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Lehrer am Bauhaus

Herausgegeben vom Zentrum Paul Klee, Bern
Texte von Fabienne Eggelhöfer, Marianne Keller Tschirren und Wolfgang Thöner

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E-Book und Publikation erscheinen anlässlich der Ausstellung Meister Klee! Lehrer am Bauhaus, Zentrum Paul Klee, Bern, 31. Juli 2012 – 6. Januar 2013; Paul Klee: maestro de la Bauhaus Fundación Juan March, Madrid, 22. März – 30. Juni 2013; Paul Klee als Lehrer, Stiftung Bauhaus Dessau, 35. Juli – 10. November 2013 | Herausgeber: Zentrum Paul Klee, Bern, www.zpk.org | Katalogredaktion: Katalogredaktion | Verlagslektorat: Regina Dorneich | Verlagsherstellung: Monika Reinhardt | E-Book-Produktion: LVD GmbH, Berlin | © 2012 Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, Zentrum Paul Klee und Autoren; für die abgebildeten Werke von Hugo Erfurth: VG Bild-Kunst, Bonn | Erschienen im Hatje Cantz Verlag, Zeppelinstrasse 32, 73760 Ostfildern, Deutschland, Tel. +49 711 4405-200, Fax +49 711 4405-220, http://www.hatjecantz.de | ISBN 978-3-7757-3354-0 (E-Book), ISBN 978-3-7757-3353-3 (Print) | Made in Germany | Umschlagabbildung: Paul Klee in seinem Atelier, Burgkühnauerallee 7, Dessau, 1929, Zentrum Paul Klee, Bern, Schenkung Familie Klee | Frontispiz: Atelier von Paul Klee, Stresemannallee 7, Dessau, 1932, Zentrum Paul Klee, Bern, Schenkung Familie Klee | Für externe Links können wir keine Haftung übernehmen. Die Inhalte der verlinkten Seiten sind ausschließlich von deren Betreiber zu verantworten.

Fotonachweis

Alle Werke von Paul Klee, sofern nicht anders vermerkt:

Peter Lauri, Bern, und Abteilung für Medientechnologie, Universität Basel

Josef Albers: Umschlagabbildung

Hugo Erfurth:

Lotte Gerson-Collein:

Felix Klee:    

Pius Pahl:

Rheinisches Bildarchiv Köln:

Stadtarchiv Weimar:

Stella Steyn:

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Peter Fischer, Direktor, Zentrum Paul Klee

»Der Zeitpunkt, abschliessend über Klees Kunstlehre zu urteilen, wird gekommen sein, wenn die Hauptteile seines pädagogischen Nachlasses veröffentlicht sind.« So schrieb der deutsche Kunsthistoriker Will Grohmann 1954. Heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, ist dieses Ziel in greifbarer Nähe.

Der Beginn des Ausstellungsprojekts, zu dem dieser Katalog erscheint, liegt im Jahr 2008: Der Schweizerische Nationalfonds SNF bewilligte ein Forschungsprojekt zur Untersuchung und Auswertung der Bildnerischen Gestaltungslehre von Paul Klee. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Oskar Bätschmann wurden die rund 4.000 Manuskriptseiten von Fabienne Eggelhöfer und Marianne Keller Tschirren, Kunsthistorikerinnen am Zentrum Paul Klee, gesichtet, neu geordnet, transkribiert und zur Publikation auf einer kostenlos zugänglichen Online-Datenbank vorbereitet. Von Anfang an bestand die Absicht, Klees umfangreiche Lehrmaterialien aus seiner Bauhaus-Zeit als Abschluss des Projekts in einer Ausstellung zu präsentieren und die Forschungsergebnisse im begleitenden Katalog zu publizieren. Dass dies nun realisiert wird, verdanken wir dem unermüdlichen Einsatz von Fabienne Eggelhöfer und Marianne Keller Tschirren. Nie haben sie neben ihrer individuellen Forschungsarbeit, die sie mit ihren Dissertationen abschlossen, das Ziel aus den Augen verloren, Klees Bildnerische Gestaltungslehre 2012 auch in einer Ausstellung zu vermitteln. Ein weiterer Dank geht an Christine Burger, Marco Näpflin und Helen Würsch für die Unterstützung der Kuratorinnen in der Schlussphase.

Mit der gleichzeitigen Aufschaltung der Datenbank mit allen Faksimiles und Transkriptionen auf www.kleegestaltungslehre.zpk.org erfüllen wir mit einem zeitgemäs­sen Medium das uralte Desiderat der internationalen Gemeinde der Klee-Forschenden, das der einleitend zitierte Will Grohmann formuliert hatte.

Die Entwicklung der Datenbank wäre ohne die grosszügige finanzielle Unterstützung der Paul-Klee-Stiftung der Burgergemeinde Bern nicht umsetzbar gewesen. Dafür sind wir dem Stiftungsrat, insbesondere ihrem Präsidenten Dr. Lorenz Meyer zu Dank verpflichtet. Ebenso danken wir dem Stämpfli Verlag in Bern, der dieses Projekt von Anfang an mit Begeisterung unterstützte.

Bereits im Jahr 2008 kam es zu einer ersten konstruktiven Zusammenarbeit zwischen der Fundación Juan March in Madrid und dem Zentrum Paul Klee. Die spanische Stiftung, die bereits 1981 die bis dato ambitionierteste Klee-Ausstellung in Spanien organisierte, war auf der Suche nach einem Konzept, um eine zweite Ausstellung zu realisieren, die möglicherweise wenig bekannte Aspekte Klees ans Licht bringen könnte. So stiess das Forschungsprojekt zur Bildnerischen Gestaltungslehre von Paul Klee seitens der Fundación Juan March auf grosses Interesse: Seit 2009 begleitete und unterstützte die Fundación das Projekt und wirkte parallel an der Entwicklung der Ausstellung mit. Meister Klee! wird in einer wesentlich erweiterten Form ab März 2013 auch in Madrid zu sehen sein, begleitet unter anderem von den ersten spanischen und englischen, semifaksimilierten Ausgaben von Klees Beiträgen zur bildnerischen Formlehre (1921/22). Wir freuen uns über diese Kooperation. Unser herzlicher Dank geht an die Fundación Juan March, insbesondere an den Stiftungsdirektor Dr. Javier Gomá Lanzón, an den Museen- und Ausstellungsdirektor Dr. Manuel Fontán del Junco, an María Toledo, Koordinatorin des Projektes, an Lukas Gerber sowie an das ganze Team der Fundación Juan March.

Ganz besonders freut es uns, dass die Ausstellung im Sommer 2013 nach Dessau weiterreist und im Bauhaus, der Stätte von Paul Klees Wirken, gezeigt wird. Die Präsentation von Klees Unterrichtsnotizen an dem Ort, an dem sie zum grössten Teil verfasst worden sind, rundet das gesamte Projekt auf ideale Weise ab.

Erneut bewährt hat sich unsere Zusammenarbeit mit dem Hatje Cantz Verlag und seiner Verlagsleiterin Annette Kulenkampff. Ihr Vorschlag, den vorliegenden Katalog gleichzeitig als E-Book zu publizieren, stiess bei uns auf offene Ohren. Beim Kauf der elektronischen Version können Sie direkt von Ihrem Computer oder ­E-Book-Reader aus auf die Online-Datenbank mit Paul Klees Bildnerischer Gestaltungslehre zugreifen und sich parallel zur Lektüre in Klees originale Unterrichtsmaterialien vertiefen.

Meister Klee! ist in gewisser Hinsicht ein Modellprojekt für das Zentrum Paul Klee. Es basiert auf Quellenmaterial der Sammlung des Zentrums und schliesst neben der kunstwissenschaftlichen Forschung die Veröffentlichung sowohl der Quellen wie auch der Forschungsresultate ein, um schliesslich in die Vermittlung an ein breites Publikum durch das Medium der Ausstellung zu münden. Der Umstand, dass das Zentrum Paul Klee mit dem Kindermuseum Creaviva auch einen Ort der praktischen kreativen Betätigung beherbergt, wird es dem Publikum darüber hinaus ermöglichen, die Umsetzung von Klees Theorien in die Praxis selbst zu erproben. Diese multiple Verankerung in den komplexen Strukturen und Eigenheiten des Zentrum Paul Klee hat zur schönen Folge, dass viele Mitarbeitende in verschiedenen Abteilungen des Zentrums zum Gelingen des Projekts beigetragen haben. Ihnen allen sei herzlich gedankt. Namentlich gilt es Michael Baumgartner, den Leiter der Abteilung Sammlung / Ausstellung / Forschung am Zentrum Paul Klee zu erwähnen, der im Jahr 2000 bereits eine erste umfangreiche Ausstellung zu Klees Unterricht kuratiert hatte.

Das Zentrum Paul Klee und die Autorinnen Fabienne Eggelhöfer und Marianne Keller Tschirren sind stolz, mit der Ausstellung, dem Katalog, dem E-Book und der Online-Datenbank ein so umfassendes Resultat einer vierjährigen Forschungsarbeit präsentieren zu können. Lassen Sie sich von Paul Klees Bildnerischer Gestaltungslehre inspirieren! Wir sind sicher, dass Sie viel Neues, noch Unbekanntes in diesem grossen Künstler und Lehrer entdecken werden.

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Fabienne Eggelhöfer und Marianne Keller Tschirren

Während Paul Klees künstlerischem Schaffen bis heute unzählige Ausstellungen gewidmet wurden, stand seine Lehrtätigkeit nur in drei Ausstellungen im Mittelpunkt. Dies mag damit zusammenhängen, dass seine Unterrichtsnotizen bislang nur schwer zugänglich waren. Zudem ist es erst nach eingehendem Studium möglich, sich einen Überblick über die Fülle des Materials zu verschaffen. Dies soll sich nun ändern: Ab sofort sind sämtliche Manuskripte von Paul Klee als Faksimile und Transkription in der Online-Datenbank www.kleegestaltungslehre.zpk.org publiziert und kostenlos einsehbar.

Klees Unterrichtsnotizen wurden unter dem Titel Der »Pädagogische Nachlass« von Paul Klee 1977 erstmals im Kunstmuseum Bern ausgestellt. Dazu entstand eine kleine Broschüre mit einer Einleitung von Jürgen Glaesemer, in der er die Hoffnung äusserte, dass die Ausstellung »eine neue Diskussion in die Wege« leite.1 Das Mate­rial wurde jedoch erst in der von Michael Baumgartner konzipierten Ausstellung Die Kunst des Sichtbarmachens im Jahr 2000 wieder zur Diskussion gestellt. Es ist Michael Baumgartner und Rossella Savelli erstmals gelungen, das Gesamtkonzept der Bildnerischen Gestaltungslehre herauszuarbeiten. Grosse Teile der Manuskripte konnten bestimmten Kapiteln des von Klee entworfenen Inhaltsverzeichnisses zugeordnet werden. Im Ausstellungskatalog wurden einige Kapitel zur Gestaltungslehre ausführlich kommentiert.2

Auch die Ausstellung Paul Klee. Lehrer am Bauhaus (2003) legte den Schwerpunkt auf Klees Lehre. Einzelne Themenkomplexe wurden ausführlich erläutert. Wie in der Ausstellung Die Kunst des Sichtbarmachens erfolgten auch hier direkte Vergleiche von Klees Unterrichtsnotizen mit seinen Kunstwerken.3 Es entstand so der Eindruck, als stellten Klees Unterrichtsnotizen zugleich seine eigene Kunsttheorie dar, die er in seinen Werken praktisch umsetzte. Wie in den Editionen von Jürg Spiller wurden aufgrund der Motive Illustrationen in den Notizen mit Klees Werken in Verbindung gebracht.4 Spiller war davon ausgegangen, dass das »theoretische und das bildnerische Werk« aus der Bauhaus-Zeit eine »weitgehende Entsprechung gefunden« habe. Der von ihm herausgegebene zweite Band der Unterrichtsnotizen, Unendliche Naturgeschichte, sollte deshalb die Möglichkeit bieten, »beide Schaffensbereiche einander gegenüberzustellen, den Einfluss des Denkens (der Theorie) auf die schöpferische Tätigkeit nachzuweisen und damit die Anregungen aus der Lehrtätigkeit am Bauhaus im bildnerischen Werk sichtbar zu machen«.5 Eine solche motivische Engführung von Werk und Lehre führte dazu, dass die Unterrichts­notizen oft wie Skizzen zu den Kunstwerken behandelt wurden.

Klee entwickelte seinen Unterricht zwar auf der Grundlage seiner Reflexionen über sein eigenes künstlerisches Tun, trotzdem sollte das Verhältnis von Werk und Lehre nicht im Sinne einer Kunsttheorie verstanden werden. Ziel und Zweck der Gestaltungslehre müssen deshalb immer im Auge behalten werden. Klee bemerkte bereits in der ersten Vorlesung, dass seine Schüler keine Künstler, sondern »Bildner, werktätige Praktiker« seien, deren Ziel der Bau bilde.6 In einem kurzen Rückblick am 8. Januar 1924 machte er erneut deutlich: »Nicht dass wir nun in erster Linie Zeichner und Maler aus Ihnen machen wollen! Aber zeichnen und etwas malen müssen wir eben doch miteinander, weil diese Tätigkeiten zwingend zur Berührung mit wesentlichen Gesetzmässigkeiten führen.«7 Klee versuchte, den Studierenden Gesetzmässigkeiten der Gestaltung zu vermitteln. Er sah seinen Lehrauftrag damit ganz im Sinne von Walter Gropius, der als Ziel des Bauhaus-Unterrichts eine »gründliche praktische Werkarbeit in produktiven Werkstätten eng verbunden mit einer exakten Lehre der Gestaltungselemente und ihrer Aufbaugesetze« forderte. Er präzisierte die Aufgabe der Formlehre als »geistige Schulung«, in der »dem Lehrling an Stelle willkürlicher, individueller Formauffassungen wie in den Akademien der objektive Grundbestand der Form- und Farbelemente und der Gesetze, denen diese unterworfen sind«, nahegebracht werden solle. Gropius wollte am Bauhaus eine »objektive Grundlage« für die individuelle Gestaltung schaffen. Er betonte deshalb die Bedeutung des Verstandes für das gestalterische Ziel des Bauhauses. Zudem mahnte er an, dass die Theorie nicht Rezept für das Kunstwerk sei, sondern das wichtigste objektive Mittel zur kollektiven Gestaltungsarbeit. Kunst war weder das Ziel des Bauhaus-Unterrichts, noch glaubte Gropius daran, dass diese lehrbar sei.8 Vor diesem Hintergrund muss auch Klees Lehre am Bauhaus betrachtet werden.

Im vorliegenden Katalog und in der Ausstellung wird bewusst auf eine Engführung von Werk und Lehre verzichtet, auch wenn nicht negiert werden kann, dass Klee in einigen Werken die gelehrten Gestaltungsprozesse spielerisch umsetzte.9 Ein solch intuitiver Umgang bedeutet nicht, dass die Illustrationen in den Unterrichtsnotizen als Entwürfe für seine Kunstwerke dienten. Werk und Lehre bilden unabhängige Bereiche, die sich aber berühren können. Ihre Beziehung kann deshalb als wechselseitig charakterisiert und als Echo des jeweils anderen Gebietes betrachtet werden.

Mit Themenkomplexen wie Farbe und Tonalität, Rhythmus und Gliederung, Natur, Bewegung (Statik und Dynamik) sowie mit geometrischen Konstruktionen beschäftigte sich Klee in seinem Schaffen vor, während und nach der Lehrtätigkeit am Bauhaus. Ihnen werden in der Ausstellung deshalb einzelne Sektionen gewidmet, in denen eine Auswahl von Werken aus der Sammlung des Zentrum Paul Klee gezeigt werden.

1 Bern 1977, S. 2. In der Publikation wird Max Hugglers Aufsatz zur Gliederung des »pädagogischen Nachlasses« wieder abgedruckt, siehe Huggler 1961.

2 Pfäffikon 2000.

3 Bremen 2003.

4 Spiller 1956, S. 104 f. Spiller stellt beispielsweise den schematisierten Skizzen des Unterrichts Werkabbildungen zur Seite, die sozusagen die Umsetzung von Klees Lehre in die Praxis beweisen sollen.

5 Spiller 1970, S. 57.

6 BF/5 und BF/152. Dass das Ziel des Bauhauses der grosse Bau sei, hielt Gropius bereits im ersten Bauhaus-Manifest 1919 und erneut in der Festschrift zur Bauhaus-Ausstellung 1923 fest. Gropius 1923, S. 9.

7 BG I.2/80.

8 Vgl. Gropius 1923, S. 8, 13 und 7.

9 Vgl. beispielsweise die Unterrichts­notiz BG II.6/240 mit dynamischen Elementarformen und Studienblatt mit bewegten Figuren, 1938, 176 (vgl. Abb.▶ und Abb.▶). In diesem Zusammenhang sind auch Klees freie geometrische Konstruktionszeichnungen aus dem Jahr 1931 zu betrachten. Siehe das Kapitel Konstruktion.