BEGEGNUNGEN MIT GRÖSSEN
AUS DER WELT DES AUTOMOBILS
FÜR MEINE GELIEBTE FRAU
ANNETTE
VORWORT
MANAGER
Elliot Ludvigsen
Ferry Porsche
Louise Piëch
Werner Breitschwerdt
Robert Lutz
Agnelli Brüder
Carlo Abarth
DESIGNER
Giorgetto Giugiaro
Albrecht Goertz
Larry Shinoda
Peter Pfeiffer
Tony Lapine
Stefan Habsburg
INGENIEURE
Alexander von Falkenhausen
Rudolf Uhlenhaut
John DeLorean
RENNFAHRER
Juan Manuel Fangio
Phil Hill
Emerson Fittipaldi
Mario Andretti
AUTOMENSCHEN
Bernard Cahier
Rodolfo Mailänder
Paul Frère
Ich behaupte gern, dass ich noch nie ein Vorstellungsgespräch hatte – mit ganz wenigen Ausnahmen. Da wäre ein Treffen mit Heinz C. Hoppe zu nennen, damals Leiter des Auslandsverkaufs von Daimler-Benz, das in Manhattan stattfand. Er suchte einen Pressechef für seine amerikanische Vertriebsgesellschaft, und das Angebot war verlockend, aber meine Zukunft lag immer noch bei General Motors.
Ein anderes könnte mein Abendessen mit Bob Lutz in Detroit gewesen sein, als er Vorsitzender von Ford of Europe war. Wir sprachen über eine mögliche Stellvertreterposition, aber Bob und ich waren seit mehr als einem Jahrzehnt befreundet, das zählt nicht so richtig.
Ansonsten wurden mir – manchmal aus heiterem Himmel – verschiedene Positionen in der Welt des Automobils angeboten. Das gilt für meine Redakteursstellen bei Zeitschriften und meine Jobs bei General Motors, Fiat und Ford. Einziger gemeinsamer Nenner war mein leidenschaftliches Interesse an Autos, ergänzt um meine Fähigkeiten als Autor und Forscher sowie um meine Ausbildung in Maschinenbau und Industriedesign.
Als ich GM 1967 verließ, machte ich einen großen Schritt ins Unbekannte und lehnte mehrere interne Stellenangebote ab. Würde ich meine Familie als freiberuflicher Schriftsteller ernähren können? Dasselbe galt, als ich im Jahr 1983 Ford verließ. Würde ich als Leiter meiner eigenen Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Automobilindustrie den Anforderungen gerecht werden? Zum Glück war die Antwort in beiden Fällen »Ja«.
Der gemeinsame Nenner für meine Berufswahl war das große Interesse an Autos, an ihren Herstellern und ihren Nutzern. Ganz oben auf meiner Agenda stand das Wissen über den weltweiten Motorsport, seine Geschichte und seine Entwicklung. Ich versuchte, mein Verständnis von Technik und Design zu nutzen, um einem interessierten Publikum zu erklären, was geschah, warum es geschah und wer dahintersteckte. Die letzte Frage ist dabei oft die schwierigste!
Kurzum: Ich hatte im Lauf meiner Karriere die Freude und Ehre, viele Menschen zu treffen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Als Biograf von Juan Fangio, Giorgetto Giugiaro, John DeLorean, Mario Andretti und Louise Piëch möchte ich Ihnen einige der ganz Großen der Automobilwelt vorstellen. Und wenn auch einige weniger bekannte Personen dabei sind, werden Sie deren Geschichten mit einiger Sicherheit gleichermaßen interessant finden.
Gewinnen Sie einen neuen Blick auf die Autowelt und erfahren Sie, wer diese Industrie vorangetrieben und – teilweise radikal – verändert hat. All diese Frauen und Männer haben unsere heutige Mobilität geformt.
Karl Ludvigsen
Hawkedon, Suffolk
im Juni 2019
Im Jahr 1922 ließ die Fuller Manufacturing Company zwei stattliche vierstöckige Fabrikgebäude an der Kreuzung Pitcher und Prouty Streets am nördlichen Rand von Kalamazoo, Michigan, errichten. Kalamazoo liegt 230 Kilometer sowohl von Detroit als auch von Chicago entfernt und war per Straße oder Schiene gut erreichbar, um die wachsende Automobilindustrie zu bedienen.
Die von lokalen Größen unterstützte Familie Fuller war seit 1888 in dieser ländlichen Stadt im Geschäft. Ab 1903 produzierten die Fuller-Brüder ein Allrad-Automobil namens Michigan, stoppten die Produktion allerdings 1908 und konzentrierten sich auf den Bau ihrer angesehenen Getriebe für Pkw und Lkw.
Diese Entscheidung der Fullers entsprach dem damaligen Trend vieler Hersteller im schnell wachsenden Automobilmarkt, wichtige Komponenten von Zulieferern zu kaufen, statt sie selbst zu entwickeln. Fuller konzentrierte sich während des Ersten Weltkriegs auf den Getriebebau und errang damit einen guten Ruf. 1923 gab Fuller die Pkw-Getriebe auf, um sich auf Lkw-Getriebe zu konzentrieren.
1928 entschied sich ein 25-jähriger Ingenieur des Lkw-Herstellers White Motor Company aus Cleveland, sein Glück bei der gerade von der Chicagoer Unit Corporation übernommenen Firma Fuller zu suchen. Elliot Leon »Lud« Ludvigsens Eltern stammten aus Dänemark, er kam in Jackson, Minnesota, zur Welt, wo er auch die Highschool besuchte. Nach einem Jahr am Lawrence College in Wisconsin hatte er »die Idee, die Businessschool zu besuchen. Aber ich muss meiner Mutter danken, weil sie sagte: ›Warum wirst du nicht Ingenieur? Dafür interessierst du dich doch.‹«
Der junge Ludvigsen hatte bemerkenswerte Vorfahren. Sein Vater und sein Onkel betrieben in Jackson ein florierendes Unternehmen mit der Herstellung selbst schärfender Stollen für Hufeisen, deren Konstruktion und Produktionsmethoden sie sich patentieren ließen. Die in den gesamten USA angebotenen Produkte wurden auf selbst konstruierten Maschinen hergestellt. In ihrer Branche hatten sie einen Namen.
»Als ich also im Herbst zurückkehrte«, sagte Ludvigsen, »machte ich an der University of Minnesota Halt und meldete mich dort in der Ingenieurschule an.« Lud schloss 1925 mit einem Bachelor in Maschinenbau ab. »Ein Typ namens F. T. Jones kam von der White Motor Company«, erinnerte er sich. »Je mehr ich mit ihm sprach und je mehr er mit mir sprach, desto interessanter wurde es für mich, dass sie einen einjährigen Ausbildungskurs hatten.« In diesem Sommer kam Lud zu White, wo er das technische Ausbildungsprogramm absolvierte.
In Cleveland fand er »einen tollen Ausbildungskurs – er war unglaublich gut. Wir haben tatsächlich gearbeitet. Ich war einen Monat lang in der Abteilung für Wärmebehandlung und dann in der Motorenabteilung und Inspektion. Und dann die Achskontrolle. Ich war eine Weile in der Abteilung für Vertriebstechnik und dann in der Auftragsabteilung. Ich habe mich sehr intensiv mit der Motorenabteilung beschäftigt, wo ich schließlich für eine Weile die Prüfstandsversuche übernommen habe.« Es führte dazu, dass Lud ein Lehrbuch über Metallurgie und Wärmebehandlung schrieb und bei White als Qualitätsprüfer, Motorenprüfungsleiter und Assistent des leitenden Inspektors arbeitete.
Ludvigsens Karriere nahm im Sommer 1928 eine schicksalhafte Wendung. Als aufmerksamer Beobachter wusste er, dass die Kosten bei White ziemlich hoch waren. »Wenn die Qualität es wirklich gerechtfertigt hätte, wäre es vielleicht in Ordnung gewesen, aber ich hatte das Gefühl, dass dies nicht ganz so war. Ich fing an, mich umzusehen, und eines Tages sah ich eine Anzeige im SAE Journal für einen Vertriebsingenieur, der sich mit Lkw-Konstruktionen und Komponenten auskennen sollte.« Die Anzeige stand in der Ausgabe vom Juni 1928 und Lud antwortete am 11. Juni mit einem zweieinhalbseitigen Brief, in dem er sein Interesse und seine Referenzen im Bereich des Verkaufs betonte. Er erhielt sofort eine Antwort von der Fuller Manufacturing Company in Kalamazoo. Nachdem er sich »diese Fuller-Sache und ihre Konkurrenten« angesehen hatte, entschied Lud, »dass es wie eine ziemlich enge Nische aussah – die Wachstumschancen hatte«. Also ging er zu Fuller.
Als Vertriebsingenieur hat Ludvigsen Einsicht in »die ganze verdammte Firma. John Earle und ich waren die Verkaufsabteilung, und darum ging es. John hatte mehrere Kunden, und ich wurde hauptsächlich wegen der Kontaktaufnahme mit potenziellen Kunden rausgeschickt.« 1930 wurde er nach dem Verkauf von mehreren Tausend Getrieben zum Verkaufsleiter von Fuller ernannt. Zu seinen Grundsätzen gehörten der Verkauf ausschließlich an Lkw-Hersteller, nicht an Dritte, außerdem ein erstklassiger Service, nötigenfalls eigenes Anpacken und das Nutzen seines Know-Hows als Ingenieur.
Ray Armington, damals Leiter der Euclid Road Machinery, erinnerte sich an Luds Stil, als eines seiner mit einem Getriebe und einer Mehrscheibenkupplung von Fuller ausgerüsteten Off-Highway-Fahrzeuge Probleme hatte. »Als die Getriebe zur Reparatur zurückkamen«, sagte Armington, »kam Fullers Vertriebsleiter Elliot Ludvigsen, um uns zu helfen – und er half uns dabei. Er war nicht nur ein Verkäufer. Er hatte die unglaubliche Fähigkeit, die Ursache eines Problems zu finden. Bald hatten wir Kupplungen, die nicht ständig ihre Beläge verloren, und Getriebe, die ohne Krachen geschaltet werden konnten.«
»Luds warmherzige Art hatte Einfluss auf unsere Kunden«, fügte Armington hinzu, »und indirekt wurde er ein äußerst effektiver Verkäufer für Euklid-Schlepper.« Als sich die Produktlinie von Euklid weiterentwickelte, wurden ausschließlich Fuller-Getriebe verwendet – ein direktes Ergebnis von Ludvigsens akribischer Sorgfalt und Durchsetzungsfähigkeit.
Dank guter Ersatzteilverkäufe überstand Fuller auch die Weltwirtschaftskrise, aber andere Teile des Unternehmens gingen unter, was 1934 zu Zwangsverwaltung und einem neuen Management führte. Mit frischen Konstruktionen holte Lud einen Großauftrag an den Landmaschinen- und Lkw-Hersteller International Harvester an Land, »das Größte, was uns je passiert ist«. Aber er musste nicht nur seinen Bleistift spitzen …
»Ich kämpfte mit Harvester um die Preise, und wir übernahmen schließlich den Auftrag, obwohl wir nur unsere Herstellungskosten – Material-, Arbeits- und Fertigungskosten – hereinbekamen. Wir haben es dafür getan, weil wir dachten, dies würde unsere Betriebskosten senken. Es war ein gutes Konzept, ein wirklich gutes Konzept. Normalerweise redest du nicht über deine Kosten, aber ich habe es getan. Ich dachte, das sei der einzige Weg, wie ich mit ihnen Glaubwürdigkeit für die Zukunft aufbauen könne. Also haben wir den Job bekommen.«
Als Ludvigsen 1937 zum Vizepräsidenten und Generaldirektor befördert wurde, musste er damit zurechtkommen, dass Harvester für 40 bis 50 Prozent des Umsatzes von Fuller sorgte. »Das beunruhigte die Direktoren«, erzählte er: »›Wir haben zu viele Eier in einem Korb‹, sagten sie. Aber wenn man so viele Eier in einem Korb hat, lebt man einfach damit. Man muss pünktlich und gute Qualität liefern – und das gilt auch im Truck-Geschäft. Das brachte uns einen echten Neuanfang.«
Im Zweiten Weltkrieg stellte Fuller Verteilergetriebe und schwere Getriebe für Panzer-Transporter unter staatlicher Kontrolle her, wobei Lud Mitglied eines Getriebeausschusses in Washington war, der die Aufträge verteilte. Als Lud aus dem Krieg zurückkehrte, testete er schwere Lastwagengetriebe auf der bergigen Ridge Route zwischen Los Angeles und San Francisco, als er einen Geistesblitz hatte. Um in zehn Vorwärtsgängen zu fahren, mussten die Fahrer sowohl ein Fünfganggetriebe als auch ein zweistufiges Untersetzungsgetriebe bedienen, das die Abstufungen zwischen den fünf Hauptgängen lieferte. Dies erforderte, dass die Fahrer zwei Schalthebel betätigten, um beim Hoch- und Runterschalten ständig zwischen den beiden Getrieben zu wechseln.
Lud erkannte, dass es möglich sein müsste, ein zweistufiges Zusatzgetriebe zu haben, dessen Übersetzungsschritt so groß war, dass es den gesamten Bereich des Fünfganggetriebes abdeckte. Der Fahrer schaltet durch fünf Gänge nach oben, aktiviert dann das Zusatzgetriebe, geht in den ersten Gang zurück und schaltet schließlich wieder durch die fünf Gänge. »Als ich zurückkehrte, traf ich Tom Backus und erzählte ihm: ›Lasst uns an diesem Ding arbeiten und sehen, wie wir es machen können.‹«
Ludvigsen teilte sich mit Chefingenieur Tom Backus das Patent auf das Konzept, das nach der Erprobung als RoadRanger vermarktet wurde – eine Ludvigsen-Idee. Dazu waren einige Dinge erforderlich, denen Lkw-Fahrer misstrauisch gegenüberstanden. Das Schalten im Zusatzgetriebe wurde von einem per Mikroschalter ausgelösten Magnetventil übernommen, das einen Zylinder steuerte – entweder Vakuum oder Druckluft –, der den Schaltvorgang durchführte. Beide Zusatzübersetzungen wurden durch Mehrscheibenkupplungen synchronisiert. Fuller experimentierte hierzu mit dem Synchrongetriebe von Porsche, aber es hatte nicht die Blockierfunktion, die diese Anwendung benötigte.
»Die Fahrer liebten es – sobald sie wussten, wie man damit umgeht«, sagte Ludvigsen. Dies half ihnen bei einigen Anlaufschwierigkeiten, die dazu führten, dass RoadRangers für unterschiedlich starke Motoren angeboten wurden. Leyland in Großbritannien wollte etwas Ähnliches bauen – und musste Fuller eine vierprozentige Lizenzgebühr zahlen.
1948 wurde Ludvigsen zum Präsidenten der Fuller Manufacturing Company ernannt. Dies war der Mann, dessen Sohn – nämlich ich – am Samstag mit ihm in die Fabrik ging, wo er eine ruhige Zeit in seinem Büro verbringen wollte. Ich habe mir die Zeitschriften SAE Journal, Commercial Car Journal und Automotive Industries angesehen – die Bibeln für den Automobilbau. Diese und meine Erfahrungen bei Fuller hatten viel mit meiner wachsenden Leidenschaft für Automobile zu tun.
Wir besichtigten die stille Fabrik, in der die Werkzeugmaschinen bei meinen ersten Besuchen noch mit riesigen Wellen und Riemenscheiben über lange Riemen angetrieben wurden. Es war ein aufregender Ort mit eigenen Gesenkschmieden, einer Wärmebehandlung und einer Gießerei. Beim Durchsuchen von Schrottkisten fand ich interessante Stücke, die ich mit nach Hause nehmen durfte.
Während meiner Highschool-Zeit arbeitete ich im Sommer bei Fuller. Der geduldige Gil Hulme wies mir einen Platz im Zeichenbüro zu, wo meine Haupttätigkeiten Tuschezeichnungen waren. Die Ingenieure vervollständigten ihre technischen Zeichnungen mit Bleistift, aber für eine permanente Aufzeichnung benötigte Fuller Tuschezeichnungen auf Pergament. Ich war gut genug darin, um mich nützlich zu machen.
Gil begrüßte mich wieder im Sommer 1952, in der Pause zwischen meinem Abitur und dem Beginn des Studiums am MIT im Herbst. Das war eine aufregende Zeit bei Fuller. Für einige Anwendungen boten sie neuartige Drehmomentwandler an. Als ich im Sommer 1954 zu Fuller zurückkam, arbeiteten wir an einer neuen kleineren Version des RoadRanger. Nachdem ich den Umgang mit Werkzeugmaschinen am MIT kennengelernt hatte, verbrachte ich den Sommer in der Versuchswerkstatt und fertigte Teile dafür.
Beim Fräsen der Schlitze für die Synchronscheiben in den Hauptzahnrädern des Zusatzgetriebes habe ich sie nicht richtig indexiert. Nach Rücksprache mit meinem Chef entschieden wir, dass wir die Stücke retten könnten, indem wir frische Schlitze in das restliche Metall schneiden und die früheren an Ort und Stelle lassen würden. Wusstest du das nicht? Mein Vater tauchte in der Werkstatt auf, um sich die laufenden Aufträge anzusehen. Er entdeckte die geschlitzten Zahnräder. »Wie kommt es, dass diese Teile zusätzliche Schlitze haben?«, fragte er meinen Chef. Dieser antwortete: »Du solltest dazu besser deinen Sohn fragen.«
1958 wurde Fuller samt seiner inzwischen erworbenen Tochtergesellschaften von der Eaton Corporation, einem großen globalen Zulieferer der Automobilindustrie aus Cleveland, übernommen. Bis 1963 war mein Vater bis zur Präsidentschaft von Eaton aufgestiegen und wurde 1967 Vorsitzender. Er zog sich 1969 von dieser Position zurück und blieb bis 1975 Direktor. Drei Jahre später starb Elliot Ludvigsen.
Obwohl ein eingefleischtes Mitglied der Zahnradschneider-Zunft – und er besaß sogar die entsprechende Krawattennadel –, war Lud Ludvigsen weit mehr als ein kleinkarierter Technokrat. Er war 18 Jahre lang Treuhänder der Tri-State University in Angola, Indiana, erhielt die Ehrendoktorwürde der Tri-State und leitete fünf Jahre lang das Kuratorium. Er war Direktor der Simpson Paper Company in Seattle sowie ehemaliger Direktor der Greater Cleveland Growth Association und der National City Bank of Cleveland.
Als Jugendlicher war der damals »Spike« genannte Ludvigsen athletisch und ein schneller Schwimmer. Er wurde ein leidenschaftlicher Entenjäger, der sich mit gleichgesinnten Freunden zusammenschloss, um an den vielen Wasserwegen von Michigan geeignete Unterstände zu errichten. Lud interessierte sich für Autos, begann mit einem Ford Model T und fuhr später zwei Auburns und einen Lincoln Zephyr. Vor und während des Krieges war er ein Buick-Mann, der später zu Oldsmobiles und schließlich zu Lincolns wechselte.
Elliot Ludvigsen, der unweit des Michigansees lebte, fühlte sich zum Segeln hingezogen. Er stieg von einem acht Meter langen Chris-Craft zu einem großen Doppelschrauben-Kabinenkreuzer auf und fuhr auf Sommertouren mit seiner Familie und seinen Freunden über den Michigansee, den Oberen See und den Huronsee. Da er nur unzureichende lokale Informationen über die Seemannskunst vorfand, gründete er in Kalamazoo einen Ableger der Power Squadron, die die Grundlagen der Schiffsführung und Navigation lehrte.
Lud, den mein Bruder Eric und ich immer nach skandinavischer Art »Fa« nannten, gab mir gute Ratschläge mit auf den Weg. Er ermutigte mich zu meinem Plan, am MIT Maschinenbau zu studieren, und betonte, dass Ingenieurwesen eine gute Grundlage für jede Karriere sei. Er forderte mich auch auf, in der Highschool Deutsch zu lernen, da es die Sprache des Ingenieurwesens sei. Dies wurde für meine Forschungen über deutsche Automarken von großem Nutzen. Lud hatte nichts dagegen, als ich mich nach zwei Jahren vom Ingenieurwesen abwandte, um am Pratt Institute in Brooklyn Industriedesign zu studieren.
In den späten 1960er-Jahren unterstützte mich Lud, als ich eine Firma leitete, die Autoteile und Zubehör importierte. Er unterstützte immer meine literarische Karriere, obwohl er häufig die kleinen Schriftgrößen von Automobile Quarterly kritisierte. Als 1971 mein erstes ernsthaftes Buch Mercedes-Benz Sports and Racing Cars veröffentlicht wurde, widmete ich es meinem Fa. Ich schuldete ihm viel.
Im Jahr 1909 kam Ferdinand Anton Ernst (später »Ferry« genannt) als Sohn von Ferdinand Porsche und seiner Frau Aloisia Johanna, geborene Kaes, zur Welt. »Ich bin sozusagen mit dem Automobil auf die Welt gekommen«, sagte er einmal. Mit zehn Jahren konnte er Auto fahren und mit 16 saß er hinter dem Lenkrad eines Mercedes-Prototypen.
Nachdem er in allen wichtigen Gebieten der Branche ausgebildet war, wurde Ferry Porsche 1931 Mitarbeiter des Stuttgarter Porsche-Büros. Während er dort seine erste Zeichnung (eines Wanderer-Pleuels) anfertigte, wurde er von Walter Boxan betreut, einem engen Mitarbeiter seines Vaters. Mit einem Wanderer, den er sowohl mitentwickelt als auch getestet hatte, startete Ferry zweimal beim Langstreckenrennen 2000 Kilometer durch Deutschland. Als sein Vater 1939 Direktor des neuen Volkswagenwerks bei Fallersleben wurde, übernahm Ferry die Leitung des Zuffenhausener Büros. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war Ferry maßgeblich an der Entwicklung und Produktion des Sportwagens Porsche 356 beteiligt.
Ich traf Ferry Porsche zum ersten Mal, als er 1957 zusammen mit Huschke von Hanstein nach New York kam, um einen Preis des Franklin Institute entgegenzunehmen, das die Rolle seines Vaters bei der Entwicklung des VW-Käfers würdigte. Beim Empfang für Ferry und Huschke war ich als technischer Redakteur von Sports Cars Illustrated vertreten, und Huschke überreichte mir eine Porsche-Anstecknadel, die ich viele Jahre trug.
Ich erinnerte mich 1996 an dieses erste Treffen, als ich als Ehrenrichter bei der 50. Porsche-Parade in Hershey, Pennsylvania, tätig war. Hier traf ich den Schauspieler und Comedian Jerry Seinfeld, und meine Kollegen bei Bentley Publishing arrangierten es, dass ich allein mit dem begeisterten Porsche-Besitzer, -Fahrer und -Bewunderer sprechen konnte. Während dieses Gesprächs sagte er mir auf seine direkte Art: »Du kanntest doch Ferry Porsche, oder? Wie war er so?«
Ja, ich kannte Ferry Porsche. Er war mittelgroß, hatte hellbraune Haare und einen klaren Blick. Er hatte eine sanfte Tenorstimme, die seine österreichische Wurzeln verriet. Er bewahrte auch ein österreichisches Bewusstsein fürs Absurde, eine Einschätzung, dass die Dinge zwar manchmal schlecht waren, es aber immer viel schlimmer hätte kommen können. Es war faszinierend, die Angelegenheiten der Firma Porsche mit einem Mann zu besprechen, der Rennwagen der Auto Union gefahren und Hitler die Hand geschüttelt hatte.
In Ferrys Geschichte gab es viele große Enttäuschungen. Während der Jahre, die er für seinen sehr fordernden Vater arbeitete, litt er genauso wie seine Kollegen unter dessen Schroffheit und Geringschätzung. Falls dies als Mittel zur Abhärtung des jungen Ingenieurs gedacht war, hatte es nicht funktioniert. Ferry blieb ein Mann, der Ergebnisse durch kompetente Überzeugungskraft brachte, nicht aber durch Befehle. Er brachte bei jeder Entscheidung all seine beispiellose Erfahrung und genaue Beobachtung ein; seine Kollegen konnten darunter leiden, doch langfristig führte es zu großartigen Erfolgen.
Die vielleicht größte Enttäuschung für Ferry war die Verteilung des Porsche-Erbes nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1951. Üblicherweise erhielt der älteste Sohn das Haupterbe, das Haus und die Firma, während die anderen mit symbolischen Geschenken abgespeist wurden. Ferry Porsche hatte allen Grund zur Annahme, dass es ihm ähnlich ergehen würde. Doch zu seinem Erstaunen teilte Ferdinand Porsche seine Besitztümer zu gleiche Teilen zwischen ihm und seiner Schwester Louise auf, was laut seinem Enkel Ferdinand Piëch eine Ahnung andeutete, wem er lieber die führende Rolle in seinem Unternehmen anvertraut hätte.
»Abgesehen von der Tatsache, dass seine Tochter fünf Jahre älter war, wirkte sie auch immer etwas reifer, erwachsener und stärker als ihr Bruder«, führt Piëch weiter aus. »Zumindest aus meiner Sicht war sie Ferry immer etwas voraus, und mein Großvater sah es genauso.« Ferry bestätigte: »Mein Vater wollte unbedingt meine Schwester in die Geschäftsleitung des Unternehmens holen. Es wäre richtig gewesen, wenn mein Vater den Weg der Rothschilds gegangen wäre und gesagt hätte: ›Einer trägt die Verantwortung, einer macht es.‹«
Bruder und Schwester fanden eine salomonische Lösung: Sie wurden Geschäftsführer in ihren jeweiligen Unternehmen, die jedoch in ihrem Management getrennt blieben. Ferry leitete das Autounternehmen und das Konstruktionsbüro in Stuttgart, während Louise den Österreich-Import für VW und Porsche in Salzburg führte. Der älteste Enkel Ernst Piëch sagte: »Jeder der beiden Geschwister war bereit, dem anderen zu helfen, aber sie blieben immer getrennt.«
Über die Jahre änderte sich nur wenig in der hoch spannenden Beziehung zwischen Ferry und Louise. Als der Bruder 1946 aus französischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, unternahm er mit seiner Schwester lange Spaziergänge, um seine aufgestauten Emotionen mit ihr – und nicht mit seiner Frau – zu teilen. »Man konnte spüren, dass die Beziehung zwischen Louise und Ferry außergewöhnlich war«, sagte Ferdinand Piëch. »Sie liebten und hassten sich auf eine intensive und brutale Weise, wie es nur zwischen Geschwistern möglich ist. Und natürlich passte es ins Bild, dass sie im hohen Alter trotz allem, was sie trennte, immer wieder zusammen waren.«
Professor Ferdinand Porsche war einfach nicht in der Lage gewesen, die subtilen Eigenschaften zu schätzen, die Ferry in die Unternehmensführung eingebracht hatte. Ferry war sicherlich sehr konservativ, doch dieser Charakterzug trug zur bemerkenswert behutsamen und manchmal äußerst langsamen Weiterentwicklung des 356 bis zum 911 von 1972 bei, dem Jahr, als Ferry sich aus der Unternehmensleitung zurückzog. Ohne die für Ferry umstrittenen Projekte 924 und 928 zu erwähnen, so sagte er später, hätte er sich gewünscht, länger die Kontrolle über die Firma zu behalten.
Am 15. Oktober 1973 saß ich mit dem erst vor Kurzem aus der direkten Firmenleitung zurückgetretenen Ferry in seinem Büro in einer Villa in der Robert-Bosch-Straße in Stuttgart, um mit ihm über das Unternehmen und seine Entwicklung zu sprechen. Es war das erste Mal, dass überhaupt jemand von dem 1,5-Liter-Sportwagen hörte, der vor dem Krieg mit dem Ziel entwickelt wurde, das erste Serienautomobil der Marke Porsche zu werden. Er sagte: »Man hatte ihn vorbereitet, damit wir nach dem Krieg etwas zu tun haben würden.«
»Er hatte einen Fünfzylinder-Motor«, sagte er mir mit einem Lächeln. »Es war eine sehr sanfte, ausgewogene Maschine mit einer hübschen Zündfolge.« Fünfzylinder waren zu dieser Zeit gerade von Mercedes als Dieselmotor entwickelt worden, sodass Ferry sehr stolz auf seine deutlich frühere Konstruktion war. Erst als ich mir die Unterlagen ansah, um mich über diesen bisher unbekannten Motor zu informieren, entdeckte ich, dass Ferry sich an das alte Konzept erinnert hatte, aber nicht an die Aktualität. Tatsächlich hatte der Typ 114 von 1938 einen V10-Motor. Der komplett zu Ende entwickelte Wagen hätte ihr Nachkriegs-Porsche werden können, doch die Konstruktion war viel zu aufwendig für die schwierigen wirtschaftlichen Umstände in dieser Zeit.
Rückblickend auf die Entwicklung des Porsche-Typs 60, den Volkswagen, sagte Ferry, dass er vom ersten Bleistiftstrich an daran beteiligt war. »Aber ich war damals einer der jüngsten Mitarbeiter, die meisten anderen leben nicht mehr. Natürlich war der Volkswagen durch und durch die Leistung meines Vaters, sozusagen der Höhepunkt seines Lebenswerks. Ich habe zu dieser Zeit sehr viel von ihm gelernt. Durch meine Position als Bindeglied zwischen der konstruktiven und experimentellen Seite hatte ich viel Einsicht und Einfluss, auch bei grundlegenden Fragen.«
»Viele seiner Konstruktionsmerkmale waren zweifellos neu und für ihre Zeit genial«, fügte Ferry hinzu, »aber mein Vater hatte bereits einen Vorgänger gebaut: den mit einem luftgekühlten Heckmotor ausgerüsteten Wagen für NSU. Die daraus gewonnenen Erfahrungen hatten großen Einfluss auf die spätere VW-Konstruktion. So hatten wir die Schwierigkeiten eines Boxermotors mit der Gemischverteilung bereits verstanden. Auch Dinge wie die Motor- und die Ölkühlung waren ausgiebig getestet. Dies alles geschah 1932, als das Motorradgeschäft für NSU nicht gut lief und sie ein Automobil bauen wollten.«
Ferry Porsche sagte: »Während des Krieges war es sehr wichtig, den Volkswagen ständig zu überprüfen, zu verbessern und ihn an die veränderten Bedingungen anzupassen. Da wir aber weder ein synchronisiertes Getriebe noch eine hydraulische Bremsanlage für den privaten Einsatz entwickeln durften, haben wir die Dinge für den ›militärischen Gebrauch‹ konzipiert, also als Verbesserungen für den Kübelwagen.« Tatsächlich nutzte man diese List, um eine Reihe von Neuerungen für den VW zu testen, darunter sogar Aufladung per Kompressor oder Turbolader und verschiedene Automatikgetriebe.
Als im April 1944 die ersten Bomben auf das KdF-Werk bei Fallersleben fielen, war Ferdinand Porsche äußerst beunruhigt. Nach seiner Rückkehr aus Berlin beschwerte er sich bei seinem Sohn darüber, dass das Unternehmensarchiv auf dem Dachboden des Werks I in Stuttgart gelagert wurde, wo es schutzlos Luftangriffen ausgesetzt war. Er bestand darauf, die Unterlagen sofort in den Keller bringen zu lassen, um sie besser zu schützen.
Die Originalzeichnungen waren sicherheitshalber bereits zweimal kopiert worden. Ein Satz der Kopien wurde in der Porsche-Villa gelagert, der andere in der Stuttgarter Wohnung von Ghislaine Kaes, Porsches Neffen und persönlichem Sekretär. Alle Unterlagen waren in gesicherten Behältern aus Stahlblech gelagert.
Pflichtbewusst verlagerte Ferry das Zuffenhausen-Archiv in den Keller des Gebäudes. »Doch acht Tage danach schlug eine Bombe diagonal von Westen ein«, erinnerte er sich. »Sie traf direkt das Archiv im Keller.« Jetzt wurde klar, dass zumindest ein Teil des Porsche-Teams umziehen musste.
Die Idee, Stuttgart zu verlassen, war bereits im Mai 1943 diskutiert worden. Im Frühjahr 1944 war der Umzug für die Ingenieure lebenswichtig geworden. Ferry Porsche erhielt die Aufgabe, mögliche Standorte zu erkunden. Als er die Behörden in Stuttgart informierte, wurde ihm ein Gelände in der Tschechoslowakei angeboten. »Als ich das hörte, versuchte ich alles, um es zu verhindern«, sagte Ferry später. Obwohl sein Vater in Böhmen geboren wurde und beide Männer nach dem Ersten Weltkrieg die tschechische Staatsbürgerschaft hatten, erschien ihm die Idee alles andere als attraktiv, denn er wollte nicht nach dem Krieg in einem Land leben, dessen Bevölkerung wohl wenig von Ingenieuren hielt, die den deutschen Krieg unterstützt hatten.
Auch wenn viele andere kriegswichtige Unternehmen bereits nach Untertage oder in strategisch wenig interessante Gebiete ausgewandert waren, blieb Stuttgart-Zuffenhausen der Hauptstandort von Porsche. Lediglich der Maschinenpark war auf zwei zusätzliche Standorte verteilt worden. Dazu Ferry: »Ein Drittel blieb in Stuttgart, ein Drittel ging an die Flugschule in Zell am See bei Salzburg, die uns zugewiesen worden war, und ein Drittel ging nach Gmünd in Kärnten, wo wir auch unsere Ingenieure unterbrachten. Mein Plan war: Solange wir noch ein Drittel haben, können wir neu beginnen.«
Ferry beschrieb mir, wie er Ende 1949 mit einem kleinen Trupp von Ingenieuren von Gmünd nach Stuttgart zurückkehrte. Sie ließen sich in der Porsche-Villa am Feuerbacher Weg nieder, die sein Vater hatte bauen lassen, als er 1923 Chefkonstrukteur bei Daimler-Benz geworden war. Sie nutzten die geräumige Garage als Werkstatt (hier waren bereits die ersten VW-Prototypen entstanden), und der Raum, in dem normalerweise der Koch des Hauses wohnte, diente ihnen als »Drei-Meter-Büro«.
Obwohl Porsche bereits in Österreich eine Sportwagen-Kleinserie gebaut hatte, war es keine Selbstverständlichkeit, dass man auch in Deutschland wieder Autos bauen würde. Ferry erklärte: »1951 gab es in der Familie reichlich Diskussionen darüber, ob wir das fortsetzen wollten, was wir in Gmünd mit dem 356 begonnen hatten. Ich war immer dafür gewesen, doch nachdem ich damit vorgeprescht war, hatte ich keine weiteren Argumente. Tatsächlich gab es Streitigkeiten darüber, welcher Teil für was bezahlen müsse. Wenn wir beispielsweise 50 Prozent der Ingenieursleistung an Autos mit Autos bezahlen würden, wer sollte dann sagen, wie die anderen 50 Prozent mit Beratung verdient werden sollten? Du kannst die Anteile nach Belieben aufteilen!«
Als Porsche mit dem Automobilbau beginnen wollte, musste der dafür benötigte Raum beim Karosseriewerk Reutter angemietet werden, weil die US-Army das benachbarte Werk I weiterhin für ihren Fahrzeugpark benötigte. »Das war unser größtes Glück«, sagte Ferry mit einem Augurenlächeln. »Andere Firmen hatten Gebäude, Werkzeuge und so weiter, aber sie wussten nicht, was sie tun sollten, welche Autos sie bauen sollten. Sie hatten Fixkosten, aber keinen Umsatz. Wir hatten Umsätze, aber keine Betriebskosten!«
Während sein Vater weiterhin in französischer Gefangenschaft saß, lag es an Ferry, eine neue technische Zusammenarbeit mit Volkswagen zu suchen, wo Heinrich Nordhoff jetzt Generaldirektor war. »Ich kannte Nordhoff bereits von Treffen bei Fahrzeugtests in Kriegszeiten«, berichtete Ferry. »Er war verantwortlich für die in Brandenburg gebauten Opel-Blitz-Lastwagen. Wir trafen uns, zogen einen Schlussstrich unter die Vergangenheit und einigten uns auf eine neue Lizenz für den VW, einen Beratervertrag, den Import von VWs nach Österreich, einen bevorzugten Status bei der Lieferung von VW-Teilen für den Bau eigener Sportwagen und die gemeinsame Nutzung der weltweiten VW-Vertriebsorganisation. Das war die Grundlage für unseren Neuanfang.«
Die Einnahmen und Tantiemen aus dieser Quelle füllten bald eine Kriegskasse. »Seitdem wurde der Vertrag mindestens viermal geändert und verlängert«, sagte Ferry, »und wie ich immer sage: Wir sind seit 1934 verheiratet!«
Eine Hochzeit ganz anderer Art wurde laut Ferry 1954 vorgeschlagen: »Ich wurde gefragt, ob ich nach Wolfsburg gehen und dort die Entwicklung bei VW übernehmen wolle. Ich hätte das Autogeschäft aufgeben müssen. Ich hatte das Gefühl, sie dachten, es sei einfacher und billiger, mich an sie zu binden, statt das gesamte Unternehmen Porsche zu übernehmen.« Unnötig zu sagen, dass dies nicht passiert ist. Tatsächlich bemühte sich Ferry ab jetzt, eine engere und möglicherweise erstickende Beziehung zu Volkswagen abzuwehren.
»Als wir in Stuttgart mit dem 356 begannen, planten wir lediglich 500 Autos«, erinnerte sich Ferry. »Alle unsere Pläne und Werkzeuge waren auf diese Stückzahl ausgelegt. Doch die Nachfrage wuchs, und wir bauten Werk II. Das war 1956 fertig. Im selben Jahr, in dem auch das 25-jährige Firmenjubiläum anstand, gaben uns die Amerikaner das Werk I zurück. Wenn wir das gewusst hätten, wäre Werk II vielleicht niemals entstanden!« Natürlich wurden bald beide Fabriken benötigt, um die Nachfrage zu bedienen.
Es war typisch für Ferry, von solchen Zufällen und dem Nachdenken über vergangene Entscheidungen verwirrt zu sein. Aber es war sein Schicksal, die Vergangenheit immer wieder aufzugreifen, denn seine Philosophie war: »Die Entscheidung ist stets eine momentane Sache und an die Umstände angepasst. Man muss immer daran denken, dass Entscheidungen unter den damaligen Bedingungen getroffen wurden. Niemand kann die Zukunft voraussehen.«
Apropos Entscheidungen: Ferry Porsche erklärte mir auch die Hintergründe der Beziehung zu Reutter. »Als wird nach Stuttgart zurückkehrten, reparierte Reutter dort Straßenbahnen, und in den anderen Werken wurden allgemeine Reparaturen durchgeführt. Danach waren sie zu 80 Prozent mit Arbeiten für Porsche beschäftigt. Vater Reutter war in Stuttgart bei einem Bombenangriff gestorben, und sein Sohn war als Soldat gefallen. Es gab acht Erben, doch keiner von ihnen hatte eine Ahnung von Fahrzeugbau, also stellten sie einen Manager ein. Als sie hätten investieren müssen, weil unsere Produktion wuchs, wollten die Erben das nicht, also riet ihnen der Manager, das Karosseriewerk zu verkaufen.«
»Nach einer sehr schwierigen Entscheidung konnten wir das Werk 1963 schließlich kaufen. Es war nicht leicht, das notwendige Kapital aufzubringen, da wir zwei Drittel unseres Gewinns an den Staat abführen mussten. Wir mussten eine Investition tätigen, die uns nichts Neues brachte. Wir legten Millionen auf den Tisch, ohne dass sich etwas änderte.« Der einzige Vorteil war, dass die bisherige vierprozentige Steuer für Verkäufe von Reutter an Porsche nicht mehr galt.
Während die Sportwagenproduktion boomte, war der Vertrag von Porsche mit Volkswagen bis auf Projektgebühren und Lizenzgebühren wenig zufriedenstellend. »Nach Kriegsende war unsere erste Arbeit für VW die Konstruktion eines neuen Autos mit dem vorhandenen Motor. Es hatte eine komplett selbsttragende Karosserie und vorn McPherson-Federbeine. Doch dann verkaufte sich der Käfer so gut, dass man entschied, den neuen Wagen nicht zu bauen.«
»Wir konstruierten sechs oder sieben neue Autos für VW, die nie gebaut wurden. Und darum habe ich immer gedacht, dass wir selbst weiterhin Autos bauen sollten. Zumindest in einem Bereich konnten wir zeigen, dass wir stets auf dem neuesten Stand waren, auch wenn diejenigen, für die wir arbeiteten, unsere Konstruktion nicht bauten. Wenn wir keine Autos gebaut hätten, würde niemand mehr über uns sprechen.«
Ferry fügte hinzu: »Für den größeren Typ 3 baten sie Porsche, Ghia und ihr eigenes Studio um Styling-Vorschläge. Der Vorstand sah sich alle drei Modelle an und wählte das Porsche-Design. Aber um niemanden traurig zu machen und um zu vermeiden, dass jemand Porsche das Design anrechnete, haben sie alles zusammengemischt. Unserer hatte eine niedrigere Gürtellinie und tiefer angeordnete Lampen – er war viel schöner!«
»Weil die Geschäfte so gut gingen, konnten wir es uns leisten, an Rennen teilzunehmen. Doch zuerst haben wir es auf die billigste Weise gemacht!« Ferry wollte damit auf die in Gmünd gebauten Coupés mit ihren Aluminiumkarosserien und den schmalen und strömungsgünstigen Kabinen verweisen, die 1951 für den ersten Einsatz in Le Mans verwendet wurden.
»Wir stellten fest, dass wir mit der Rennwagenentwickung die normalen Autos verbessern konnten«, fügte Ferry hinzu. »Beispielsweise waren die ersten 1,5-Liter-Motoren mit Hirth-Kurbelwellen und Wälzlagern ausgerüstet, vor allem, weil hierbei einteilige Pleuel verwendet werden konnten, die mehr Platz für die Nockenwelle ließen. Eines Tages kam [Chefkonstrukteur Karl] Rabe zu mir und sagte: ›Ich habe ein Pleuel mit einem diagonalen Schnitt, das Platz für die Nockenwelle schafft.‹ So konnten die Motoren doch auf Gleitlager umgestellt werden.«
Als ich mit Ferry sprach, geisterte noch das Thema Wankelmotor durch alle Automobilunternehmen. War dies eine Investition, die auch Porsche hätte tätigen müssen? Tatsächlich hatte man am 02. März 1965 eine Lizenz zur Zusammenarbeit mit Felix Wankel über »Verbrennungsmotoren von 50 bis 1.000 PS für Pkw (Renn- und Rallyefahrzeuge)« erworben.
»Ich errechnete, dass weltweit täglich 65.000 Motoren für alle möglichen Zwecke gebaut würden, sagte Porsche. »Dies bedeutete Investitionen von vielen Milliarden Mark, um sie herstellen zu können. Welchen Vorteil muss ein Motor haben, um bereits bekannte Triebwerke zu ersetzen?« Die unausgesprochene Antwort war, dass die Vorteile eines Neuankömmlings weitaus größer sein müssten, als es Wankel bieten konnte. Tatsächlich hat Porsche den Wankelmotor nicht fortgeführt, während gleichzeitig der Porsche-Ingenieur Leopold Schmid einen Rotationsmotor entwickelt hatte, der ein beträchtliches Potenzial zeigte.
Nachdem Ferry Porsche die Kombination aus Automobilbau und Beratungsbüro erfolgreich abgeschlossen hatte, konnte er über den Erfolg seines Unternehmens nachdenken: »Das Schönste ist für mich, wenn ich nach Amerika gehe und sehe, was für ein gutes Image wir auf diesem Kontinent haben. Das ist die Bestätigung für das, was wir getan haben. Es zeigt, dass das, was wir getan haben, das Richtige war.«
Ferry fügte hinzu: »Andere bauen Sportwagen, aber kaum jemand baut ein Auto wie wir, speziell für diesen Zweck, bis hin zur letzten Schraube. In Italien tun es einige, aber ihre Autos kosten doppelt so viel wie unsere.« Als Konsequenz dessen, was Porsche zu Porsche machte, wurde diese Philosophie erfolgreich im 21. Jahrhundert fortgesetzt.
Louise Piëch war in Österreich eine überragende Persönlichkeit, doch über dessen Grenzen hinaus strebte sie nicht nach Anerkennung. Anders als ihr Bruder Ferry Porsche, wurde Louise nie zu einer weltweiten Ikone. Die von ihr geführte Vertriebsorganisation übertraf jedoch oft den Autobauer Porsche sowohl in der Anzahl der Verkäufe als auch der Rentabilität. In den ersten 50 Jahren wurden rund 25 Milliarden US-$ umgesetzt, während zwei Millionen Autos verkauft und betreut wurden. »Es war eine Ölquelle«, scherzte der ehemalige VW-Chef Carl Hahn – und fügte hinzu: »Sie förderte kein Öl, sondern Gold.«
Hahn fügte hinzu: »Bei Porsche Salzburg war Louise in jeder Hinsicht die Oberbefehlshaberin. Doch tatsächlich war sie eine Maria Theresia des 20. Jahrhunderts« – ein Hinweis auf die einzige Frau, die jemals das Reich der Habsburger regierte. Während Maria Theresia eine außerordentliche Frau des 18. Jahrhunderts war, erwarb sich Louise Piëch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen phänomenalen Ruf als Unternehmensleiterin, die Volkswagen, Audis und Porsches nach Österreich importierte und die schließlich ein Groß- und Einzelhandelsimperium leitete, das weit nach Ost- und Westeuropa hineinragte.
Der entscheidende Wendepunkt für Louise Piëch, geborene Porsche, war der Morgen ihres 48. Geburtstags am 29. August 1952. Sie war die Frau von Anton Piëch, Rechtsanwalt und Geschäftsführer ihres österreichischen Autohandels-Unternehmens mit 71 Mitarbeitern. Sie hatten vier Kinder: Ernst (* 1929), Louise (* 1932), Ferdinand (* 1937) und Hans-Michael (* 1942). Obwohl die Familienresidenz in Zell am See ihr Zuhause war, hatten sie auch eine Wohnung am Firmensitz in Salzburg. Und es gab ein Sommerhaus am Wörthersee, wo Louise an diesem Freitagmorgen auf Anton wartete, um ihren Geburtstag zu feiern.
Anton war spät dran. Der Grund dafür wurde ihr bei einem Anruf aus Klagenfurt genannt. Er hatte auf der Fahrt einen Herzinfarkt erlitten. »Heutzutage würdest du nicht daran sterben«, erinnert sich sein Sohn Ernst. »Heute würde man operiert werden und eine Überlebenschance haben, doch damals war es nicht möglich, ihn zu retten. Niemand wusste, wie man das macht.« Kurz vor seinem 58. Geburtstag hatte Anton Piëch seinen letzten Atemzug getan.
Nur wenige Tage zuvor hatte Piëch seinen Schwager Ferry Porsche und dessen Frau sowie ihren technischen Leiter Karl Rabe besucht, bevor diese zu einer Geschäftsreise nach Amerika aufbrachen. »Ich erinnere mich, dass er meiner Frau sagte, er könne nicht richtig atmen und würde schnell müde werden«, erzählte Ferry später seinem Biografen John Bentley. »Sie war zutiefst besorgt und riet ihm, sich auszuruhen und unverzüglich einen Arzt aufzusuchen. Aber er wollte nichts davon hören. Er sagte: ›Wenn es schnell geht, wäre es das beste für mich.‹ ›Du darfst so etwas nicht sagen‹, sagte meine Frau zu ihm. ›Was sollen wir ohne dich tun? Es mag für dich eine praktische Lösung sein, so etwas zu sagen, doch was ist mit deinen Kindern und Louise?‹ ›Was macht das für einen Unterschied?‹ antwortete er schulterzuckend.«
Mit dieser leichtfertigen Bemerkung am Ende seines Lebens schien Anton Piëch die dominante Rolle anzuerkennen, die Louise Porsche in ihrer Beziehung spielte. Dazu Ernst Piëch: »In Wirklichkeit war alles, was mein Vater getan hat, mehr oder weniger von meiner Mutter manipuliert worden. Sehr clever. Alle wussten das. Mein Vater lieferte mehr oder weniger eine Mauer oder Schutzbarriere, doch was geschah, wurde von meiner Mutter bestimmt. Und das war sehr gut, denn als mein Vater plötzlich starb, war sie über alles gut informiert und übernahm einfach die Leitung der Firma. Als ob nichts geschehen wäre. Alle waren darüber etwas schockiert, aber sie tat es einfach!« Anton hatte recht: in dieser Hinsicht bedeutete sein Tod kaum einen Unterschied.
Es war keineswegs selbstverständlich, dass Louise die Leitung der Porsche Konstruktionen GmbH, wie die Importgesellschaft genannt wurde, übernehmen würde. Wie die Autofirma in Stuttgart, befand sie sich im gemeinsamen Besitz der beiden Kinder von Ferdinand Porsche. Wer sollte nach dem Tod von Anton, der die Firma seit 1950 geleitet hatte, in der Lage sein, dies weiterzuführen? Das Unternehmen hatte am 16. April 1949 seine ersten 14 VW-Käfer in Österreich ausgeliefert. Der Absatz im Jahr 1952 war mit 798 Einheiten immer noch recht bescheiden. Wer könnte wissen, ob sich das Geschäft irgendwann lohnen würde? Wäre es nicht besser für Ferry und Louise, das aufstrebende österreichische Unternehmen zu verkaufen und sich auf den Automobilbau in Stuttgart zu konzentrieren?
Nach intensiven Gesprächen zwischen den Geschwistern und ihren Beratern wurde beschlossen, das Unternehmen mit Louise an der Spitze weiterzuführen. Wer in Salzburg glaubte, dass sie lediglich das »Porsche«-Aushängeschild an der Spitze sein würde, wurde enttäuscht. Sie war der Boss und zweifellos in jedes Detail des Salzburger Betriebs involviert. »Meine Mutter war effektiver darin, Dinge durchzusetzen, als mein Onkel [Ferry]«, sagte ihr Sohn Ferdinand. »Aber dennoch war sie weit entfernt von einer Karikatur einer ›Eisernen Lady‹.«