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Astrid Leila Bust
Bjørn Thorsten Leimbach

Zueinander finden

Wege zu einer befreiten Partnerschaft

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Inhalt

Vorwort

Einführung

Partnerschaftsmodelle im Wandel

Allein zu leben ist zur Normalität geworden

Soziale Medien reduzieren die soziale Kompetenz

Schnelllebigkeit als Hinderungsgrund für eine stabile Beziehung

Unverbindlichkeit und Bindungsangst erschweren das Zusammenleben

Beziehungs-Dynamik statt Status quo

Mangelnde Vorbilder

Ohne Vater aufgewachsen

Karriere, Küche, Kinder – und die Erstarrung der Beziehung

Aus der Balance gekommen: Partnerschafts-Burn-out

Rollenkonfusion

Für die Singles unter den Lesern: So nutzen Sie die Chancen der Single-Zeit!

Endlich wieder ein Paar!

Beziehungs-weise: Bausteine für das Gelingen der Partnerschaft

Ich, Du & Wir

„Komm her!“ – „Geh weg!“: Die Balance zwischen Nähe und Distanz

Ganz nah oder ganz fern

Sich auf Augenhöhe begegnen

Mutter-Sohn- und Vater-Tochter-Beziehung

Die Sexualität bleibt auf der Strecke

Die unerlöste Liebes-Bindung an Mutter oder Vater

Den Partner groß sein lassen

Die Kindheitstrance beenden

Selbstliebe und Akzeptanz als Mann oder Frau

Von der Außenorientierung zur Innenschau

Frieden schließen mit sich selbst

Wertschätzung des anderen Geschlechts

Die erotische Beziehung pflegen

Offene und wahrhaftige Kommunikation

Den anderen akzeptieren

Schicksalhafte Partnerschaften – wie die Biografie unsere Beziehungen prägt

Was beeinflusst unser Verhalten in Beziehungen?

Die Macht der Glaubensmuster

Nur, wer sich vom elterlichen Einfluss löst, wird in Beziehungen frei

Nicht richtig getrennt und verabschiedet – Phantompartner

Schicksalsgemeinschaft

Das Gewissen

Gewissen in der Partnerschaft

Der Wunsch nach Ausgleich

Schuld und Sühne

Wie man alte Schuld auflösen kann

Der Partner als Projektionsfläche

Die Opfer- und Täter-Dynamik

Jedes Opfer braucht einen Täter

Ein Kreislauf von Angriff und Verteidigung

Wie Gewalt entsteht

Versöhnung

Das herkömmliche Verständnis von Vergebung

Radikale Versöhnung

Die menschliche und die spirituelle Welt

Das Resonanzprinzip

Das Spiegelprinzip

Karma: Ursache und Wirkung

Der „Versöhnungsprozess“: Ein Weg zur Ablösung und Versöhnung

Die Hintergründe des Versöhnungsprozesses

Die Katharsis alter Emotionen

Wertschätzung

Die Niederwerfung

Ent-Schuld-igung

Der Versöhnungs-Prozess in der Praxis

Voraussetzungen

Innere Haltung und Bereitschaft

Vorbereitung

1. Phase: Energieaufbau

2. Phase: Katharsis

3. Phase: Innerer Abstand

4. Phase: Wertschätzung

5. Phase: Geständnis

6. Phase: Frieden

Allein oder mit dem Partner?

Den Geschlechterkampf beenden

Positive Verstärkung

Quellen und Hinweise

Impressum

Vorwort

Rainer Maria Rilke

Aus „Traumgekrönt“

Und wie mag die Liebe dir kommen sein?

Kam sie wie ein Sonnen, ein Blütenschnein,

Kam sie wie ein Beten? – Erzähle:

Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los

Und hing mit gefalteten Schwingen groß

An meiner blühenden Seele …

Schon wieder so ein Beziehungsratgeber! Vielleicht haben Sie schon einige Bücher zum Thema Partnerschaft gelesen. Vielleicht sind Sie jedoch trotz aller guten Ratschläge immer noch unglücklich in Ihrer Beziehung. Oder Sie haben derzeit keinen Partner und sind deshalb nicht glücklich mit Ihrem Liebesleben und auf der Suche nach der oder dem Richtigen. Vielleicht fragen Sie sich, ob sich ein weiterer Ratgeber wirklich lohnt. Was soll Ihnen die Lektüre bringen? Weitere Tipps? Ein wenig Trost? Noch mehr schlaue psychologische Erklärungen, die Ihnen darlegen, wie Sie den richtigen Partner finden oder Beziehungsprobleme lösen? Praktische Verhaltensregeln für den Umgang mit dem anderen Geschlecht? Unsere Erfahrung ist, dass Bücher, die diese Themen bearbeiten, bei den Leserinnen und Lesern vor allem das angenehme Gefühl erzeugen, sich mit dem Thema beschäftigt zu haben. Aber diese Freude ist nur von kurzer Dauer. Die wirkliche Veränderung im Beziehungsalltag bleibt aus.

Wir arbeiten als Paar- und Sexualtherapeuten seit fast zwanzig Jahren mit Menschen, die mit allen Arten von Beziehungsproblemen in unsere Praxis und zu unseren Seminaren kommen. Bislang suchten etwa 10 000 Menschen bei uns Rat und Unterstützung – sowohl Singles als auch Paare. In diesem Buch haben wir unsere konkreten Erfahrungen für Sie ausgewertet. Das wichtigste Resultat: Unsere Erkenntnisse aus der praktischen Arbeit mit Menschen sind mit den meisten Mainstream-Beziehungsratgebern nicht kompatibel. In unserer Arbeit kratzen wir nicht nur an der Oberfläche, sondern wir initiieren tief greifende Prozesse, die in der Psyche und Persönlichkeit der Seminarteilnehmer wirken und zu echten Veränderungen im Denken, Fühlen und Handeln führen. Unser Buch beschäftigt sich insofern mit den tiefer liegenden Gründen, die Beziehungsprobleme verursachen oder dazu führen, dass Menschen erfolglos einen Partner suchen.

Folgende Fragen finden wir besonders relevant und analysieren sie auf den folgenden Seiten detailliert:

Warum bleiben immer mehr Menschen Single und warum gelingt ihnen keine längere Partnerschaft?

Warum werden Beziehungen immer kürzer und schwieriger?

Warum leben sich Paare auseinander?

Warum verlieren viele Paare nach einiger Zeit den Zugang zu Liebe und Sexualität miteinander?

Wie löst man sich endgültig aus einer intensiven emotionalen Bindung an einen Ex-Partner?

Wie befreit man sich von alten belastenden Gefühlen wie Enttäuschung, Verletzung oder Misstrauen, die häufig aus vergangenen Beziehungen stammen und in die neuen Partnerschaften mitgeschleppt werden?

Unserer Erfahrung nach geht eine verbindliche Partnerschaft weit über die traute Zweisamkeit hinaus. Natürlich suchen zwei Liebende zunächst einen regen Austausch, genießen eine lustvolle Intimität und die Bewunderung und Anerkennung füreinander. Gerade zu Beginn einer Partnerschaft, in der Phase des Verliebtseins, erleben die meisten Menschen intensive Gefühle und sehr glückliche Momente zusammen. Doch schon nach kurzer Zeit zeigen sich im nahen Zusammensein auch bei beiden Partnern Anteile der Persönlichkeit, die das unbeschwerte Liebesgefühl stören. Man merkt, dass man sich nicht immer nur aufs Wundervollste ergänzt, sondern zum Teil auch sehr unterschiedlich ist, vielleicht sogar völlig konträr. Man merkt auch schnell, dass diese Unterschiedlichkeit zu Konflikten führen kann.

Schwierige persönliche Eigenschaften, die sich manchmal auch erst im Laufe der Jahre zeigen, können die Verbindung besonders stark belasten. Dazu gehören übertriebene Eifersucht oder Bindungsängste, Minderwertigkeits- oder Schamgefühle, Unsicherheiten, ein starkes Abgrenzungsbedürfnis oder Kontrollsucht. Die meisten Liebenden tendieren dazu, diese Konfliktpotenziale abzulehnen, zu ignorieren oder zu verdrängen, so lange es geht. Menschen möchten lieber eine unkomplizierte und romantische Liebe erleben, statt sich mit den unliebsamen Facetten des anderen oder den eigenen Schattenseiten zu beschäftigen. Doch unserer Meinung nach liegt der tiefere Sinn der Liebesbeziehung gerade darin, dass sie uns Menschen die Gelegenheit gibt, auch mit unseren unliebsamen Persönlichkeitsanteilen in Kontakt zu kommen. Denn gerade in einer von Liebe getragenen Partnerschaft können wir erfahren, dass wir uns verändern und unsere Persönlichkeit entwickeln können. Dieses heilsame und transformative Potenzial der Liebe ist unserer Ansicht nach fest mit der Fähigkeit des Menschen zu lieben verbunden. In der Liebe können wir lernen, welche Freude es macht, zu geben, ohne eine Gegenleistungzu erwarten. Lieben heißt wahres Geben. In der Liebe können wir uns selbst im Spiegel des anderen erkennen und uns gegenseitig unterstützen. In der Liebe werden wir kreativ und entwickeln gemeinsame Visionen von unserem Leben. Wir erleben Dankbarkeit und Erfüllung, wenn wir die Geschenke des anderen empfangen. Unsere Beziehungen sind der Schlüssel zu Erfüllung und Lebensfreude. Sie geben uns Richtung, Bedeutung und Tiefe in unserem Leben. Sie sind das Lebenselixier, das alle Bereiche unseres Lebens beeinflusst und uns vorwärts bringt: Wer Liebe und Partnerschaften leben kann, lebt sexuell erfüllter und gesünder, wird kreativer und erfolgreicher sein, sich als selbstsicherer erleben und auch im Auftreten nach außen souveräner sein.

Dabei werden Beziehungen nur erfüllend sein, wenn beide Partner sich öffnen und einbringen können. Wer emotional verletzt ist oder ein gebrochenes Herz hat, liebt nur halbherzig und lässt den anderen nicht wirklich an sich heran. Die Balance in der Beziehung ist auch nicht stimmig, wenn einer der Partner sehr distanziert und abgegrenzt ist, wenn einer sich extrem abhängig und bedürftig fühlt und verhält oder wenn ein Partner eigensüchtig oder narzisstisch ist. Auf Dauer werden in solch einer Partnerschaft beide Menschen unzufrieden oder sogar krank. Wer das Übel bei der Wurzel fassen möchte, muss sich seinen Persönlichkeitsanteilen zuwenden, die einer erfüllten Partnerschaft im Wege stehen. Unserer Meinung nach zeigen sich die unliebsamen Aspekte unserer Persönlichkeit sogar genau deshalb in Beziehungen, weil sie erkannt und gelöst werden möchten. Wer echte und tragfähige Beziehungen leben möchte, kommt deshalb nicht darum herum, sich mit sich selbst und allen Facetten seines Wesens auseinanderzusetzen. Dies gilt auch für Menschen, die darunter leiden, dass ihnen nur kurzfristige Beziehungen gelingen und sie die meiste Zeit allein durch das Leben gehen. Auch sie dürfen sich fragen, welche unbewussten Motive und Überzeugungen sie dazu veranlassen, ein Leben zu kreieren, in dem sie ungewollt allein sind.

Die Persönlichkeitsmuster und Wesensmerkmale jedes Menschen bilden sich bereits in der Kindheit heraus. Wie wir uns in unserer Ursprungsfamilie fühlen und welche Dynamiken dort zwischen den Familienmitgliedern wirken, prägt uns unser ganzes Leben lang. Die Erfahrungen aus der Kindheit und die emotionale Atmosphäre in unserer Herkunftsfamilie beeinflussen – meist auf einer unbewussten Ebene – auch unser Liebesleben, auf welche Partner unsere Wahl fällt, ob wir überhaupt einen Partner finden und welche Dynamiken und Themen unsere Beziehungen prägen. Unserer Arbeit mit Klienten und unserem Buch liegt diese sogenannte „systemische Betrachtungsweise“ von Partnerschaften zugrunde. Sie geht weit über die zwei Menschen, die eine Partnerschaft eingehen, hinaus und berücksichtigt Bezugssysteme wie die Ursprungsfamilie oder andere prägende Beziehungen aus der Vergangenheit, wenn es darum geht, den Ursachen für die typischen Probleme einer Person in Beziehungen auf den Grund zu gehen. Anhand von konkreten Beispielen aus unserer Beratungs- und Seminarpraxis zeigen wir mögliche Ursachen für Probleme mit Beziehungen auf und geben Ihnen Erklärungen für typische Dynamiken, Schwierigkeiten oder Konflikte in Partnerschaften. Für Singles legen wir die tiefenpsychologischen Gründe dar, warum sie ungewollt allein sind oder keine dauerhafte Verbindung gelingt.

Einen der Hauptgründe für Krisen und letztendlich das Scheitern einer Beziehung sehen wir in den „Altlasten”, die jeder in die Partnerschaft mitbringt. Das können nicht verarbeitete Trennungen von Ex-Partnern sein, aber auch eine starke emotionale Bindung an die Eltern oder andere Verwandte. Diese meist unbewussten Verstrickungen mit der Vergangenheit machen es oftmals schwer oder sogar unmöglich, sich auf eine verbindliche Partnerschaft einzulassen. Im Laufe der Arbeit mit vielen Klienten haben wir in den letzten Jahren eine Methode entwickelt, mit der sich Menschen aus alten Verwicklungen und emotionalen Bindungen lösen können: Der „Versöhnungsprozess“. Dieses Verfahren klärt und reinigt Beziehungen in radikaler und tiefgreifender Weise und hilft vergangene Bindungen dauerhaft aufzulösen. Sie können damit sowohl aktuelle als auch Beziehungen aus der Vergangenheit klären, sich von ihnen befreien und emotionale Blockaden auflösen. Diese Ablösung von alten Bindungen erscheint uns eine wesentliche Voraussetzung, um wirklich frei zu sein für eine glückliche und dauerhafte Liebesbeziehung.

Am Ende des Buches finden Sie eine Anleitung für den von uns entwickelten „Versöhnungsprozess“. Wir begleiten seit Jahren Menschen in Beratungen, Therapien und Seminaren durch diesen Prozess und sehen, dass er nachhaltig wirkt und erstaunliche Veränderungen bewirken kann. In diesem Buch stellen wir den Versöhnungsprozess zum ersten Mal der Öffentlichkeit im Detail vor. Sie finden im Kapitel „Der Versöhnungsprozess“ eine detaillierte Anleitung, mit der Sie das effektive Verfahren, mit dem Sie sich von ungewollten emotionalen Verbindungen und Blockaden befreien, auch zu Hause allein durchführen können. Ergänzend können Sie eine CD mit eigens für diesen Prozess konzipierter Musik und Anleitung erwerben (Bezugsquelle am Ende des Buches).

Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre, viele Erkenntnisse über sich und Ihre Beziehungen und wir hoffen, mit diesem Buch dazu beizutragen, dass Sie mehr Frieden, Leichtigkeit und Freude in Ihrem Leben und in Ihren Partnerschaften erleben.

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Astrid Leila Bust
Bjørn Thorsten Leimbach

Einführung

Die Liebesbeziehung in einer verbindlichen Partnerschaft ist immer noch die stabilste Lebensform, die uns Menschen Zuwendung, Körperkontakt, Austausch, Liebe und Sexualität gewährleistet. Trotz ihrer durchaus auch schwierigen Momente und Phasen ist das Leben in einer Zweierbeziehung doch ein Konzept, das unserem Bedürfnis nach Bindung und Stabilität im Leben entgegen kommt. Eine verbindliche Liebesbeziehung stellt uns immer wieder vor Herausforderungen, an denen wir persönlich wachsen und reifen können. Auch schwierige Facetten unserer Persönlichkeit können wir im Miteinander mit einer geliebten Person anzunehmen lernen, und traumatische Erlebnisse aus der Kindheit können überwunden werden und in gewisser Weise heilen.

Wenn wir lieben, wird es uns leicht ums Herz, und unser ganzes Wesen erstrahlt. Denn dann lieben wir auch immer uns selbst. In der Liebe kommen unsere allerbesten Möglichkeiten und Fähigkeiten zum Vorschein. Die Liebe berührt uns zutiefst in unserem Wesen, holt uns aus der Routine des Alltags heraus und ermutigt uns, über persönliche Begrenzungen hinauszugehen und uns auf das Abenteuer von Nähe und Intimität einzulassen. Der Partner, den wir lieben, spiegelt uns unbekannte und verborgene Aspekte unserer Persönlichkeit, die nur dann zutage treten, wenn zwei Menschen sich in der Tiefe aufeinander beziehen. Im anderen suchen wir die Antwort auf unsere tiefsten essentiellen Fragen und Bedürfnisse. Wir wollen erkannt und anerkannt werden als die, die wir sind, mit all unseren Fähigkeiten und unserem ganzen Wesen. Wir wollen lieben, uns mitteilen und uns in Tiefe verbinden. Wir wünschen, dass jemand an unserer Seite ist in guten und in schlechten Zeiten. Unabhängig von den Unwägbarkeiten und Veränderungen des Lebens suchen wir in der Liebe die Konstante in unserem Leben, die uns trägt und dem Leben einen Sinn gibt. Wir suchen den Spiegel, in dem wir uns erkennen und reflektieren können. Wir sehnen uns nach jemandem, der zu uns steht, uns beschützt und uns das Gefühl gibt, nicht allein durchs Leben zu gehen. Mit dem Liebespartner stillen wir auch unser Bedürfnis nach Körperkontakt, Berührung und Sexualität. Die körperliche und emotionale Intimität mit dem Partner gibt uns die Möglichkeit, uns ganz zu schenken, loszulassen und uns in der Seele berühren zu lassen. Wenn man sich die verschiedenen Bedürfnisse anschaut, die Menschen dazu motivieren, Liebesbeziehungen einzugehen, wird deutlich, dass diese Bedürfnisse grundlegend in jedem Menschen verankert und unverzichtbar für ein erfülltes Leben sind.

Die meisten Menschen haben heute mehr als eine Partnerschaft in ihrem Leben. Demnach haben die meisten auch schon mindestens eine Trennung hinter sich. An jede neue Liebesbeziehung aber knüpft man die Hoffnung, dass es dieses Mal besser wird. Doch allzu häufig wird die Hoffnung enttäuscht: Der Partner entpuppt sich als jemand anderes, als es zu Beginn der Beziehung schien. Diese Enttäuschung zeigt sich in vielfältiger Weise: Man fühlt sich unverstanden, die persönlichen Bedürfnisse werden nicht so erfüllt wie gewünscht. Manche fühlen sich eingeengt und ziehen sich zurück. Andere fühlen sich nicht mehr gesehen und zurückgesetzt. In manchen Beziehungen scheint einer der Partner plötzlich den anderen zu dominieren, der andere fühlt sich verletzt. Nicht selten ist auch das Phänomen, dass einer der Liebenden unersättlich nach körperlichem Kontakt und Sex ist, während der andere dieser großen Intimität längst überdrüssig ist und sich zurückzieht. All dies zu erleben, führt unweigerlich zu einer Desillusionierung. Man wird sich der Tatsache bewusst: Auch in dieser Partnerschaft werden nicht alle Hoffnungen und Wünsche erfüllt werden. Das Fatale: Viele Menschen interpretieren diesen kritischen Punkt einer Partnerschaft als Zeichen dafür, dass man eben doch nicht so gut zusammen passt, sich vielleicht in der Partnerwahl geirrt hat. Die Wahrheit ist jedoch: Kein Paar bleibt von dieser Desillusionierung verschont, nachdem die Verliebtheitsphase abgeflaut ist und die Beziehungspartner wieder in der Realität der Begrenzungen ihrer Persönlichkeit und im Alltag ihres Lebens landen.

Liebesbeziehungen sind wie Parabolspiegel unserer eigenen Persönlichkeit. Wenn wir verliebt sind, projizieren wir die wundervollen und liebenswerten Aspekte von uns selbst auf den anderen – und sie werden verstärkt zurückgestrahlt. Wir sehen das im anderen, was wir an positivem Potenzial und Entwicklungsmöglichkeiten in uns selbst haben. All die nicht gelebten wunderbaren Gaben und Qualitäten in uns, die wir nicht entwickeln konnten, entdecken und bewundern wir im Gegenüber: Wir lieben den Humor des anderen, den wir auch in uns selbst haben, aber nicht ausleben. Wir bewundern seine Tatkraft und lassen uns davon mitreißen, trauen uns endlich Dinge, die wir schon immer tun wollten. Wir lieben die Empathie des Partners und werden selbst mitfühlender oder seine Neugier hilft uns, unseren Blick für das Ungewohnte zu öffnen. Wir fühlen uns endlich komplett – zur Vollständigkeit ergänzt durch unseren Liebespartner. Deshalb blühen Menschen so auf und sind voller Lebensfreude, wenn sie frisch verliebt sind.

Wenn die Zeit des „Honeymoon“ zu Ende geht, erleben die Liebenden allerdings ein böses Erwachen. Denn alle negativen Aspekte des Gegenübers, die vorher schlicht nicht zu existieren schienen, treten nun in den Vordergrund. Denn auch in Bezug auf die schwierigen Facetten unserer Persönlichkeit wirkt unser Partner wie ein Parabolspiegel. Ist die erste Verliebtheit abgeflaut, sehen wir in ihm all die Aspekte unserer Persönlichkeit überdeutlich, die wir selbst an uns ablehnen und nicht mögen: das eigene unerfüllte Liebesbedürfnis, Selbstkritik und Zweifel, Ängste und alte Verletzungen. In dem Maße, wie vorher die eigenen Sonnenseiten und Potenziale durch den Liebespartner gespiegelt und verstärkt wurden, sieht man nun die eigenen Schattenseiten übergroß im anderen. Diese psychologischen Gesetzmäßigkeiten der Liebe sind jedoch den wenigsten bewusst. Wie selbstverständlich schreibt man die negativen Eigenschaften, die nun sichtbar werden, dem Partner zu. Eine selbstbewusste und unabhängige Frau kann in der Partnerschaft scheinbar plötzlich zu einer kleinen, unselbstständigen Prinzessin werden. Die ausgeglichene Frau tritt dem Partner als streitsüchtige Zicke gegenüber. Der anfangs humorvolle Märchenprinz wandelt sich in der Beziehung zum arroganten, unreifen Schnösel, der starke Mann zum weinerlichen Mamasöhnchen. Die anfangs lebendige und lustvolle Sexualität wird immer mehr zum K(r)ampf.

Manchmal kann dies schon der Anfang vom Ende sein. Wenn die Bindung noch nicht sehr fest ist und keine Kinder da sind, liegt es nahe, die Lösung für das Problem in einer Trennung zu sehen. Anders als noch vor zwanzig Jahren gibt es heute in unserer Gesellschaft eine große Toleranz für Trennungen, und sowohl die eigene Familie als auch Freunde zeigen Verständnis, wenn man wieder „seinen eigenen Weg“ gehen will. Liebespaare gehen heute sehr viel häufiger als in früheren Zeiten wieder auseinander. Ein Grund für diese hohe Akzeptanz mag sein, dass immer mehr Menschen bereits die Trennung der eigenen Eltern erlebt haben oder das Zerbrechen von Ehen im Freundeskreis. Trennungen gehören immer selbstverständlicher zur Realität unserer Partnerschaften.

Dennoch verursacht jede Trennung Schmerz und Trauer, Schuld- oder Schamgefühle. Wo bleiben die Menschen mit ihren Gefühlen? Haben Sie einen Raum oder Menschen, bei denen Sie diese Gefühle ausdrücken können? Den meisten fehlt unserer Erfahrung nach diese Möglichkeit. Und häufig verarbeiten die Menschen ihre Trennungen deshalb nicht wirklich, bleiben auf einer emotionalen Ebene mit dem Ex-Partner verbunden, auch wenn sie schon lange kein Paar mehr sind. Die emotionalen Verwicklungen und energetischen Bindungen an den Ex-Partner verhindern, dass man wirklich frei wird. Vielmehr entsteht mit der Zeit ein unbewusstes, teils chaotisches, energetisches Geflecht von ungeklärten Bindungen an ehemalige Partner und Themen aus der Vergangenheit. Das spüren manche Menschen und warten nach einer Trennung einige Jahre, bis sie sich auf eine neue, verbindliche Liebesbeziehung einlassen. Manchmal reicht dieser zeitliche Abstand tatsächlich, um die Bindung und die Erlebnisse mit dem Ex-Partner in guter Weise zu verarbeiten und sich mit einem freien Herzen auf eine neue Beziehung einzulassen. Häufig heilt die Zeit zwar einige Wunden – aber die Verbindung mit dem Ex-Partner ist oft noch sehr stark, und es reicht der zeitliche Abstand allein nicht, um sich von ihm zu lösen – und so wird er als unbewusst mitgeschlepptes Gepäck in eine neue Liebesbeziehung mit eingebracht. Dann beeinflussen die alten emotionalen Verwicklungen eine neue Partnerschaft gravierend. Auch die nicht geklärten Beziehungen zu den eigenen Eltern können einen starken Einfluss auf die Partnerschaft ausüben.

Vor allem eine Krise in einer Paarbeziehung konfrontieren beide Partner mit diesen mitgeschleppten Gefühlen und Verstrickungen mit Ex-Partnern oder der Herkunftsfamilie. Und oftmals erscheint es dann leichter, die Beziehung zu beenden, statt sich die Themen und unreflektierten Beziehungsbande aus der Vergangenheit, die jeder Partner in die Liebe mitbringt, anzuschauen. Denn nach der Trennung kommt die Hoffnung – und man kann sich erwartungsvoll auf einen neuen Partner einlassen, der neues Glück und Verliebtheit verspricht. Oftmals scheint dies der leichtere Weg zu sein, um dem Ziel einer gelingenden Partnerschaft näher zu kommen. Allerdings nur auf den ersten Blick. Denn auch in dieser Partnerschaft wird nach der Phase der Verliebtheit die Desillusionierung kommen.

Als Alternative zur Trennung möchten wir in diesem Buch Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie alte Verstrickungen lösen, sich von den emotionalen Banden aus der Vergangenheit befreien und Ihre Partnerschaft trotz Krisen konstruktiv fortführen können. Unserer Erfahrung nach führt dieser Weg zu einer wirklich tiefen und herzlichen Verbindung mit dem Partner.

Es gibt nur noch wenige Vorbilder für langjährige Beziehungen, und die meisten Menschen haben wenig Wissen darüber, wie man mit Schwierigkeiten oder Krisen in Beziehung umgehen kann. Dabei sind Krisen unvermeidlich in einer Liebesbeziehung. Heute vielleicht noch mehr als in den Generationen vor uns. Denn die Herausforderungen, denen sich Männer und Frauen in einer Partnerschaft zu stellen haben, sind vielfältig, oftmals verzwickt und schwer zu durchschauen. Dazu gehören auch die verschiedenen Aspekte der Beziehungsdynamik, ungelöste Bindungen an frühere Partner oder die Herkunftsfamilie, unverarbeitete emotionale oder körperliche Verletzungen. Manche Partner tragen schwerwiegende Schicksale in eine Beziehung hinein, wie beispielsweise der Verlust oder der Tod eines geliebten Menschen. Wenn dieser Verlust nicht bewältigt wurde, wird er die Beziehung stark beeinflussen.

Beziehungen sind also häufig vorbelastet und die Versuchung, sich bei Schwierigkeiten zu trennen, ist groß. Auf den ersten Blick scheint dies ein gangbarer Weg in der modernen Gesellschaft. Doch die Realität zeigt, dass die Tendenz, sich relativ schnell wieder zu trennen, dazu führt, dass viele Menschen nicht die Liebesbeziehung leben, die sie sich wünschen: Eine stabile, verlässliche Liebesbeziehung. Vielmehr sind sie immer wieder erstaunt, dass sich der Kreislauf aus Hoffnung und Enttäuschung aufs Neue wiederholt. Denn die ungelösten Themen und emotionalen Verstrickungen aus der Vergangenheit zeigen sich in jeder nächsten Beziehung, in einem anderem Gewand. Wer schwierige Themen immer meidet, an kritischen Stellen stets die Reißleine zieht und wegläuft, der läuft letztendlich stets vor sich selbst und der eigenen Vergangenheit davon, die ihn doch immer wieder einholt.

Wer diese schwierigen Themen von Anfang an vermeiden will, lässt es gar nicht erst zu großer Nähe und Intimität kommen. Meist geschieht dies nicht bewusst. Vielmehr steuert die große Angst vor diesen Themen das Verhalten und Empfinden eher unbewusst. Man geht unverbindliche Affären oder nur seltene Kontakte ein und verhindert auf diese Weise, dass sich bestimmte Themen und Konflikte in der Beziehung überhaupt zeigen. Doch auf Dauer wird ein solches Beziehungsleben langweilig und unbefriedigend, weil es an der Oberfläche bleibt und wirkliche persönliche Entwicklung genauso wie gemeinsames Wachstum in einer Partnerschaft verhindert.

Mit diesem Buch möchten wir Lösungsmodelle für partnerschaftliche Konflikte und Krisen geben sowie Singles helfen, ihre Beziehungsfähigkeit zu verbessern und einen passenden Partner zu finden. In allen Fällen ist es dafür notwendig, sich aus alten Verstrickungen zu lösen.

Im Kapitel „Partnerschaftsmodelle im Wandel“ analysieren wir zunächst, wie die gesellschaftlichen Bedingungen und Einflüsse auf eine Partnerschaft wirken und inwiefern sich das Beziehungsverhalten in Partnerschaft und Ehe verändert hat. Denn viele Menschen fühlen sich in einer Ehekrise oder nach einer Trennung als persönliche Versager und sehen sich mit ihrer Vision einer lebenslangen Ehe und Familie gescheitert. Hier erscheint es uns zunächst wichtig, die subjektive Erfahrung des Scheiterns vor dem Hintergrund unserer gesellschaftlichen Entwicklungen zu relativieren. Wir zeigen auf, warum es in unserer Gesellschaft immer schwieriger wird, eine langjährige – oder gar lebenslange – glückliche und monogame Partnerschaft zu leben. Trennung, Scheidung, Patchworkfamilien und mehrere Partnerschaften sind zu einer gesellschaftlichen Realität geworden, die immer mehr Menschen betrifft – persönlich oder zumindest im Familien- und Freundeskreis.

Im Kapitel „Beziehungs-weise“ geht es um die Dynamik in Partnerschaften. Verbindliche Beziehungen haben ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten und Phasen, unabhängig von dem, was die Partner ganz individuell an Themen mit hineinbringen. Denn obwohl wir die Verbindung mit dem anderen suchen, erschaffen wir oft Trennung und Streit. Obwohl wir alle eine tiefe Sehnsucht nach Eins-Sein haben, leben wir in der Polarität, die uns gerade in der Partnerschaft oftmals viele Probleme bereitet. Wir suchen uns selbst im Spiegel des anderen und lehnen dann doch ab, was wir dort sehen. Wir wollen selbständig und erwachsen sein und werden dann doch mit unseren kindlichen Verletzungen und Erwartungen an den anderen konfrontiert. Wir möchten den Partner annehmen, wie er ist, und ertappen uns dann doch wieder dabei, wie wir ihn für unser Leid beschuldigen. Wer aus dem Muster von Projektion auf den Partner und anschließender Enttäuschung aussteigen will, der wird im Kapitel „Beziehungs-weise“ Erklärungen, neue Sichtweisen und eine Anleitung dafür finden, wie Partnerschaft funktionieren kann und welche Störfaktoren und Herausforderungen zu meistern sind. Wer bereit ist, aufzuhören, mit dem Finger auf den (Ex-) Partner zu zeigen, und ihn für Konflikte, unangenehme Gefühle oder das Zerbrechen der Partnerschaft verantwortlich zu machen, der wird hierfür ein Verständnis und konkrete Empfehlungen finden.

Im Kapitel „Schicksalhafte Partnerschaft“ beschäftigen wir uns damit, inwiefern das Schicksal und Faktoren, die über das Individuum hinausführen, in eine Partnerschaft mit hineinspielen. Nach welchen Faktoren sucht man sich – meist unbewusst – seinen Partner aus und wodurch entsteht eine tiefere Bindung und Liebe mit einem Menschen? Zum Schicksal, das in die Liebesbeziehung hineinwirkt, gehört die Verstrickung des einen oder anderen Partners in Ereignisse aus seiner Herkunftsfamilie, die manchmal weit zurückliegen und daher vergessen wurden. Belastende Erlebnisse, die in der Familie verleugnet und unterdrückt wurden, können sich in Schuld- und Schamgefühlen, Depressionen oder innerem Rückzug ausdrücken und eine Partnerschaft sehr belasten. Auch ungelöste Bindungen an frühere Partner, persönliche Schuld oder Krankheit gehören zum Schicksal, das das Paar auf die Probe stellt. Solche Themen binden die Lebensenergie des einen oder anderen in der Zweisamkeit, die dann nicht mehr für das gegenwärtige gemeinsame Leben zu Verfügung steht.

Im Kapitel „Versöhnung“ geht es darum, die Leserin und den Leser aus der Opferhaltung herauszuführen und ihnen zu zeigen, dass sie in ihrem Leben Wahlfreiheit haben und Verantwortung übernehmen müssen. Viele Menschen beklagen ihr Leben oder ihre Beziehung, machen andere Menschen, vorzugsweise den Partner, das Schicksal, den Zufall oder den lieben Gott für ihre Gefühle und Erlebnisse verantwortlich. Die Probleme, die sie haben, liegen aus ihrem Blickwinkel immer außerhalb von ihnen selbst, schuld sind immer die anderen. Aus dieser Opferhaltung heraus entstehen viele Probleme. Jedoch ist diese Opferhaltung nicht nur ein individuelles Problem. In unserer Gesellschaft ist es völlig normal, in den Kategorien Opfer und Täter zu denken und dementsprechend bei Schwierigkeiten einen Schuldigen zu suchen, der für das Geschehen verantwortlich ist und die Schuld zu begleichen hat. Schuld an der weitverbreiteten Opferhaltung ist also in gewisser Weise auch unser kollektives Bewusstsein, das den Opferstatus in jedem von uns aufrecht zu erhalten sucht und uns in den Kategorien von Schuld und Sühne denken lässt. Hier bieten wir als Autoren des Buches eine radikale und neue Sichtweise an, wie man sich selbst und das Leben begreifen kann. Diese Sichtweise stärkt die Selbstverantwortung und ist weitaus konstruktiver als die Opferhaltung. Mit dem „Versöhnungsprozess“ haben wir ein Verfahren entwickelt, das jedem Menschen dazu verhelfen kann, die Opferrolle aufzugeben und die Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen. Die Versöhnung, die durch den Versöhnungsprozess bewirkt wird, geht allerdings weit über das herkömmliche Vergeben hinaus. Diese Art von Versöhnung bereitet vielmehr einem ganz neuen Verständnis den Weg, um mit Konflikten, Problemen und Projektionen in Beziehungen, aber auch darüber hinaus mit dem ganzen Leben umzugehen.

Im Kapitel „Der Versöhnungsprozess