurück auf Los
7 Des Moines
8 Während ich schlief
9 Wo ist die Bar, Betty?
10 Blackout
11 Mal wieder tot
Mein Leben als Patient
Danksagung
Bildnachweis

Danksagung

An meine geliebte Frau Sharon, die immer für mich da ist – ich liebe dich.

 

An meine wundervollen Kinder Aimee, Kelly, Jack, Jessica und Louis.

 

An meine fantastischen Enkel Isy, Harry, Mia und Elijah.

 

An Colin und Mette Newman: Ohne euch hätte ich es nie geschafft.

 

An meine Brüder und Schwestern Paul, Tony, Iris und Gillian, und natürlich insbesondere meine wundervolle große Schwester Jean, die mir mehr zweite Mutter als große Schwester ist. Natürlich auch an meine Schwäger Norman Russell und Tom und meinen Neffen Terry.

 

An meine geliebten Eltern, die mir dieses Leben schenkten.

 

An Gina und Dean Mazlin und ihre Kinder Oliver und Amelia.

 

An meine guten Freunde Billy und Jean Morrison, die mir halfen, den Weg zurück zu finden.

 

An Black Sabbath, meine Freunde fürs Leben: Bill Ward, der mich immer unterstützt hat. Gott möge dich segnen. Tony Iommi und Terence »Geezer« Butler.

 

An meine Angestellten, die zur Familie gehören: Michael Guarracino, seine Frau Denny und sein Sohn Jesse. John Fenton und seine Frau Sandee. Kevin Thomson. Silvana Arena. Lynn Seager. Claire Smith. David und Sharon Godman. Jude Alcala. Bob Troy. Saba. Dari. Trino. Steve und Melinda Varga. Lukey und Scarley Girl (Wer hat das gesagt?).

 

Besonderer Dank an meinen besten Freund Tony Dennis.

 

An meine lieben Freunde Mrs. Delores Rhoads, Pete Mertens, seine Frau Danielle und seine Tochter Phoebe, Gloria Butler und meinen Freund und Co-Produzenten Kevin Churk.

 

An Antonia Hodgson, die mich unaufhörlich gedrängt hat, dieses Buch zu schreiben.

 

An Chris Ayres, meinen Co-Autor. Danke, dass du meine Lebensgeschichte in Buchform gebracht hast. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.

 

An Zakk und Barbaranne Wylde, mein Patenkind Jesse, Haley-Rae und Hendrix Wylde.

 

An meine Band: Mike Bordin mit Familie. Merilee, Abby, Violet, Blasko und seine Frau Carol, Adam Wakeman und seine Familie.

 

Und an alle meine vierbeinigen Engel, die mir jeden Tag das Haus vollkacken.

 

Chris Ayres dankt der Times für ihre Unterstützung bei diesem Buch.

Mein Leben als Patient

Illustration

Hidden Hills, Kalifornien, 2009

Okay, Mr. Osbourne, ich werde Ihnen jetzt eine Frage stellen«, sagte der Arzt. »Haben Sie jemals ›Straßendrogen‹ genommen?«

Es war ein neuer Arzt, den ich aufsuchte, als ich beschloss, clean zu werden. Ich hatte fast vierzig Jahre massiven Alkohol- und Medikamentenmissbrauch hinter mir, also fand ich es angebracht, herauszufinden, wie viel Schaden ich damit angerichtet hatte.

»Nun«, begann ich und hüstelte. »Ich habe mal Hasch geraucht.«

»Und das ist alles?«

»Ja, das ist alles.«

Der Arzt untersuchte mich weiter und konsultierte seine Notizen. Dann hielt er inne. »Sind Sie sicher?«

»Na ja«, sagte ich und hüstelte wieder. »Ein bisschen Speed vielleicht. Aber das ist schon lange her.«

»Also nur Hasch und ein bisschen Speed?«

»Ja, sonst nichts.«

Der Arzt fuhr mit der Untersuchung fort. Aber nach einer Weile zögerte er erneut. »Sind Sie absolut sicher, dass es nur Hasch und Speed waren?«

»Okay, ein paar Nasen Koks habe ich mir früher auch genehmigt«, sagte ich. Langsam kam ich in Fahrt.

»Also Hasch, Speed … und ein paar Nasen Koks?«

»Das dürfte alles sein, ja.«

»Und da sind Sie sicher?«

»Jepp.«

»Ich will nur sichergehen, dass …«

»Zählt Heroin auch?«

»Ja, Heroin zählt auch.«

»Oh. Na, dann auch Heroin. Aber nur ein- oder zweimal.«

»Sind Sie sicher, dass es nur so selten war?«

»O ja. Verdammte Scheißdroge, ehrlich. Haben Sie das Zeug auch mal probiert?«

»Nein.«

»Die Kotzerei hat mir nicht gefallen.«

»Die Übelkeit kann schlimm werden, ja.«

»Schade um den schönen Schnaps.«

»Okay«, fauchte der Arzt. »Ich habe genug von dieser Farce. Gibt es irgendwelche Drogen, die Sie noch nicht genommen haben, Mr. Osbourne?«

Schweigen.

»Nein, soviel ich weiß nicht.«

Schweigen.

Schließlich sagte der Arzt: »Und wie steht’s mit Alkohol? Sie erwähnten, dass Sie trinken. Wie viel trinken Sie täglich?«

»Och, ungefähr vier Flaschen.«

»Bitte ein bisschen genauer.«

»Vier Flaschen Hennessy. Aber das variiert.«

»Inwiefern?«

»Je nachdem, wie lange ich zwischen den Flaschen bewusstlos bin.«

»Und außer dem Hennessy?«

»Bier zählt nicht, richtig?«

Der Arzt schüttelte den Kopf, seufzte tief und rieb sich die Augen. Er sah aus, als würde er am liebsten sofort nach Hause gehen. Dann riss er sich zusammen.

»Rauchen Sie, Mr. Osbourne?«

»Hin und wieder.«

»Was für eine Überraschung. Wie viele pro Tag?«

»So um die dreißig?«

»Welche Zigarettenmarke?«

»Zigarren. Die Zigaretten zähle ich nicht mit.«

Der Arzt wurde immer blasser. Dann sagte er: »Und seit wann ist das Ihr täglicher Drogenkonsum?«

»Welches Jahr haben wir?«, fragte ich.

»2004.«

»Dann seit fast vierzig Jahren.«

»Gibt es noch irgendwelche Krankheiten in Ihrer Lebensgeschichte, von denen ich wissen sollte?«, fragte der Arzt.

»Nun ja«, sagte ich. »Einmal wurde ich beinahe von einem Flugzeug erwischt. Und ich habe mir auf dem Quad-Bike den Hals gebrochen. Außerdem war ich zweimal klinisch tot. Und vierundzwanzig Stunden lang hatte ich auch AIDS. Dann wurde bei mir noch Multiple Sklerose diagnostiziert, aber es waren nur Parkinsonsche Symptome. Früher habe ich mir mal meinen Kehlkopfdeckel zerfetzt. Oh, und ein paar Tripper hatte ich auch. Und einen oder zwei Krampfanfälle, zum Beispiel nach dem Kodein in New York oder den K.-o.-Tropfen, die ich mir in Deutschland selbst verpasst habe. Aber das ist eigentlich alles – es sei denn, Sie zählen den Medikamentenmissbrauch mit.«

Der Arzt nickte.

Dann räusperte er sich, lockerte seine Krawatte und sagte: »Dann habe ich nur noch eine Frage an Sie, Mr. Osbourne.«

»Schießen Sie los, Doc.«

»Warum zum Teufel leben Sie noch?«

 

Er hatte Recht, es gibt keinen plausiblen medizinischen Grund dafür, dass ich noch am Leben bin. Und sogar noch weniger Gründe dafür, dass ich so kerngesund bin. Heutzutage bin ich fit wie ein Turnschuh – ganz ehrlich.

Gut, mein Kurzzeitgedächtnis ist seit dem Quad-Unfall nicht mehr das beste – ich arbeite mit einem Gedächtnistherapeuten daran, es wieder in Schuss zu bringen –, und ich stottere noch ein bisschen. Aber mein Herz ist wirklich in Form, und meine Leber funktioniert einwandfrei. Der Arzt machte eine Million Tests und fand nur einen leicht erhöhten Cholesterinspiegel – was ziemlich normal für einen sechzigjährigen Mann ist, der sich jahrelang nur von Schmalzbroten und Pommes ernährt hat.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nie erwartet hätte, die Sechzig zu überschreiten – und noch weniger, sie als gesunder Mann zu überschreiten. Wenn man mich als Kind mit allen anderen Kindern aus meiner Straße aufgestellt und mich dann gefragt hätte, wer von uns es ins Jahr 2009 schaffen würde, wer von uns fünf Kinder, vier Enkel und Häuser in Buckinghamshire und Kalifornien haben würde, hätte ich nie auf mich gewettet. Ich muss immer wieder darüber lachen, weil in meiner Jugend das gesamte System gegen mich war. Ich wurde mit fünfzehn Jahren aus der Schule geschmissen und konnte keinen Satz zu Ende lesen.

Aber am Ende habe ich triumphiert.

Und jetzt geht es mir hervorragend. Besser als jemals zuvor.

Natürlich habe ich immer noch mit Problemen zu kämpfen. Zum Beispiel habe ich manchmal panische Angst davor, fremde Menschen zu treffen, obwohl das nur phasenweise vorkommt. Und ich bin wahnsinnig abergläubisch. Wenn ich mich im Fitnessstudio abrackere, mache ich grundsätzlich nie dreizehn Wiederholungen. Niemals. Und ich trage unter keinen Umständen die Farbe Grün. Grün jagt mir eine Heidenangst ein. Keine Ahnung, wieso – vielleicht, weil ich einmal ein grünes Auto hatte, das ständig liegenblieb. Außerdem bin ich seit meinem Alkoholentzug ein richtiger Hellseher geworden. Wenn ich zu Sharon sage: »Wie mag es wohl Soundso gehen?« – meist ein Mensch, den ich seit Jahren nicht gesehen habe –, dann ruft dieser Mensch am folgenden Tag aus heiterem Himmel an.

Etwas Ähnliches hatte ich vor Prinzessin Dianas Tod. Eine Woche vor dem Autounfall träumte ich davon. Es war ein so realistischer Traum, dass ich Tony Dennis davon erzählte. Ein paar Tage später starb sie.

»Träum bloß nie von mir«, sagte Tony.

Ich werde immer wieder gefragt, ob ich inzwischen wirklich absolut clean lebe.

Ich kann Ihnen darauf keine befriedigende Antwort geben. Ich kann nur sagen, dass ich heute clean bin. Mehr werde ich niemals vorweisen können.

Aber ich lebe cleaner als in den vergangenen vierzig Jahren, das ist verdammt sicher. Einer meiner letzten Totalabstürze fand vor ein paar Jahren bei einem Konzert in Prag statt. Das Bier schmeckte so verdammt gut, dass ich nicht widerstehen konnte. Außerdem war ich mit meinem Gitarristen Zakk unterwegs, und er ist verdammt gefährliche Gesellschaft für einen Alkoholiker. Der Typ kann saufen wie ein Loch. Er ist eine Saufmaschine. Und wir erlebten einen denkwürdigen Abend. Nachdem wir durch die Bars der Stadt gezogen waren, gingen wir zurück in meine Suite, die im neunten Stock eines schicken Hotelturms lag. Dort stürzten wir uns auf die Minibar. Um ein Uhr morgens fiel mir etwas ein.

»Weißt du, was ich noch nie in meinem Leben gemacht habe?«, fragte ich Zakk.

»Die Liste muss verdammt kurz sein, Mann«, antwortete er.

»Ganz im Ernst, Zakk«, sagte ich. »Eine bestimmte Rock-’n’-Roll-Sache habe ich in all den Jahren noch nie gemacht.«

»Und was?«

»Ich habe noch nie einen Fernseher aus einem Hotelfenster geschmissen.«

»Scheiße, Mann«, sagte Zakk. »Dann sollten wir das schleunigst ändern.«

Wir zerrten also die Glotze aus dem Fernsehschrank und schleppten sie zum Fenster. Dann versuchten wir, das Ding weit genug aufzukriegen, aber es ließ sich nur ein paar Zentimeter weit öffnen. Wir mussten also das Scharnier mit einem Briefbeschwerer kaputtschlagen, damit wir das Fenster so weit aufstemmen konnten, dass ein Flatscreen mit hundert Zentimeter Bilddiagonale durchpasste.

Dann gaben wir dem Gerät einen kräftigen Schubs.

Wuuuuuuschhhh!

Das Teil sauste hinab, am achten Stock vorbei, am siebten Stock, am sechsten Stock, am fünften, am vierten …

»Steht da unten nicht ein Typ mit einer Zigarette?«, fragte ich Zakk.

Der Fernseher fiel immer noch.

»Keine Sorge«, beruhigte mich Zakk. »Der ist weit genug weg.«

BUMMMM!

Es war ein unglaublicher Anblick, wie das Ding explodierte. Heiliger Strohsack! Als wäre eine Bombe auf die Straße geknallt. Der arme Typ, der da draußen eine rauchte, verschluckte vor Schreck beinahe seine Kippe, obwohl er auf der anderen Seite des Platzes stand.

Irgendwann langweilte es uns, die Überreste anzustaunen, also kletterte ich in den Fernsehschrank und tat so, als läse ich die Nachrichten vor. Dann klingelte das Telefon, der Hotelmanager war dran.

»Könnte ich bitte mit Mr. Osbourne sprechen?«, fragte er. »Es gab da einen …Zwischenfall.«

»Er ist nicht hier«, sagte Zakk. »Er hat einen Fernsehauftritt.«

Am Ende gab mir der Manager einfach ein neues Zimmer – das Fenster war ziemlich im Eimer –, und als ich auscheckte, stand auf der Rechnung eine »Sonderleistung«. In Höhe von 38 000 Dollar!

Die Geschäftsleitung rechtfertigte die Summe damit, dass sie behaupteten, das Zimmer könne einen Monat nicht vermietet werden. Bullshit! Zakk brummten sie eine Rechnung über weitere zehntausend Dollar auf. Und für die Getränke aus der Minibar wurden uns tausend Dollar berechnet.

Aber das war die Sache wert.

Als ich die Rechnung bezahlte, wurde mir klar, dass ich nicht länger dieser Mensch sein wollte. Ich war an einem Scheideweg angekommen und fragte mich: Wie willst du weiterleben, Ozzy? Willst du weiterhin mit einem Bein im Grab stehen, bis du wie so viele tragische Figuren aus der Geschichte des Rock ’n’ Roll endest? Oder willst du endlich ein für alle Mal das Bein aus der Grube ziehen?

Ich war ganz unten angelangt. Es hatte zwar vier Jahrzehnte gedauert, aber jetzt war ich endlich dort. Ich hasste alles an mir. Ich hatte schreckliche Angst vor dem Leben und noch mehr Angst vor dem Tod. Und das ist kein schöner Zustand, glauben Sie mir.

Also wurde ich clean.

Zuerst gab ich das Rauchen auf. Ich werde oft gefragt: »Wie zum Henker hast du das geschafft?«, aber ich hatte einfach so die Schnauze voll davon, mir ein Pflaster aufzukleben, es abzunehmen, eine zu rauchen, es wieder anzubringen, dass ich irgendwann dachte: Scheiß drauf!, und einen kalten Entzug machte. Ich hatte einfach keinen Bock mehr auf den ganzen Mist.

Mit dem Schnaps war es genauso. Nachdem ich eine Weile lang nüchtern gelebt hatte, fragte ich Sharon: »Kann ich jetzt mal einen Drink nehmen?«

Sie sagte nur: »Du bist alt genug, selbst Entscheidungen zu treffen.«

»Aber darin war ich noch nie gut«, sagte ich. »Ich entscheide mich immer für das Falsche.«

»Willst du denn einen Drink, Ozzy?«, fragte sie mich.

Und zum ersten Mal in meinem Leben lautete die ehrliche Antwort: »Nein.« Wenn ich früher eine Zeit lang nicht getrunken hatte, fühlte ich mich immer, als würde ich gerade eine Menge Spaß verpassen. Aber jetzt denke ich nur noch daran, dass dieser Spaß immer – und ich meine verdammt nochmal immer – böse endete.

Ich weiß nicht, was ein Pint Bier heutzutage kostet, und ich will es auch nicht wissen. Und das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Pubs früher den Mittelpunkt meines Lebens bildeten. Es interessiert mich einfach nicht mehr. Letzte Woche traf ich im Beverly Hills Hotel Ronnie Wood von den Rolling Stones. Er sah aus, als hätte er einiges getankt. Und ich dachte nur: Verdammte Scheiße, der säuft immer noch. Auch Keith Richards bin ich bei einer Preisverleihung vor kurzem zufällig begegnet. »Wie geht’s dir, Keith?«, fragte ich ihn. »Nicht schlecht für eine lebende Legende«, antwortete er. »Lebend?«, hätte ich beinahe gesagt. »Keith, wir beide sind verfluchte Zombies!«

Viele meiner ehemaligen Saufkumpane bechern immer noch ordentlich. Aber allmählich kommen sie in ein Alter, in dem ihr Körper den Missbrauch einfach nicht mehr wegstecken kann. Ein alter Kumpel starb vor kurzem an Leberzirrhose, und nach der Beerdigung versammelten sich alle im Pub. Da standen sie mit ihren schwarzen Trauerbändern und tranken Guinness mit Rum. »Wollt ihr ihn heute noch einholen, oder was?«, fragte ich sie.

Aber so ist das in England eben: Man geht in den Pub, um das Leben eines Alkoholikers zu feiern, der sich gerade zu Tode gesoffen hat. Die reinste Alkoholikerkultur.

In meiner Jugend dachte ich, die ganze Welt sei ständig besoffen. Dann zog ich nach Amerika und kapierte, dass nur England ständig besoffen ist.

Irgendwann ließ ich auch die Medikamente sein. Abgesehen von meinen Tabletten gegen das Zittern und meinen Antidepressiva bin ich heute eine drogenfreie Zone. Wenn ich zu einem Arzt gehe, sage ich als Erstes: »Hören Sie, Doc, ich bin Junkie und Alkoholiker, also glauben Sie bitte kein Wort von dem Bullshit, den ich Ihnen erzähle.« Tony begleitet mich zu allen Arztterminen, sozusagen als neutraler Zeuge.

Die Medikamente, die ich heute schlucke, haben nicht viele Nebenwirkungen – im Gegensatz zu denen, die mir meine früheren Ärzte verschrieben. Die Antidepressiva haben allerdings meinen Sexualtrieb komplett durcheinandergebracht. Ich kriege zwar einen Ständer, aber das Feuerwerk bleibt aus. Also mühe ich mich wie ein Presslufthammer die ganze Nacht auf Sharon ab, ohne dass irgendwas passiert. Ich habe es auch mit Viagra versucht, aber als die Pillen endlich wirkten, schlief Sharon neben mir schon tief und fest. Also lag ich mit der Zeltstange in meiner Pyjamahose alleine wach und schaute mir den History Channel an. Als ich den Arzt danach fragte, sagte er: »Ehrlich? Sie machen es noch?«

»Ist die einzige verdammte Freude, die mir geblieben ist«, erwiderte ich.

Im Gegensatz zu vielen meiner Altersgenossen hat es mich nie gereizt, mit einer jüngeren Frau durchzubrennen. Worüber sollte ich mit einer Zwanzigjährigen denn reden? Den Immobilienmarkt? Die Lage in Afghanistan? Ich würde mir vorkommen, als rede ich mit einem Kleinkind.

Inzwischen bin ich schon seit mindestens vier oder fünf Jahren clean. Ich zähle nicht mit, und ich kenne auch das Datum nicht, seit dem ich nüchtern bin. Ich laufe schließlich kein Wettrennen. Ich stehe nur jeden Morgen auf und verbringe den Tag, ohne zu trinken und Drogen zu nehmen. Zu den Anonymen Alkoholikern gehe ich immer noch nicht. Das wäre für mich, als würde ich meine Sucht nach Alkohol durch eine Sucht nach diesem Programm ersetzen. Ich will nicht behaupten, dass es nicht wirkt, denn es kann Süchtigen in der Tat helfen. Aber die Veränderung musste aus mir selbst heraus geschehen.

Die Therapie hat mir allerdings sehr geholfen, obwohl ich sie zuerst nicht verstand. Ich beging den gleichen Fehler wie bei der Entziehungskur: Ich dachte, sie würde mich heilen. Aber eine Therapie ist nur dazu da, deine Situation dadurch zu erleichtern, dass du über sie redest. Das nützt eine Menge, denn wenn man Dinge totschweigt, gären sie in deinem Kopf weiter, bis du irgendwann einen Schaden hast.

Ich habe auch einen Unterstützer: Billy Morrison, den Gitarristen von Camp Freddy. Ich habe ihn bei den Anonymen Alkoholikern kennengelernt. Wenn ich das Gefühl habe, ein Joint würde mir jetzt helfen, diesen Song zu schreiben oder irgendwas besser zu verkraften, dann rufe ich Billy an. Und mit ihm kann ich diesen Gedanken überwinden. Er sagt dann: »Zwei Minuten lang wird sich der Joint toll anfühlen, aber am Ende des Tages kippst du dir den Whisky dann wieder flaschenweise in den Hals.« Das System funktioniert, denn Geheimnisse und Lügen führen dich auf direktem Weg wieder zum Schnaps.

Ich selbst kann leider nicht als Unterstützer eingesetzt werden. Es fällt mir zu schwer, Leuten zu vertrauen, und wie gesagt, gehe ich auch nicht zu den Treffen und habe deshalb auch die zwölf Schritte nicht durchlaufen. Die Sache mit Gott stört mich nicht, weil man nicht an Gott glauben muss, um das Programm durchzuziehen. Man muss nur akzeptieren, dass eine höhere Macht existiert – das kann auch die Lampe in der Zimmerecke sein, wenn man will. Manche Menschen nehmen die Natur, das Meer oder ihren Schwanz – alles ist vorstellbar.

Die Sache mit der Nüchternheit ist folgende: Wenn ich jetzt einen Rückfall erleide, kann es gut sein, dass ich daran sterbe. Die Alkoholtoleranz sinkt gewaltig, sobald man mit dem Trinken aufgehört hat. Nach ein paar Drinks wäre ich erledigt. Also gehe ich nur selten aus, wenn ich nicht auf Tournee bin. Das muss ich auch gar nicht: Ich habe meine Frau, meine Freunde, meine Hunde – inzwischen siebzehn Stück – und meine Ländereien. Und ich bin total begeistert von unserem neuen Haus ganz oben in Hidden Hills. Ein richtiges Rockstar-Schloss. Wenn ich im Bett liege und einen Knopf drücke, senkt sich über mir ein riesiger Flatscreen-Fernseher von der Decke. Und die Toiletten – ich wünschte, mein Vater hätte die Toiletten noch ausprobieren können. Als Kind musste ich in einen Eimer pissen, weil wir kein Klo im Haus hatten, und jetzt habe ich diese computergesteuerten japanischen Dinger mit beheiztem Sitz, die deinen Hintern auf Knopfdruck nach der Sitzung waschen und fönen. In ein paar Jahren habe ich wahrscheinlich ein Klo mit einem Roboterarm, der mir die Kacke aus dem Hintern zieht, damit ich mich nicht anstrengen muss.

Kein schlechtes Leben, so betrachtet.

Illustration

Mit Maggie, einem meiner siebzehn Hunde.

Ich habe immer genug zu tun. Zum Beispiel mache ich gerade meinen Führerschein. Klar, ich fahre seit vierzig Jahren Auto – aber es war nie legal, und ich war meistens besoffen. Also will ich es noch einmal korrekt lernen, bevor ich den Löffel abgebe. Mein Fahrlehrer wollte, dass ich in einem Auto mit zwei Lenkrädern übe. Keine Chance. Ich sagte zu dem Typen: »Wir üben in meinem Range Rover, oder wir lassen das Ganze.« Allerdings wäre ich nicht überrascht, wenn er zur nächsten Fahrstunde mit einem Schutzhelm aufkreuzt. Der Typ hält mich für völlig verrückt. Jedes Mal, wenn ich um eine Kurve biege, zuckt er zusammen, als wollte ich gleich mit einem Truck Fangen spielen.

Illustration

Vor Welders House auf meiner Geländemaschine.

Und ich kann es ihm nicht übelnehmen nach allem, was in den letzten vierzig Jahren über mich gesagt und geschrieben wurde. »Er hat einer Fledermaus den Kopf abgebissen.« Okay. »Er hat einer Taube den Kopf abgebissen.« Alles wahr. Aber ich bin weder ein Welpenmörder noch ein Teufelsanbeter oder ein Irrer, der seine Fans in den Selbstmord treiben will. Diese Gerüchte verfolgen mich bis heute. Die Leute übertreiben eben immer, genau wie Kinder in der Schule. Einer sagt: »Johnny hat sich in den Finger geschnitten«, und wenn die Botschaft auf der anderen Seite des Pausenhofs ankommt, heißt es: »Johnny hat sich selbst geköpft.«

Wenn ich heutzutage zu Hause bin, zeichne ich und höre mir mit Kopfhörern alte Beatles-Platten an. Es sind nur Kritzeleien, ich bin wirklich nicht talentiert. Ich male Muster und verrückte Formen in Knallfarben – wie Pop-Art aus den Sechzigern. Das hält mich davon ab, Unsinn zu machen. Außerdem sammle ich Erinnerungsstücke aus der Nazizeit. Ich habe Flaggen, Dolche, Ledermäntel und anderes Zeug – aber ausstellen darf ich die Sachen nicht, denn meiner Frau mit ihren teils jüdischen Vorfahren gefallen sie nicht besonders. Die meisten Stücke, die ich kaufe, enden irgendwann bei Lemmy, der noch mehr auf das Zeug steht als ich. Sein Haus ist abgefahren. Es sieht aus wie ein Museum.

Heute verbringe ich viel mehr Zeit mit meiner Familie als in den alten Sauftagen. Aimee, Kelly und Jack geht es prächtig. Und ich treffe auch Jess und Louis sehr häufig. Die beiden haben Thelmas Intelligenz geerbt: Jess ist Schadengutachterin, und Louis hat Jura studiert. Die beiden haben mir vier Enkel geschenkt, eine irre Sache. Und ich spreche immer noch jeden Sonntag mit meiner älteren Schwester Jean. »Was gibt’s Neues?«, frage ich sie jedes Mal. »Alles klar bei euch?«

Illustration

Arm in Arm mit meinen Schwestern. Von links: Gillian, ich, Iris und Jean.

Illustration

Sharon, die an meinem Sechzigsten im Dezember 2008 versucht, mich vom Messer fernzuhalten.

Illustration

Meine unglaubliche Familie.

Zwischen mir und den Jungs von Black Sabbath gibt es kein böses Blut mehr, auch wenn wir uns im Moment darüber streiten, wem der Name gehört. Ich bin der Meinung, er gehört uns allen zu gleichen Teilen. Wir werden sehen, was passiert, aber ich hoffe, die Sache klärt sich friedlich, denn ich habe einen unglaublichen Respekt vor Tony Iommi. Mit Geezer habe ich schon lange nicht mehr geredet – er hat immer noch ständig ein Buch vor der Nase –, aber Bill und ich haben den Kontakt gehalten. Er ist seit fünfundzwanzig Jahren nüchtern und clean. Und wenn man ihn vor einem Vierteljahrhundert gekannt hat, dann ist das ein waschechtes Wunder.

Illustration

Black Sabbath wird in die Hall of Fame aufgenommen. Von links nach rechts: Ich, Tony und Bill.

Ich für meinen Teil will einfach für den Rest meines Lebens Rockmusiker bleiben. Meine Fernsehkarriere ist definitiv beendet, ich mache nur noch gelegentlich Werbung, wenn ich das Konzept witzig finde. Früher fand ich es furchtbar, wenn die Leute mich nicht verstanden haben, aber inzwischen habe ich das zu meinem Markenzeichen erhoben. Ich übertreibe mein Genuschel häufig sogar, denn die Menschen erwarten das von mir.

Ich würde gerne noch ein Nummer-eins-Album in die amerikanischen Charts bringen, aber falls es nicht klappt, kann ich mich trotzdem nicht beschweren. Ich habe quasi alles andere erreicht. Ich bin unglaublich dankbar, dass ich bin, hier lebe und mein Leben immer noch genießen kann.

Illustration

Im April 2002 bekomme ich einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame. Von links nach rechts: Jack, Marilyn Manson, ich, Robbie Williams und Kelly. Ich will gar nicht wissen, woran Marilyn gerade denkt.

Illustration

Ich und mein größter Fan.

Selbst wenn ich morgen sterben sollte, hatte ich ein erfülltes und reiches Leben. Mein einziger Wunsch ist, dass man die Maschinen abschaltet, falls ich irgendwann hirntot in einem Krankenhausbett liegen sollte. Aber ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird. Wie ich mich kenne, sterbe ich durch einen total dämlichen Unfall. Ich werde auf der Treppe ausrutschen und mir den Hals brechen. Oder an einem Hustenbonbon ersticken. Oder mir von einem Vogel, der mich anscheißt, einen fiesen außerirdischen Virus einfangen. Man muss sich nur ansehen, was mit dem Quad-Bike passiert ist. Seit Jahrzehnten nehme ich tödliche Mischungen aus Schnaps und Drogen zu mir, aber ich sterbe beinahe, weil ich mit fünf Stundenkilometern über ein Loch in der Wiese hinter meinem Haus fahre.

 

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich denke nicht täglich daran, wie ich aus dieser Welt scheiden werde. Ich glaube inzwischen, dass alles im Leben vorherbestimmt ist. Wenn einem etwas Schlimmes zustoßen soll, kann man ohnehin nichts daran ändern. Und irgendwann wird der Tod zu mir kommen, genau wie zu allen anderen Menschen.

Ich habe Sharon gebeten, meinen Leichnam nicht verbrennen zu lassen. Ich will in der Erde ruhen, in einem schönen Garten unter einem Baum, der auf mein Grab gepflanzt wurde. Am liebsten wäre mir ein Holzapfelbaum, dann könnten die Kinder Most aus den Früchten machen und damit auf mich anstoßen.

 

Und ich mache mir keine Illusionen darüber, was auf meinem Grabstein stehen wird.

Wenn ich die Augen schließe, sehe ich es vor mir:

 

Ozzy Osbourne, 1948 bis irgendwann.
Er hat einer Fledermaus den Kopf abgebissen.

Bildnachweis

1: (unten) © Neil Preston/Corbis

2: (oben) © WireImage; (unten) © Michael Putland/ Retna

3: (oben links) © Chris Walter/Photofeatures/Retna; (oben rechts) © Chris Walter/WireImage; (unten) © Richard E. Aaron/Redferns/Getty Images

4: (oben) © Michael Putland/Retna UK; (unten) © Richard E. Aaron/Redferns/Getty Images

5: (oben) © Chris Talter/WireImage; (unten) © Jon Sievert/Getty Images

 

6: (unten) © Preston/Retna UK

7: (unten) © David McGough/Time & Life Pictures /Getty Images

8: (oben und unten) © London Features International

9: (unten) © Lynn Goldsmith/Corbis

10: (oben) © London Features International

11: (oben) © Ron Galella/WireImage; (unten) © Rex Features

 

12: (oben) © Ann Clifford/Time & Life Pictures/ Getty Images; (unten links und rechts) © David McGough/Time & Life Pictures/Getty Images

13: (oben) © Terry Smith/Time & Life Pictures/ Getty Images; (unten) © David McGough/Time & Life Pictures/Getty Images

14: (unten) © George Chin

15: (oben) © Joe Giron/Corbis; (unten) © Christina Radish/Redferns/Getty Images

16: (oben) © Mick Hutson/Redferns/Getty Images; (unten) © Christina Radish/Redferns/Getty Images

17: (oben und unten) © Mark Leialoha

18: (oben) © Rex Features; (unten) © Getty Images

 

19: (oben) © Vince Bucci/Stringer/Getty Images; (unten) © Albert L. Ortega/WireImage

20: (oben) © Getty Images; (unten) © George Chin

21: (oben) © George Chin

22: (oben links) © Rex Features; (oben rechts und unten) © Frank Micelotta/Stringer/Getty Images

23: (unten) © Advertising Archives

24: (oben links) © George Chin; (unten) © Getty Images

25: (mitte) © Frank Micelotta/Stringer/Getty Images