Toni M. Schneider
Zu Pferd, zu Fuß oder mit dem Fahrrad?
© 2019 Toni M. Schneider
Herausgeber: tredition GmbH, Halenreie 40-44,
22359 Hamburg
Autor: Toni M. Schneider
Umschlaggestaltung, Illustration: Daniela Fischer,
Toni M. Schneider
Lektorat, Korrektorat: Antje Röttgers
2. Auflage, 2021 Toni M. Schneider
Verlag: tredition GmbH, Halenreie 40-44,
22359 Hamburg
ISBN: 978-3-7497-7643-6 (Paperback)
ISBN: 978-3-7497-7645-0 (eBook)
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Zu Pferd, zu Fuß oder mit dem Fahrrad?
Es gibt ein Geheimnis, welches jeder von uns in sich trägt: den Weg zu einem Leben nach den eigenen Vorstellungen. Wie beschreite ich diesen Weg? Wohl indem ich herausfinde, wie ich die eigene Zeit sinnvoll und hingebungsvoll nutzen kann. Ich habe sehr lange gebraucht, um zu verstehen, dass diese Erkenntnis der erste Schritt auf dem Lebensweg ist.
Auf diesen ersten Schritt folgt der zweite. Es gilt, herauszufinden, wo ich hin will, mich zu fragen: Was berührt mich? Was erfüllt mich? Was macht mich in meinem Leben glücklich? Ist es ein Beruf? Ist es eine Partnerschaft? Oder ist es vielleicht finanzielle Unabhängigkeit?
All diese Wünsche und Ziele sollten stets Hand in Hand gehen mit Ehrgeiz, Hingabe und Ehrlichkeit. Diese inneren Vorgänge sind wie Richtungsweiser auf dem Weg zu einem erfüllten Leben. Sie bestimmen die Qualität dessen, was ich tue. Denn ohne ungehemmten Ehrgeiz, ohne aufmerksame Hingabe oder ungeschminkte Ziele bereitet eben alles nur noch halb so viel Vergnügen.
Der wichtigste Schritt aber lautet: Aufbrechen!
Ich gewinne dabei immer. Die investierte Zeit ist nicht verloren. Ich werde reicher durch die Erkenntnisse über mich selbst. Der Blick weitet sich für neue Wege. Wenn ich unzufrieden bin, ich mir von Herzen etwas anderes wünsche, sollte ich einen anderen Weg einschlagen und mich nicht damit zufriedengeben, faule Kompromisse einzugehen.
Gehe diesen Weg. Wenn Du wieder da bist, wirst Du ein anderer Mensch sein.
Das war mein erster Gedanke, bevor ich mich dazu entschied, den Jakobsweg nach Santiago zu gehen. Dann befielen mich Zweifel. Wollte ich das denn überhaupt? Ein anderer oder anders sein? Wusste ich denn, wer ich war? Wenn ich anders wäre, würde ich dann alles Schlechte einfach hinter mir lassen und nur noch das Gute sehen? Würde ich der, der ich wirklich bin? Würde ich bleiben, wer ich war? War ich mir wirklich sicher, dass ich diesen Weg überhaupt gehen wollte? Ja, ich war ganz sicher und musste in mich hineinlachen vor lauter Freude.
Ich nehme Dich mit auf meine Reise durch Spanien. Du wirst lesen, was ich erlebt, gefühlt und gesehen habe und vielleicht auch auf die eine oder andere Erkenntnis stoßen, die Du selbst schon gewonnen hast. Es freut mich, wenn Du aus meinem Buch etwas lernst, wenn Du es als Abendlektüre mit ins Bett nimmst. Ich möchte Dich dazu ermutigen, eine Reise zu wagen, vor allem zu Dir selbst. Ob Du nun jung bist oder alt, Dich bereits gefunden hast oder noch auf der Suche nach Deinem Lebenssinn bist: Ich lade Dich ein, mich auf meiner Reise zu begleiten, auch dann, wenn Du nicht mehr die Kraft haben solltest, Dich selbst auf eine physische Reise zu begeben und Du Erfüllung in Büchern findest, unterwegs in den grenzenlosen Weiten der Fantasie.
Wenn du dieses Buch gekauft hast, wirst Du mit Sicherheit einen Grund dafür haben. Vielleicht willst Du es verschenken. Vielleicht leidest Du unter der Trennung von Deiner Partnerin oder Deinem Partner.
Ist es ein Neuanfang, den Du suchst? Treibt Dich die Abenteuerlust, und das Buch befriedet Dein Fernweh? Oder wünschst Du Dir, einen Menschen zu finden, der zu Dir gehört? Möchtest Du dem Alltagstrott für eine Weile entfliehen? Oder sehnst Du Dich danach, etwas Neues, Unbekanntes zu entdecken, außerhalb Deiner gewohnten Umgebung? Willst Du Deine Komfortzone für ein paar Stunden verlassen?
Ich habe Ja zu meiner Reise gesagt. Als ich mich dazu entschloss, den Jakobsweg zu gehen, hatte ich nur eine vage Vorstellung davon, warum ich dies tun wollte.
Viele, die mich nur oberflächlich kannten, fragten mich, ob ich den Weg aus religiösen Gründen laufen wolle, oder ob es mir darum gehe, mich selbst zu finden. Sie fragten mich, ob ich mich allein auf die Reise begeben wolle oder mit anderen gemeinsam. „Hast Du Dich beim Arbeitsamt abgemeldet, und hast Du an Deine Rente gedacht?!“
Ich weiß, ich sollte nicht alles unbedacht stehen und liegen lassen, so wichtig eine Reise auch sein mag. In diesem Moment jedoch hatte ich meine Priorität gefunden, und ich behütete sie streng. Nichts weiter hatte ich im Sinn, als fünf Wochen lang durch Spanien zu pilgern. Dass es irgendwann mein Weg werden würde, davon konnte ich bis dahin nur träumen. Kein einziger Zweifel oder Angst waren präsent, was alles passieren könnte, was mich erwarten würde, wie ich mich fühlen würde, und ob ich es wirklich wollte.
Ich verspürte keine besondere Vorfreude, die ich übrigens nie großartig hatte, eine Tatsache, die meinen Bruder immer wieder aufs Neue zur Verwunderung veranlasste, doch der Entschluss aufzubrechen stand fest.
Heute, einige Jahre nach meiner Wanderung auf dem Camino weiß ich, dass diese Haltung das Beste war, was mir zu diesem Zeitpunkt passieren konnte. Ich kannte auf keine meiner Fragen eine konkrete Antwort, wusste kaum die grobe Richtung.
Die Antworten, die ich auf meinem Weg fand, haben mich ein gewaltiges Stück glücklicher und auch reicher gemacht. Heute weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn ich auf meine innere Stimme höre, die ich bis dahin des Öfteren vernommen, aber erfolgreich ignoriert hatte. Bis heute fällt es mir nicht immer leicht, sie aus den vielen anderen Stimmen herauszufiltern.
Im Jahr 2009 schloss ich das Gymnasium mit dem Abitur ab. Ich war einer der letzten Schulabgänger, die noch Zivildienst leisten durften. Die Bibliothek, bei der ich mich beworben hatte, meldete sich nicht, also folgte ich der Zusage aus der Landschaftspflege und trat eine Stelle als Gärtner in Berlin an, auf einer Insel mitten in der wunderschönen, idyllischen Havel.
Schon in jungen Jahren wollte ich Architekt werden, etwas später dann Schauspieler, dann wieder Architekt, Archäologe – auch eine Karriere als Psychologe oder Sänger zog ich ernsthaft in Erwägung. In viele dieser Berufe schnupperte ich hinein, um einen besseren Eindruck von der Arbeit zu gewinnen.
Gärtnern kam damals nicht für mich infrage.
Ich belächelte diejenigen, die am Samstagvormittag ihre Einfahrt von Laub befreiten und im Garten Unkraut aus den Fugen des grauen Rechteckpflasters kratzten. Was für eine lächerliche und langweilige Arbeit, dachte ich. Nun ja, diese Ansicht sollte sich noch ändern.
Es vergingen die ersten Wochen auf der Insel. Eines Tages, als ich Unkraut im Rosengarten der Pfaueninsel zog, schoss es mir wie ein Blitz durch den Kopf; etwas in mir sagte auf einmal, dass ich Gärtner sein wollte. Ich? Gärtner? Laub harken? Aber sicher! Atme mal tief durch, und dann wird das schon wieder, dachte ich.
Ab jenem Zeitpunkt vergingen einige Tage mit diesem Gedanken im Hinterkopf. Ich bemerkte, dass ich die anfallenden Arbeiten mit einer überraschenden Gelassenheit und Hingabe verrichtete. Ich war alles andere als gelangweilt. Die unglaubliche Ruhe der Natur, die mich umgab, hatte zu einer tiefgreifenden und nachhaltigen Veränderung in mir geführt. Ich war überrascht, wie schnell ich mich mit dem Gedanken anfreundete, Gärtner zu werden. Auf einmal gab es da einen Beruf, der möglicherweise später auch eine Art Berufung sein könnte. Ich schlug einen neuen Weg ein, den ich selbst bestimmte. Ich hatte etwas gefunden, das mich begeisterte, sodass ich mich um eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner bewarb. Einen Tag vor der Abreise auf den Jakobsweg erhielt ich erfreulicherweise die Zusage. Nach dem Zivildienst machte ich mich auf, den Jakobsweg durch Spanien zu laufen und trat danach meine Ausbildung im Schlossgarten von Sanssouci an. Diese Zeit war eine der besten, die ich je hatte, auch neben der Lehr- und Lernzeit! Auf die Ausbildung folgte der Abschluss des Studiums der Landschaftsarchitektur in Berlin.
Warum erzähle ich das? Ich denke, es ist wichtig zu wissen, dass mir oft Situationen aus der Vergangenheit einfallen, die anders nicht hätten passieren können. Widerfahren mir häufig nicht genau die Dinge, über die ich mich am meisten aufrege, die ich mit aller Kraft von mir stoße, genauso wie jene, die ich mir von Herzen wünsche? Sind es am Ende beides Wünsche, die ich habe?
Menschen, die mich am meisten aufregen, werden plötzlich meine besten Freunde. Hobbys, die mich langweilten, sind auf einmal interessant. Wir Menschen verändern uns ständig, doch oft genügt schon ein Aufhänger, eine positive Situation, die uns überzeugt, umstimmt und neugierig macht.
Den Wert des Weges bestimme ich für mich selbst. Ich kann ihn gehen und mich verändern. Ich kann ihn ebenso gehen, und bleiben wie ich bin. Es hängt von mir ab, mit welcher Intention ich ihn gehe. Die Antworten, die ich erhalte, können mich überraschen, mich bestätigen und sie können mich für immer verändern.
Mit Sicherheit wird sich meine Wahrnehmung spürbar wandeln. Der Weg lässt mich erst in Ruhe. Er prüft, ob ich es ernst meine. Egal, ob ich fluche, ob es seit Tagen regnet, die Sonne zu heiß auf meine Schultern brennt oder ich einfach nur glücklich bin. Jeder Schritt zeigt mir mehr und mehr, wer ich bin und wo ich hingehe.
Seit ich ihn gelaufen bin, denke ich nahezu jeden Tag an die Zeit auf dem Camino zurück. Ich schwelge nicht nur in Erinnerungen, sondern denke kritisch über meine Erlebnisse nach, um heute mein Leben so schön wie möglich zu gestalten und nach meinen eigenen Vorstellungen zu leben.