Üwwer’s Wasser dänzle
Üwwer’s Wasser dänzle
25 biwwlische Gschichte
nei verzählt im symbadische Kurpfälzisch
vum Mundartpfarrer
Oskar Ackermann
Fotos aus de Region vum
Michael Anselm
© 2019 Oskar Ackermann
Redaktion: Wiebke Möhr-Ackermann
Fotos: Michael Anselm
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44,
22359 Hamburg
ISBN
Paperback ISBN |
978-3-7497-8032-7 |
Hardcover ISBN |
978-3-7497-8033-4 |
e-Book ISBN |
978-3-7497-8034-1 |
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Kapitel I |
Babylonisch’s Gebabbel |
Kapitel II |
Sara zieht mit |
Kapitel III |
Jakob – vum Erzgauner zum Erzvadder |
Kapitel IV |
D’Rut will unner d’Haub |
Kapitel V |
Hanna singt wie e Engele |
Kapitel VI |
Awwel dud’s |
Kapitel VII |
Du bischd bei mer (Psalm 23) |
Kapitel VIII |
Absalom verrennt sisch |
Kapitel IX |
Was macht de Daniel in de Lööwegrub? |
Kapitel X |
Sannsche geht bade |
Kapitel XI |
Jona will nix wie weg |
Kapitel XII |
Elsbeth löffelt weiße Kees aus ihrm Haffe |
Kapitel XIII |
D’Weihachtsgschicht |
Kapitel XIV |
Wer macht jetzerd die Kass? |
Kapitel XV |
Geb endlisch Ruh! |
Kapitel XVI |
Sin des wirklisch mei Kinner? |
Kapitel XVII |
Pass doch uff! |
Kapitel XVIII |
S’Ledzschde gewwe |
Kapitel XIX |
Mer muss sisch bloß z’helfe wisse |
Kapitel XX |
Bartimäus muss jetzerd saumäßig brielle |
Kapitel XXI |
De Kephas dud üwwer’s Wasser dänzle |
Kapitel XXII |
Rachel dud’s verspreche |
Kapitel XXIII |
Paulus sieht jetzerd sein neie Weg |
Kapitel XXIV |
Kephas hipfd üwwer sein Schatte |
Kapitel XXV |
So solld’er bete |
Worterklärungen
Biblische Fundstellen
Über den Autor
Vorwort
„Uff de Gass“ lernte ich als Kind die Kurpfälzer Mundart, zu Hause wurde in der Regel Hochdeutsch gesprochen. „Uff de Kanzel“ predigte ich im Mai 1989 zum ersten Mal auf Kurpfälzisch. Ich verstand es zunehmend zu schätzen, dass die Mundart eine lebendige Sprache mit aussagekräftigen und einfachen Bildern ist, die viele Zwischentöne und Andeutungen ermöglicht und näher am Leben der Menschen ist.
Meine mundartliche Heimat sehe ich in Mosbach-Neckarelz in der sog. Kleinen Kurpfalz, wo die Familie meiner Mutter seit Jahrhunderten ansässig ist. Wenn ich in meiner Universitätsstadt Heidelberg bin, den Neckar rieche und die bewaldeten Höhen des Kleinen und des Großen Badischen Odenwalds sehe, fühle ich mich ganz einfach glücklich.
In 36 Berufsjahren als Pfarrer lernte ich viele Teile der badischen Heimat kennen und schätzen: das Neckartal und den Kraichgau, das Murgtal und Baden-Baden, das Wiesental im Südschwarzwald und zuletzt das Kurpfälzer Kernland mit Brühl. Überall begegnete ich Menschen, die ihre jeweils eigene Muttersprache pflegten. Wenn ich mit ihnen ins Gespräch kam, nahm ich gerne die Eigenarten und Redewendungen ihres Dialekts auf. So kam es, dass meine Mundart sich nicht allein auf einen Ort festlegen lässt. Die anderen badischen Regionen sind immer noch herauszuhören. Ich sage darum gerne, dass ich ein „symbadisches“ Kurpfälzisch pflege.
Für die Umsetzung in Schriftform erfand ich eigene Regeln, die ich aber nicht immer konsequent eingehalten habe.
Insgesamt siebzehn Jahre war ich im südbadischen Wiesental, der Heimat des Johann Peter Hebel, tätig. Die alemannische Mundart hörte ich zunächst einmal nur staunend, lernte aber bald, sie zu verstehen und dann auch etwas zu sprechen. Die Selbstverständlichkeit, mit der dort dieser Dialekt auch bei offiziellen Anlässen verwendet wird, faszinierte mich. Ich lernte im Wiesental zwei Pfarrer kennen, die auch auf Alemannisch predigten. Das ließ in mir einen geheimen Wunsch aufkommen. Ich erfüllte ihn mir, als im Mai 1989 meine Mutter an einem Sonntag Geburtstag hatte und ich darum in meiner Heimatgemeinde Neckarelz den Gottesdienst in der Martinskirche übernahm. Während meiner Predigt wechselte ich zur Überraschung der Gemeinde in die heimatliche Mundart über. Zahlreiche Rückmeldungen bestärkten mich. Nur meine Mutter meinte: „Muss des sei?!“
Im Sommer 1990 zog ich vom badischen Oberland zurück ins Unterland nach Brühl. Hier begann ich im Mai 1991 zu bestimmten Gelegenheiten in Kurpfälzer Mundart zu predigen. Im Lauf der Jahre sammelten sich 32 Predigten an, die ich in insgesamt 23 Gemeinden der Kurpfalz hielt. Im Oktober 2017 beendete ich nach 50 Jahren endgültig meinen Predigtdienst. „Nix wie weg“ hieß das Thema meiner letzten Mundartpredigt über den Propheten Jona. Ich beherzigte damit den altbewährten Rat, mit einer Sache aufzuhören, solange sie (noch) gut und schön ist.
Die Idee, Teile meiner Mundarttexte zu veröffentlichen, trug ich lange mit mir herum. Im Frühjahr 2018 wurde die Planung zu diesem Buchprojekt konkret. Ich begann, die Hälfte meiner Mundartpredigten zu kürzen und zu biblischen Nacherzählungen umzuarbeiten. Einige Geschichten schrieb ich ganz neu. Sie haben zwar noch einen biblischen Bezug, sind aber in freier Phantasie ausgestaltet. Ein Prediger ist zur Texttreue verpflichtet, ein Erzähler darf sich Freiheiten erlauben.
ALTE BRÜCKE & SCHLOSS | HEIDELBERG
Zu meiner großen Freude konnte ich Michael Anselm zur Mitarbeit an dem Buchprojekt gewinnen. Er ist seit vielen Jahren ein exzellenter Fotograf, dessen Arbeiten ich sehr schätze. Gemeinsam entwickelten wir das Konzept für die Bilder in diesem Buch. Es sind in der Regel aktuelle Aufnahmen aus der Region in und um Brühl und Schwetzingen, die alle einen – manchmal verdeckten – Bezug zu den Erzählungen haben.
Meine Frau Wiebke war von Anfang an in mein Vorhaben mit eingebunden. Mit ihrer fachlichen Kompetenz gab sie mir manchen Rat, übernahm redaktionelle Aufgaben und stellte zuletzt eine druckfertige Vorlage zusammen. Ich bin ihr wie auch Michael Anselm zu großem Dank verpflichtet.
Ich wünsche allen, die dieses Buch in die Hand nehmen, viel Freude und manches Schmunzeln beim Lesen der Texte und Betrachten der Fotografien. Es möchte anregen zum Nachdenken „über Gott und die Welt“, zum Erinnern an bekannte und vielleicht vergessene biblische Geschichten. Vielleicht erinnert es auch daran, dass unser Glaube uns befähigen kann, wie ein Kephas-Stein „üwwer’s Wasser z’dänzle“.
Brühl / Baden, im November 2019
I
Babylonisch’s Gebabbel
De Turmbau vun Babel
Als alles vor gonz langer Zeit ogfange hod, do hawwe sich die paar Mensche, die’s gewwe hod, gut mitenanner verstanne. Es gab bloß ä Sprooch. Die Familie sin immer größer gworre. Jäger un Sammler ware se. Un so sin die eene do un des annere dort hänge gbliewe an jeweils annere Ort.
Dann uff ä Mol sächd sich so en Stamm: Mir suche uns ganz neie Siedlungsplätz, wu mer besser lewe kenne. Alla, Leit, mir gehe jetzerd Rischdung Oste. Des war die erschd Völkerwanderung. Sie sin gloffe, hawwe gsucht, Entbehrunge uff sich gnomme, Hunger un Dorschd ghabt, bis se was Gscheits for sisch gfunne hawwe: e groß Ebene, die Talebene im Land Schinar, des mer aa Zweistromland heiße dud. Die Menschheitsgschicht hod so in de Biwwel ihrn erschde geografische Fixpunkt gkriegt.
War des e Freud for den Stamm, dass se sich jetzerd do hawwe wohlfühle kenne. Noch ner Weil üwwerlege se sich: Wemmer schun do bleiwe welle, dann baue mir uns was, ebbes was gonz Großes. Do sage e paar kreative Köpp: Aus dem Lehm, den mir in de Flußewene gfunne hawwe, konn mer was Neues mache – so was wie Stoiner: den Lehm in kleene Stickle forme, streichle, brenne un schun hod mer Zieggel, mit dene was gebaut were konn. Des is viel oifacher als Stoiner z’sammle oder aus em Fels z’breche. Un donn hawwe mer noch was entdeckt: Erdharz, Asphalt, des is besser als Mörtl. Was kenne mer dodemit mache?
Sie hawwe ned long üwwerlege müsse: Mir baue uns jetzerd Häuser, feschde Häuser, e groß Stadt soll’s were. Wohnraum for alle, e Dehoim, wu mer zsamme un sicher lewe kenne, sei Ruh hod un gschützt is. Alles werd greglet, alles soll sei Ordnung hawwe. Un wenn mer scho dabei sin beim Baue, muss aa noch en große Turm her. Kee Wachtürmle, nee, en gonz große Turm, dem sei Spitz soll hoch naus gehe – bis in de Himmel nuff. Alles soll er üwwerrage. Mer sod aa noch viel später sage: Die Bauleit, die des gschafft hawwe, die hawwe ihr Sach kenne, so was Gwaltisches und Mächdisches; dene ihrn Nome muss mer sich merke. Un so hawwe se ogfange, mordsmäßig zu schaffe. Klor, so sage se sich, mir kriege des hi, des gonz Große, mir älloi.
Doch bei dene Allmachtsphantasie is ne ned in de Sinn kumme, dass do noch ebber sei keend, der wu mäschdischer is als sie. Der im Hinnergrund de Herr is üwwer alle un alles, de Schöpfer un Vollender vun allem, was is, was war un was sei wird. Korzum: Gott.
„Der Herr im hohen Himmel wacht“ heißt’s in dem Lied „Kein schöner Land“. Des stimmt. Drum sächd sich de Herrgott: Do unne bei de Mensche dud ebbes was schebb laafe! Ich geh hordisch mol runner un du nochgugge, was die alles so treiwe.
MERKURTEMPEL I SCHLOSSGARTEN SCHWETZINGEN
Gott guggt sich des alles gnau o, macht sisch sei Gedanke üwwer des, was die Strewer do alles rumwerkle un treiwe, un kummt zu dem Entschluss, dass des so ned weiter gehe konn. Un er lässt seine Gedanke glei Tate folge. Er dud jetzerd in seiner groß Vollmacht handle, die er hod. Er regiert un reagiert, bevor sich d'Mensche in ihre Allmachtsphantasie selwer zgrund richte. Er will se vor sich selwer schütze. Die Mensche, dene er bei de Schöpfung so viel mitgewwe hod, so viel Fähischkeite, Kreatives un aa ebbes was Göttlisches. Die Mensche awwer gehe dodemit ned gut um. Sie sin lieblose Egoiste gwore. Gott sieht voraus: Des mit dem Turm un de Stadt, des is nur de Ofang. Wenn die sich immer eenisch sin un so viel Macht, Wisse un Könne sisch bei ganz wennische konzentriere dud, do muss was schief laafe. Es geht d’gut Ordnung verlore: Rücksicht, Toleranz un Liewe bleiwe uff de Streck. De Herrrgott hod e Ahnung, dass er mit de Mensche noch viel Zoores hawwe werd, weil die uff de Erd unne liewer verrückt spiele als sich an des zu halte, was er ihne an Gutem ogebote hod. Odder welle se gar ihn abserviere?
Es war donn koi Dunderwetter, mit dem er dezwische fahre dud. Un es is koi Blut gflosse. Er dud oifach ihr Sprooch dorchenanner wirble. Jedes babbelt uff ä Mol ganz annerschd.
Mir kenne uns des so vorstelle: Als se am Morje wieder an ihr Ärwet gehe, entsteht uff de Großbaustell e saudumms Kuddelmuddel:
„Nu gugg ä Mol! Die krieschen geen rischdisches Wort raus!“
„Pfui Deifi! Was moinschd? Kriegschd glei a Waotschn!“
„He, horsch ä Mol, wenn du mit deim blöd Gebabbel ned uffhöre duschd, falle glei fünf Zieggel uff doin Quadratschädel!“
„Na wat’en, wat’en! Mensch Meester, ick vasteh nur Bahnhof!“
„Jo nai, so öbbis, mir chönne die Lüt gar nümme verstoh!“
„So'n Schietkrams, de sin ol duun.“
„Mir kehret uns en Dreck drum, was die so saudomm deherschwätzet. Mir machet dapfer weiter: Schaffe, schaffe, Türmle baue.“
Oh babbel-mer-doch-keen-schwätz-mer-ned! Do gibt’s aa for d’Schwobe nix mehr zu schaffe. Des Kuddelmuddel is z'groß. Werkzeig un Zieggel, Stange un Küwwel liege kreuz un quer rum. Drum ziege alle Leit frustriert fort, jedes wu annerschd no. Zrückbleiwe die halwe Häuser `un vor allem de ogfangene große Turm.
Mer hod später soddische Tempeltürm gfunne zsamme mit große Paläst – un zwar in de Stadt Babel, die noch später Babylon heiße dud. So is die ganz alte Gschicht zu ihrm Nome kumme: Turmbau vun Babel.
Beim allererschde Pfingschdfeschd domols in Jerusalem hawwe die Mensche wieder erfahre, dass se dursch de heilische Geist üwwer die Grenze vun Länder un Sprooche kumme un in de Liewe sisch wieder verstehe kenne.
AUSGIESSUNG DES HEILIGEN GEISTES | FLÜGELALTAR SCHUTZENGELKIRCHE BRÜHL