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Rafael Bienia (Hrsg.)

LARPokalypse

Aufsatzsammlung zum MittelPunkt 2019

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Rafael Bienia (Hrsg.)

„LARPokalypse – Aufsatzsammlung zum MittelPunkt 2019“

Copyright © 2019 Zauberfeder GmbH, Braunschweig

Herausgeber: Rafael Bienia

Lektorat: Rafael Bienia

Autoren: Björn Ole-Kamm, Ferenc Kántor, Wanja Neite, Alexinara Phoenix, Dominik Rehermann, Daniel Steinbach, Daniela Vocke, Jorma Vogel

Titelbild: Moritz Jendral, Motiv: Melanie R. als Tillmann „Der Techniker“

Satz und Layout: Heike Philipp, Christian Schmal

Herstellung: Tara Tobias Moritzen

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Verlags in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

ISBN: 978-3-96481-002-1

www.zauberfeder.de

Hinweis:

Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr.

Autoren und Verlag bzw. dessen Beauftragte können für eventuelle Personen-, Sach- oder Vermögensschäden keine Haftung übernehmen.

LARPOKALYPSE

AUFSATZSAMMLUNG ZUM MITTELPUNKT 2019

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INHALT

Vorwort

• Gutes Spiel ist nicht genug – die Bedeutung von Reflexionen und Workshops bei Edu-Larps und Serious Games (Dominik Rehermann)

• Das Ventil Larp – Entspannung und Herausforderung neben einem stressigen Alltag (Alexinara Phoenix)

• Memento Mori: Die Großen Alten in Japan (Björn-Ole Kamm)

• Playing History – Drama Games und Rollenspiel in der historisch-politischen Bildungsarbeit (Felix Kántor)

• Realer Mehrwert? Live-Action-Role-Play als Methode in der Sozialen Arbeit (Jorma Vogel, Daniela Vocke)

• Es gibt immer einen Hub – Der Raum im Live-Rollenspiel (Wanja Neite)

• Escape Rooms und Live-Rollenspiel (Daniel Steinbach)

Literatur: Lesenswert

DANKSAGUNG

Ein besonderer Dank gilt, neben dem Deutschen Liverollenspiel-Verband e.V. und dem Team des MittelPunkt 2019, den Sponsoren Andracor, Burgschneider, Lost Ideas, Mittelalterlive, der Phönix Carta und Troll Factory, die dieses Buch erst ermöglicht haben.

VORWORT ZUR LARPOKALYPSE

EINE FRAGE VORAB

Auf jedem Mittelpunkt, den ich besuche, stelle ich gerne die provozierende Frage, wozu man Larp erforschen sollte. Warum ausgerechnet Larp, wenn es andere Hobbies gibt, die mehr Menschen berühren? Ist Live-Rollenspiel nicht etwa gleich bereichernd wie Fußball oder Bücherklub? Was bietet Larp als wissenschaftlicher Gegenstand, dem man seine Zeit widmen möchte, um darüber zu schreiben oder diesen Band zu lesen? Was macht Larp aus, dass es wert wäre, sich damit auseinanderzusetzen?

Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes geben ihre eigenen Antworten, indem sie Aspekte von Larp hervorheben, die bisher nicht in dieser Form diskutiert wurden. Ihre Beiträge sollen dazu anregen, die eigenen Vorstellungen über den arrivierten Forschungsgegenstand Larp zu erweitern und zu hinterfragen.

BEITRÄGE KURZ VORGESTELLT

Zu jedem Beitrag folgen die Nennung der Autorin oder des Autors, der Titel, sowie eine kurze Zusammenfassung.

Autor: Dominik Rehermann

Titel: Gutes Spiel ist nicht genug – die Bedeutung von Reflexionen und Workshops bei Edu-Larps und Serious Games

Kurz: Edu-Larps und Serious Games stellen Orgas vor zusätzliche Herausforderungen, wenn es um das Vermitteln von Lerninhalten geht. Der Beitrag zeigt anhand der Cognitive Load Theory, wo Probleme entstehen können – und dass es manchmal sinnvoller sein kann, am Spiel zu sparen als an der Vor- und Nachbereitung.

Autorin: Alexinara Phoenix

Titel: Das Ventil Larp – Entspannung und Herausforderung neben einem stressigen Alltag

Kurz: Für alle Teilnehmenden bedeutet das Vorbereiten eines Cons „Stress“, wie Stress in den sozialen Medien diskutiert wird, aber was alle wissen oder zumindest spüren ist, dass Larp gut hilft, mit dem persönlichen Stress im Alltag umzugehen. Wie das funktioniert und welche Anreize Larp bietet, stellt dieser Beitrag vor.

Autor: Björn Ole-Kamm

Titel: Memento Mori: Die Großen Alten in Japan

Kurz: Im Bereich des analogen Rollenspiels in Japan ist das Horror-Genre nach wie vor ein zentraler Knotenpunkt im Netzwerk, ein Türöffner für die interaktive Realisierung von Geschichten durch Spiele. Dies hat dazu beigetragen, dass immer mehr japanische Spielerinnen und Spieler auf Larp aufmerksam wurden, von denen viele dann zu Fantasy wechseln. Dieser Beitrag gibt einen detaillierten Einblick in die Larpkultur in Japan und die intermedialen Verknüpfungen, die zu einer Verbreitung von Horror-Rollenspielen im Allgemeinen und Larp im Speziellen beigetragen haben.

Autor: Ferenc Kántor

Titel: Playing History – Drama Games und Rollenspiel in der historischpolitischen Bildungsarbeit

Kurz: Der Beitrag stellt die Frage, wie wir mit Geschichte im Larp umgehen. Grundsätzlich ist es ein großer Unterschied, ob historisch angelehntes Larp im Freizeitbereich gespielt wird, oder ob Spiele geschrieben werden, die konkret einen historischen Bildungsanspruch haben. Um sich aus diesem Spannungsfeld zu lösen, wurde die Entscheidung getroffen, einen Beitrag zu leisten, der sich gezielt an Akteure richtet, die sich mit politisch-historischer Bildung, Dramagames und Edu-Larp beschäftigen und historische Themen in ihren Spielen aufgreifen. Überdies wird sich der Frage genähert, welche übergeordneten Themen des historischen Lernens im Rahmen eines Rollenspiels aufgegriffen werden können und welche Risiken in der Anwendung der Methode liegen können.

Autoren: Daniela Vocke und Jorma Vogel

Titel: Realer Mehrwert? Live-Action-Role-Play als Methode in der Sozialen Arbeit

Kurz: Ausgehend vom Grundverständnis von Spiel zeigen Vocke und Vogel, welche Aspekte von Larp in der Sozialen Arbeit fruchtbar eingesetzt werden können. Der Beitrag fasst die Ergebnisse eines Forschungsprojekts zusammen, welches im Rahmen des Studiums der Sozialen Arbeit durchgeführt wurde. Die Fragestellung war, ob sich Larp als Methode in der Sozialen Arbeit eignet und inwieweit bisherige Erkenntnisse aus den Bereichen Edu-Larp und Erlebnispädagogik in einen pädagogischen Kontext gefasst werden können.

Autor: Wanja Neite

Titel: Es gibt immer einen Hub – Der Raum im Live-Rollenspiel

Kurz: Kaum ein Raum ist so dynamisch wie die Spielumgebung eines Live-Rollenspiels. Die speziellen Anforderungen an diese Räume sind hoch und vielseitig, bergen aber in ihrer Dynamik auch besonderes Potential. Dieser Aufsatz ergründet einführende Ideen und Strategien zur Inszenierung und Steuerung von Live-Rollenspiel-Sets und stellt ein definierendes Vokabular vor. Damit entsteht ein Grundhandwerkszeug, um szenografische Designentscheidungen im Larp zu strukturieren und zugänglich zu machen.

Autor: Daniel Steinbach

Titel: Escape Rooms und Live-Rollenspiel

Kurz: Escape Rooms sind momentan ein beliebter und gut besuchter Freizeittrend, von dem Live-Rollenspiel das ein oder andere lernen kann. Beide Welten sind weit voneinander entfernt und so erscheint es sinnvoll, sie miteinander zu verbinden. Der Artikel gibt hierfür Hinweise und Tipps.

Das wären die sieben Beiträge, die unsere diesjährige Aufsatzsammlung umfasst, sieben reiflich durchdachte Texte, die dazu anregen, selbst über die unterschiedlichen Aspekte von Larp nachzudenken und diese gerne im Freundeskreis zu diskutieren.

Philosophierst du gerne über Larp oder hast du eine neue Antwort auf die Fragen, was Larp ist, wie es funktioniert, und wozu es sich lohnt, darüber nachzudenken? Dann schreib uns schon heute an und wir unterstützen dich auch gerne bis zum Druck des nächsten Bands (aufsatzsammlung@zauberfeder.de).

Jetzt aber wünsche ich dir viel Vergnügen mit den folgenden Beiträgen!

Rafael Bienia

Aschaffenburg, September 2019

Dominik Rehermann

GUTES SPIEL IST NICHT GENUG

DIE BEDEUTUNG VON REFLEXIONEN UND WORKSHOPS BEI EDU-LARPS UND SERIOUS GAMES

Die typischen Szenen sind bei den meisten Cons nach Verkündung des Time-Outs sehr ähnlich: Die SpielerInnen sitzen bei einem Getränk gemütlich zusammen und lassen das Erlebte Revue passieren. Von den aufregendsten Erlebnissen bis hin zu Kritik an Plot und Veranstaltung werden zahlreiche Aspekte der besuchten Veranstaltung diskutiert. Eine bewusste Auswertung durch die Orga oder eine gezielte Aufarbeitung der Erlebnisse finden dabei in der Regel nicht statt, da bei einem Großteil der Larp-Veranstaltungen in Deutschland der Spaß der Spieler_innen das einzige Ziel der Organisator_innen ist. Ein spannender Plot, gute NSCs und eine funktionierende SL sind hierfür neben Rahmenbedingungen wie Unterkunft und Verpflegung, völlig ausreichend. Der Fokus der Veranstalter_innen liegt demnach ausschließlich auf dem Con selbst und nicht der Vor- oder Nachbereitung der Spieler_innen. Anders verhält es sich, wenn Live-Rollenspiel einen pädagogischen Zweck verfolgt oder einen Bildungshintergrund hat. Bei solchen Veranstaltungen gehören in der Regel eine Vorbereitungsphase sowie ein Debriefing und die Nachbereitung zur Reflexion und Einordnung des Erlebten fest zum Konzept des Cons dazu. Die von zahlreichen Studien (siehe Egenfeldt-Nielsen, 2013; Ganguin/Hoblitz, 2013) aus dem Bereich der Gamification, also des Einsatzes von Spielelementen in nicht-spielerischen Kontexten, wie der Aus- und Weiterbildung, belegte Bedeutung der Vor- und Nachbereitung für den Lernerfolg spielt somit auch bei Edu-Larps (Rollenspielen mit Bildungshintergrund) und Serious Games (Spiele, die nicht primär für Unterhaltung entwickelt wurden) eine wichtige Rolle.

Für Orgas von Edu-Larps und Serious Games stellt sich dennoch häufig die Frage, worauf bei der Planung einer Veranstaltung der Schwerpunkt gelegt werden soll. Der Hintergrund ist den meisten, die schon mal selbst ein Con organisiert haben, klar: Die Zeit für Anreise, Vorbereitung, Spiel, Debriefing, Nachbereitung und Abreise ist knapp bemessen. Schon ein normaler Wochenendcon ohne pädagogische Zielsetzung lässt häufig wenig Zeit für das eigentliche Spiel, da die Anreise erst am Freitagabend erfolgt und die Location meist bis zum Sonntagmittag wieder verlassen werden muss. Dieser Beitrag möchte sich dafür stark machen, trotz zeitlicher Zwänge und organisatorischem Aufwand bei Edu-Larps und Serious Games einen besonderen Fokus auf die Vorbereitung und die Nachbereitung zu legen und diesen mehr Zeit einzuräumen. Dahinter steht die These, dass auch gut designte Spiele mit Bildungsanspruch ihre Wirkung nicht entfalten oder sogar eine negative Wirkung haben können, wenn sie nicht ausreichend vor- und nachbereitet werden. Als Grundlage für den Nachweis, dass die Wirkung durch Vor- und Nachbereitung gesichert werden kann, soll die Cognitive Load Theory (Sweller et. al. 2011) herangezogen werden – eine wissenschaftliche Theorie, die versucht zu erklären, wie im Gehirn Hürden für das Lernen entstehen können.

DREI BELASTUNGEN BEIM LERNEN

Kernaussage der Cognitive Load Theory ist, dass der Mensch nur einen begrenzten „Arbeitsspeicher“ für die Verarbeitung von neuen Informationen zur Verfügung hat. Beim Lernen belasten oder befreien verschiedene Faktoren diesen Arbeitsspeicher des Gehirns und führen so dazu, dass neue Informationen besser oder schlechter verarbeitet werden können. Dabei identifiziert die Theorie drei Formen der kognitiven Belastung: intrinsische Belastung, Belastung durch äußere Faktoren und eine lernbezogene Belastung. Letztere steht für die geistigen Ressourcen, die benötigt werden, um neue Informationen in den Arbeitsspeicher zu bringen und dort verarbeiten zu können.

Die intrinsische kognitive Belastung bezeichnet die Belastung, die die Komplexität des Inhalts von Informationen automatisch mit sich bringt. Manche Sachen seien eben schwierig zu verstehen, egal wie sie vermittelt würden, fasst einer der Erfinder der Theorie, John Sweller, zusammen (siehe Sweller 2010, S. 40). So wird beispielsweise das Verständnis der Relativitätstheorie für die meisten Menschen eine höhere Belastung sein, als einen Kinderreim zu lernen. Zwei wesentliche Faktoren bestimmen dabei den Grad der Belastung: die Zahl der einzelnen Inhaltselemente, die gleichzeitig durch den Arbeitsspeicher verarbeitet werden müssen und das Vorwissen der Lernenden. Somit kann auch ein schwieriger Inhalt, bei dem zahlreiche Elemente parallel verarbeitet werden müssen, leichter sein, wenn die Lernenden bereits Vorwissen für diesen Bereich mitbringen. Dabei gilt aber, dass der Lehrende keinen Einfluss auf die intrinsische Belastung hat, da diese aus dem Lernstoff selbst entsteht.

Genau anders verhält es sich bei der äußeren Belastung: Wie Lerninhalte präsentiert und aufbereitet werden, spielt hier eine wichtige Rolle, da dies die Belastung bei der Informationsverarbeitung erhöhen oder senken kann und somit einen großen Einfluss auf den Lernerfolg oder -misserfolg hat. So sorgt beispielsweise ein komplexer Text mit vielen Fremdwörtern für eine höhere kognitive Belastung als die gleichen Inhalte in einfacher Sprache. Je mehr Arbeitsspeicher der Lernende für Dinge, wie beispielsweise das Verständnis des Lehrmaterials aufwenden muss, desto geringer ist die Chance, dass er die Informationen nachhaltig behält. Die äußere Belastung steigt somit, sobald die kognitiven Ressourcen für etwas anderes aufgewendet werden müssen, als für die Verarbeitung der Inhalte einer neuen Information.

Die lernbezogene Belastung hat im Gegensatz zur intrinsischen und äußeren Belastung einen positiven Einfluss auf die Informationsverarbeitung, da sie für den Prozess steht, freie Ressourcen des Arbeitsspeichers auf die Inhalte einer Information zu lenken. Wird die äußere Belastung verringert, führt das innerhalb der Cognitive Load Theory nicht automatisch zu einem besseren Lernergebnis: Um das zu erreichen, müssen die verfügbaren Kapazitäten gezielt auf die Inhalte gelenkt werden. Hierfür ist eine hohe lernbezogene Belastung nötig. Veranstalter_innen von Edu-Larps und Serious Games sollten also dafür sorgen, dass die freien Kapazitäten des Arbeitsspeichers zur Verarbeitung von Inhalten verwendet und nicht für andere Aktivitäten genutzt werden.

Die Annahmen der Cognitive Load Theory sollen im Folgenden auf den Bereich des Bildungslarps angewandt werden, um so zu erklären, warum die Vor- und Nachbereitung hier einen größeren Stellenwert haben sollte.

ÜBERFORDERUNG DURCH SPIEL

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die hier vorgestellten kognitiven Belastungen insbesondere im Rahmen von Gamification und Serious Games eine wichtige Rolle spielen können (siehe Kalyuga/Plass 2009; Turan et. al. 2016). Für Edu-Larps ist daher anzunehmen, dass ähnliche Prozesse zum Tragen kommen oder sogar noch stärkeren Einfluss auf die Teilnehmer_innen haben können. Als Beispiel dafür, wie kognitive Belastungen bei Edu-Larps zum Tragen kommen können, dient ein typisches Wochenendcon mit Bildungshintergrund: Schon der gewählte Inhalt, also das, was vermittelt werden soll, hat einen Einfluss auf die kognitive Belastung der Teilnehmer_innen. Die intrinsische Belastung ist umso höher, je komplexer die Inhalte sind. So wird ein Con, der politische Zusammenhänge der Weimarer Republik vermitteln soll, eine höhere intrinsische Belastung haben als ein Con, der sich mit Teambuilding beschäftigt. Der Freitagabend eines typischen Edu-Cons gehört dann der Vorbereitungsphase. Je nach Komplexität des Inhalts und der Spielmechaniken, Vorwissen der Teilnehmer_innen und Methoden der Orga kann hier durch intrinsische und äußere Belastung schon eine erste Überforderung entstehen, da nicht genügend Arbeitsspeicher verbleibt, um die eigentlichen Inhalte zu verarbeiten. Eine mangelhafte Vorbereitung kann sich zudem über das Spiel bis zur Nachbereitung ziehen, da die einmal entstandene Überforderung im Spielverlauf nur selten überwunden werden kann. Wer zum Beispiel die Spielmechaniken nicht ausreichend verinnerlicht hat, wird einen großen Teil seines Arbeitsspeichers dafür einsetzen, zu versuchen, diese zu verstehen und anzuwenden.

Das eigentliche Spiel findet dann in der Regel am Samstag statt und nimmt den größten Teil des Cons ein. Unbestritten sollen hier für die Spieler_innen zunächst der Spaß und das Erlebnis im Vordergrund stehen. Studien zeigen zudem, dass spielerische Elemente bei Spieler_innen eine hohe Motivation hervorrufen können, sich in das Spiel einzubringen und sich mit den Spielinhalten zu beschäftigen (siehe Sailer 2016). Darüber hinaus ermöglicht Edu-Larp den Spieler_innen einen Perspektivwechsel und schafft Erfahrungsräume, die im Alltag oder bei anderen Lehrmethoden meist nicht entstehen. Das Spiel, verbunden mit dem Eintauchen in neue Rollen und Settings, stellt aus Sicht der Cognitive Load Theory jedoch gleichzeitig die größte Herausforderung von Edu-Larps dar. Zwar müssen die Auswirkungen von Edu-Larp und Serious Games auf das Lernverhalten der Teilnehmer_innen noch weiter erforscht werden, doch zeigt die Cognitive Load Theory mögliche Faktoren für eine Überforderung der Spieler_innen auf, die in Kontext von Gamification bereits von Studien belegt wurden (siehe Turan et al. 2016). Das Spiel stellt die Teilnehmer_innen in vielen Fällen vor große kognitive Herausforderungen: Es müssen andere Rollen in einem fremden Setting verkörpert werden, während man die Spielregeln und Spielmechaniken im Blick behält. Gleichzeitig muss das Verhalten der anderen Spieler_innen beobachtet und im Sinne der eigenen Rolle interpretiert werden, während man die Ziele der eigenen Figur verfolgt und wiederum für andere in einer bestimmten Weise darstellen muss. Nicht selten wird dies noch mit diversen Rätseln und Aufgaben verbunden, die es während des Spiels zu lösen gilt. Alles in allem wird damit eine Vielzahl komplexer Aufgaben und Anforderungen an die SpielerInnen gestellt. Die äußere Belastung für den kognitiven Arbeitsspeicher ist somit während des Spiels sehr hoch und lässt nur wenig Raum, um die Bildungsinhalte, die nicht selten eine hohe intrinsische Belastung darstellen, hinter dem Spiel zu verarbeiten.

Der Blick auf diese Inhalte soll dann in der Regel im Rahmen des Debriefings und der Nachbereitung erfolgen, die dafür zwei Aufgaben erfüllen müssen: Die Spieler_innen müssen aus ihren Rollen herausgeführt werden, um dann die Reflexion des Spiels unter Berücksichtigung des Bildungshintergrundes zu ermöglichen. Hier steht die Orga jedoch vor der Herausforderung, dass für Debriefing und Nachbereitung oft nur wenig Zeit verfügbar ist. Im Wesentlichen kann die Orga zwischen zwei Modellen entscheiden: In der ersten Variante findet die Nachbereitung noch am Samstagabend statt. Hier ist die äußere Belastung der Teilnehmer_innen jedoch weiterhin hoch, da sie noch sehr nah an den Ereignissen des Spiels dran und möglicherweise auch erschöpft sind. Das zweite Modell setzt die Nachbereitung auf den Sonntagmorgen, was nicht selten ein zeitliches Problem für Orga und Spieler_innen darstellt, da die Location geräumt und die Heimfahrt bewältigt werden muss. Insbesondere Letzteres kann zudem die äußere Belastung der Spieler_innen steigern, da diese mit den Gedanken bereits auf dem Weg nach Hause sind.

VOR- UND NACHBEREITUNG SIND ZENTRAL

Es wird deutlich, dass Edu-Larps und Serious Games Organisator_innen vor größere Herausforderungen stellen, als einen guten Plot und gute Spielmechaniken zu entwickeln. Gerade die knappe Zeit für eine Veranstaltung kann dazu führen, dass der Fokus stärker auf dem Spiel selbst als auf der Vor- und Nachbereitung liegt. Dies kann aufgrund von zu großer kognitiver Belastung dazu führen, dass die Teilnehmer_innen auch bei einem gut designten Spiel weniger mitnehmen als es sich die Organisator_innen wünschen. Um dies zu vermeiden, müssen Vor- und Nachbereitung aus Sicht des Autors mindestens so viel Raum bekommen wie das eigentliche Spiel. Da auf die intrinsische Belastung der Inhalte kein Einfluss genommen werden kann, sollte die Orga darauf abzielen, die äußere Belastung zu verringern und die lernbezogene Belastung zu erhöhen, um den Bildungserfolg zu verbessern. Ein Faktor, um die äußere Belastung während des Spiels zu senken, ist das Design des Spiels selbst. Je besser das Spiel auf die Spieler_innen zugeschnitten ist, desto geringer ist die äußere Belastung. Gerade im Bereich des Edu-Larps sind die Möglichkeiten hier jedoch begrenzt, da das Darstellen einer Rolle in jedem Fall eine hohe äußere Belastung bedeutet.

Wichtig für die Reduktion der äußeren Belastung ist unter anderem die Vorbereitungsphase. Hier ist es möglich, den Spieler_innen ihre Rollen, das Setting, den Hintergrund und die Spielmechaniken umfassend zu vermitteln. Je besser dies gelingt, desto geringer ist die äußere Belastung während des Spiels, was einen besseren Fokus auf die Spielinhalte und die Hintergründe des Spiels ermöglicht. So wird der Zugang zu diesen im Rahmen der Nachbereitung erleichtert. Das Debriefing und die Nachbereitung sind aus Sicht des Autors die zentralen Elemente, um Bildungsinhalte zu vermitteln. Das Ziel der Reflexion muss es sein, die äußere Belastung so weit es geht zu reduzieren und den Fokus auf die Bildungshintergründe und -inhalte zu lenken. Hierzu sollte genügend zeitlicher Abstand zum Spiel vorliegen, damit die Spieler_innen das Erlebte verarbeiten und Distanz zu ihrer Rolle entwickeln konnten. Ein Debriefing im direkten Anschluss an das Spiel kann diesen Übergang erleichtern. Für die Nachbereitung selbst, die im Idealfall am Folgetag stattfindet, damit die Spieler_innen auch Zeit für die eigene Reflexion hatten, sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, und sich an den Spieler_innen und der Komplexität des Themas orientieren. Auf diesem Weg kann die Spielerfahrung genutzt werden, um ein tieferes Verständnis der Bildungsinhalte zu erreichen.

WENIGER IST MEHR UND MEHR BRAUCHT MEHR