«Gott ließ mich das Licht der Eingebung schauen und des Aufgangs des Sterns des höheren Wissens, und sagte zu mir:
Im Offensichtlichen und in der Eingebung verberge ich mich Denen, die mit den Schleiern zufrieden sind. … – Wüßten Jene, daß das Symbol und das Mysterium der Dinge in derselben offensichtlichen Klarheit stehen, so würden sie DEM WEG folgen. » (Ibn Arabi *)
Dreier Dinge Bewahrung ist die Schuldigkeit des Barden:
Sprache – Symbolik – Überlieferung.
(Aus den druidischen Triaden)
Für uns Heutige liegt der Ursprung der Symbolik zweifellos in so ferner Vorvergangenheit, daß man sagen kann: Gegenwärtig lebt kein Mensch, der nicht bereits in einer oder mehreren früheren Existenzen – vielleicht Tausende von Jahren zurück liegend – mit derselben Symbolik bzw. ihrem Ursprung in Berührung gekommen wäre. Das bedeutet, daß grundsätzlich jeder heute lebende Mensch den unermeßlichen Schatz, den die Symbolik der Welt darstellt, in seinem Urgedächtnis – man könnte auch sagen: in seinem Bluts-Gedächtnis – mitträgt und ihn – sei es auch unbewußt – an seine Nachkommen weitergibt.
Wie kommt es dann, daß so Wenige sich dieser Symbolik bewußt sind? Wie kommt es, daß sogar Menschen mit großer spiritueller Offenheit, ’Bildung‘ und Erfahrung mit den meisten Symbolen heute nichts mehr anfangen können oder sie höchstens insofern akzeptieren und anwenden, als sie mit ihrem täglichen (künstlerischen, spirituellen oder materiellen) Leben in direktem Zusammenhang stehen? Wie kommt es, daß sogar die Besten unter diesen die antike Symbolsprache als etwas Veraltetes, nur für alte Denksysteme Gültiges und für uns Heutige nicht mehr Aktuelles betrachten? – Ja, es gibt sogar in diesem Kreis Personen, die stolz darauf sind, über die Symbolik der grauen Antike und des blühenden Mittelalters dank moderner spiritueller Evolution endgültig ’hinausgewachsen‘ und darüber erhaben zu sein! Das ist nicht nur eine traurige, sondern sogar eine sehr bedenkliche Tatsache, wie man aus dem Folgenden hoffentlich erkennen wird.
Ob die «Sprachverwirrung zu Babel» wirklich je in der biblisch überlieferten Form stattfand oder nicht, bleibe dahingestellt: man kann auch hier mit Fug und Recht geteilter Meinung sein. Daß es aber eine allen Menschen gemeinsame Sprache gab (oder, weil Zeit ja eine Illusion aus der stofflichen Welt ist: gibt), das ist sicher. Geisteswissenschaftlich betrachtet sind alle Menschen Eins; – also muß dieser Einheit auch eine einheitliche Sprache – die Sprache der Einheit – eigen sein. Das Wort Sprache kommt zwar von sprechen, doch ist heute ja stets auch die Rede von Bildsprache, Körpersprache, Zeichensprache. So ist die Symbolsprache ein alle Kulturen, Idiome und Zeiten überbrückendes Verständigungsmittel. Daß das bis in unsere moderne, übertechnisierte Epoche hinein nicht nur noch gilt, sondern sogar immer mehr gilt, mögen drei Beispiele zeigen:
Erstens: Sämtliche okkultistischen Gruppen benutzen die uralten Symbole. Ob sie sich nun in gutem Glauben (bona fide) nach dem ’Allein-Guten‘ hin orientieren, oder ob sie sich in Unglauben bzw. in Verzweiflung oder finsterer Unwissenheit «der schwarzen Magie ergeben»: Alle bedienen sich ältester Symbole und Riten, wenn auch gelegentlich mit veränderter Sinngebung.
Zweitens: Auf allen Straßen, Bahnhöfen, Flugplätzen etc. sind es Symbole, die das Verhalten jedes vorbeikommenden Menschen in gleicher Weise bestimmen. Ebenso funktionieren sämtliche Steuerungs-Systeme aufgrund fixer Informations-Einheiten. In beiden Fällen handelt es sich um nichts anderes als Symbole (Zeichen oder Zahlen), worauf dort irgendwelche Automaten, hier irgendwelche Menschen ein- bzw. abgerichtet werden, wobei graphisch – besonders im Straßenverkehr – die uralten Elemente: Dreieck, Quadrat, Kreis und Kreuz die Grundlage bilden. –
Drittens: 1972 starteten die Raumsonden Pioneer 10 und 11, ausgerüstet mit je einer vergoldeten Aluminiumplatte, worauf einige interkosmisch verstehbare Symbole – nämlich Informations-Einheiten aus Mathematik, Physik, Astronomie sowie ein Menschenpaar – eingraviert worden waren. Es ist dabei typisch für die Schizophrenie unserer Gegenwart (man könnte es auch Heuchelei nennen), daß gerade in dem Land, wo Sexismus, Pornographie und kommerzielle sexuelle Perversion ihren Ursprung haben – nämlich in den USA – lautstark protestiert wurde gegen die harmlose, naive Darstellung zweier nackter Menschen auf den erwähnten Plaketten. Besonders abwegig muß ein solches Verhalten einem Geisteswissenschafter erscheinen, für den der Mensch auch heute noch – trotz seines niedrigen Zustandes – ein Abbild Gottes ist, und für den sinngemäß ein Menschen-Paar als Compendium der ’dialektischen‘, d.h. in unzählige Gegensatzpaare gespaltenen universellen Natur gilt, wie sie uns Heutigen (und zweifellos auch allen anderen intelligenten Lebewesen im Universum) sattsam bekannt ist.
Nun sind die genannten, für die Moderne konzipierten Symbole von rein materieller Funktion. Dem gegenüber ist der Inhalt der alten, klassischen Symbole nicht nur auf materielle Aspekte des täglichen Lebens beschränkt (wo sie jedoch durchaus ebenfalls ’funktionieren‘), sondern dehnt sich aus auf sämtliche spirituellen und wissenschaftlichen, physischen und metaphysischen, materiellen und geistigen Aspekte im gesamten Universum. Keine einzige Tatsache gibt es, die durch die Gesamtheit dieser uralten Informationseinheiten – die antiken Symbole – nicht ausgedrückt würde.
Umgekehrt: Keine einzige moderne Anwendung der alten Symbole gibt es, wo diese nicht genau so gesetzmäßig ihre zeitlose Wirkung hätten, wie einst in der Antike. Dabei – das sei immer wieder betont – ist es ganz unwesentlich, ob Symbole bewußt wahrgenommen und erlebt oder in Unbewußtheit und sogar ’zufällig‘ oder ’versehentlich’ belebt oder begegnet werden!
Andererseits ist es eine Tatsache, daß ein Mensch, dessen Urerinnerung an die universelle Symbolik erwacht, der also bewußt die Schwingungen des zeitlosen Symbolwissens wahrnimmt, die in die ganze Natur eingeprägt sind – ins Mineral-, Pflanzen-, Tier-, Menschen- und ins geistige Reich; – daß solch ein Mensch aus jeglichem Gegenstand die wahren Zusammenhänge im Universum erfühlen und bewußt erkennen kann. Allerdings kann er oder sie diese Erkenntnisse nur mit solchen Menschen teilen – also nur solchen Menschen mitteilen und verständlich machen, die ebenfalls mit der universellen Symbolsprache vertraut sind. Nicht jeder Mensch nimmt ja in demselben Bild dieselbe Information wahr; nicht jeder Betrachter zieht die gleichen Schlußfolgerungen aus den gleichen Elementen.
Positiv ausgedrückt: Menschen, die sich mit den tiefsten metaphysischen Zusammenhängen ernsthaft befassen, die universelle Symbolsprache kennen und sich in übersinnlicher (’spiritueller‘) Wahrnehmung deren Informationen bewußt machen können, können diese Informationen nicht nur teilen und austauschen: Dieselben ’Informationspakete‘ können von jedem Menschen anders – gemäß den Gaben jeder Persönlichkeit – ’verstanden’ werden; und dieses bruchstückhafte, individuell verschiedene Erkennen jedes Menschen, das sich in keiner konventionellen Sprache adäquat ausdrücken läßt, kann nun zusammengefügt werden zu einer neuen Gesamtheit, zu einer bewußt kollektiven Gesamtschau, welche die geistige Evolution jedes Menschen – und damit auch jene des Universums! – allmählich und naturgesetzmäßig bis ins ’Übermenschliche‘ bzw. ’Gottmenschliche‘ steigern muß.
Nochmals umgekehrt ausgedrückt: Wer die universelle Symbolsprache – diese Einheitssprache der Urzeit – nicht pflegt und nutzt, geht seiner Verbindung mit dem Urwissen des Universums, und damit des letzten Rests der All-Wissenheit des ursprünglichen, göttlichen Menschen (’Proto-Adam’) verlustig: So lassen er oder sie die schon so sehr verkümmerten Wurzeln ihres persönlichen Lebensbaumes leichtsinnig ganz absterben!
Fassen wir zusammen: Universelles Wissen und Erfahren wird in keiner heutigen konventionellen (d.h. durch moderne Übereinkunft fixierten) Sprache ausgedrückt. Nur die uralten universellen Symbole sind dazu geeignet; – wenn auch gelegentlich um eine moderne Deutung erweitert. Beide – die klassische Verwendung wie die moderne Erweiterung und Erklärung – können leicht verstanden werden von Allen, denen die alte Symbolsprache innerlich gegenwärtig und sozusagen physisch bewußt ist (was sie ja intellektuell naturgemäß nicht sein kann). Wem diese innere Gegenwart des ’Vergangenen‘ jedoch fehlt, dem mag das tief-innere Verständnis dafür hier wieder aufgehen.
Zahlreich – ja zahllos sind die Bücher, die über Symbolik bisher veröffentlicht wurden: Sie unterscheiden sich in Kultur und Umfeld, woraus sie stammen; – in ihren Mythologien; – in ihrer Systematik, in ihrer Form und Darstellung. Das vorliegende Büchlein möchte jene vielen Bände nicht ergänzen, – noch weniger korrigieren: Dazu ist sich der Autor zu sehr der Lückenhaftigkeit und Diskutierbarkeit seiner Aussagen wie seiner Systematik bewußt. Besonders die figürliche Symbolik ist hier auf eine gezielte Auswahl beschränkt2.
Die Berechtigung dieses Bändchens liegt eher in seiner Nähe zur Sprache der Völker, zu deren täglichem Leben auf stofflichem wie auf geistigem Gebiet; – und in seiner Bemühung, über die abstrakte Bedeutung von Symbolen hinweg deren lebendige magische Wirkung aufs menschliche Dasein zu betonen und klar ins Bewußtsein zu rufen; – besonders im Hinblick auf die geistige Evolution der Menschheit, ihrem Einen Ziel entgegen, das erreicht wird durch den in den heiligen Schriften langer Zeiten Der Weg, die Pilgerschaft und auch die Reise genannten Einweihungspfad, dessen wichtigste Stationen als die Taufe mit Wasser, mit Geist und mit Feuer bekannt sind. Dieser Weg ist in der heutigen neuen Zeit besonders aktuell, weil er nicht mehr das Privileg von Propheten, Magiern und Priestern ist, sondern jetzt jedem Einzelnen – «allen Menschen guten Willens» – offen steht3. Nur eine Bedingung gilt es unbedingt zu erfüllen: Mut zur Autonomie und zur Selbstverantwortung!
Denn für die Erlangung wahrer Kenntnis – Gnosis – gilt jetzt dies: Was früher in mystischem Nebel verborgen war, steht heute im vollen Licht. Was früher in Trance oder im Tempelschlaf unbewußt aufgenommen wurde, steht heute als Wissenschaft von Gott, Universum und Mensch vor uns. Was jedoch seit Urzeiten unverändert blieb, das ist die Präzision der Mysterien, ihrer Sprache und ihrer Symbolik. Der Weltmensch ist gewohnt, mysteriös zu nennen, was ihn verschwommen dünkt; – gerade dies aber trifft fürs Eingeweihten-Wissen nicht zu, welches höchste Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit des Denkens, der Sprache und des Tuns verlangt, dafür aber neues Bewußtsein schenkt.
Noch etwas hat sich im Lauf der Jahrtausende nie geändert: die eigentliche Unaussprechlichkeit des innersten Wissens vom Höchsten und Tiefsten, was ein Mensch erfahren kann: Darum hat man stets von Geheimwissen – von Okkultismus gesprochen. Darum haben die alten Symbole – die alten Zeichen, Bilder und Assoziationen – auch in der modernen Gegenwart nichts an ihrer Aussagekraft, nichts an ihrer Aktualität verloren. Darum auch wird der Leser in den folgenden Seiten häufig Anspielungen an Alchemie, Mythologie und Heraldik, kaum an Hieroglyphen (aber an Runen) finden, ohne jedoch die zugehörige Systematik zu erhalten. All dies sind Grundlagen zur Tilgung der Unwissenheit bezüglich der antiken Mysterien-Traditionen und ihrer Symbolik. Der Leser wird mit Gewinn die zahlreich angemerkten einschlägigen Werke aufsuchen und dort die breiten Zusammenhänge entdecken, die hier nur angedeutet werden konnten.
Ein Hauptanliegen war nämlich die Knappheitnicht zu passen scheinen.