Andreas Aschberg

Puppenspiel

 

Puppenkopf ePUB

 

 

 

Storyhouse Verlag

Impressum

 

eBOOK-EDITION

M552

 

Produktion:

Storyhouse Verlag, Stuttgart

 

Cover Art:

Marie Schweikardt, Göppingen

 

ISBN 978-3-944353-63-0

 

© 2020 by Storyhouse.

Alle Rechte vorbehalten.

Prolog

 

Ro Hansen leckte sich nervös die Lippen. Man musste auch mal was riskieren. Das lehrte die Geschichte.

Der Apotheker Friedrich Sertürner isolierte 1804 ein interessantes Alkaloid aus dem Milchsaft der Mohnpflanze. Er nannte es Morphium und hielt es für bahnbrechend bei der Betäubung von Schmerzen. Weil ihm das niemand glauben wollte, nahm er im Selbstversuch eine ordentliche Portion zu sich und nur die rasche Einnahme eines Brechmittels bewahrte ihn davor, für immer von allen Schmerzen erlöst zu sein. Beruflich ging es nach diesem Versuch steil bergauf, ein paar Jahre später wurde ihm von der Universität Jena die Doktorwürde verliehen.

Der Wissenschaftler Barry Marshall wiederum war überzeugt, dass Magengeschwüre nicht durch Stress ausgelöst wurden, sondern durch ein Bakterium. Seine Zeitgenossen, viele von ihnen selbst Betroffene, hielten das für äußerst unwahrscheinlich, so dass sich Marshall 1984 zum Entsetzen seiner Gattin im Selbstversuch ein komplettes Reagenzglas Helicobacter verabreichte. Das ausgeprägte Magengeschwür, an dem er daraufhin erkrankte, wertete er als vollen Erfolg. 2005 erhielt er den Nobelpreis für Medizin.

Forscher waren Getriebene, sinnierte Ro Hansen. Manche waren selbstlose Idealisten, andere besessen nach Anerkennung. Auf jeden Fall bewegten sie etwas in ihrem Leben.

Ro Hansen wollte auch Bewegung in seinem Leben. Aber er war weder besessen noch Idealist. Und auch kein Wissenschaftler. Dafür hatte es nicht gereicht. Er war bloß ein normaler Angestellter, der ganz gut mit Computern umgehen konnte und den das Leben ansonsten bislang nicht weiter verwöhnt hatte. Es war nicht leicht, dem Leben mehr abzutrotzen, als es freiwillig herzugeben bereit war. Ro wusste das und hasste es. Also blieb er wachsam, immer auf der Suche nach seiner Chance, nach einer Tür zum Glück, die er aufstemmen konnte.

Ro sah aus dem Fenster. Nieselregen biblischen Ausmaßes, der elfte Tag in Folge. Seit den 2030ern war es üblich, dass es Januar und Februar nahezu durchregnete. Von Schnee keine Spur. Die gehässige Art eines klimagewandelten Winters sich zu verabschieden mit einem das-habt-ihr-jetzt-davon, um einem asthmatischen Frühling den Weg zu bereiten, bevor dann ab Mai wieder die Dürremonate das Klima beherrschten.

Ro wandte den Blick ab. Was interessierte ihn das Wetter? Wie es aussah, hatte er vor kurzem eine Tür gefunden. Sie konnte zu einem anderen Leben führen. Ein Leben ohne Sorgen, dafür mit Champagner und Frauen. Viel Champagner, viele Frauen. Aber noch war die Tür bloß eine Theorie, eine nicht ganz ungefährliche Idee, die der weiteren Evaluation bedurfte.

Man musste auch mal was riskieren.

Aus seinem Büro im 41. Stock - dafür hatte es immerhin schon gereicht - warf er durch den Regen hindurch einen beruhigenden Blick auf die Frankfurter Skyline: stählerne Tentakel, die sich aus dem pulsierenden Herzen der Stadt dem feuchten Himmel entgegenreckten. Er spürte die Macht, die von diesen Türmen ausging.

Ro war den Versuchsaufbau mehrfach mit Mio und Child durchgegangen. Die beiden gehörten zu seinem kleinen, eingeschworenen Team. Ro war nicht der einzige, der mehr vom Leben wollte.

Morgen sollte es soweit sein: Der erste Test. Im Selbstversuch.

Ein Opfer zu bringen war etwas anderes, als das Opfer zu sein, eine Einsicht, die Ro grundlegend von den Forschern unterschied, deren Arbeit er bewunderte. Also hatte er den Begriff des Selbstversuchs präzisiert, und zwar dahingehend, dass aus seiner Sicht Mio genau der Richtige für diesen Job war. So, wie Ro das sah, war er der ideale Kandidat. Vor allem, da niemand wusste, wie die Sache ausgehen würde.

Am Ende war es einfacher gewesen als gedacht, Mio zu überzeugen. Ro hatte die richtigen Worte gefunden, in ihm schlummerte anscheinend ein echter Motivator. Und trotzdem war er noch nicht ganz zufrieden.

Das Problem: Mio wusste, dass morgen der Versuch stattfinden sollte. Auch wenn er den genauen Ablauf nicht kannte, war er doch mental darauf vorbereitet. Sie hatten ihn so konditioniert, dass er jederzeit für die Startsequenz empfänglich war. Konnte nicht allein dieses Wissen das Testergebnis beeinflussen? Selbst wenn er am Ende des Tests, vorausgesetzt, es lief alles nach Plan, keine Erinnerung mehr an das Geschehene haben würde. Da gab es doch diese Geschichte mit der halbtoten Katze in einer Schachtel? Ro konnte sich nicht mehr genau an das Katzenexperiment erinnern, trotzdem bestärkte ihn der Gedanke in seinem spontanen Entschluss: Er würde den Versuchsaufbau ein wenig abändern. Der Versuch würde schon heute stattfinden. Genauer gesagt: Jetzt.

Ro projizierte eine Tastatur auf seine Arbeitsfläche und gab ein paar Befehle ein. Er grinste, als er sich ein neues Szenario überlegte. Mio saß im gleichen Büro wie Ro, nur ein paar Meter von ihm entfernt. Er hatte keine Ahnung, was gleich auf ihn zukam und würde daher völlig natürlich reagieren.

Ro drückte die Enter-Taste und ein paar Sekunden später stand Mio auf.

Er ging hinüber zur kleinen Theke am anderen Ende des Büros. Neben einem vorsintflutlichen Kaffeeautomaten stand dort ein nagelneuer 3D-Drucker von Mitsubishi Foods. Echte Frische kommt aus dem Drucker, informierte ein kleines Hologramm, das ein paar Zentimeter über der Maschine schwerelos um die eigene Achse kreiste.

Ro subvokalisierte etwas in sein implantiertes Kehlkopfmikrofon. Die Startsequenz. Derweil begann Mio, ein Rezept in den Drucker zu laden. Noch immer ahnungslos. Der Drucker war mit sechs Biopasten bestückt, aus denen sich Hunderte von leckeren Gerichten zusammenbauen ließen. Aber trotz jahrzehntelanger Beschallung mit Kochsendungen auf allen Kanälen, druckte sich Mio immer nur Pizza aus.

Ro gab neue Befehle auf seiner Tastatur ein. Daraufhin begannen die Überwachungskameras im Raum mit einem Software-Update. Für ein bis zwei Minuten wären die Kameras durch diesen Vorgang auf unauffällige Weise erblindet.

Ro erhob sich, um die Waschräume aufzusuchen. Wenn das Experiment erfolgreich war, würde Mio gleich etwas ziemlich Verrücktes tun. Ro wollte nicht, dass es davon eine Videoaufzeichnung gab. Er wollte auch nicht selbst im Raum anwesend sein. Keine Beobachtung, keine Interferenz, keine Schrödingersche Katze. Für Mio würde es eine schmerzhafte Sache werden, aber die Geschichte lehrte, dass man Opfer bringen musste.

Im Waschraum aktivierte Ro über sein Kehlkopfimplantat die eigentliche Versuchssequenz. Unmittelbar darauf hörte er einen markdurchdringenden Schrei.

Mio stand am Kaffeeautomaten und schaute ungläubig auf seine linke Hand. Die Haut war krebsrot, und an einer Stelle hatte sich eine wabernde Brandblase gebildet.

Mit der Rechten versuchte er hektisch das Ventil der uralten Maschine, aus der kochendes Wasser zischte, zu schließen. Die Brandblase an seiner Hand platzte und Wassertropfen verdampften zischend auf dem rohen Fleisch.

Endlich zog Mio die Hand aus der Gefahrenzone. Er hatte keine Ahnung, wie das hatte passieren können. Der Hahn hatte sich doch nicht von selbst geöffnet? Aber so sehr er sich anstrengte, sein Gehirn hatte keinen Zugriff mehr auf das, was gerade geschehen war. Er ahnte nicht einmal etwas von der künstlichen Blockade, die sich in seinem episodischen Cortex eingenistet hatte. Zu seinen Füßen lag eine zerstampfte Pizza. Die hatte er wohl vor Schreck und Schmerzen fallengelassen. Zwei Salamischeiben formten ein paar traurige, rotgeäderte Augen, die ihn mitleidig anstarrten.

Ro zählte bis fünf, dann eilte er zurück ins Zimmer und sprang seinem Kollegen mit besorgter Miene zur Hilfe. Es roch verbrannt. Mio war einer Ohnmacht nahe. Sie brauchten eiskaltes Wasser und dann einen Sanitätsroboter. Ausgezeichnet. Ro war sehr zufrieden.

 

01. Aufgeflogen

 

Der Messerstich tat höllisch weh. Noch immer.

So ein Messerstich war eine sehr intime Verletzung der Privatsphäre. Vielleicht, weil gleich zweimal eine existenzielle Grenze überschritten wurde. Das Messer drang zunächst unverblümt in jene persönliche Schutzzone ein, die jeden Menschen umgab, den Raum, der nach den ungeschriebenen Konventionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens normalerweise für andere tabu war, und dann durchstieß es rüde die letzte und heilige Grenze, die Haut, die den Menschen von seiner Umwelt abgrenzte, schützte, vielleicht sogar definierte – gegen eine mit Druck geführte Klinge aber machtlos war.

Kein schönes Gefühl. Und es tat höllisch weh.

Dabei hatte Egidius noch Glück gehabt. Die Klinge war zwar in den Oberschenkel eingedrungen, hatte aber Femoralis-Arterie und Schneidermuskel verschont; eine reine Fleischwunde also und nicht besonders tief.

Sie hatte ein kleines Messer verwendet. Deswegen hatte Egidius die Gefahr erst im letzten Moment erkannt und kaum noch reagieren können. Er musste sich eingestehen, dass er nicht mehr der Schnellste war. Aber ehrlich gesagt, hatte er auch nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet sie auf ihn losgehen würde. Er hatte eher ihn im Auge behalten. Ein Fehler, wie sich herausstellte.

Eigentlich hatte es sich um eine einfache Observierung gehandelt. Der Ehemann hatte ihn beauftragt, seine Frau zu beobachten, weil er den Verdacht hatte, sie kümmere sich auf ihren Geschäftsreisen mehr um andere Männer als ums Geschäft, was ihn sowohl emotional als auch finanziell auf die Palme brachte, denn es war seine Firma, in der sie ihre Pflichten vernachlässigte.

Leicht verdientes Geld normalerweise, und Egidius konnte leicht verdientes Geld brauchen. Es war nicht einfach, in seinem Alter als Privatdetektiv über die Runden zu kommen. Schon gar nicht, wenn man Schulden hatte.

An sich hätte eine Überwachungsdrohne ausgereicht, um den Job zu erledigen. Aber das war nicht sein Ding. Er wollte sich persönlich ein Bild machen. Alte Schule.

Er hatte also im gleichen Hotel übernachtet wie die zukünftige Ex seines Klienten und hatte im gleichen Frühstücksraum gefrühstückt wie sie und ihr Lover. Der vierte in zwei Tagen, wenn seine Recherchen stimmten. Egidius vermutete, dass die Liebhaber nicht nur hintereinander zum Einsatz kamen, sondern auch parallel, anders war ein solches Pensum kaum zu schaffen.

Er hätte allerdings im Frühstücksraum etwas unauffälliger zu Werke gehen sollen. Aber die Versuchung für ein letztes Foto war zu groß gewesen.

Außer ihnen waren keine weiteren Gäste anwesend. Er saß nur ein paar Tische entfernt und der Frau war es völlig egal, dass er genau beobachten konnte, was sie trieb. Vielleicht stimulierte es sie ja? Über dem Tisch bedachte sie ihren Begleiter mit einem Kuss, den man beim besten Willen nicht mehr als freundschaftlich bezeichnen konnte, und unter dem Tisch stieß ihr ausgestrecktes Bein tief zwischen seine Oberschenkel vor. Eine Szene, die er gerne für seinen Auftraggeber mit einem Schnappschuss festhalten wollte, aber leider hatte Egidius nur seine altmodische Digitalkamera zur Hand und die war doch etwas auffällig.

Die Frau jedenfalls hatte sofort gewusst, was gespielt wurde. Wer konnte auch ahnen, dass ihr Mann sie vorab gewarnt hatte, einen Privatdetektiv auf sie anzusetzen, wenn sie so weitermachte? Das tat doch kein vernünftiger Mensch! Hatte er geglaubt, sie auf diese Weise zur Räson zu bringen?

Die Frau und ihr Begleiter hatten ihn wütend zur Rede gestellt, woraus sich ein hitziges Wortgefecht entwickelte. Egidius war ein großer, drahtiger Typ. Nicht mehr so geschmeidig wie früher, nicht mehr das alte Muskelkorsett, aber noch immer etwas über Einmeterfünfundachzig und noch immer mit breitem Kreuz. Selbstbewusst trat er den beiden entgegen.

Plötzlich hatte die Frau das kleine Messer in der Hand und stach ohne zu zögern auf ihn ein. Als Egidius stöhnend zurückwich, um sich außer Reichweite zu bringen, schnappte die Furie sich die Digitalkamera und rauschte aus dem Saal.

Ihr Begleiter war von der Aktion mindestens so überrascht wie Egidius und stand mit offenem Mund herum. Auch einer, der die Frauen zu kennen meinte, dachte Egidius. Jetzt ließ er die letzte Nacht vielleicht nochmal in einem anderen Licht Revue passieren.

Die ganze Sache war mittlerweile über eine Woche her. Dem heftigen Ziehen im Oberschenkel tat das keinen Abbruch.

Egidius seufzte. Frauen zu verstehen war nicht einfach. Er hatte eine Ehe hinter sich und eine erwachsene Tochter, er wusste, wovon er sprach. Seine Frau zum Beispiel lebte jetzt in Australien. Ex-Frau. Er hätte trotzdem seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass sie niemanden wegen eines Fotos mit dem Messer aufschlitzen würde. Auch jetzt noch, nach all den Jahren, hätte er das getan und wäre sich sicher gewesen, seine Hand zu behalten. Halbwegs sicher.

Aber was saß er herum und sinnierte über die Frauen? Er hatte zu arbeiten. Durch den Nanozellverband hindurch konnte er die drei Klammern spüren, mit denen sein Bein lieblos getackert worden war. Eigentlich sollte er zuhause im Bett liegen, mit einer schönen Tasse Kaffee und seinem Schmerzspray in Griffweite.

Aber Egidius Stahl war nicht der Typ, der zuhause im Bett herumlag. Das fing er gar nicht erst an. Und eine Tasse Kaffee hatte er ja. Fast schwarz, mit zwei Stück Zucker. Früher sogar drei und schwarz wie die Nacht. Was sicherlich einiges über ihn aussagte, wenn er auch nicht genau wusste, was. Neuerdings nahm er ein paar Spritzer Milch, für seinen Magen. Schwarzer Kaffee hatte ihn durch so manche Nacht getragen, hatte ihn die ein oder andere Extrameile gehen lassen. Da mussten hunderte von Litern zusammengekommen sein. Er überschlug es grob im Kopf. Wahrscheinlich Tausende. Egidius schätzte, dass es Zeit war, den Preis dafür zu zahlen. Es gab immer einen Preis. Seufzend nahm er noch einen Spritzer Milch. Immerhin: Er war sehr angetan, dass sie hier im Bistro überhaupt Filterkaffee ausschenkten. Das Aufbrühen dauerte mehrere Minuten, ein Luxus, den sich nicht mehr viele Menschen leisteten. Vor allem seit es die neuen Caffdrops gab, die man einfach mit einem Schluck Wasser hinunter spülte. Wurden von selbst warm, sehr praktisch. Aber was Caff anging, war Egidius konservativ. Auch das sagte vermutlich etwas über ihn aus.

Er saß in unmittelbarer Nähe zum Ein- und Ausgang, mit dem Rücken zur deckenhohen, gläsernen Außenwand. Damit entging ihm das bunte Treiben draußen in der Fußgängerzone, aber er hatte alle Tische und Barhocker bequem im Blick. Gleichzeitig konnte er den Besucherstrom im Foyer im Auge behalten.

Draußen kletterten die letzten Sonnenstrahlen an den Fassaden der Einkaufsmeile himmelwärts, um sich im Gewirr zwischen aufgeheizten Dächern, rostigen Antennen und silbrig angelaufenen Parabolspiegeln zu verlieren. Das große Sonnensegel vor der Kunsthalle hatte sich surrend zusammengefaltet und der Schlossplatz begann von Westen her im Schatten zu versinken.

Noch vor einer Stunde hatte im Bistro großer Andrang geherrscht. Man hatte die kleinen fünfeckigen Tischchen schon sehr genau im Auge behalten müssen, um einen Platz zu ergattern. Wie in den meisten angesagten Lokationen der Stadt gab auch hier die Tischplatte ein sanftes, orangefarbenes Lichtsignal ab, sobald die Gäste die Rechnung anforderten, damit man wusste, ob es sich lohnte, stehenzubleiben und zu warten.

Jetzt war es ruhiger geworden. Besucher der Ausstellung tranken noch schnell einen Caff, während sie angeregt diskutierend ihre Eindrücke verarbeiteten. Stadtbummler hielten für einen Moment bei einem Ephidrino inne, bevor sie sich wieder dem Konsumrausch hingaben.

Egidius ließ den Blick durch das Foyer schweifen, hinüber zur anderen Seite, wo Treppenhaus und Aufzug die Besucher auf die verschiedenen Bereiche des Museums verteilten.

Das Kunstmuseum war kein schönes Gebäude. Kurz nach der Jahrtausendwende errichtet, sollte es Modernität und Aufbruch zu neuen Ufern der Stadtarchitektur verkörpern – durch strenge quadratische Formen, naturbelassenen Beton und viel Glas. Egidius fand das wenig einladend, aber er musste ja auch nicht hier wohnen. Es war schon in Ordnung, dass das Museum versuchte, ein Stück Zeitgeist widerzuspiegeln.

Nun war der Zeitgeist ein unsteter Geselle. Daher hatte man vor kurzem alle Freiflächen im Foyer mit Plasmatapete bespannt. Unbehandelter Beton war kaum noch zu sehen, was aus Egidius‘ Sicht ein Fortschritt war, dem Vernehmen nach den ursprünglichen Innenarchitekten aber dazu bewogen hatte, Klage einzureichen. Egidius fand das übertrieben. Gegen den ursprünglichen Entwurf hatte ja auch niemand Klage eingereicht. Das Gesetz kannte kein Recht auf guten Geschmack. Was vermutlich weise war, denn am Ende war guter Geschmack genau das: Geschmackssache.

Das Farbspiel der photovolzierenden Plasmatapeten war beeindruckend. Die Freiflächen wechselten in stetigem Rhythmus Farbton und Intensität und tauchten den großen Raum behutsam immer wieder in neue Lichtkompositionen. Mit herkömmlichen Beleuchtungskörpern war so ein Effekt nicht zu erzeugen.

Zusätzlich gab es zwei Videotapeten. Auf der einen lief das Qualifikationsspiel Deutschland gegen Island. Nächstes Jahr fand die Fußball-Weltmeisterschaft statt. Gastgeber war die Britische Insel-Konföderation. Die Briten waren sportverrückt wie eh und je und die BIK konnte sich, trotz oder wegen ihres Austritts aus der Europäischen Union, die Ausrichtung eines solchen Großereignisses offenbar leisten. Nicht mehr viele Länder konnten das. Die deutsche Mannschaft hatte sich bislang noch nicht für das Turnier qualifiziert und einige wenige Gäste verfolgten mürrisch das Spiel. Island lag 1:0 in Führung.

Auf der anderen Videotapete lief ein Nachrichten-Feed der Freien Städte. Hauptthema war die bevorstehende Marsexpedition, aber auch zu EuroProtekt und SafeLand liefen immer wieder Feeds. Politiker aller Couleur aus dem In- und Ausland taten ihre Meinung zu dem Projekt kund, der Ton war abgeschaltet, aber es gab Untertitel, auch auf Deutsch. Sogar der Papst war kurz zu sehen. Den sah man im Netz sonst nur zu Weihnachten und Ostern, wenn überhaupt, aber der neue Papst war Afrikaner und kam aus Mombasa, weshalb die Presse vermutete, dass ihm das Thema SafeLand besonders am Herzen lag. Die eingeblendeten Untertitel ließen allerdings keinen Schluss zu, welche Meinung der Papst denn nun zu dem Thema hatte.

Egidius interessierte es nicht groß. Während er quasi nebenbei die deutsche Nationalmannschaft und den Nachrichten-Feed im Auge behielt, waren ihm vor allem die Personen im Bistro und an der Bar wichtig. Eine Person ganz besonders. Alles andere war Hintergrundrauschen, wichtiger Kontext, den er zwar wahrnahm, der aber nur in den Fokus rückte, wenn es zu unerwarteten Änderungen im Muster kam.

So wie jetzt.

Egidius blinzelte. Da waren plötzlich zwei Personen mehr im Raum. Ein Mann und eine Frau, aufgetaucht aus dem Nichts.

Die Frau trug ein dünnes Tuch über ihrem langen, dunkelbraunen Haar, klar, kaum eine Frau ging heutzutage ohne Tuch aus dem Haus, und sie hatte ihr Gesicht abgewandt, so dass Egidius sie nicht identifizieren konnte. Aber der Mann kam ihm bekannt vor.

Es war George Clooney. Nicht die aktuelle, beinahe 80-jährige Ausgabe, sondern eine Version von 2020. Der Bursche sah unverschämt gut aus, das musste man ihm lassen. Clooney legte dem Vernehmen nach Wert darauf, dass nur unbearbeitete Originalversionen von ihm im Umlauf waren.

Den Stars von heute stand die Kondro zur Verfügung, die chondrozytische Zelltransplantation, um sich ewige Jugend zu sichern. Clooney hatte das nicht nötig, er war einen anderen Weg gegangen. Viele Wege führten nach Rom und die Ewige-Jugend-Jünger waren stets erfinderisch, wenn es darum ging, sich gegen die In-Würde-Altern-Fraktion durchzusetzen.

Egidius wunderte das nicht. So war er, der Mensch. Hätte Adam damals vom Baum des Lebens gegessen, gäbe es das leidige Problem der Vergänglichkeit nicht. Dafür würden die Menschen in so einer Welt alles tun für ein bisschen Erkenntnis und Fortschritt. Sie wären wie tolkiensche Elben, unsterblich schön und doch statisch und verloren. Nun war es aber der andere Apfel gewesen, den Eva seinerzeit ihrem Gatten anempfahl, und der hatte Wissen und Fortschritt gebracht, aber eben auch die Vergänglichkeit. Der Mensch wollte immer das, was er nicht haben konnte.

Clooney jedenfalls war der erste Filmstar Amerikas gewesen, der einen Werbevertrag zwanzig Jahre über seinen Tod hinaus abgeschlossen hatte. Heute war das nichts Besonderes mehr, aber damals hatte der Deal für gehöriges Aufsehen gesorgt. Und nach allem, was man hörte, war der Todesfall noch gar nicht eingetreten. Clooney würde also noch jahrzehntelang in Cafés und Bars auftauchen und den Leuten einen Nespresso anbieten.

Gerade warf er sich demonstrativ einen von diesen neuen Ultradrops ein.

Egidius musterte die Decke über ihm. Wenn man wusste, wonach man suchte, konnte man die Holo-Projektoren ganz gut erkennen. Es waren Dutzende. George Clooney konnte mit dieser Technik den Raum zwar nicht verlassen, aber hier drin war er vom Original kaum zu unterscheiden. Zumindest, solange man nicht versuchte, ihn zu berühren.

Mittlerweile hatte Egidius auch die Frau erkannt. Es wurmte ihn, dass es ein paar Sekunden gedauert hatte, denn Mona Lisas waren an sich nichts Ungewöhnliches in Museen. Diese hier war gegenüber dem Original etwas optimiert, insbesondere was die Oberweite anging, und erläuterte gerade, dass Leonardo ohne Lipgloss von La Roche wahrscheinlich niemals auf ihr bezauberndes Lächeln aufmerksam geworden wäre. Die weiblichen Gäste lauschten aufmerksam. Verstehe einer die Frauen, seufzte Egidius.

Er beachtete die Hologramme nicht weiter und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Person zu, wegen der er hier war.

Der Mann hatte vor einer halben Stunde die Kunsthalle betreten, ohne Umschweife einen Barhocker angesteuert und drei Tassen Filterkaffee in sich hineingegossen. Schwarz. Clooney und seine Ultradrops schienen ihn völlig kalt zu lassen. Egidius irritierte diese Gemeinsamkeit und er fragte sich, was das nun wieder auszusagen hatte. Nichts, entschied er.

Der Mann war um die Sechzig. Ein kleiner Kranz schmutzig-grauen Haares stach zwei, drei Millimeter aus der Kopfhaut hervor, ansonsten trug er eine bullige Kahlköpfigkeit zur Schau, die zu seinem massigen Körper passte. Er trug T-Shirt und schwarze Jeans. Eine leichte Lederjacke hatte er neben sich auf einen Hocker geknüllt. Am Hals schlängelten sich die Ausläufer einer umfangreichen Tätowierung aus dem Kragen des T-Shirts. Rechts zierte eine verheilte, aber gut sichtbare Narbe die Wange vom Os Jugale bis hoch ans Ohr.

Egidius betastete seine eigene Narbe und fragte sich, ob es eine gute Idee gewesen war, so schnell wieder einen neuen Auftrag anzunehmen. Aber von irgendwas musste er leben. Er konnte nichts anderes. Er hatte es ausprobiert. Die Schulden seines gescheiterten Experiments als Gastwirt lasteten noch immer wie Blei auf seinen Schultern.

Plötzlich starrte der Bullige zu ihm hinüber. Egidius unterdrückte den Reflex, sich ruckartig abzuwenden. Er starrte einen Moment teilnahmslos zurück und ließ dann den Blick gelangweilt weiterwandern. Trotzdem beschleunigte sich sein Puls.

Direkter Blickkontakt als Trigger für aggressives Verhalten war so tief in den Genen verankert, dass der moderne Homo Sapiens des 21. Jahrhunderts nicht großartig anders reagierte als seine Vorfahren aus der Steinzeit. Egidius wollte vermeiden, dass aus seinem Observierungsobjekt unvermittelt der Neandertaler hervorbrach, weil er sich bedroht fühlte. Aber zum Glück schenkte der Mann ihm keine weitere Aufmerksamkeit. Nur ein Zufall also, der kurze Blickkontakt.

Man konnte gut die Hand sehen, die der Glatzkopf um seine Kaffeetasse gelegt hatte. Auf die Finger der rechten Hand waren die Buchstaben B.U.L.L. tätowiert. Passte zu ihm, fand Egidius. Wenn er sich die Faust näher betrachtete, glaubte er nicht, dass dieser Mann ein Messer brauchte, um sich Respekt zu verschaffen.

Vor einer Woche hatte man Ledowski freigelassen. Nach über zehn Jahren Haft. Zehn Jahre, das wollte schon etwas heißen. Nicht mal die Lebenslänglichen blieben heutzutage so lange im Knast, schon gar nicht, wenn sie eine gute Sozialprognose hatten.

Die Sozialprognose von Ledowski war eher durchwachsen. Egidius hatte nicht die ganze Akte gesehen, aber das, was er kannte, reichte ihm. Er wollte den Rest gar nicht sehen. In den Akten war das, was sie brauchten, sowieso nicht zu finden, sonst hätte die Versicherungsgesellschaft ihn nicht beauftragt.

Er überwachte Ledowski seit dessen Entlassung. Diesmal war klar, dass er es mit einem gefährlichen Gegenüber zu tun hatte. Im Gegenzug lag auch das Honorar in einer anderen Dimension als beim letzten Auftrag. Für einen Mann mit finanziellen Verpflichtungen eine Chance, die er sich nicht entgehen lassen konnte.

Egidius hatte vorgesorgt. Er hatte das Schulterhalfter schon lange nicht mehr getragen, trotzdem war ihm das Gewicht der kleinen Hijutsu & Koch sofort wieder vertraut vorgekommen. Es sollte eigentlich nichts schiefgehen diesmal.

Ledowski hatte noch nicht viel unternommen seit seiner Entlassung. So wie es aussah, war er fürs Erste bei einem Freund untergekommen, ebenfalls ein Russlanddeutscher. Drei-Zimmer-Mietwohnung, ganz in der Nähe der russisch-orthodoxen Kirche St. Nikolaus. Seine Akte legte allerdings nahe, dass Ledowski kein großer Kirchgänger war.

Familie hatte Ledowski keine. Er hatte ein paar alte Bekannte getroffen, hatte ein paar Besorgungen gemacht. Ab und zu ließ er sich abends für mehrere Stunden mit Wodka volllaufen, ohne sichtbare Nebenwirkungen. Er hatte nicht mal geschwankt, als er um zwei Uhr nachts vor die Tür der Bar getreten war, um ein Taxi zu rufen. Am nächsten Tag wirkte er fit wie immer und hatte zwei Stunden in der Leonhardstraße verbracht, in einem Eros-Center mittlerer Preisklasse. Außerdem hatte er sich auf dem Schwarzmarkt Lifeglasses besorgt.

Die Netzadresse der Brille war gesperrt, was sie nahezu abhörsicher machte. Für die Sperrung musste man entweder eine behördliche Genehmigung haben oder Leute mit speziellen Fähigkeiten kennen. Aber die gab es in der russischen Gemeinde zuhauf.

Egidius ließ das Gerät trotzdem abhören. Er kannte auch ein paar Leute. Dummerweise war alles, was sie bislang mitgeschnitten hatten, völlig belanglos.

Es schien nicht so, als würde sich das Blatt heute wenden.

Schade, dachte er. Die Kunsthalle war eine Lokation, von der Egidius sich einiges erhofft hatte, da nichts in Ledowskis Lebensweg darauf hindeutete, dass er sich besonders für Kunst interessierte. Außerdem war der Bistrobereich nicht von öffentlichen Überwachungskameras abgedeckt. Vermutlich wegen der vielen Holoprojektoren. Das städtische Museum war auf die Werbeeinnahmen angewiesen, denn auch in der schwäbischen Landeshauptstadt waren die öffentlichen Kassen längst nicht mehr so gut gefüllt wie einst.

Der Russe hätte hier leicht ein Treffen arrangieren können, ohne Bildmaterial zu hinterlassen. Egidius hätte schwören können, dass das kein Zufall war. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass er sich irrte.

Egidius Stahl aktivierte seine eigene Lifebrille. „Fehlanzeige“, murmelte er. „Ich fürchte, hier passiert nichts mehr.“

Er bewegte beim Sprechen kaum die Lippen. Dank eines Kehlkopfmikrofons musste er das auch nicht. Himmel, er hatte noch die Zeit erlebt, als die Mikrofone direkt in den Geräten verbaut waren, in sogenannten Smartphones, obwohl die alles andere als smart gewesen waren und alle Welt ungeniert vor sich hin schwadronierte, ohne Rücksicht auf Verluste.

„Was is’ was?“, wollte die Stimme am anderen Ende der Leitung wissen.

„Hier ist tote Hose. Ich hab’ dem Typ jetzt lange genug beim Nichtstun zugesehen. Check’ nochmal den Außenbereich, dann machen wir Schluss für heute. Um Ledowski kann sich auch die Drohne kümmern!“

„Geht klar, Chef.“

Egidius beendete die Verbindung und drückte den Service-Knopf, um eine Bedienung zu rufen. Der Tisch begann in dezentem Orange zu pulsieren. Natürlich hatte der Tisch eine PayChip-Funktion, aber Egidius zog das Bezahlen bei einer Bedienung vor. Manche Angewohnheiten saßen tief und er war froh, dass es nicht nur Automaten-Cafés in der Stadt gab, sondern viele Häuser ihren Gästen weiterhin die Wahl ließen, wie sie bedient werden wollten.

Vor ihm tauchte eine hübsche Asiatin auf. Die fest implantierten Augenbrauen aus kupferfarbenem Metall irritierten ihn. Nicht sein Ding, außerdem stellte er sich das Einsetzen recht schmerzhaft vor. Die Frau hatte schwarzes, mit Goldfäden durchsetztes Haar und ihr Kopftuch war nahezu transparent. Man nahm es kaum wahr. Das hier war eine Freie Stadt, theoretisch hätte sie gar kein Tuch tragen müssen, selbst hier unten nicht, auf dem Streetlevel.

Die Asiatin lächelte und ihre Metallbrauen schoben sich auf ganzer Front nach oben. Das ließ ihre Stirn schrumpfen und die Augen größer werden, wie in einem Manga-Comic. Irgendwie niedlich. Es hatte wohl seinen Grund, dass die jungen Dinger alle auf diese Metallbrauen standen. Und zupfen musste man auch nicht mehr. Egidius lächelte und bestätigte die Transaktion.

Die mandeläugige Schönheit wünschte ihm ein fröhliches „Ma’a Salama“ und stöckelte hinüber zu Ledowski, der ebenfalls abkassiert werden wollte. Vereinzelte Jubelrufe ertönten, als Island das 2:0 schoss. Nur ein paar Ewiggestrige stöhnten kopfschüttelnd. Das war die Sache mit David und Goliath. Die Sympathien lagen bei David, so war die Geschichte nun mal aufgebaut und Deutschland war in den Gedanken der Fans, egal für welches Land ihr Herz schlug, noch immer der Goliath, auch wenn es rätselhaft war warum. Davon abgesehen hatten die Isländer den besseren Libero, da gab es gar kein Vertun.

Normalerweise hätte Egidius versucht, als erster das Bistro zu verlassen. Alter Observierungstrick. Aber mit Beschatten war für heute Schluss, also konnte er in Ruhe austrinken und abwarten, bis Ledowski verschwand.

Was dieser nicht tat.

Er hatte zwar nach seiner Lederjacke gegriffen, während er das Hinterteil der sich entfernenden Manga-Schönheit im Auge behielt, aber er stand nicht auf. Seltsam.

Ein kleiner unscheinbarer Mann löste sich aus dem Besucherstrom im Foyer und steuerte auf Ledowski zu. Egidius bekam große Augen. Das durfte doch nicht wahr sein. Stockmann! Der stumme Stockmann, der jeden Eid geschworen hatte, noch nie etwas von Ledowski gehört, geschweige denn gesehen zu haben.

Egidius beobachtete gebannt, wie Stockmann auf den Barhocker neben dem Russen zusteuerte. Flüchtig betrachtet, hätten es zwei Fremde sein können, die sich bloß kurz grüßten, wie man es halt so machte als höflicher Mensch in einer Bar. Aber Ledowski war kein höflicher Mensch und Egidius kein flüchtiger Betrachter. Die Körpersprache der Männer war eindeutig, auch wenn sie sich Mühe gaben, es zu verbergen. Die beiden sahen sich nicht zum ersten Mal.

„Endlich…“, murmelte Egidius. Er langte an den Bügel seiner Brille.

„Hallo“, flüsterte er. „Du wirst es nicht glauben, Bülent… Hallo?“

Anscheinend hatte Bülent bereits Feierabend gemacht. Mist, ausgerechnet jetzt, wo sie einen Durchbruch erzielt hatten.

Die Männer an der Bar hatten die Köpfe einander zugewandt und wechselten leise einige Worte. Dann sahen sie zu ihm herüber. Ledowski taxierte ihn böse. War der Blickkontakt vorhin also doch kein Zufall gewesen.

Egidius fluchte. Er hatte keine Ahnung warum, aber er war schon wieder aufgeflogen!

 

02. Verabredung

 

„Was ist los mit dir? Du wirkst abgelenkt.“

Bülent Bulut sollte die Bildschirme im Auge behalten, während sein Chef im Außeneinsatz war.

„Alles gut“, brummte er.

„Sicher?“ Lizz schob fragend eine Augenbraue nach oben.

„Ey, ich sag’ doch: Alles gut!“ Wie machten die Frauen das nur? Keine Emotion schien ihnen zu entgehen. Und anstatt einfach die Klappe zu halten, mussten sie immer gleich darüber reden.

„Kein Problem. Du musst nicht drüber reden.“

„Gut.“

„Gut.“ Lizz grinste. Sie arbeitete noch nicht lange mit Bülent zusammen, aber sie hatte das Gefühl, dass er trotz seiner 22 Jahre noch immer irgendwie in der Pubertät steckte. Das war niedlich.

„Hast du nicht gesagt, du hast ein Date heute abend?“ So schnell ließ sie ihn nicht vom Haken.

„Hm...“

„Nervös?“

„Warum zum Teufel sollte ich nervös sein!“, platzte es aus Bülent heraus. Er war höllisch nervös. Er fragte sich, wo alle anderen eigentlich immer diese Coolness hernahmen. Seine Brüder zum Beispiel. Er konnte sich nicht erinnern, dass die je so ein Geschiss um ein Date gemacht hätten. Wäre denen überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass sie keine gute Figur machen könnten. Oder war das alles Fassade gewesen, um niemanden merken zu lassen, dass man so ein Flattern im Bauch hatte? War auch egal, seine Brüder konnten ihm jetzt nicht helfen. Er hatte sich das selbst eingebrockt; da musste er jetzt durch.

„Wie gesagt, du musst nicht drüber reden!“

„Gibt ja auch nix zu reden.“

„Genau. Wie heißt sie eigentlich?“

„Äh… Amra.“ Er hatte die Frau vor ein paar Tagen kennengelernt. Aus einem Missverständnis heraus war sie mit ihm ins Gespräch gekommen. Das Ganze war etwas peinlich. Aber eher würde er sich die Zunge abbeißen, als Lizz das zu erzählen.

„Hey, wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?“

„Wir wollen uns ja erst kennenlernen!“ Bülent spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Er war ein normaler junger Mann, was bedeutete, dass er sich für alles begeistern konnte, was lange Beine und volle Brüste hatte. Leider beruhte das nicht auf Gegenseitigkeit. Oft bekamen die Frauen von seinen Gefühlen gar nichts mit, und wenn doch, dann erwiderten sie seine Begeisterung in der Regel nicht annähernd mit der gleichen Rückhaltlosigkeit. Vom Austausch von Körperflüssigkeiten ganz zu schweigen.

„Hast du sie schon geflasht?“

Natürlich hatte er Amra im Netz geflasht. Sie war ein Jahr älter. Was Coolness und Selbstsicherheit anging, schien sie ihm allerdings Lichtjahre voraus. Sie sah klasse aus und sie hatte den Ruf, auch schon mal beim ersten Date noch mit auf einen Caff in die Wohnung zu kommen. Ein absoluter Glücksfall.

„Zeig’ doch mal. Wir haben eh gerad’ nix zu tun.“

„Lieber nicht.“ Bülent fuhr sich verzweifelt durch die rabenschwarzen Struwwelhaare. In Amras Lifecast gab es einen Thread mit sexuellen Vorlieben. Da stand zwar absolut nichts Außergewöhnliches drin, zu Bülents großer Erleichterung, aber allein, dass es den Thread gab, hatte ihn etwas nervös gemacht. Seine Brüder hätten sich ausgeschüttet vor Lachen.

„Was is’ los? Vielleicht kann ich dir ein paar Tipps geben.“ Lizz grinste frech. „Oder ist ihr Lifecast irgendwie peinlich?“

„Der ist völlig okay. Total professionell. Hey, meinst du nicht, wir sollten uns lieber mal wieder um unsere Videoüberwachung kümmern?“

„Spielverderber.“ Lizz zog einen Schmollmund, wandte sich aber tatsächlich wieder ihren Monitoren zu.

Bülent seufzte erleichtert.

An Amras Lifecast gab es wirklich nichts auszusetzen. Professionell produziert. Bülent war aufgewachsen in einer Zeit, in der das Lifenet gerade das Internet abzulösen begann. Facebook kannte er nur aus dem Medienunterricht an der Schule, den Nachfolger Allbook, mittlerweile ebenfalls Geschichte, hatte er noch erlebt. Damals hatte man sein Profil tatsächlich selber erstellt. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Millionen von Menschen, die Bilder von sich ins Netz stellten, Blog-Einträge eigenhändig aktualisierten, Kommentare posteten und sich Freundschaftsanfragen zuschickten. Wofür gab es denn Personality-Guides? Die Menschen mussten damals unglaublich viel Freizeit gehabt haben, um sich mit solchen Dingen zu befassen. Heute übernahmen das professionelle Agenturen wie Cast!Up. Die hatten Guides für jeden Geldbeutel und jeden Geschmack im Angebot.

„Vielleicht sollten wir erst mal unseren Libero unterstützen?“, schlug Lizz vor. „Der ist total gaga!“

Auf einem der Screens lief das Spiel und soeben hatten die Inselmänner das 2:0 gemacht. Sie hatten die selbstbewusstere Mannschaft und auch den besseren Libero.

„Du wärst auch gaga, wenn man dich über Impulsbänder steuern würde.“

„Wenn du mich steuern würdest, bestimmt!“, lachte Lizz.

Wenn ich dich steuern könnte, hätte ich schon ein paar Ideen, dachte Bülent und ließ den Gedanken schnell wieder sausen, bevor er rot werden konnte.

Seit der WM 2030 gab es ein paar Neuheiten, um den Fußball für die schwindenden Zuschauermassen wieder lukrativer zu machen. Die User eines Landes konnten ‚ihren‘ Libero über das Lifenet fernsteuern. Lange Zeit völlig aus dem internationalen Taktik-Repertoire verschwunden, war der Libero damit zurück wie Phönix aus der Asche. Zunächst allerdings nur für Nationalmannschaften. Wenn man sich bei der Fifa registrierte und brav seinen Jahresobolus entrichtete, bekam man ein kleines Kästchen mit einem Joystick und verschiedenen Knöpfen für flache Pässe, hohe Flanken, Dribblings und so weiter. Ein komplizierter Algorithmus errechnete in Millisekunden aus zehntausenden Eingaben die von der Mehrheit der User gewünschte Aktion und die führte der Libero dann aus. Zu diesem Zweck trug er Impulsbänder an Beinen, Armen und Stirn. Die Technik funktionierte überraschend gut, auch wenn das für den Spieler sehr anstrengend war. Alle 30 Minuten musste der Libero ausgewechselt werden und jedes Team hatte seit 2034 für diesen Job fünf Extra-Spieler im Kader.

Mit einer Glanzparade verhinderte der deutsche Keeper, dass sein Team noch weiter in Rückstand geriet. Was die Torhüter betraf, war Deutschland erstaunlicherweise noch immer erste Liga. Bülent stopfte sich mit einer Hand seinen Pulli zurück in die Hose. Er hatte keine Ahnung, warum seine Pullover immer rausrutschten. Vielleicht, weil er sie immer eine Nummer größer kaufte, in der irrigen Annahme, dass ihn das lässiger erscheinen ließ.

„Hey, du Flasche!“

Bülent zuckte zusammen. Was war nun schon wieder? Aber Lizz sprach mit ihrem Bildschirm: „Schon mal was von Manndeckung gehört, du Rübengesicht?“

„Macht er mal wieder nicht, was du willst?“

„Der Depp hört halt auf die Mehrheit!“

„So ist er programmiert.“

„Und deshalb liegen wir auch 0:2 hinten. Die meisten User sind halt dumm wie Brot. War schon immer so.“ Lizz legte entnervt die Fernsteuerung wieder beiseite. Sie interessierte sich tatsächlich für Fußball, aber vor allem faszinierten sie die neuen interaktiven Techniken. Da waren für die Zukunft noch ganz andere Anwendungen denkbar.

„Können wir jetzt mal wieder unseren Job machen?“, wollte Bülent wissen.

„Machen wir doch. Ich hab’ die ganze Zeit ein Auge auf das Kunstmuseum. Da passiert überhaupt nix. Lass’ uns Schluss machen für heute.“

Lizz und Bülent waren die „Partner“ in Stahl & Partner. Wobei man Partner ruhig in Anführungsstriche setzen konnte, denn sie besaßen keinerlei Anteile an der Firma.

Wie die meisten Detekteien war Stahl & Partner eher eine Ich-AG, nur ohne Aktien oder andere Annehmlichkeiten dieser Art. Lizz und Bülent arbeiteten als Freelancer für Egidius, je nach Auftragslage. Das war nicht ungewöhnlich. Was zu Beginn des neuen Jahrhunderts als Crowd Sourcing im IT-Sektor begonnen hatte, war mittlerweile ein weitverbreiteter Karrierepfad. Es gab mindestens so viele Berufsnomaden wie Festangestellte.

Aber so konnte man natürlich keine größeren Aufträge an Land ziehen. Also hatte Bülent ihren Lifecast ein bisschen aufgemotzt und den Laden nach Rücksprache mit Egidius kurzerhand in Stahl & Partner umbenannt. Bülent war nicht nur ein begnadeter Hacker, er hatte auch ein gutes Auge, was Netzauftritte betraf. Wenn man sie nicht näher kannte, machte die Firma neuerdings richtig was her.

Sie hatten jeweils einen eigenen kleinen Schreibtisch in der Firmenzentrale von Stahl & Partner. Die war im ehemaligen Wohn-/Esszimmer von Egidius’ Reihenhäuschen untergebracht. Lizz saß vor einem kleinen Fenster mit Blick in einen verwilderten Garten. Bülents Tisch war zur fensterlosen Seite hin ausgerichtet. Reihenmittelhaus eben. Ihn störte das nicht. Seine Bildschirme waren jedem analogen Fenster haushoch überlegen. Die Mitte des Raumes wurde von einem großen Besprechungstisch dominiert, früher einmal der Esstisch der Familie Stahl. Als es noch eine Familie in diesem Haus gegeben hatte.

Bülent checkte seinen Bildschirm.

„Hast recht. Tote Hose. Schade, Mann. Egidius hatte sich eigentlich was von der heutigen Observierung versprochen.“

Der Live-Feed, den sie beobachteten, zeigte den Eingangsbereich des Kunstmuseums aus der Perspektive der Überwachungsdrohne, die sie dort im Einsatz hatten.

Die C52 von Lenovo-Lockheed gehörte mit zum Besten, was man aktuell an Spionagetechnik am schwarzen Markt bekommen konnte. Wer mehr wollte, musste schon fürs Militär arbeiten oder für einen Geheimdienst. Hätte einer von Bülents Brüdern nicht delikate Verbindungen in den Untergrund gehabt, wäre es für Stahl & Partner kaum realistisch gewesen, überhaupt an so ein feines Stück Technik heranzukommen. Aber das Leben ging manchmal verschlungene Pfade und wenn man ein Stück weit mitging, konnte man am Ende eine Überraschung vorfinden. Das Himmelstor, das Fegefeuer oder, wie in diesem Fall, eine C52.

Im Hintergrund lief eine Bilderkennungssoftware, die das Drohnenmaterial mit einer Liste ausgewählter Gesichter abglich. Aber es gab keine Treffer.

„Die Sache mit der Liste hätten wir uns sparen können!“, seufzte Lizz.

„Wer weiß“, murmelte Bülent. Es war ziemlich viel Arbeit gewesen, eine Liste mit allen Kandidaten zu erarbeiten, die als mögliche Helfer für Ledowskis letzten Raubzug in Frage kamen.

Ledowski hatte vor 10 Jahren einen Juwelier ausgeraubt. Im Prozess war von Gold und Edelsteinen im Wert von fast einer Million Neuro die Rede gewesen.

Für Ledowski war der Bruch trotzdem ein Reinfall, er wurde noch auf der Flucht gefasst. Sein Vorsprung wäre größer gewesen, wenn er sich nicht die Zeit genommen hätte, den Juwelier ausgiebig zusammenzuschlagen. Der Ladeninhaber hatte Glück gehabt, überhaupt mit dem Leben davongekommen zu sein. Ledowski war erschreckend brutal vorgegangen. Ein Irrer! Trotzdem hatte er es irgendwie geschafft, auf seiner kurzen Flucht die gesamte Beute verschwinden zu lassen. Als er vom Sondereinsatzkommando festgenommen wurde, trug er nur noch einen brilliantbewehrten Siegelring aus dem 18. Jahrhundert am Mittelfinger. Er hielt den Mittelfinger bei der Festnahme nach oben gestreckt, so dass die Beamten das edle Stück ausgiebig bewundern konnten. Später im Prozess sagte Ledowski aus, dass er den Ring auf der Straße gefunden habe und am Ende wanderte er völlig ungerührt für zehn Jahre in den Knast. Die Beute blieb verschwunden.

Die Versicherungsgesellschaft hatte die Hoffnung, dass sich das nun ändern würde, wo Ledowski wieder auf freiem Fuß war. Früher oder später würde er versuchen, an das Material heranzukommen. Deswegen hatte man Stahl & Partner mit der Observierung beauftragt.

Es lag nahe, dass es Helfer gegeben hatte. Anders war die Geschichte kaum zu erklären. Also hatten sie das Umfeld von Ledowski durchleuchtet. Jeder Schritt im Leben hinterließ eine Spur, wie Lemur Vulpis, Bülents großes Vorbild aus dem Darknet, zu sagen pflegte. Man musste die Spur nur lesen können. Bülent war ziemlich gut im Spuren lesen, und in mühevoller Kleinarbeit hatten sie einiges über Ledowski herausgebracht.

Geboren 1979 in Omsk in Sibirien. Von der leiblichen Mutter fehlte jede Spur. Mit sieben Jahren brachte ihn sein Vater nach Ost-Berlin. Er war schon früher dort gewesen, sprach leidlich Deutsch und heiratete 1988 in Ost-Berlin eine Frau namens Sandy. Das war kurz vor dem Fall der Mauer und fünf Jahre bevor sich das Internet in Deutschland erstmals auf breiter Front für private User öffnete. Bülent schüttelte den Kopf. Unvorstellbar, die Zeiten damals.

Es gab Hinweise, dass Ledowskis Vater für den KGB gearbeitet hatte. Ebenso gab es Hinweise, dass seine Stiefmutter Sandy nicht gerade begeistert auf den Sprössling reagierte, den sie da geerbt hatte. Vor allem, als nach dem Mauerfall ihr Mann genauso plötzlich wieder aus ihrem Leben verschwand, wie er aufgetaucht war. Sie hörte nie wieder ein Wort von ihm. Das förderte nicht gerade die Zuneigung zu ihrem russischem Stiefkind, und Sandy war von Haus aus keine besonders gütige Person. Dem Vernehmen nach setzte sie bei der Erziehungsarbeit vor allem auf Handgreiflichkeiten. Vor diesem Hintergrund ließ sich die Gefährlichkeit, die Ledowski seinerseits schon in frühen Jahren entwickelte, etwas besser verstehen.

Ledowski hatte in der Schule, bevor er abbrach, Russisch gelernt und suchte auch später immer wieder den Kontakt zu den russischen Communities, egal, in welche Stadt es ihn auch verschlug. Russische Enklaven gab es überall, sie hatten sich schon lange vor den ersten Refugien etabliert. Es schien, als wollte oder konnte er dieses Erbe nicht abstreifen. Also hatten sie dieses Umfeld besonders sorgfältig nach möglichen Helfern durchforstet.

Ihre Liste umfasste ein halbes Dutzend Kandidaten und ganz oben stand ein gewisser Charly Stockmann. Über Stockmann war fast noch weniger brauchbares Material im Netz zu finden als über Ledowski. Das Netz spuckte so wenig über ihn aus, dass sie begonnen hatten, ihn den stummen Stockmann zu nennen. Keine Threads, keine Links, nichts. Bülent fand das verdächtig. Wie Lord Vulpis immer sagte: „Manchmal ist das, was man nicht sieht, wichtiger als das, was man sieht.“ Den Spruch hatte er von Antoine de Saint-Exupéry geklaut, was der Sache aber keinen Abbruch tat.

„Also ich mach’ jetzt Schluss“, verkündete Lizz und schaltete ihre Bildschirme aus.

„Alles klar. Ich geh’ auch gleich“, murmelte Bülent abwesend. In Gedanken war er schon wieder bei Amra. Was redete man denn bei einem Date? Er war sich ziemlich sicher, dass er mit Computersachen nicht punkten konnte. Das fanden Frauen erfahrungsgemäß nicht besonders spannend. Außer Lizz natürlich. Aber ein Date mit Lizz stand nicht zur Debatte. Er hätte sich das nie getraut, außerdem wollte sie immer alles besser wissen, was fast noch schlimmer war.

„Noch einen letzten Tipp?“

„Hä?“ Konnte die Frau neuerdings auch Gedanken lesen?

„Komplimente. Kommen immer gut!“

„Hm. Werd’s mir merken.“

Wer’s glaubt, lächelte Lizz. „Ich bin dann mal weg! Viel Spaß heute abend!“

Lizz rauschte aus der Tür und Bülent fuhr sich abwesend durch die schwarzen Haare. Er trug sie lang, fast so lang, wie sein bekannter Namensvetter, den er selbst gar nicht kannte. Der Vater war ein Fan von diesem anderen Bülent gewesen. Irgendein türkischer Comedian mit pfälzischem Dialekt und hüftlanger Mähne. Als Klein-Bülent schon bei der Geburt einen untypisch dichten, schwarzen Haarschopf aufwies, hatte er seinen Namen weg. Typisch sein verrückter Baba! Aber er war nicht unglücklich darüber. Bülent war ganz okay. Bei Allah, es hätte weiß Gott schlimmer kommen können.

So langsam wurde Bülent nervös. Er hatte sich noch immer kein passendes Gesprächsthema zurechtgelegt und umziehen musste er sich auch noch. Höchste Zeit abzuhauen. Mit ein paar Befehlen stellte er die Drohne vor dem Museum auf Automatikbetrieb um. Er wählte ein Programm, das Ledowski beim Verlassen des Bistros verfolgen würde, aber mit großem Abstand und so wenig Flugoperationen wie möglich. Die meiste Zeit saß die Drohne dann weitgehend unsichtbar auf irgendwelchen Dachvorsprüngen. Sie verfügte über einen starken elektronischen Zoom und musste deshalb nicht besonders nah ran an ihr Überwachungsobjekt. Die Bilder konnten sie sich morgen in Ruhe anschauen.

Die schwere Sicherheitstür fiel krachend hinter Bülent ins Schloss, als er das Haus verließ. Der kleine Alarmton aus dem Arbeitszimmer ging darin völlig unter.

„Identified Contact“, blinkte es einsam auf dem Bildschirm.

03. Eloi & Morlocks

 

Egidius wusste nicht, womit er sich verraten hatte. Wenn er so weitermachte, waren die Tage auf der Straße für ihn gezählt.

Er stand auf und ging Richtung Ausgang. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Ledowski mit eiligen Schritten hinter ihm herkam. Er sah nicht so aus, als sei er zum Plaudern aufgelegt.

Sein Herz schlug schneller. Ledowski war ein verurteilter Gewaltverbrecher. Der gesunde Menschenverstand sagte, dass der Russe ihm eigentlich nichts anhaben konnte. In wenigen Sekunden würde er sich im Bereich der Überwachungskameras befinden und die kleinste Handgreiflichkeit würde Ledowski ruck-zuck wieder dahin zurück befördern, wo er die letzten zehn Jahre verbracht hatte.

Aber Ledowski war keiner, dem man mit gesundem Menschenverstand beikommen konnte. Ledowski war impulsiv, unberechenbar und gefährlich. Körperlich hatte Egidius ihm nichts entgegenzusetzen.