Der Essay «Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen?» erschien unter dem Titel «What if We Stopped Pretending? The climate apocalypse is coming. To prepare for it, we need to admit that we can’t prevent it» am 8. September 2019 in der Zeitschrift «The New Yorker».
Das Interview «Das Spiel ist aus. Der Petro-Konsumismus hat gewonnen», das Wieland Freund mit Jonathan Franzen führte, wurde am 26. Juli 2019 in der «Literarischen Welt» erstmals abgedruckt und vom Autor für die vorliegende Ausgabe leicht überarbeitet.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Februar 2020
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«What if We Stopped Pretending?» Copyright © 2019 by Jonathan Franzen
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Covergestaltung Anzinger und Rasp, München
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ISBN 978-3-644-00787-1
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ISBN 978-3-644-00787-1
Gemeint ist der Essay «Die Klima-Klemme». In Jonathan Franzens Essaysammlung Das Ende vom Ende der Welt trägt er den Titel «Rette, was du liebst» (A.d.Ü.).
Am 3. Juni 2019, fünf Monate nach dem Ende des trockensten Jahres, das Berlin seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erlebt hat, und fünf Monate bevor die Vereinigten Staaten ihren Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen einleiteten, fuhr ich mit meinem Freund Andreas Meißner, Geschäftsführer der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg, von Berlin nach Jüterbog. Es war extrem heiß, und wir beschlossen, in der kleinen Stadt ein spätes Mittagessen zu uns zu nehmen, bevor wir in das Kerngebiet der Stiftungsfläche Jüterbog weiterfuhren – ein phantastisches, weitläufiges Wildnisgebiet mit nachwachsendem Wald, in dem Wölfe, Rothirsche und etliche, in Deutschland seltene Brutvögel wie die Nachtschwalbe und der Wiedehopf zu Hause sind. Wir hatten vor, vom späten Nachmittag bis in den Abend hinein Vögel zu beobachten.
Als wir auf einem sandigen Weg in das Naturschutzgebiet hineinfuhren, sahen wir aus dem Nadelwald vor uns eine finstere Rauchsäule aufsteigen. Andreas telefonierte und erfuhr, dass zwei Löschfahrzeuge der örtlichen Feuerwehr bereits vor Ort seien. Wir rasten den Sandweg entlang, bis wir an einen breiten Streifen Land kamen, den die Schutzgebietsverwalter als Brandschneise angelegt hatten. Die Lufttemperatur betrug nahezu vierzig Grad. Ein kräftiger, trockener Südwind trieb das Feuer geradewegs auf die Fahrzeuge zu, die auf der Nordseite der Brandschneise angehalten hatten. Als Andreas und ich bei den Feuerwehrleuten eintrafen, sahen wir den schwarzen Rauch in riesigen Wolken auf uns zu kommen. Weiter hinten im Wald gingen Bäume explosionsartig in Flammen auf, von einem Augenblick auf den anderen waren ihre grünen Zweige komplett orange. Unmittelbar bevor das Feuer die Schneise erreichte, kam eine Heidelerche aus dem Wald geflattert und flog im Bogen auf die Lichtung, höchstwahrscheinlich gab sie ihr Nest auf. Der Rauch und die Hitze waren enorm, doch am beängstigendsten war die Geschwindigkeit, mit der das Feuer sich ausbreitete. Während Andreas, die Feuerwehrleute und ich uns auf einen sichereren Beobachtungsposten zurückzogen, sprangen die Flammen einfach über die Schneise und in den Kiefernwald nördlich von uns.
In Deutschland gibt es nur noch sehr wenig wilden Wald. Als das Jüterboger Feuer sechs heiße Tage später unter Kontrolle gebracht und gelöscht war, hatte es fast 750 Hektar verschlungen. Ich war nach Berlin gekommen, um über Klimawandel und Naturschutz zu sprechen – es ging mir darum, dass wir über unserer Beschäftigung mit dem Klima nicht die gleichermaßen akute globale Krise der Artenvielfalt vergessen sollten –, aber das Inferno, das ich miterlebt hatte, machte die Sache für mich komplizierter. Auch wenn das Feuer nicht zweifelsfrei dem Klimawandel zugeschrieben werden konnte, waren die schwerwiegende Dürre, die 2018 in Deutschland geherrscht hatte, und die extreme Hitze im Sommer 2019 doch eindeutige Vorboten künftiger Katastrophen. Dass unsere Zukunft düster aussieht, war mir schon vorher klar gewesen, aber erst als ich jene Bäume in Flammen aufgehen sah, erst als ich sah, wie machtlos die Feuerwehrleute und Schutzgebietsverwalter im Kampf gegen die Naturgewalten waren, erfasste ich auch emotional, wie schnell die Katastrophen näher kommen. Das Bild, das haften blieb, war die Geschwindigkeit.