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Die Antwort der Engel

 

Ein Dokument aus Ungarn,

mündlich überliefert von Hanna Dallos,

aufgezeichnet und kommentiert von Gitta Mallasz

 

Deutsche Fassung und Herausgabe

von Lela Hinshaw-Fischli

mit freundlicher Hilfe von Gitta Mallasz

 

 

 

DAIMON

VERLAG

 

 

14. neu überarbeitete und ergänzte Auflage 2014

 

 

ISBN 978-3-85630-938-1

 

© Copyright der erweiterten deutschen Ausgabe 2014 und

© Copyright erste deutsche Fassung 1981: Daimon Verlag

Hauptstr. 85, CH-8840 Einsiedeln, Schweiz

www.daimon.ch

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Contents

Einleitung

TEIL I  DIE GESPRÄCHE IN BUDALIGET

TEIL II   DIE GESPRÄCHE IN BUDAPEST

 

 

 

 

Dieses Buch ist ein Dokument.

Es ist weder Dichtung noch Journalismus,

sondern ein getreuer Bericht von Geschehnissen,

die sich während der Jahre 1943 und 1944 in Ungarn ereigneten.

 

 

Einleitung

 

Eine kurze Einleitung ist nötig, um Hintergrund und Ausgangspunkt der zukünftigen Ereignisse verständlich zu machen. Ich möchte zeigen, wie unspektakulär das Leben war, das meine drei Freunde und ich bis zum Beginn der Gespräche führten. Es war ein Leben inmitten zunehmender politischer Spannungen, was in uns die Frage nach dem Sinn unseres Lebens und unserer Zukunft immer größer werden ließ. Ich war 16 Jahre alt, als ich Hanna begegnete. Es war im Jahre 1923. Wir studierten beide an der Kunstgewerbeschule in Budapest, wo unsere Arbeitstische nebeneinander standen.

Gleich von Anfang an bekundete mir Hanna eine so warmherzige Freundschaft, die mir – aus einer Offiziersfamilie stammend, wo die Parole regierte „Man kann nie genug abgehärtet sein!“ – fast etwas zu überschwänglich vorkam. Gefühle zu zeigen, wurde als Schwäche bewertet und ein Abschiedskuss rief allgemeine Verlegenheit hervor.

Hanna, deren Vater Pädagoge war, lebte dagegen in der viel natürlicheren Atmosphäre einer jüdischen Familie und zeigte offen, was sie fühlte. Ungehindert dieser Verschiedenheiten entstand zwischen uns während der drei Studienjahre eine tiefe Freundschaft.

Allerdings trennten sich unsere Wege nach den Schlussprüfungen wieder. Hanna setzte ihre Studien in München fort, während ich mich blindlings in den Sport stürzte. Meisterschaften im Schwimmen, Landesrekorde und die Vergötterung, mit der Ungarn seine Sportgrößen umgibt, schmeichelten mir und ließen mich an dieser oberflächlichen Lebensweise festhalten.

Zu dieser Zeit machte ich Lilis Bekanntschaft. Sie gab Bewegungs- und Entspannungskurse. Ihr warmes, herzliches Wesen zog mich sofort an und ich sah bald, dass ihre Kurse deshalb so überlaufen waren, weil ihre Schüler dort etwas fanden, was mehr war als bloß körperliche Entspannung.

Von Hanna erfuhr ich in dieser Zeit wenig, außer dass sie Joseph geheiratet hatte. Er war Möbeldesigner.

Joseph war ein stiller, etwas trauriger Mensch, dessen bloße Gegenwart jedoch einen beruhigenden Einfluss auf seine Umgebung auszuüben vermochte.

Als wir später im Dorfe Budaliget wohnten, konnte ich dies öfters gut beobachten. Wenn wir in die Dorfschenke eintraten, wo meist mit heißen Köpfen und viel Lärm über Politik gestritten wurde, beruhigten sich die Leute nach wenigen Minuten und wurden friedlich. Das war die Wirkung, die jeweils von Josephs wortloser Gegenwart ausging.

Des Sportes endlich überdrüssig geworden, entschloss ich mich, Hanna aufzusuchen. Sie und Joseph hatten sich in einem Atelier mit herrlicher Aussicht auf die Donau eingerichtet.

Hanna half mir mit viel Geduld, zu meiner künstlerischen Tätigkeit zurückzufinden, die ich in den vergangenen Jahren vollkommen vernachlässigt hatte. Ohne Hanna hätte ich kaum mehr die Freude an der gestalterischen Arbeit wiederfinden können. So aber gelang es uns dreien bald, ein gutgehendes Atelier zu gründen.

In den Jahren 1934-35 war der Antisemitismus in Ungarn schon stark fühlbar. Meine Rolle war es, staatliche Aufträge zu erhalten, hauptsächlich touristische Werbeinstallationen, wobei mir mein Sportruhm und meine Herkunft als Tochter eines höheren Offiziers sehr zustatten kamen. Natürlich musste ich jeweils verheimlichen, dass meine Mitarbeiter Juden waren.

Die Seele unserer gemeinsamen Arbeit war unleugbar Hanna. Sie besaß eine große, ungewöhnliche Konzentrationsfähigkeit und Intuition, was ihr erlaubte, jeweils sofort das Wesentliche in der künstlerischen Konzeption sowie in der praktischen Ausführung einer Aufgabe zu erkennen.

Die Probleme des Alltags löste sie mit viel gesundem Menschenverstand, mit treffender psychologischer Erkenntnis und vor allem mit viel Humor.

Hanna hatte schon einige Schüler, die bei ihr Graphik lernten. Eine dieser jungen Künstlerinnen, Vera, erzählte mir viele Jahre später folgendes:

„Die Intensität von Hannas Unterricht durchdrang nicht nur unsere berufliche Entwicklung, sondern unser ganzes Wesen, was einen so großen Anspruch an uns stellte, dass manche Schüler es nicht ertragen konnten und Reißaus nahmen.“

„Hanna korrigierte nie einen Entwurf, ohne dass wir uns zutiefst betroffen fühlten, selbst wenn es sich um ganz gewöhnliche Werbegraphik handelte. Sie sah jede Zeichnung als Ausdruck eines inneren Geschehens. Während des Unterrichts hatten wir einen ganz anderen Kontakt mit ihr als im übrigen Leben. Sie stellte sich intuitiv auf eine andere Wellenlänge ein und las in unseren Zeichnungen wie ein Arzt in einer Röntgenaufnahme. Dies geschah mit Liebe, Strenge und mit viel Humor. Bevor sie zu sprechen begann, hatte sie manchmal keine Ahnung, was sie uns sagen würde. Deshalb war sie oft über ihre eigenen Worte erstaunt.“

„Ich war eine junge Schülerin und hing sehr an ihr. Sie war mein Vorbild. Hanna aber lehnte diese Anhänglichkeit ab. Sie sagte uns: „Nach zwei bis drei Jahren Unterricht müsst ihr den Meister in euch selbst gefunden haben.“ Ihr größtes Anliegen war es, in uns den ‚Neuen Menschen’ zu wecken, das von der Angst befreite, schöpferische Individuum.“

Unser Atelier ging sehr gut. Trotzdem hatten wir immer mehr das Gefühl, am Rande eines Abgrunds zu leben. Die kollektive Blindheit nahm täglich zu und die Flut der organisierten Lüge wuchs stetig. Zu gleicher Zeit aber wuchs in uns ein tiefes Bedürfnis, das von soviel Falschheit überdeckte Wahre zu finden. Diese Umstände trugen dazu bei, dass Joseph und Hanna unweit von Budapest im Dorfe Budaliget ein einfaches Haus mieteten. Wir änderten unsere Lebensweise. Wir arbeiteten nur soviel, als es unsere täglichen Bedürfnisse erforderten. Lili verbrachte jedes Wochenende mit uns.

Das stille Dorfleben begünstigte unsere innere Entwicklung. Meinerseits begann diese Periode mit einem Gefühl von wachsender Leere. Die unerklärliche Erwartung von irgendetwas, das diese Leere ausfüllen sollte, beunruhigte mich tief. Oft begab ich mich auf lange Wanderungen durch die Wälder, um Ruhe zu finden. Ich überraschte mich auch während der Mahlzeiten, wie ich durchs Fenster zum Gartentor spähte, in Erwartung von irgendetwas, das kommen sollte, um mein Leben zu ändern.

Abends versuchten wir jeweils, die Ursachen unserer Probleme klarer zu erfassen. Hannas intuitive Fähigkeit war dabei von großer Hilfe, aber trotzdem fühlten wir uns alle in einer Sackgasse. Die Bibel, die Bhagavad Gita, Werke östlicher Autoren aus der Vergangenheit und Gegenwart sowie Schriften von Meister Eckhart gehörten zu unserer Bibliothek. Keiner von uns übte jedoch aktiv seine angestammte Religion aus.

Wir standen ratlos vor einer Welt der Lüge, der brutalen Niedertracht und dem anscheinenden Sieg des Bösen. Aber wir sagten uns, dass der Sinn unseres Lebens irgendwo verborgen sein musste, und wir dachten, dass die Hindernisse, ihn zu finden, in uns selbst zu suchen seien.

Wir beschlossen deshalb, dass ein jeder von uns die persönlichen Probleme, die ihn bewegten, so klar wie möglich niederschreiben solle, um sie nachher besser zusammen besprechen zu können.

Eines Tages, beim schwarzen Kaffee, las ich Hanna meine Aufzeichnungen vor, worauf sie meinte, ich hätte nur altbekannte Tatsachen aufgewärmt.

Das war nur zu wahr und meine offensichtliche Oberflächlichkeit bedrückte mich. Ich stellte Hanna Fragen, die ich mit geringer Anstrengung selbst hätte beantworten können, aber ich fand es viel bequemer, die Antwort fertig aufgetischt zu bekommen …

 

 

 

(Nun beginnen die Gespräche, die während 17 Monaten jeden Freitagnachmittag um 3 Uhr stattfanden.)

Vorbemerkung zur 14. Auflage 2013

 

Die neue Auflage der deutschen Übersetzung wurde aufgrund der uns heute vorliegenden Archivdokumente völlig überarbeitet. Mehrere bislang unveröffentlichte oder nicht in deutscher Sprache publizierte Texte sind neu beigefügt worden, die wesentlich zum Verständnis einiger zentraler Begriffe beitragen. Die Überarbeitung und Ergänzung stützt sich neben den Quellen von Gitta Mallasz auf Aufzeichnungen von Lili Strausz.

 

Lela Hinshaw-Fischli

Einsiedeln, August 2013

 

TEIL I
 
 
DIE GESPRÄCHE IN BUDALIGET

 

 

 

 

 

 

„Gibt es etwas Natürlicheres,

als dass wir miteinander sprechen können?“

 

Freitag, 25. Juni 1943

ERSTES GESPRÄCH MIT GITTA

(Hanna fühlt, wie angesichts meiner oberflächlichen Bequemlichkeit eine Spannung in ihr entsteht, die in eine ihr unbekannte Entrüstung übergeht. Sie hat mit offenen Augen folgende Vision:

Eine Kraft erfasst meine Aufzeichnungen, zerreißt sie und wirft sie vor mich hin, als Zeichen völliger Missbilligung dieser Arbeit, die so tief unter meinen Fähigkeiten ist. Hanna will etwas sagen, stockt aber plötzlich, da sie fühlt, dass es nicht mehr sie selbst ist, die sprechen will. Sie hat gerade noch Zeit, mich zu warnen: „Nicht mehr ich werde zu dir sprechen!“ … und dann höre ich folgende Worte:)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anmerkung

 

Alle folgenden Gespräche wurden sofort mitgeschrieben. Einige Gespräche fehlen, andere sind unvollständig. Der Text in Klammern wurde entweder gleich nach dem Gespräch oder später anhand von kurzen Aufzeichnungen beigefügt.

 

Während der Gespräche waren wir von einem spürbaren Kraftfeld umgeben, das von einer bisher unbekannten Intensität war und jede Zelle unseres Körpers zu erfassen schien. Wir fühlten uns von einer ungeahnten Kraft durchdrungen. Manche Worte hatten beinahe greifbare Qualität und prägten sich uns so tief ein, dass es unmöglich war, sie zu vergessen, was wir graphisch durch Großbuchstabenschrift anzudeuten versuchten. Die Worte, deren Betonung besonders eindrücklich war, wurden durch Kursivschrift hervorgehoben. Diese Schreibweise vermag einen annähernden Eindruck der Lebendigkeit dieser Worte, die nicht nur gehört, sondern mit dem ganzen Körper erlebt wurden, zu vermitteln. Der Tonfall ließ uns auch vermuten, ob von Gott oder von Jesus gesprochen wurde. Mit ER, IHM, SEIN, habe ich den vermuteten Hinweis auf Gott graphisch hervorgehoben, mit Er, Ihm, Sein den vermuteten Hinweis auf Jesus. Der ungarische Artikel dafür war „Ö“, der männlich und weiblich zugleich ist. Der Begleittext, der bei jeder Übersetzung wieder frei erzählt wurde, weist in den verschiedenen Ausgaben einige geringfügige Unterschiede auf.

 

Freitag, 2. Juli 1943

2. GESPRÄCH MIT GITTA

(Diese Woche war schwer. Die Ungewissheit, ob das Gespräch wieder stattfinden wird, beunruhigt mich. Auch ist das unbarmherzig wahre Bild meiner selbst, das mir gezeigt wurde, nicht leicht zu ertragen. Wir warten etwa um drei Uhr auf das Kommen meines Meisters und ich bin mir angstvoll bewusst, keinen Fortschritt aufweisen zu können. Bald hört Hanna folgende Worte:)

G. Ja.

G. Nein!

 

Freitag, 9. Juli 1943

3. GESPRÄCH MIT GITTA

(Diese Woche war etwas leichter, aber mit dem Freitag kehren auch die verdunkelnden Nebelschichten zurück. Jetzt erst nehme ich wahr, dass ich 36 Jahre lang unbekümmert in diesem Nebel dahingelebt hatte, ohne mir seiner bewusst zu sein. Nun aber sehe ich ihn und leide darunter.

Nach dem Kaffee plaudern wir noch, als Hanna plötzlich ein strenges Wort hört:)

 

 

 

Freitag, 9. Juli 1943

3. GESPRÄCH MIT LILI

(Lili hat sich entschlossen, auch ihrerseits Fragen zu stellen. Hanna ruht sich ein wenig aus und Lili nimmt den Platz ihr gegenüber ein, während ich mich vorbereite, das Gespräch zu notieren.)

 

(Ich bin beglückt, dass Lili ihren Meister gefunden hat. Die milde, liebevolle Ausstrahlung seiner Gegenwart hat auch mich vollkommen entspannt.

Während der folgenden Tage denke ich oft an das „Nicht-­Wollen“ und „Nicht-Wünschen“, das mir so wichtig erscheint.)

 

Freitag, 16. Juli 1943

4. GESPRÄCH MIT GITTA

(Endlich bereite ich mich mit Freude auf den Freitag vor. Mein Leben hat eine grundlegende Änderung erfahren. Eine Türe hat sich geöffnet und ungeahnte Möglichkeiten stehen vor mir.

Doch da packt mich plötzlich eine kalte Angst und der Gedanke drängt sich mir auf:“ … wenn er nicht mehr käme?“ Ich will das nicht denken, ich verscheuche es, aber es bemächtigt sich meiner mit erneuter Kraft, genährt von der Angst, in die Leere meiner ehemaligen Lebensweise zurückzufallen. Da erkenne ich, dass ich mich selbst an das, was mir am meisten bedeutet, nicht binden darf. Ich muss mein angstvolles Anklammern aufgeben.

Diese strenge Forderung steht unausweichlich vor mir und ich bin mir bewusst, dass es entscheidend ist, sie zu befolgen. Dieses innere Loslösen ist schwerer als alles, was ich bis jetzt erfahren hatte. Es ist mir, als ob ich mein eigenes Leben abschneiden würde.

Hanna ruft mich, es ist 3 Uhr. Ich fühle bald die Anwesenheit meines Meisters und eine lange Pause folgt. Ich weiß nicht, ob er zu mir sprechen wird. Mit einem Seufzer der Ergebung sage ich in meinem Inneren: „DEIN Wille geschehe!“

In diesem Augenblick fühle ich vor mir ein Feuer, dessen Rauch zum Himmel steigt. Danach höre ich folgende Worte:)

 

 

LIEBE OHNE LICHT IST NICHTS.

LICHT OHNE LIEBE IST NICHTS.

 

Verstehst du mich?

(Ich verstehe wohl, aber es kommt mir schwer vor, mein kleines „Ich“ hundert Tode sterben zu lassen, es hundertmal zu überwinden. Ich senke den Blick.)

 

G. Was muss ich tun, um Formende zu werden?

(Nun scheint auch Hannas Körper ein Instrument zu sein, das vollbewusst dient, denn ihre Gebärden werden bedeutungsvoll, einfach und sehr würdevoll.

Selbst ihr Arm scheint verändert. Es sammelt sich eine Kraft darin in größer Konzentration, die Muskeln spannen sich an und ich muss unwillkürlich an die Skulpturen Michelangelos denken. Nun folgt eine Geste, die wie ein Blitz anmutet:)

 

Freitag, 16. Juli 1943

4. GESPRÄCH MIT LILI

(Nach einer Ruhepause fühlt sich Hanna für das Gespräch mit Lili bereit. Lili hat einen blauen Rock und eine rote Bluse an.)

 

 

 

(Diese Worte werden von einer Geste nach oben begleitet, die genau zwischen waagrechter und senkrechter Richtung liegt.)

 

Freitag, 23. Juli 1943

5. GESPRÄCH MIT GITTA

(Ich dachte während der ganzen Woche an das „Entflamme!“. Während wir auf das Gespräch warten, fühlt Hanna hinter sich in halbkreisförmiger Anordnung die Gegenwart hoher Wesen.)

 

G. Du sagtest: „Viele sind wir.“ Wer?

 

(Hanna fühlt in ihm ein Zögern: vor mir liegt ein Weg voller Hindernisse, der Weg des allmählichen Bewusstwerdens, ein sicherer, aber langer Weg. Mein Meister sieht ein Unwetter kommen und die schwere Last meiner Familie sowie mein Mangel an Selbstvertrauen könnten mich niederdrücken, bevor ich zum Ziel gelange. Die Zeit aber drängt. In diesem Augenblick bittet Hanna in ihrem Herzen: „Zeige ihr den kurzen Weg, bitte! Ich bürge für sie.“)

 

 

Fühlst du Schwere, so irrst du.

(Hanna erklärt mir später ihre Schwierigkeit, die richtigen Worte zu finden: „Du musst eine noch unbekannte Heiterkeit, ein neues Lächeln finden. Drückt das Schwere dich nieder, so verlierst du den Weg. Trägst du Schweres leicht, so bist du auf deinem Weg. Doch sei nicht oberflächlich! Du wirst dieses neue Lächeln nur in der Tiefe des Lebens finden können!“)

 

G. … also bin ich – du?

(Lächeln:)

 

Freitag, 30. Juli 1943

6. GESPRÄCH MIT GITTA

(Diesmal habe ich mit größter Sorgfalt viele Fragen vorbereitet.)

 

 

(Diese Antwort berührt mich tief.)

G. Warum hast du heute wenig Zeit?

 

Freitag, 30. Juli 1943

6. GESPRÄCH MIT LILI

L. Danke, dass du wieder gekommen bist!

 

 

 

Freitag, 6. August 1943

7. GESPRÄCH MIT GITTA

(Da ich letzte Woche belehrt wurde, Maß zu halten, beschließe ich, heute nur wenige Fragen zu stellen.)

G. Mein Blick ist trübe, mein Herz unsicher.

Wie könnte ich dich klarer sehen und fühlen?

Ich könnte mich dann besser nach deinem Bilde formen.

 

G. Wie könnte ich mir deine Worte besser einprägen,

damit sie in mir leuchten?

Ich habe immer Angst, dass sie verblassen.

 

 

(Ich will auf keinen Fall zu den Schwachen gehören!)

G. Ich habe nicht so Angst!

 

 

G. Wie kann ich das Leiden annehmen und dennoch heiter sein?

 

Freitag, 6. August 1943

7. GESPRÄCH MIT LILI

L. Ich danke Gott, dass du wieder kommen durftest.

(Eine Atmosphäre tiefster Andacht folgt dem Wort „Gott“.)

L. Ich danke für alles, was ich diese Woche erhielt.

(Lili hatte eine unerwartete Hilfe gefühlt.)

L. Ich habe mich nicht im Gebet dafür bedankt …

 

Freitag, 13. August 1943

8. GESPRÄCH MIT GITTA

(Schon einige Zeit vor Beginn der Gespräche – und lange Zeit danach – hatten wir oft sehr eindrückliche Träume, die wir „Lehrträume“ nannten. Wir konnten sie nicht vergessen, denn sie übten jeweils eine große Wirkung auf uns aus. Wir erzählten sie einander beim Frühstück und versuchten dann gemeinsam, ihren verborgenen Sinn zu entschleiern. Hannas Träume bezogen sich oft auf zukünftige Ereignisse.)

 

(Gebärde der linken Hand:)

 

In dir sind die zwei nicht im Einklang,

und das wird noch lange so sein.

G. Letzte Woche erwartete ich deine Antwort auf weißem Blatt aufgezeichnet. Sie kam in anderer Form.

 

 

Freitag, 13. August 1943

8. GESPRÄCH MIT LiLI

L. Ich danke Gott, dass du wieder kommen konntest.

 

 

L. Ich will den VATER noch zu sehr suchen.

 

Erhebe dein Herz zu IHM.

(Lili fühlt zum ersten Mal in ihrem Leben die Kraft des wahren Gebets. Sie bricht in Tränen aus.)

 

Freitag, 20. August 1943

9. GESPRÄCH MIT GITTA

(Letzte Nacht träumte ich, dass ich auf einer endlos scheinenden Ebene stand. Plötzlich erscheint ein weißes Pferd voller Kraft und Schönheit. Gleichzeitig wächst ein spiralförmiger Weg in die Höhen. Ich fühle, dass das weiße Pferd mich in die Höhen tragen könnte.)

 

LERNST DU DAS VERFLUCHTE ZU LIEBEN,

SO FINDEST DU DEINEN PLATZ.

G. Wie finde ich meinen Platz am schnellsten?

 

 

WER ZUR RECHTEN ZEIT WIRKT,

KENNT KEINEN TOD.

(Hanna sieht das Gesagte bildlich: In einer haarscharfen senkrechten Linie vibriert das Leben. Wer zur rechten Zeit tut, ist in dieser Linie – im Jetzt – und lebt.

Wer eilt, ist in der Zukunft – im „Tod von vorne“.

Wer säumt, ist in der Vergangenheit – im „Tod von hinten“.)

1 Die Schwingung

 

Freitag, 20. August 1943

9. GESPRÄCH MIT LILI

L. Darf ich fragen?

(Bejahende Geste.)

L. Ich verstehe die Lehre nicht,

die ich letzte Woche in Budapest erhielt.

(Lili versuchte zu spüren, in welchen ihrer Schüler der neue Same wohl keimen könnte.)

 

 

 

(Während der Gespräche bin ich hie und da mit dem Mitschreiben im Rückstand. Jedes Mal, wenn dies geschieht, tritt eine kleine Pause ein, die es mir erlaubt, den Text zu ergänzen. Also bin ich überzeugt, dass genaues Mitschreiben erwünscht ist.)