HANS HAGAUER
ÜBERGÄNGE
zu WIRTSCHAFT UND POLITIK MIT ALLEN
HANS HAGAUER
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Impressum
Medieninhaber und Herausgeber:
Dip.-Ing. Dr. Johann Hagauer, Graz
Gesamtgestaltung: STEINHUBER INFODESIGN KG, Graz
8010 Graz / Österreich, Heinrichstraße 16
Foto-/Grafik-Nachweise siehe Seite 302
Verlag und Vervielfältigung:
Dieses Buch wird von myMorawa / Morawa Lesezirkel GmbH
hergestellt und vertrieben.
ISBN (Hardcover): 978-3-99093-694-8
ISBN (E-Book): 978-3-99093-695-5
© 2019 Johann Hagauer, Graz, Austria.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Die – auch bloß teilweise – Wiedergabe dieser Publikation ist, in welcher Form auch immer, nur nach Rücksprache mit dem Autor und nur mit dessen ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung statthaft. Bitte kontaktieren Sie ihn ggf. unter johann.hagauer@casanostra.org
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INHALT
1. Einleitung
TEIL 0
NEOLIBERALISMUS: POLITIK UND WIRTSCHAFT FÜR WEN?
2. Neoliberalismus: Diktatur der Verantwortungslosigkeit?
3. Die versteckte Moral
4. Der Markt regelt alles
5. Preisbildung – Wunderformel oder Chaos
6. Wettbewerbsfähigkeit
7. Hohes Wachstum
8. Pensionen
9. Arbeit
10. Der neoliberale Staat
11. Verteilen und Umverteilen
12. Verteilungsmotive
13. Übergänge
TEIL 2/3+ 3,14159i
KOOPERATION: IMAGINIERTE POLITIK MIT ALLEN
14. Die Entstehung von Kooperation
15. Vertrauen und Kooperation1
16. Kooperation fördern
17. Der starke Staat: Politik mit uns
TEIL 1
KOOPERATION: REALE POLITIK MIT ALLEN
18. Die Politik der Kooperation
19. Das neue Pensionssystem
20. Das Solidarkonto
21. Versicherungen
22. Finanzwirtschaft
23. Mit Steuern steuern
24. Sicherheiten
25. Fairer Handel
26. Kein Patent aufs Medikament!
27. Die Infrastruktur
28. Die digitale Infrastruktur
29. Hausieren verboten!
30. Die Zusammenarbeitspartei: ZAP
31. Dank
Literatur
Bildquellen
KAPITEL 1
EINLEITUNG
Kooperation schafft Gewinner. Solidarität rechnet sich, glasklar und nachvollziehbar. Aber was wir berechnen, welche Größen wir optimieren und ob wir überhaupt optimieren, welches Modell wir verwenden und nach welcher Formel wir rechnen, ist Gegenstand von Politik, von Moral und von Werthaltung. Ob wir die Intelligenz der klügsten Köpfe dafür einsetzen, möglichst effizient zerstörerische Waffen zu entwickeln, fragwürdige Finanzprodukte zu entwickeln, oder ob wir unsere Fähigkeiten, unseren Willen und unseren Ehrgeiz darauf richten, wie man am klügsten die Energie der Sonne zum Vorteil aller nutzt: Das macht einen Unterschied! Ob wir danach streben, friedlich zusammenzuleben, ob wir Kooperation fördern oder gegenseitiges Beinstellen, auch das ist eine Frage der Politik, der Moral, der Werthaltung und des Wollens einer Gesellschaft.
Ein Anliegen dieses Buches ist es, komplexe Zusammenhänge auf dem Gebiet der Mathematik, der Wirtschaft, Politik, der Moral und des menschlichen Zusammenlebens so einfach wie möglich darzustellen und für viele Menschen lesbar zu machen, ohne allzu viel an Genauigkeit zu verlieren. Neben den Analysen und Fakten sollte der Blick auf die schon von vielen Menschen geforderten, konkreten, politischen Konsequenzen gerichtet werden, die sich aus den Analysen ergeben. Sie zielen auf eine Wirtschaft und eine Politik ab, die allen Menschen und der Natur zugutekommen und zu Kooperation und Gemeinwohl führen mögen.
Politik und Wirtschaft sind in den letzten 30 Jahren geprägt von neoliberalem Denken, von neoliberaler Geisteshaltung und einer Theorie, die stark etwa von August von Hayek oder Milton Friedman beeinflusst ist. Neoliberale Ideen werden in manchen Bereichen mehr, in anderen Ländern und Bereichen weniger umgesetzt. Neoliberales Denken hat sich quasi in die Mitte der Gesellschaft eingeschlichen, fällt nicht weiter auf und ist zur Selbstverständlichkeit geworden, hat aber seine reale Auswirkung im dörflichen Leben ebenso wie im Welthandel. Politiker und Denkfabriken präsentieren die Wirtschaft als Naturphänomen. Insbesondere Wirtschaftspolitik beansprucht für sich, sachbezogen, faktenbasiert und wertfrei zu sein. Fakten und glasklare Rechnungen ließen uns keine Wahl. Man müsse sich der Realität und den Sachzwängen widerstandslos ergeben. Im Neoliberalismus werden die Moral und Werthaltung hinter einem vermeintlich berechenbaren, alternativlosen Muss versteckt, das den Gestaltungswillen der Politik massiv einschränkt. Mit einem „Es darf nichts kosten!“ etwa erübrigt sich jede Politik.
Dem Neoliberalismus möchte ich eine alternative Denkweise und Geisteshaltung gegenüberstellen: Kooperation, Solidarität und gegenseitiges Vertrauen. Diese Grundhaltung ist tausende Jahre alt, hat sich in verschiedenen Kulturkreisen weltweit bestens bewährt und ist in der Lage, nachvollziehbar und berechenbar dem Wohle aller zu dienen. Solidarische und kooperative Denkweise ist in letzter Zeit in unseren Breiten etwas in den Hintergrund verdrängt worden, ist aber in unserer Gesellschaft reichlich vorhanden, sodass ein Übergang von Neoliberalismus zu Kooperation und zu Solidarität keine spektakuläre Revolution erforderlich macht, sehr wohl aber eine kleine Revolution im eigenen Kopf.
Teil 0: Neoliberalismus: Politik und Wirtschaft für wen? Im ersten Teil möchte ich einige Stehsätze der neoliberalen Geisteshaltung hinterfragen und auf Plausibilität und Glaubwürdigkeit untersuchen, und wage den Versuch, kompliziertere wirtschaftliche und politische Zusammenhänge für meine reale und fiktive Tante Mizzi halbwegs verständlich darzulegen. Auf der Reise durch die Schlagwörter und Versprechen neoliberaler Politik trifft man auf ungezügelte Geschäftemacherei, auf einen schlanken Staat, auf leere Versprechen (in der Verwaltung seien 15 Milliarden einzusparen!?) und auf inhaltslose Leermeldungen, Leerformeln und Leerforderungen, wie etwa der Forderung nach mehr diffusem Wachstum und nach Deregulierung. Man weiß nicht, was wachsen soll und was schrumpfen. Man weiß nicht, welche Regeln von wem zu welchem Zweck abgeschafft oder doch verschärft werden sollen. Man trifft auf anmaßende Trittbrettfahrerei und Verantwortungslosigkeit. Neoliberalismus ernähre die Welt und bringe Wohlstand und Glück für alle. Mit dem Klimawandel, mit der Verelendung ganzer Landstriche, mit Ausbeutung und zerstörerischer Ungleichverteilung der Güter habe Neoliberalismus nichts zu tun. Maßnahmen zur Eindämmung der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen gelten als Geschäftsstörung. Auch wenn Neoliberalismus nicht für alles Böse verantwortlich ist: Vergeblich sucht man nach einer Distanzierung von nicht zu duldenden Auswüchsen in der realen Wirtschaft, die zu Ausbeutung oder zu Landraub führen.
Auf der Wanderung durch neoliberale Schlagwörter trifft man auf destruktiven Wettbewerb, ungebremstes Wachstumsstreben, Neid, grenzenlose Gier und als Sparsamkeit getarnten Geiz. Man trifft aber auch auf Aussagen und Behauptungen, die jedweder wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Sie halten keinerlei Faktencheck stand. Das Thema Pensionen ist in dieser Hinsicht besonders ergiebig. Schließlich geht es beim Thema Pensionen um gut ein Fünftel unserer Lebenszeit, es geht um tausende Milliarden Euro. Der österreichische Pensionskassenverband etwa verspricht abenteuerliche Renditen, die leider unter abenteuerlichen Berechnungsmethoden zustande gekommen sind. Von der versprochenen Rendite bleibt in den meisten Fällen leider nichts übrig, außer verschwendetes Steuergeld.
Der Teil 2/3 + 3,14159i: Kooperation: Imaginierte Politik mit allen soll Hoffnung bringen. Es gibt etwas mehr als unendlich viele Möglichkeiten, wie man Wirtschaft und Politik betreiben kann, und wie wir unser Zusammenleben gestalten könnten. Neoliberalismus ist keineswegs alternativlos und schon gar nicht die beste aller Möglichkeiten. Ich möchte mich der Frage zuwenden, wie Zusammenarbeit entsteht. Was sind die Voraussetzungen für das Entstehen von so etwas wie Gemeinsinn? Welche gesetzlichen Maßnahmen fördern Wohlstand und friedliches Zusammenleben? Solche Fragen haben sich schon viele Menschen gestellt. Einer davon ist Robert Axelrod mit seinem Buch „The Evolution of Cooperation“, das zu einem Standard in Ethik und Soziologie geworden ist. In der Analyse seines Kooperationsspieles hat Axelrod gezeigt, dass die Kooperation verweigernden Mitspieler zwar gegen jede einzelne kooperierende Spielerin gewinnen, aber trotzdem zu müden Gesamtverlierern werden. Ein vergleichbares Ergebnis ist uns bei der Fußballmeisterschaft nicht bekannt. Wenn ein Verein alle Spiele gewinnt oder unentschieden spielt, wird er wohl Meister, nicht aber Absteiger. Axelrod hat gezeigt, dass eine kooperative Spielweise gegenüber einer neidvollen „Ich zuerst“ Politik zum sicheren Gewinn führt, wenn nur genügend kooperative Spieler mitspielen. Dieses bemerkenswerte Ergebnis kann man mit den Grundregeln der Mathematik und Logik ohne weiteres berechnen und nachvollziehen und ist keineswegs irgendein Wunschtraum. Welches Spiel wir aber mit welchen Regeln spielen, ist Sache von Politik. Wollen wir Schachspielen oder Fußball? Wollen wir friedlich zusammenleben und einer Version eines kooperativen Spieles den Vorzug geben oder dem gegenseitigen Augenauskratzen, dem totalen Wettbewerb? Das liegt an uns.
Teil 1: Kooperation: Reale Politik mit allen ist der letzte Teil des Buches und handelt von der Umsetzung der Erkenntnisse über Kooperation in eine ganz konkrete Politik. Es wird eine Vision für die Gestaltung einer kooperativen Gesellschaft entwickelt und Überlegungen angestellt, welche konkreten Gesetzesmaßnahmen umgesetzt werden sollen und können, damit Kooperation richtig Schwung aufnimmt, und Wohlstand für alle gedeihen und ein friedliches Zusammenleben entstehen kann. Vieles kann eine Gesellschaft selber erledigen, vieles verlangt gute Zusammenarbeit mit den Nachbarn, etliches wird man auf globaler Ebene erledigen müssen. Freilich, die Schaffung des Weltfriedens und die Errichtung des Paradieses auf Erden dauern erfahrungsgemäß etwas länger. Und vieles ist weder vorhersehbar noch berechenbar und schon gar nicht planbar. Das soll uns aber nicht abhalten, das Mögliche zu versuchen. Vieles aber ist machbar und kann nach langen Verhandlungen positiv erledigt werden, wenn nur genügend Menschen guten Willens es wollen.
Eine der ersten und wichtigsten Maßnahmen ist sicherlich die Einstellung der steuerlichen Förderung von kapitalgedeckten Pensionssystemen. Das ist leicht umzusetzen, es bringt viel Geld in das Geldbörserl der Menschen und fördert das Vertrauen. Auch Lenkungssteuern und Lenkungszölle haben eine sehr kooperative Wirkung. Man müsste es halt machen und auch eine Partei gründen, die sich Kooperation zum Programm macht.
Die Komplexität der Materie erfordert eine spezielle Nummerierung der Teile des Buches. Die nicht ganzzahlige Nummerierung weist auf chaotische Strukturen hin, wie wir sie in der Finanzindustrie vorfinden. Chaotische Systeme weisen trotz ihres langfristig nicht vorhersagbaren, scheinbar irregulären Verhaltens bestimmte typische Ordnungsmuster auf. Diese Ordnungsmuster, Fraktale, haben eine nicht ganzzahlige Dimension. Sie sind gleichzeitig einfach und höchst komplex, schön, faszinierend, unberechenbar und spannend, wie eben menschliches Verhalten, Wirtschaft und Politik. Das Buch ist illustriert mit Bildern der Mandelbrotmenge, einem fraktalen Objekt mit nicht ganzzahliger Dimension und mit Bildern des Nationalparks Gesäuse und dem Gebiet der Grabneralm. Sie sollen zum Verweilen anregen, zum Vor- und Nachdenken. Einladungen zum Hineinhören in die Musik von Johann Sebastian Bach, Einladungen zum Spaziergang auf die Grabneralm und zum Anstimmen eines Jodlers mögen etwas Tempo aus unserm Leben nehmen.
Ich verwende häufig die weibliche Form von Wörtern. Die männliche Form ist mitgedacht.
TEIL 0
NEOLIBERALISMUS: POLITIK UND WIRTSCHAFT FÜR WEN?
In der digitalen Welt beginnt man bei null zu zählen. Das mag etwas Verwirrung stiften, aber es ist einfach so. Ich folge bei der Nummerierung der Buchteile diesem Brauch. Die Null erscheint uns klein und nichtig. In Wirklichkeit ist die Null groß und mächtig. Die Null kann als Zahl einen sehr destruktiven und auch einen explosiven Charakter haben, wie eben Neoliberalismus. Multipliziert man eine beliebige Zahl mit null, dann kommt null heraus. Dividiert man durch null, dann explodiert der Wert des Ergebnisses. Diese Eigenschaft der Null finde ich sehr passend zur Beschreibung des Neoliberalismus.
Von den Indern stammt das dezimale Stellenwertsystem samt der Null. Mit dem Werk Über das Rechnen mit indischen Ziffern sorgte der geniale arabische Gelehrte Muhammad Al Choresmer für eine weite Verbreitung des Stellenwertsystems bis nach Europa. Muhammad stammt aus Choresmien, einem frühen Zentrum der Hochkultur am Unterlauf des Amudarija im heutigen Usbekistan. Er lehrte und forschte im 9. Jahrhundert nach Christus in Bagdad, einem der Zentren der damaligen Kultur. Die Wörter Algorithmus (Al Choresmer) und Algebra gehen auf diesen Gelehrten zurück. Choresmien war im 9. und 10. Jahrhundert Teil des muslimischen Samanidenreiches mit der Hauptstadt Buchara.