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In Gedenken an Jürgen Grasmück

Seelenfeuer

von Marty Ramone

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www.verlag4you.de

© 2019 by verlag4you - Germany

1. Auflage

ISBN 978-3-947183-18-0 (PRINT)

ISBN 978-3-947183-19-7 (EBOOK)

Buch- und Umschlaggestaltung: verlag4you

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4.0

Kapitel 4.1

Kapitel 4.2

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 12.1

Kapitel 12.2

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15.0

Kapitel 15.1

Kapitel 15.2

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19.0

Kapitel 19.1

Kapitel 19.2

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Epilog

Danksagung

Autorenwort

Prolog

Es war dort seit den Anfängen der Zeit und wartete darauf hinauf zu steigen.

Es sehnte sich nach der Oberfläche, nach den Menschen und ihren Seelen. Mit ihnen würde es mächtig werden.

Die Hölle könnte sich an dem Versagen Gottes laben.

Die Engel der Finsternis würden unheilvoll über die Erde herfallen und sich das menschliche Leben untertan machen. Das Chaos mit seiner ganzen Feuerkraft der Hölle ließe die ganze ursprüngliche Welt zu einer pulsierenden Kugel verschmelzen, auf der jegliche irdische Zivilisation ausgelöscht werden sein sollte…

1

Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu. Die Sonne verschwand an diesem späten Frühlingstag hinter den Bergen und hüllte den Wald des Harzes in ein goldenes Licht. Der Fluss schlängelte sich durch das Tal. Das Wasser der Lutter und das Leben darin nahmen die letzten Sonnenstrahlen in sich auf. Weit talaufwärts herrschte dagegen noch emsiges Treiben.

Heinz Sattler, Sprengmeister außer Dienst und ehemals beim letzten Bergbau Betrieb EFBL (Erz Förderbetrieb Bad Lauterberg) beschäftigt, war an diesem Tag nochmal an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt, um einen letzten erforderlichen Arbeitseinsatz vorzunehmen.

Der Bergbau Förderverein, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, viele Schaulustige und Wanderer waren zugegen und auch das lokale Fernsehen wollte bei der in Kürze stattfindenden Sprengung vor Ort sein.

Die Grube Michael ruhte schon seit vielen Jahren. Arbeitsaufwand und der daraus resultierende Profit machten das Schließen des Bergbaubetriebs unumgänglich. Den LKW-großen Eingang hatte man mit schweren Eichenbohlen verriegelt und den Förderfuhrpark nach und nach abgebaut. Nur ein paar alte Gebäude, die immer mehr verfielen und das besagte Tor deuteten darauf hin, dass dieser Ort dem Harz und dem kleinen Örtchen Bad Lauterberg einst den ersten Wohlstand beschert hatte.

In den letzten Jahren war es in der Grube immer wieder zu Einbrüchen gekommen. Der Eingang war mittlerweile verwittert und viele der stützenden Balken marode. Jugendliche waren seitdem des Öfteren in den Berg eingedrungen und hatten dort Partys gefeiert. Natürlich blieb es nicht bei Aufenthalten im vorderen, relativ ungefährlichen Bereich. So geschah das Unvermeidliche: Vor einem Jahr wagte sich ein alkoholisierter Teenager zu weit in die enger verlaufenden Fördergänge, verlief sich in einen der Stollen und stürzte einige Meter tief in einen Schacht. Er hatte wahnsinniges Glück, dass er sich dabei nur das Bein brach. Zum Glück fanden seine Freunde ihn und holten Hilfe.

So geriet das Ganze folglich an die Öffentlichkeit und der Druck auf den Förderverein, eine Entscheidung zu fällen, die nicht noch spätere zusätzliche Kosten verursachen würde, wuchs.

Da kam dann der mittlerweile 70-jährige Heinz Sattler ins Spiel. Selbst ehrenamtlich im Verein tätig, erklärte er sich spontan auf der Mitgliederversammlung bereit, per Sprengung der Grube Michael den letzten Gnadenstoß zu geben.

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Sattler überprüfte die letzten Details. Nicht nur der Eingang, sondern auch der hintere Bereich sollte bei der Sprengung so verschüttet werden, dass die Grube niemals wieder passierbar sein würde.

Er befand sich im hinteren Teil des Stollens und war mit seiner Sprengstoffdosierung zufrieden. Die Wandlampen leuchteten die Gänge gespenstisch aus. Mehrere Pfützen waren durch das durch die Grubendecke tropfende Wasser entstanden. Eine alte Lore stand verlassen auf dem rostigen Schienensystem. Einst hatte man in ihr das kostbare Eisenerz zu Tage gefahren.

Sattler musste grinsen. Der Fernsehsender hatte auch hier im Inneren Kameras aufgestellt, die bei der Detonation das Zeitliche segnen, aber bis dahin Bilder nach draußen liefern würden.

Die Kabel zum TNT waren vorschriftsmäßig verlegt und so arbeitete er sich bis nach draußen vor und befand, dass es nun an der Zeit für seine letzte Amtshandlung war.

Eine Hustenattacke überkam ihn und schreckte eine Fledermaus auf. Ängstlich flatterte sie am Sprengmeister vorbei und verschwand im hinteren Bereich des Stollens. Sattlers Blick verfinsterte sich. Der schwerkranke Mann nahm einen tiefen Stoß Cortison, damit er ohne störende Hustenanfälle weiter machen konnte.

Viele Schaulustige warteten gebannt in gebührendem Abstand. Die Reporterin stand vor ihrem Übertragungswagen und sprach in die Medienübertragung ihres Kollegen. Sie hatte bereits im Vorfeld mit dem Sprengmeister ein Interview vor laufenden Kameras geführt. Nun schien die Frau die Spannung für die sich live am Fernsehbildschirm befindlichen TV- Zuschauer mit ihren Gestiken noch mehr steigern zu wollen.

Walter Sattler erschien am Grubentor, begab sich in Sicherheit des abgesperrten Bereichs und trat vor die Zünder. Bald war es nun soweit…

Kurzzeitige Stille.

Dann aktivierte Heinz Sattler per Knopfdruck alle verlegten Sprengsätze gleichzeitig. Und damit das Inferno!

Eine riesige Druckwelle breitete sich im Schacht aus und pulverisierte das Gestein, als ob es nur Watte wäre. Der Eingang erstrahlte für eine Millisekunde taghell, bevor alles hier von Menschenhand Entstandene in sich zusammenbrach.

Doch war es nur ein Inferno?

Wohl schon, aber mit furchtbar, weitreichenden Folgen: Denn zu diesem Zeitpunkt konnte keiner ahnen, dass sich gerade die Höllenpforten geöffnet hatten.

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„Vater, ich bin frei…freiiiiiii“, zischte es unheilvoll tief aus der Unterwelt. „Ich kann nach oben steigen, Vater“, ertönte es schrill durch die verschachtelten Gänge aus längst vergangener Zeit.

Der fluoreszierende Astralkörper flog in überschwänglicher Freude immer höher. Dieses Wesen war keiner der herkömmlichen gefallenen Engel und Dämonen aus der Hölle, die dort in Fleisch und Blut die geschundenen Körper der Menschen fortwährend quälten. Es war Damian, der Sohn Luzifers, auserkoren unermessliches Grauen auf die Erde zu bringen.

„Freiiiiiiiiiiii!!!“

Satans Stimme grollte donnernd durch das Höllenlabyrinth: „Sohn, endlich kannst du dich beweisen. Mach der Hölle alle Ehre und bring uns viele Menschenseelen. Nur so werden wir stark genug sein, die Ketten zu sprengen und die Hölle aufzutun, damit ich meine Kreaturen über den gesamten Erdball schicken kann.“

Des Teufels irres Lachen ertönte grausig hallend zu Damian empor, der immer höher stieg und bald das von der Explosion eingestürzte Geröll erreichte. Für feste Körper wäre es unmöglich gewesen, zu passieren. Nicht so für ihn. Geschwind glitt sein Astralkörper durch abertausende Ritzen des Gesteins bis hinaus in die Freiheit.

„Ich bin freiiiiii, Vater.“

Sein durchschimmernder Leib hatte nun das Luttertal erreicht, dass in völliger Dunkelheit vor ihm lag. Es war finsterer als in der Unterwelt, wo überall Höllenfeuer schmorten und dort das grausige Szenario ausleuchteten.

Aber Damian war kein Mensch. Dämonen wie er konnten sich auch in der Dunkelheit zurechtfinden. Vater hatte ihn jedoch vor dem anderen Tagesabschnitt gewarnt. Für Wesen der Finsternis war das Sonnenlicht gefährlich. An seinen Strahlen würde man im Gegensatz zur Höllenglut verbrennen, da man auf der Erdoberfläche nicht gegen Licht und Feuer immun war.

So flog sein fluoreszierender Körper, der jetzt die Form einer bläulichen Kugel angenommen hatte, beschwingt durch die Baumreihen. Nadelhölzer und Laubbäume wechselten sich ab. Wann würde Damian auf die ersten Menschen treffen, von denen ihm seit Vater erzählt hatte? Für einen Sterblichen musste dem Mischwald in seinem derzeitigen Tagesabschnitt etwas Gespenstisches anhaften. Der Dämon hingegen fühlte sich in seinem Element.

Doch etwas war anders als vorher. Zu der unbändigen Freude, die neue Welt erkunden zu können, kam noch etwas anderes hinzu: Ein unstillbarer Hunger überkam Satans Sohn. Ein Hunger auf Etwas, dass ihn stark machen würde. Damian dürstete nach Blut.

Seine Instinkte ließen ihn auf die Jagd gehen…

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Ein Hirschrudel bewegte sich durch das Unterholz, dessen Witterung Damian schon aufgenommen hatte. Die Instinkte der Paarhufer ließen die Waldtiere nervös werden, als sie plötzlich den leuchtenden Lichtball erblickten. Einige Tiere konnten flüchten, da der Dämon nicht alles Rotwild auf einmal angreifen konnte. Für eine Hirschkuh und ihr Junges war es jedoch zu spät.

Die Ausgeburt der Hölle umschwirrte forschend die Tiere und drang schließlich in das Maul der Mutter ein. Was für ein erhabenes Gefühl! Der Astralkörper glitt die Speiseröhre hinab in Richtung der Gedärme. Nun konnte er sich endlich ausbreiten. Manifestierte sich zu einem schrecklichen Geschöpf, dass jetzt riesige Krallen ausfuhr, die durch die Innereien der Kuh schabten. Unter den spitzen Klauennägeln sammelte sich das Blut der Gedärme.

Wie im Wahn zerriss der Dämon den Tierleib von innen heraus und labte sich an dessen Lebenssaft. Ein grausiger Kopf bildete sich, der sich mit seinen messerscharfen Zähnen unaufhörlich nach unten fraß, nachdem er zuvor das Herz verschlungen und dem Leid der Hirschkuh endlich ein Ende bereitet hatte. Schließlich erreichte das Haupt des Monsters die Gebärmutter, in dem sich ein schon weit entwickelter Embryo befand.

Im Blutrausch schnappten die grässlichen Zahnreihen immer wieder zu und ließen die zarten Knöchelchen splittern. Das fühlte sich wunderbar für die Höllenkreatur an.

Der Dämon wuchs weiter. Dabei platzte das Tier auf wie eine überreife Frucht, die man gegen eine Wand schleuderte.

Darmschlingen, Eingeweide und Fleischbrocken wurden über den Waldboden verteilt. Das warme Blut nährte das Gehölz und die Erde.

Damian hatte sich währenddessen zurück in die Lichtkugel verwandelt. Er wusste nun, dass er einen Wirtskörper brauchte, um sich zu einer festen Gestalt zu manifestieren.

Durch seine grausige Tat lernte er schnell. Um seinen teuflischen Plan besser auszuführen zu können, brauchte er jedoch einen anderen Körper. Einen, mit dem er Menschen noch gefährlicher werden konnte.

Das Kälbchen kauerte ängstlich bei der Leiche seiner bestialisch zugerichteten Mutter. Doch der Blutdurst des Dämons war noch nicht gestillt.

2

Es war heute ein wunderschöner Tag im Harz und das kam wahrlich nicht oft vor. Laut Statistiken hatte das Mittelgebirge im Norden Deutschlands die meisten Regentage im Jahr. Aber heute war das anders. Die Sonne wärmte mit ihrer noch milden Kraft das Gebirge und in Verbund mit vorherigen regnerischen Tagen produzierten die Bäume ein erstes grünes Blätterkleid. Die Natur erwachte, erste Insekten tummelten sich um wilde Blumen und saftiges Gras.

Thomas Reich und Jan Ebeling waren auf einem spontanen Kurztrip im Südharz, um ein paar schöne Wanderungen entlang des „Harzer Hexen Stiegs“ zu machen. Beide stammten aus Hannover, waren aber sehr naturverbunden und bedauerten es sehr, dass es um Niedersachsens Landeshauptstadt so dermaßen viel Flachland gab. Nicht so im norddeutschen Mittelgebirge! Jan war als Kind oft mit seinen Eltern hier gewesen und kannte sich dementsprechend gut aus.

Nachdem sie am Vortag in einer Bad Lauterberger Pension günstig eingecheckt hatten und den Abend feuchtfröhlich auf des Städtchens imposanten Boulevard in den zahlreichen Kneipen verbracht hatten, waren die beiden 24-jährigen heute frühzeitig aufgebrochen und von Scharzfeld, einem kleinen malerischen Dorf am Rande des Südharzes, gestartet.

Erste phantastische Eindrücke waren an der Steinkirche entstanden. Eine Höhle in den Felsen über dem Ort, in der es der Sage nach im Mittelalter zu ketzerischen Opferdarbietungen für den Teufel gekommen sein sollte.

Oberhalb der Kirche befand sich ein Felsenmeer und grüne Hügel, die dem Auenland in Tolkiens „Herr der Ringe“ nicht unähnlich waren.

Über malerische Waldpfade erreichten sie schließlich die Einhornhöhle und nahmen auch noch an der sehr informativen Führung teil. Das vermeintliche Skelett des Einhorns, den Originalknochen in Holzform nachgestaltet, prangerte am Einlass der Höhle und sah so gar nicht nach einem „rosaroten Einhorn“ aus, sondern war regelrecht furchteinflößend.

Während der Führung wurde dann aber deutlich, dass die Sage um das Fabeltier nur entstanden war, weil man die in der Höhle gefundenen Knochen von verschiedenen Tieren aus grauer Vorzeit zu einem Monster rekonstruiert hatte.

Gruselig war der Aufenthalt trotzdem für Thomas und Jan. Erfuhren sie doch, dass der Boden unter ihren Füßen fast ausschließlich aus Tierfossilien wie zum Beispiel Bären- und Wolfsknochen bestand.

Da konnte selbst die prächtige „Blaue Grotte“ am Ende des Rundgangs das komische Gefühl nicht lindern, dass heute noch etwas Schlimmes passieren würde.

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Über die Burgruine Scharzfels, wo man einen letzten Schoppen Bier zu sich nahm, ging es dann an den Aufstieg. Es war schon früher Nachmittag und der breite Pfad nahm fast kein Ende. Immer wieder schlängelte er sich über Kurven aufwärts, bis endlich linker Hand der Turm des 677 Meter hohen Großen Knollens sichtbar wurde.

Nachmittags erreichten die Wanderer endlich ihr Ziel und traten in die Gaststube der Knollen Baude. Der Wirt Bernd Baldus hieß sie herzlich willkommen und versorgte die Freunde mit Weizenbier und Erbsensuppe. Das hatte man sich ja auch jetzt verdient.

Schließlich bestiegen Jan und Thomas nach einer erneuten Runde Gerstensaft den zwanzig Meter hohen Rundturm, um die Aussicht zu genießen. Fantastisch: Der Blick zum Brocken, Wurmberg, Ravensberg oder dem Bergstädtchen St. Andreasberg. Die Mühen wurden mit einem herrlichen Panorama belohnt.

Leider sollte dies der letzte schöne Moment im Leben von Thomas Reich und Jan Ebeling sein…

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Mittlerweile war es spät geworden. Die zwei Freunde waren die letzten Gäste und es wurde langsam dunkel draußen.

Bernd gab den Beiden noch einen Schiercker-Feuerstein - Schnaps mit auf den Weg. Und so ging es nun über den legendären Bergpfad Richtung Knollenkreuz und Bad Lauterberg.

Was vorher so herrlich und naturverbunden wirkte, sah in der Dämmerung ganz anders aus. Mit einem Schlag war es jetzt düster, da am Himmel auch noch schwarze Wolken aufzogen. Und so zückte Thomas seine Taschenlampe und leuchtete damit in den Weg. Mit einem steilen Abhang auf der linken Seite des Pfades schritten die Freunde durch die Dunkelheit.

Ein unheilvoll komisches Gefühl kam in den Männern auf.

Die Bäume warfen gespenstische Schatten in den Schein der Lichtquelle und mutierten so zu unheimlichen Erscheinungen. Der Schrei eines Käuzchens hallte durch die gespenstische Dunkelheit. Dann war da noch das vom aufkommenden Wind raschelnde Laub der Bäume. Ansonsten herrschte absolute Stille.

„Ganz schön gruselig hier in der Dunkelheit, Thomas. Bei mir stellen sich alle Nackenhaare hoch“, äußerte Jan verängstigt.

„Mir geht es nicht besser, aber bald haben wir es ja geschafft“, antwortete sein Kumpel um Aufmunterung bemüht.

Immer weiter ging es für die Freunde bergab. An einer Wegbiegung wurde es so eng, dass Jan auf herumliegenden Steinen fast gestürzt wäre. Im letzten Moment konnte er sich fangen und fluchte leise vor sich hin. Es war hier schwierig auf dem Weg zu bleiben, da an Kurven vermeintliche Abzweigungen dazu einluden, in die falsche Richtung zu laufen. Nur das Licht der Lampe gab einigermaßen Aufschluss darüber, dass man doch richtig lag, da der korrekte Pfad dann doch besser ausgetreten war.

Nach einigen Kilometern erreichten sie eine Lichtung und damit das Knollenkreuz. Ein großer Platz, der mit Tisch und Bänken zu einer normalen Tageszeit zum Verweilen einlud. Aber nicht so heute. Die Wolken nahmen zu und der Himmel wurde immer schwärzer.

Irgendwie war es den Freunden jetzt noch unheimlicher. Sie machten eine Pause. Jan öffnete seinen Rucksack und holte die beiden Flachmänner mit dem Kräuterlikör hervor. Jetzt etwas Mut antrinken. Sie kippten den spendierten Schnaps von Bernd die Kehle hinunter. Nur noch zwei Kilometer und sie wären sicher im Ort…

Auf einmal sahen sie das fluoreszierende Licht in der Ferne; eine bläulich schimmernde, schwebende Kugel, die Kurs auf Jan und Bernd nahm. Und sie kam unaufhörlich näher…

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Die Lichtkugel war jetzt direkt vor den Freunden.

„Was zur Hölle ist das?“ Es waren Jan Ebelings letzte Worte.

Wie ein Blitz traf sie ihn, ohne dass er eine Chance zum Ausweichen gehabt hätte. Noch hatte er nicht begriffen, dass er gleich sterben würde.

Der Astralkörper verformte und breitete sich aus.

„Vorsicht, Jan. Das Ding ist an dir“, schrie Thomas seinem Freund noch warnend zu.

Doch es war da schon zu spät, um noch zu fliehen. Das Gebilde drang pfeilschnell in Ebelings Körperöffnungen ein. Die übernatürliche Erscheinung glitt in Ohrenmuscheln, Nasenlöcher und Mund. Der junge Mann schrie wie am Spieß. Heißer als Feuer bahnte sich die gallertartige Masse seinen Weg durch den Körper. Jan erzitterte unter der Glut, die seine Eingeweide verbrannte.

„Was ist mit dir?“, rief Reich in seiner Hilflosigkeit und wusste im Grunde, dass er keine Antwort mehr erhalten würde.

Ebelings Körper erleuchtete auf einmal von innen. Dann fiel er in eine erbarmungswürdige Ohnmacht.

Eine furchtbare Fratze manifestierte sich in seinem Körper. Der Kopf bestand aus riesigen, dreieckigen Augen, dem die Nase zu fehlen schien. Dafür besaß der Dämon ein riesiges Gebiss mit furchterregenden Zähnen, die er in das pochende Herz schlug. Gierig fraß er es und absorbierte so die Seele des Menschen. Dann umfasste das Ungeheuer Jans Kehlkopf von innen und riss diesen mit einem Ruck aus dem Hals. Aber das bekam Ebeling schon nicht mehr mit.

Thomas war von den sich bietenden Horrorbildern völlig schockiert und im ersten Moment wie gelähmt.

Ein Ausläufer des dämonischen Organismus drang in Jans Anus ein und grub sich in den Leichnam mit einer sich bildenden, ballenden Faust. Alles war voller Blut. Dann durchbrach die Dämonenkralle den Übergang zu seinem Magen und riss einen Teil dessen hervor.

Das Grauen war für Thomas bei diesem Anblick allgegenwärtig. Er wusste nicht, ob er einfach weglaufen oder auf die Erde kotzen sollte.

Jans Bauch platzte auf. Darmschlingen klatschten auf den Erdboden und ein Gemisch aus Exkrementen und Mageninhalt spritzte in den Dreck. Dann war es vorbei. Der Dämon fuhr aus Jans Leiche heraus, schleuderte sie wie ein lästiges Insekt gegen den nächsten Baum und machte sich nun über Thomas her.

Der hatte keine Chance, als Damian in seinen Körper glitt und sein Herz fraß. Satans Sohn war ein Gestaltenwandler und hatte sich gerade seinen ersten Wirtskörper auserkoren.

3

Tim Berger räkelte sich an diesem Mittwoch in seinen Federn, als das Handy auf dem Nachtschrank ertönte. Ramones ihr Song „Rock and Roll Highschool“ erweckte sogar Tote aus ihrem Schlaf.

Verdammt, dachte Tim, als er auf dem Display die Bezeichnung „Arschloch“ las. Oh Mann, was wollte der Boss? Heute war doch sein freier Tag.

Gestern Abend hatte er noch mit Kumpels zusammengesessen. Sie hatten einige Pils getötet und geile Musik von früher gehört.

Er drückte auf den Gesprächsannahmebutton seines Smartphones und fragte Oberpolizeirat Ludwig ironisch: „Hi Officer! Was kann ich für Sie tun?“ Dabei ließ er seinen Blick durchs Zimmer schweifen. Die Bude sah wirklich scheiße aus. In seiner 60 Quadratmeter großen „Übergangslösung“ waren Wohn- und Schlafzimmer praktisch in einem Raum untergebracht. Er wohnte erst seit zwei Monaten hier, nachdem Jana ihn rausgeschmissen hatte. Die 32-jährige hatte keinen Bock mehr auf seine ewigen Schichten als Hauptkommissar gehabt. Und wenn er dann mal frei hatte, führte er sich mit seinen 38 Jahren auf wie ein großer Junge. Dabei war Jana Sommer kein Mensch, der nachtragend war, sondern eine Frau, wie sie sich ein Kerl nur wünschen konnte: Extrem hübsch und immer experimentierfreudig; auch wenn es um Sex ging.

Seine Kumpels hatten ihn regelrecht beneidet. Eine Nymphomanin war nichts gegen die Hemmungslosigkeit seiner Ex, wenn sie gut drauf war.

Auf dem Tisch türmten sich die Bierpullen. Der Teppich davor wurde von herumliegenden Kartoffelchips dekoriert und die schwarze Ledercouch war mit Vinyl und Covern von alten AC/DC und KISS-Platten ausstaffiert.

„Berger, mir ist durchaus bewusst, dass Sie heute frei haben. Aber die Umstände machen es erforderlich, Sie in den Dienst zu zitieren“, erläuterte ihm „Arschloch“.

Der Polizeioberrat schien ihn ja dringend zu brauchen. Wie kam Tim nur zu der Ehre?

Eigentlich war Ludwig ja ganz okay. Wenn er sich nur nicht immer so überkorrekt an die Dienstvorschriften halten würde. In der Vergangenheit waren er und Berger deshalb des Öfteren aneinandergeraten.

Zu dem erinnerte der Boss Tim mit seiner Gestik und Mimik immer irgendwie an Mr. Bean.

Der Hauptkommissar hüpfte aus dem Bett und hielt sich augenblicklich den Kopf, der sich in diesem Moment anfühlte, als wäre er von einem Messer durchbohrt worden. Scheiße, das waren wohl gestern doch ein paar Bier und Kurze zu viel gewesen.

Ludwig führte weiter aus: „Heute Morgen circa gegen acht Uhr stieß ein Fußgänger mit seinem Hund in einem Waldstück in der Nähe bei Bad Lauterberg auf eine grausam entstellte Leiche.

Ich habe daher kurz vor diesem Anruf bereits Spurensicherung und den Pathologen losgeschickt. Schauen Sie sich den Toten bitte an. Bis nach Bad Lauterberg dürfte Ihr Navi keine Probleme haben. Am Ende der Heikenbergstraße wird Ihnen dann die Wegbeschreibung der Mail weiterhelfen, die ich Ihnen soeben zugeschickt habe.“

Kaum war es ausgesprochen, machte Tims Smartphone auch schon „Bling“. Ludwig wünschte noch gutes Gelingen. Berger sah auf das Display: 11 Uhr 7.

Er stürzte in den Flur am Spiegel vorbei. Bis auf eine Retroshorts war er nackt. Der Polizist hielt inne. Gar nicht so schlecht. Die Haare lagen ganz gut. Hellbraun und etwas länger bedeckten sie beide Ohren. Der lange Pony fiel tief die Stirn hinab und musste ständig mit einer seiner typischen Gesten aus den Augen gewischt werden. Bartstoppeln… okay! Aber Rasieren war jetzt Luxus.

Der Bauch war leider zurzeit nicht so durchtrainiert. Den Rest befand er für okay. Trotzdem musste Tim unbedingt mal wieder in die Muckibude gehen.

Nach einer schnellen Katzenwäsche und dem Einwurf eines Aspirins schlüpfte er rasch in seine Jeans und streifte sich ein ockerfarbenes, enganliegendes Shirt über. Noch schnell das Jackett im Armystyle vom Garderobenhaken genommen und es konnte losgehen.

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Mit dem Lift fuhr er aus der sechsten Etage in die zu dem Wohnblock dazugehörige Tiefgarage.

Vorne um die Ecke stand sein sechs Jahre alter Audi Q5, der noch vor zwei Jahren beim Vorbesitzer bessere Zeiten erlebt hatte. Für Tim war ein Auto lediglich ein Fortbewegungsmittel. Daher konnte man die Park-Distance-Control schon mal überhören. Dementsprechend sah der metallicblaue Wagen auch an den Stoßfängern aus, die mit Dellen und Abschürfungen übersät waren.

Er gab die Adresse in sein Navi ein, verließ Göttingen in seinem SUV und fuhr die zweiundvierzig Minuten auf der Bundestraße 27 bis zum Tor des Südharzes: Bad Lauterberg.

Der 1 Euro Kaffee „to go“, den er sich noch schnell bei einem Schnellrestaurant geholt hatte, war nach der halben Strecke ausgeschlürft. Ach ja, wie liebte er doch „heißes ausgiebiges Frühstück“ am Steuer!

Kurz vor Zwölf passierte Tim das Ortsschild von Bad Lauterberg. An einer Laterne sah er das grüne Werbeplakat: „Nightbeat Festival“. Er las das Datum. Das war doch an diesem Wochenende. Weitere Schilder folgten. An einer roten Ampel hatte er mehr Zeit, den Text zu studieren. Da war die Rede von mehreren Bands, die in diversen Kneipen auftreten würden und die die halbe Nacht das Lauterberger Publikum bespaßen sollten. Cool! Das wäre auch eine Option für Tim gewesen, wenn er doch nur noch mit Jana zusammen gewesen wäre! Mit ihr war er schließlich in der Vergangenheit oft hier gewesen.

Das Städtchen hatte viel zu bieten: Neben der Shoppingmeile mit seinen tollen Geschäften, gab es die Burgseilbahn, mit der man auf den Hausberg fahren konnte und eine fantastische Aussicht auf die Kurstadt hatte.

Gegenüber befand sich der Kummelberg mit der Bismarckturm Baude. Von hier hatte man einen herrlichen Rundumblick zum Brocken, zur Hanskühnenburg, dem Wurmberg, aber auch auf den Großen Knollen. Die Odertalsperre lag malerisch zwischen den immer steiler aufragenden Bergen und auch das Harzvorland und Eichsfeld erstreckte sich bis zum Horizont.

Wandern gehörte nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, aber einen netten Nachmittag hatte der Hauptkommissar schon mit seiner Ex auf dem Hausberg verbracht. Eine Strecke war man damals mit der Seilbahn gefahren. Später hatten sie dann noch eines der tollen Bäder mit seinen schönen Saunalandschaften besucht und sich dort einen netten Abend gemacht.

Tim schwelgte in Erinnerungen an diesen perfekten Tag vor eineinhalb Jahren.

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Nach dem Gang in die 80 Grad heiße Sauna relaxte das Paar im Whirlpool. Janas geschmeidige Hand wanderte immer wieder über Tims Knie, zwischen seinen Schenkel und umfasste schließlich seine pralle Erektion. Gekonnt zog sie dabei massierend die Vorhaut bis zum Bändchenansatz zurück und übte leichten Druck auf die Rückseite der Eichel aus. Dann hielt sie inne und grinste die anderen beiden Typen im Whirlpool aus ihren smaragdgrünen Augen frech an, die sogleich hochrote Köpfe bekamen. Jana war schon eine Augenweide mit ihren langen schwarzen Haaren bis zum knackigen Po, den sie den Kerlen jetzt entgegenstreckte, nachdem sie sich erhoben hatte, um Angesicht zu Angesicht auf Tims Schoß Platz zu nehmen. Aberwitzig hüpften ihre prallen Brüste vor seinem Gesicht. Am liebsten hätte er jetzt an den steifen Nippeln gesaugt. Sein praller Schwanz pochte gegen ihren flachen Bauch. Dann beugte sie sich zu ihm vor und flüsterte in sein Ohr: „Komm, lass uns in die Umkleide gehen, Tiger. Ich will, dass du mir deinen Schwanz tief in meinen Mund steckst. Und dann darfst du mir so viel deiner Sahne in meinem Mund spritzen, dass mir der geile Saft aus den Mundwinkeln herausläuft.“

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Tim musste sich aus seinen Gedanken losreißen. Der SUV fuhr jetzt die Heikenbergstraße hoch und schließlich traf er oben auf der Kuppe auf einen unbefestigten Schotterweg. Eigentlich durfte man ab hier nicht mehr weiterfahren. Für Berger galt das jedoch nicht.

Laut der Mail sollte er dem Weg Richtung Wald und Himmelshöhe, einer ehemaligen Ausflugsgaststätte, folgen. Kurze Baumpassagen wechselten sich immer wieder mit grünen Weiden ab, auf denen prächtige Pferde grasten. Dann kam das ehemalige Wirtshaus in Sicht, vor dem an einer mächtigen Eiche mit Bank der Weg rechts abzweigte. Den nahm Berger und alsbald ging es für den Q5 steil bergauf.

Nach einem knappen Kilometer erschien eine Lichtung und dann kam auch schon der Tatort, das Knollenkreuz, in Sicht. Mehrere Fahrzeuge standen auf dem Weg. Ein Wagen der Spurensicherung, der rote Toyota vom Pathologen Maximilian Schenk, ein Leichenwagen, sowie ein lokales polizeiliches Dienstfahrzeug.

Tim steuerte vor einen riesigen Berg mit gerodeten Holzstämmen und knallte natürlich mit der Front dagegen, bevor der Audi zum Stehen kommen konnte. Ein langer Piepton hatte vergeblich auf das Hindernis hingewiesen. Der Polizist von der Göttinger Mordkommission zuckte nur mit den Schultern und stieg aus.

Auf halbem Weg kam ihm schon ein Polizist in Dienstuniform entgegen. Sie begrüßten sich und stellten einander vor.

Der 26-jährige Polizeiobermeister Frank Hartung erstattete einen kurzen Bericht: „Bei der grausig zugerichteten Leiche handelt es sich um einen gewissen Jan Ebeling, 24 und wohnhaft in Hannover. Ich konnte seine Eltern ausfindig machen, bei denen er noch lebte. Laut den Ebelings war er hier im Harz auf einem Kurztrip mit seinem Freund Thomas Reich, ebenfalls 24, von dem allerdings jede Spur fehlt. In der Bad Lauterberger Pension Kunze wohnten die Beiden seit vorgestern. Jan hatte am Vortag vormittags noch über WhatsApp mit seiner Mutter geschrieben. Dabei kam heraus, dass die Beiden gestern eine Wanderung zum Großen Knollen geplant hatten. Dieser Berg befindet sich hier in unmittelbarer Nähe.“

Tim Berger und Frank Hartung schauten hinüber zum Pathologen, der vor einem unförmigen Körper kniete.

„Schauen wir uns die Schweinerei mal an“, murmelte sich Tim in seinen Dreitagebart.

„Wenn Sie erlauben, würde ich lieber davon Abstand nehmen“, entgegnete Hartung. „Ich hatte vorhin schon das Vergnügen. Fast wäre mir das Croissant wieder hochgekommen. Wahrlich kein schöner Anblick.“

Du Glücklicher, dachte Berger bei sich. Immerhin hattest du heute schon feste Nahrung.

„Was geht, Max?“ Der Hauptkommissar trat zu Schenk und musste sich instinktiv die Hand vor den Mund halten.

Verdammt! Was war das? Die Leiche lag völlig zerfetzt vor einem Baum. Im Umkreis von fünf Metern verteilten sich Gedärme und andere Innereien auf dem Platz. Ebelings Gesicht war aufgeplatzt, der Hals und Bauch aufgerissen. Fliegen und andere Insekten labten sich an dem geronnenen Blut und den Wunden. Noch schrecklicher sah das Hinterteil des Toten aus. Ein faustgroßes Loch klaffte an der Stelle, wo einmal der Anus gewesen war. Ein übler Gestank von Kot und Blut umhüllte die Umgebung der Leiche.

„Grüß dich, Tim“, sagte Schenk. Der Mittvierziger sah mit seinem brav gescheitelten schwarzen Haar wie ein überalterter Klassenstreber aus. Er schob seine verrutschte dunkle Hornbrille wieder zurück auf die verschwitzte Nase.

„Üble Sache. Gastiert in der Nähe ein Zirkus mit einem ausgebüxten Elefanten? Den Toten muss ein Dickhäuter geknallt haben. Ich habe ansonsten keine Erklärung für die enorme Verletzung im analen Bereich.

Ansonsten kann ich keine von außen herbeigeführten Verletzungen feststellen. Keine Bisspuren eines Tieres, Schnittspuren Fehlanzeige. Ziemlich unwahrscheinlich, dass ein normaler Mensch so ein Blutbad anrichten kann.

Definitiv kann man davon ausgehen, dass die Leiche hier unter den vorhandenen Temperaturen seit mindestens 12 Stunden „post mortem“ liegt; eher länger in Anbetracht der vollständig ausgebildeten Totenstarre.“