Epilog

Sie war jetzt seit zwei Wochen zurück in der Villa.

An dem Tag, an dem sie Alwin für immer verlassen hatte, war sie direkt mit ihrem Auto, das praktischerweise auf dem firmeneigenen Parkplatz stand und immer noch ihre zwei Koffer beherbergte, zur Villa gefahren.

Es war früher Vormittag und Tom war nicht da. Vera und Paul nahmen Flo in Empfang.

Vera schloss sie sofort in die Arme.

„Süße, was ist bloß los? Du musst uns alles erzählen.“

Doch als Vera sie wieder losließ, spürte Flo, wie ihre Kraft sie verließ. Das Adrenalin, das ihr geholfen hatte, ihren Plan in die Tat umzusetzten, war verschwunden. Flo schwankte leicht und spürte nun auch die Schmerzen von den Striemen am Bauch.

Vera hielt sie wieder fest.

„Paul?“

„Ja, ich sehe es. Hol ihr was zu trinken.“ Ohne zu zögern packte er sie, hob sie hoch und beförderte sie in Toms Bett.

„Kleine Lady, was ist mit dir? Hast du Schmerzen?“

Flo konnte auch Paul vertrauen, das wusste sie. Und außerdem hatte er Ahnung, er war schließlich Heilpraktiker.

„Mein Bauch, er hat mich mit dem Rohrstock geschlagen“, brachte sie völlig kraftlos über die Lippen.

Paul schob ihren Pullover hoch und sah die offene Wunde.

Besorgt runzelte er die Stirn und eilte dann ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer. Kurz darauf kam Vera herein.

„Oh Gott, nein, Süße. Das tut mir leid.“ Sie ging zum Bett und reichte Flo das Glas mit Wasser.

Flo hatte gar nicht bemerkt, wie durstig sie war, bis sie das Glas fast in einem Zug geleert hatte. Vera hielt Flo nur im Arm. Sie würde sie nicht bedrängen und warten, bis sie selber entschied, über die Sache zu sprechen. Paul kam zurück mit einer braunen Flasche, ein paar Binden und Tupfern in der Hand. Er versorgte die Striemen so vorsichtig er konnte. Dann ging er ins Bad, füllte das Glas erneut mit Wasser und reichte es Flo zusammen mit einer Tablette.

„Gegen die Schmerzen. Ruh dich aus, Kleines. Wir sehen nachher noch mal nach dir.“ Ohne Vorwürfe in der Stimme sprach er beruhigend auf sie ein. Flo nickte nur und schließlich ließen Paul und Vera sie allein.

Erst jetzt merkte sie, wie sehr die letzten zwei Tage an ihrer Kraft gezerrt hatten und sie schlief ohne weitere Gedanken ein.

Als sie aufwachte, spürte sie, dass sie jemand beobachtete. Sie öffnete die Augen und sah sich um.

Da saß Tom, auf einem Stuhl vor dem Bett und sah sie an.

Flo setzte sich abrupt auf, was sie allerdings im nächsten Augenblick bereute. Die Wirkung der Schmerztablette hatte nachgelassen und ihr Bauch brannte fürchterlich. Sie verzerrte ihr Gesicht und stöhnte.

Tom setzte sich zu ihr aufs Bett und drückte sie sanft zurück auf die Matratze.

„Bleib liegen, Flo. Hier.“ Er langte zum Nachttisch, gab ihr eine neue Tablette und das Glas Wasser. Flo schluckte willig und legte sich wieder hin.

„Danke“, krächzte sie und erschrak sich vor ihrer eigenen Stimme.

Tom lächelte sie an. „Du hörst dich genauso furchtbar an, wie du aussiehst.“

Jetzt räusperte sich Flo, bevor sie sprach.

„Noch mal danke, für das Kompliment.“

„Gerne doch, mein Schatz. Aber Spaß beiseite.“ Toms Blick wurde ernst.

„Erzählst du mir, was passiert ist? Wieso, zum Teufel, bist du mit ihm in diesen Raum gegangen? Und wieso wolltest du nicht, dass ich dich da raushole? Und was hat dich überhaupt dazu veranlasst, dich mit diesem Arschloch einzulassen?“

Flo bekam feuchte Augen, unterdrückte aber die Tränen. Es gab keinen Grund mehr zu weinen. Es war alles überstanden. Aber Tom hatte selbstverständlich ein Recht darauf, zu erfahren, was passiert war.

Flo begann mit dem Schnüffler, der sie ausspioniert und so Alwin auf ihre Spur gebracht hatte. Sie schilderte ihm ihre Gefühle, die Hoffnungslosigkeit, die sie empfand, als sie sich in der Dusche geliebt hatten.

Und jetzt kamen die Tränen doch.

„Ich dachte, es wäre das letzte Mal, Tom. Ich wusste da noch nicht, wie es ausgehen würde. Für mich war es ein Abschied.“

„Oh, Flo, wenn ich das doch nur gewusst hätte.“ Tom nahm sie in den Arm und drückte sie vorsichtig an sich. Dann drängte er sie, weiterzuerzählen. Sie bemühte sich, keine Details auszulassen, auch wenn die Erinnerung sie schmerzte. Als sie geendet hatte, kam Tom nicht umhin, ein wenig stolz auf seinen kleinen, mutigen Flo zu sein, auch wenn ihr Plan sehr leichtsinnig gewesen war.

Um eine Bestrafung zur richtigen Zeit würde sie nicht herumkommen, weil das alles auch hätte daneben gehen können. Und Tom mochte sich nicht ausmalen, was das für Konsequenzen gehabt hätte.

Aber jetzt war Schluss damit. Er wollte genauso mit der ganzen Sache abschließen wie Flo und lieber an ihre gemeinsame Zukunft denken. Und die stellte er sich rosig vor.

„Ich liebe dich, mein kleiner Flo.“ Er drückte sie noch ein bisschen mehr an sich, damit sie merkte, dass er sie nie wieder loslassen wollte und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn.

Flo hob den Kopf und blickte ihn mit ihren wunderschönen Smaragdaugen an.

„Und ich liebe dich, Tom. Von ganzem Herzen. Ich bin so froh, dass du mir dein Vertrauen gegeben hast.“

„Immer wieder.“ Er küsste sie auf den Mund.

Flo erholte sich schnell. Die Wunden verheilten, würden aber dünne Narben hinterlassen. Doch damit konnte sie leben.

Jetzt, wo sie seit zwei Wochen zu Hause war, warteten sie auf Doros Rückkehr, die sich eine Woche Urlaub auf Mallorca gegönnt hatte. Alleine, um den Kopf freizubekommen, hatte sie gesagt.

Doro und Flo hatten jeden Tag miteinander geschrieben und sich Fotos geschickt. Doro von der tristen Landschaft der Insel im Winter und Flo von der erfolgreichen Videoüberwachung eines gewissen kriminellen Individuums namens Dildy. Doro hatte ein Dutzend Lachsmileys geschickt über die gefundene Beute. Einen Tag noch und sie hatte ihre Freundin wieder, die ihr mittlerweile richtig ans Herz gewachsen war. Und Doro sah das wohl genauso und vertraute ihr das jüngst Geschehene an. Sie hatte ihr in den vielen Nachrichten nämlich auch von dem Kuss erzählt, den sie von Ben bekommen hatte, nachdem er sie vor Hannes beschützt hatte. Doro freute sich zwar, nach Hause zu kommen, doch war sie sich unsicher, wie sie mit dieser neuen Situation und vor allem mit Ben umgehen sollte. Sie mochte Ben und die Sticheleien, die immer von ihm kamen, sah sie eher als spaßig an. Dass er diese andere als freundschaftliche Art der Gefühle für sie hatte, war ihr nicht bewusst gewesen. Schließlich war sie ja da noch mit Hannes zusammen. Und sie lebte monogam und hatte außerdem nichts mit dem Keller der Villa zu tun gehabt und konnte sich auch nicht vorstellen, das jemals zu ändern. Nie, wie sie jedes Mal betonte, wenn sie darüberschrieb. Das versprach auf jeden Fall spannend zu werden, wenn Doro zurück war. Flo konnte es gar nicht erwarten.

Aber nun, an diesem Morgen, stand Flo vor der Toilette und hatte vor, ihren morgendlichen Urin über den Teststreifen laufen zu lassen. Denn sie war ein paar Tage überfällig und ihre Regel ließ sonst nie auf sich warten. Ein weiteres Anzeichen für ihren veränderten Körper waren ihre Brüste, die heftig spannten. Flo hatte sich gleich zwei Packungen Schwangerschaftstests besorgt, um sicher zu gehen.

Also setzte sie sich aufs Klo und hielt den Streifen zwischen ihre Beine. Doch als sie lospinkelte, rutschte ihr der blöde Stab aus den Fingern und fiel in die Kloschüssel.

„So ein blöder Mist. Floriane von Rosen, das kann auch wieder nur dir passieren“, schimpfte sie. Aber trotz allem war sie so geistesgegenwärtig, ihren Beckenbodenmuskel aufs Schärfste anzuziehen, sodass ihr noch genug Pipi für den vorausschauend gekauften zweiten Test übrig blieb. Sie stand seitlich auf, griff zum Waschbecken und nahm sich den nächsten Streifen. Dieses Mal musste es klappen. Und es klappte. Jetzt hieß es warten. Und so ein paar Minuten konnten sich endlos hinziehen.

Flo hatte gar nicht mehr darüber nachgedacht, ob sie eine Schwangerschaft wollte oder nicht. Schließlich hatten Tom und sie es ja nicht ausdrücklich geplant. Aber sie hatten es offengelassen, wie Tom sich ausdrückte. Und Flo war jetzt so weit, dass sie über ein positives Ergebnis außerordentlich glücklich wäre.

Und dann erschien in dem Sichtfeld endlich das Zeichen, das ihr sagte, dass sie Toms Baby erwartete.

Wow!

Flo überkam ein Glücksgefühl, das sie nie hätte in Worte fassen können. Am liebsten hätte sie ihre Freude laut herausgeschrien oder es gleich aller Welt erzählen wollen. Aber nein. Zuerst sollte es der werdende Vater erfahren.

Aber wie? Wie willst du es ihm beibringen?

„Ach, übrigens, einer kam durch… Herzlichen Glückwunsch.“ Nee, blöd. Überleg dir was anderes. Und dann müsstest du vielleicht auch endlich mal wieder deine Eltern anrufen und ihnen die Neuigkeit erzählen.

Denn das wäre doch ein guter Anlass, um den Kontakt zu ihren Eltern wieder aufzunehmen.

 

Sie ging grübelnd im Zimmer hin und her. Dann knurrte ihr Magen und sie unterbrach das Gedankenkarussell, um sich in der Küche etwas zu essen zu holen.

Unten traf sie auf Vera, die gerade mit Dildy spazieren gehen wollte.

„Hallo, Flo. Hast du Lust, mitzukommen?“

„Nö, grad nicht, ich wollte was essen.“

„Okay. Ich bin in einer halben Stunde zurück, dann trinken wir einen Kaffee zusammen.“

„Ja, gut.“ Kaffee? Durfte sie den überhaupt noch? Naja, doch, wenn man nicht literweise davon trank, bestimmt. Außerdem sollte Vera noch keinen Verdacht schöpfen.

Nachdem Flo sich mit zwei frischen Brötchen mit Marmelade und Honig vollgestopft hatte, schlenderte sie hinunter in den bösen Keller.

Seit sie wieder zurück war, hatte Tom gemeint, es wäre besser, diesen Ort erst einmal zu meiden.

Warum nur? Du hast doch keine bleibenden psychischen Schäden erlitten und die kleinen Narben sind nicht der Rede wert. Vielleicht ist Tom es, der die Bilder nicht aus seinem Kopf bekommt. Dabei würdest du doch so gerne wieder…

Und zack, … da war die zündende Idee.

Aber sie brauchte eine Verbündete. Vera kam gerade wieder zur Tür herein, als Flo die Treppe hinaufging.

„Ach, Vera. Könntest du mir wohl bei etwas behilflich sein?“

„Na klar, wobei denn?“

„Also, du hast sicher mitbekommen, dass Tom und ich seit der Sache nicht mehr zusammen unten waren.“

„Ja. Er hat gesagt, dass es dich ganz schön mitgenommen hat, was der Typ mit dir veranstaltet hat.“

„Ich glaube, dass es Tom viel mehr mitgenommen hat als mich. Ich würde schon gerne mal wieder … Naja, du weißt schon.“ Flo merkte, wie sie rot wurde und Vera lachte.

„Klar.“

„Also, hilfst du mir?“

„Ja, ich bin dabei.“

Als Tom am Abend nach Hause kam, stand Vera in der Eingangshalle und erwartete ihn.

„Hallo, Tom. Ich bin deine Empfangsdame heute Abend. Flo bittet dich, dich frisch zu machen und sie dann unten zu treffen.“

„Ach, wirklich?“

Tom hatte nicht gewagt, Flo zu drängen, weil er nicht wusste, wie tief sie Alwins Tat verletzt hatte – nicht ihre Haut, sondern ihre Seele. Aber anscheinend war alles gut und Toms Herz machte Luftsprünge.

In Windeseile lief er die Treppe hinauf, riss sich die Klamotten vom Leib und flitzte unter die Dusche. Nach dem Abtrocknen zog er schwarze Jeans und T-Shirt an und legte sich die Maske um. Ganz so, wie er es immer tat, wenn er hinunter in den Keller ging. Obwohl dieses Mal niemand sonst da sein würde, außer sein kleiner Flo.

Voller erregender Vorfreude nahm er zwei Stufen auf einmal und musste zu Atem kommen und sich zur Ruhe zwingen, als er vor dem Zimmer stand, in dem Flo auf ihn wartete.

Er öffnete die Tür und da hockte sie, nackt, auf dem Boden und schaute nach unten, in der Stellung, die sich für eine Sklavin gehörte. Sein Mund wurde trocken und sein Schwanz wurde hart.

„Sklavin? Du möchtest spielen?“ Er hatte sich im Griff und seine raue Stimme war pure Dominanz

„Ja, Master“, flüsterte sie zittrig.

„Nun, wie du weißt, steht dir noch eine Strafe bevor, da du dich allein der Gefahr ausgesetzt hast. Ich lasse dir die Wahl, welcher Art diese Bestrafung sein wird.“

„Ich möchte bitte übers Knie gelegt werden.“

Flo blickte auf, ihre Wangen rot vor Scham, aber ihr Blick war Verführung pur.

„Möchtest du noch etwas sagen, bevor wir anfangen?“

„Nein, Herr. Ich möchte dir etwas zeigen.“

Flo griff neben sich, nahm ein kleines Päckchen, das in roten Samt gewickelt war und reichte es ihm.

„Ein Geschenk? Für mich?“

„Für uns“, korrigierte sie ihn und ihr traten Tränen in die Augen.

Tom stutzte und wickelte das Päckchen aus. Er hielt einen Stab in der Hand und starrte ihn an. Es dauerte eine Weile, ehe er begriff. Er zog die Maske langsam vom Gesicht.

Dann ging er auf Flo zu, griff nach ihr und zog sie zu sich hoch.

„Echt? Ich werde Vater?“ Jetzt klang er etwas zittrig.

„Ja. Und?“

„Das ist … klasse! Überirdisch! Ich weiß nicht. Einfach nur geil!“

Tränen traten auch in seine Augen, dann zog er Flo noch dichter an sich und küsste sie. Es war ein heftiger, leidenschaftlicher und besitzergreifender Kuss, der kein Ende fand.

„Geht es dir gut?“, fragte Tom, als er endlich von ihr abließ.

Flo lachte. „Ja, alles gut. Es ist doch auch erst ganz am Anfang.“

„Wunderbar.“ Dann wurde er wieder zum unnahbaren Master.

„Dann können wir ja mit dem weitermachen, was du geplant hattest, Sklavin. Schließlich müssen wir noch ein paar Zimmer hier unten erkunden im bösen Keller.“

„Ja, Herr.“

Flo spürte die prickelnde Vorfreude.

Ende

Inhaltsverzeichnis
Die Villa
Prolog
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
Epilog

Melia Manadis

Die Villa

Flo

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1. Auflage Januar 2020


Alle Rechte vorbehalten.


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Umschlag- und Covergestaltung: Kiyana Kullik, verwendetes Foto: 133934183_Maksim Šmeljov



© Parlez Verlag 2020

ein Projekt der BlueCat Publishing GbR

Gneisenaustraße 64

10926 Berlin


ISBN (ePub): 978-3-939990-54-3

Cover

Prolog

Es war ein lauer, angenehmer Nachmittag im Spätsommer.

Tom schlenderte am Strand entlang und genoss es, seine Seele baumeln zu lassen und einmal nicht darüber nachzudenken, dass er zu Hause ein einsamer Single war. Wenn er ehrlich zu sich war, dann nagte diese Tatsache ganz schön an ihm, aber damit konnte er sich beschäftigen, wenn er wieder in Hamburg war. Als er stehen blieb, um den Anblick der untergehenden Sonne über dem Meer zu genießen, nahm er neben dem Rauschen der Wellen plötzlich das Schluchzen einer Frau wahr.

Hm? Wo kommt das her?

Er sah sich um und entdeckte eine Frau mit schulterlangem blondem Haar, die in einem roten, enggeschnittenen Badeanzug im Sand saß und mit merkwürdigen Verrenkungen ihren Fuß untersuchte. Dabei fluchte sie lautstark über sich selbst, was Tom zum Schmunzeln brachte.

Da das entzückende Wesen mit seinem Tun keinen Erfolg zu haben schien, versuchte es nun aufzustehen. Doch dabei geriet die Frau ins Wanken und drohte hinzufallen. Toms Helfersyndrom ließ ihn sofort reagieren und mit einem Hechtsprung war er bei ihr und hielt sie fest, bevor sie mit dem Gesicht im Sand landen konnte. Erschrocken schaute sie zu ihm auf. Eigentlich war es ab diesem Zeitpunkt um Tom geschehen. Er blickte in ein Paar Augen, die schöner nicht sein konnten. Es waren zwei dunkle Smaragde, die wie Juwelen funkelten. Inmitten der Farbenpracht drückte dieser Blick eine gewisse Traurigkeit aus, die Tom sofort berührte und die er mit allem, was in seiner Macht stand, verblassen lassen wollte.

Das ist doch jetzt nicht wahr. Das bildest du dir ein. Oder dein Wunschdenken, auch endlich eine Frau fürs Leben zu finden, schaltet dein Hirn aus und führt zu unüberlegten Handlungen. Und dann läufst du sabbernd mit dickem Schwanz hinter jeder her, die nicht bei zweieinhalb auf dem Baum ist!

Das würde Tom, der sich ja immer gut unter Kontrolle hatte – im Beruf wie auch bei der Ausübung seiner sexuellen Neigung – natürlich niemals passieren.

Aber diese Augen, dieser Blick. Da konnte man schon schwach werden.

Eine gefühlte Ewigkeit standen sie eng beieinander und Tom hielt dieses entzückende Wesen mit den Meeraugen, den blonden Locken und den verführerischen Rundungen, das mehr als einen Kopf kleiner war als er, immer noch in festem Griff um die Taille. Bis ihre wütende Stimme ihn in die raue Wirklichkeit zurückholte.

„Hallo…? Könnten Sie mich vielleicht mal loslassen? Ich bin durchaus in der Lage, auf meinen eigenen Beinen zu stehen.“

Tom musste wieder schmunzeln.

Süß ist sie, wenn sie wütend ist. Und eine verführerische Stimme, wenn ich sie erst mal zum Schreien…

„Hallo!“ Die verführerische Stimme klang jetzt richtig aufgebracht und die Süße fing an, sich in seinem Griff zu winden. „Lassen Sie mich sofort los oder ich schreie!“

Toms Verstand übernahm wieder. „Das brauchst du nicht. Ich halte dich nur, damit du nicht fällst. Was ist mit deinem Fuß?“

Ein Ausdruck der Verwunderung schlich sich in das herrliche Smaragdgrün.

„Kennen wir uns? Ich wüsste nicht. Also würden Sie mich bitte nicht so vertrauensvoll duzen.“

„Nein, noch kennen wir uns nicht. Ich bin Tom und als dein Helfer in der Not fand ich diese Anrede angemessen. Also, dein Fuß?“

„Na, wenn Sie meinen …“ Sie ging nicht weiter darauf ein, löste sich aus seinem Griff und drehte sich in Richtung der Strandkörbe um. Doch als sie den besagten Fuß belasten wollte, geriet sie erneut mit einem lauten Aufschrei ins Straucheln. Kurzerhand griff Tom wieder zu. Doch dieses Mal nahm er sie direkt auf den Arm und trug sie zu einem der Strandkörbe.

„Keine Widerrede!“, kam er ihr bestimmend zuvor, als sie den Mund aufmachen wollte. Er setzte sie hin und nahm den Fuß in die Hände.

„Also, sag schon …“

Sie gab sich geschlagen. „Ich bin im Wasser irgendwo reingetreten. Vielleicht eine Scherbe. Hier ist es ja sonst recht sauber, aber wenn hier eine Scherbe herum liegt, dann trete ich garantiert rein. Ich ziehe so etwas magisch an. Liegt irgendwo ein Haufen Kacke, dann trete ich hinein. Ist wahrscheinlich gar nicht so schlimm, aber beim Auftreten tut es weh. Vielleicht ist noch eine Scherbe drin.“

„Hm.“ Tom musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.

Er sah ihr in die Augen, doch da war keine Wut oder Schmerz zu sehen, sondern Bestimmtheit.

„Jetzt guck halt nicht so grimmig und zieh das Ding da raus, damit ich mich aus dem Staub machen kann. Ich kann ja schließlich nicht ewig hier sitzen und meinen Fuß von dir halten lassen.“ Sie lächelte ihn an.

Humor hat sie auch noch und kann über sich selber lachen. Ganz dein Geschmack. Und duzen tut sie dich mittlerweile auch schon. Läuft bei dir…

„Na, wenn du hier schon so herumscherzt, ist der Schmerz wohl nicht so groß.“

„Wenn ich mich zu lang über meine Missgeschicke aufregen würde, hätte ich den lieben langen Tag nichts anderes zu tun.“

Tom strich vorsichtig den Sand ab und sah sich die Sache genauer an. Ein kleines Stück einer Muschel drückte sich unter dem kleinen Zeh in die Haut. Das war wirklich keine große Sache, aber wenn man auf so etwas trat und einen Nervenendpunkt erwischte, konnte es durchaus schmerzhaft sein.

„Hm…“, sagte er und versuchte, besorgt zu klingen. Was ihm anscheinend gelang. Sie versuchte, den Fuß wegzuziehen.

„Hm, was?“, fragte sie und sah ihn mit erschrockenen Augen an. Tom liebte es, diese Reaktion bei seinen Gespielinnen hervorzurufen.

Gott, diese Augen! Dieses Grün! Und jetzt ist sie dir auch noch ausgeliefert!

Das ging ihm durch und durch und endete in seinem Schwanz, den er nicht mehr unter Kontrolle hatte. Zum Glück kniete er vor ihr und so fiel die Beule in seinen Shorts nicht so auf.

Schon fast verstohlen nahm er ihre ganze Erscheinung in sich auf. Die hübschen, blondgelockten Haare, die leicht auf ihre Schultern fielen. Ihr Gesicht war geprägt von den Augen, die Tom faszinierten. Ihre Lippen passten sich den feinen Zügen an. Ihr recht kleiner Körper war zwar nicht gertenschlank, aber gut proportioniert, was ihm sowieso besser gefiel. Tom konnte nichts feststellen, was nicht war, wo es hingehörte. Ihre Brüste und ihr leicht gewölbter Bauch unter ihrem Badeanzug schrien förmlich danach, von ihm ausgepackt zu werden. Sie war perfekt für ihn, wie sie so zitternd vor ihm saß und abwarten musste, was er mit ihr tun würde. Er hielt ihren Fuß in festem Griff, wollte sie jetzt aber nicht länger zappeln lassen.

„Kleiner Scherz. Du bist in eine kaputte Muschel getreten. Ein kleines Stück ist noch in deiner Haut. Ich ziehj es raus. Es ist nicht schlimm. Vertrau mir.“

Tom wartete gespannt auf ihre Antwort. Denn diese letzten beiden Worte hatte er nicht einfach so ausgesprochen. Für ihn waren sie immer von großer Bedeutung. Wie also würde sie reagieren?

Sie sah ihn fast unterwürfig an. Er konnte ihre Reaktion in ihren Augen lesen, wie in einem Buch. Und er sah, dass ihr Ausdruck sich änderte.

Natürlich vertraut sie dir!

„Na gut. Aber ich muss dich warnen. Ich bin ein absolutes Weichei, was Schmerzen angeht. Wenn es weh tut, schreie ich den ganzen Strand zusammen. Ohne Hemmungen.“

Tom musste sich zusammenreißen, denn sie konnte ja nicht ahnen, was sie da gesagt hatte. Aus seiner Sicht hatte sie gerade die wichtigste Eigenschaft einer Devoten gezeigt. Und sie hatte ihn wieder geduzt. Unbewusst vielleicht, aber er sah darin einen weiteren Schritt der Annäherung.

Tom hielt den Fuß mit der linken Hand in festem Griff, während er mit der rechten zärtlich die Fußsohle streichelte.

„Du wirst es kaum spüren. Versprochen. Ein kurzes Ziehen und es ist vorbei. Hey! Was ist das da auf deiner Nase?“

„Was? Wo?“ Sofort war sie abgelenkt und fasste sich ins Gesicht. Tom nutzte den Moment und zog das kleine Stück Muschel heraus. Sofort war ihr Blick wieder auf ihn gerichtet.

„Aua! Du Schuft! Du hast mich reingelegt“, rief sie sichtlich erleichtert aus.

„Reine Taktik. Hat doch funktioniert. Es blutet ein bisschen. Warte etwas, bevor du wieder auftrittst, damit sich der Schnitt verschließen kann. Es ist aber nicht tief. Nichts Schlimmes.“

„Du bist dir da ja sehr sicher. Arbeitest du im Krankenhaus?“

„Nein, ich bin Polizist, aber mit guter Ausbildung in erster Hilfe.“

„Oh, ein Polizist. Und du kommst aus Hamburg?“

„Ja. Hört man das? Du bist sehr aufmerksam.“

„Ja, das hört man an deiner Aussprache. Und ja, ich bin aufmerksam. Vor allem, wenn es um Sprache geht. Ich arbeite in einer großen Firma an der Rezeption. Da kommen viele Anrufe und ich habe gelernt zu spüren, wie die Leute drauf sind, deren Stimme ich höre.“

„Oh, eine Dame der Empathie!“

„Eine was?“

„Du reagierst auf die Gefühle anderer. Spürst sie und kannst dich in sie hinein versetzen. Und hast eine Wirkung auf dein Gegenüber. Glaub mir. Du bist empathisch.“

„Also eine positive Eigenschaft, meinst du? Na, dann danke für das Kompliment.“

„Oh bitte, gern geschehen. Und? Wo kommst du her? Und wie heißt du überhaupt?“

„Ich bin Flo. Ebenfalls aus Hamburg.“

„Flo?“

„Ja, eine Abkürzung. Alle nennen mich so, weil ich meinen richtigen Namen doof finde. Und du? Tom, ja?“

„Genau. Nur Tom und das ist keine Abkürzung.“

„Okay. Tom ohne Abkürzung.“ Flo lachte.

Tom liebte diesen Klang. Und sein Blick schien genau das auszudrücken. Flo jedenfalls deutete es so.

„Oh nein. Das läuft doch nicht aufs Flirten hinaus Tom, oder? Bitte nein. Das geht nicht. Es tut mir leid. Das wollte ich nicht.“

„Jetzt bleib ruhig. Was wolltest du nicht?“

„Mit dir flirten. Dir irgendwelche Hoffnungen machen.“

„Keine Angst. Wir stehen erst am Anfang.“

„Und so muss es auch bleiben. Es geht nicht. Zu einer anderen Zeit wäre ich nicht abgeneigt, glaub mir. Aber jetzt ist es zu spät.“ Flo senkte ihren Blick und Tom nahm den Zwiespalt in ihrer Stimme wahr. Dann sah sie ihn an und ihre Augen spiegelten ihre Gefühle wider. Was konnte es sein, dass sie auf einmal bedrückte?

„Was ist los?“

Flo stand auf, ging zu ihrem Strandkorb und begann hektisch, ihre Sachen zusammenzupacken.

„Ich muss gehen. Es ist schon viel zu spät und ich muss mich noch umziehen.“ Ihr Blick war traurig und es stach ihm ins Herz. Irgendetwas beschäftigte diese Frau und ließ sie nervös aufspringen. Etwas, das sie unglücklich machte.

Tom packte sie am Handgelenk und zog sie näher zu sich.

„Du hast es auch gespürt. Das zwischen uns komischerweise von Anfang an eine gewisse Anziehung geherrscht hat. Warum auch immer. Also, sag mir, was dich jetzt von mir wegtreibt.“

Flo sah ihn irritiert an. Ihre Stimme war genauso traurig wie ihre Augen.

„Ich kann nicht mit dir flirten und so. Auch wenn ich noch nie jemanden getroffen habe, der mir von Anfang an so vertraut war wie du. Wären wir uns vorher begegnet…“ Sie stockte und schluckte hart.

„Ich muss zurück ins Hotel. Mein Verlobter wartet. Heute Abend ist dort ein wichtiger geschäftlicher Termin. Und… ich bin schwanger. Bitte. Ich muss gehen.“

Tom ließ sie los. Sein Mund stand offen und er konnte ihn nicht mehr schließen. Dabei war es gar nicht seine Art, so die Kontrolle zu verlieren. Nie!

„Auf Wiedersehen, Tom. Und danke.“ Ihre Stimme war zittrig.

„Auf Wiedersehen, Flo.“ Seine auch.

Scheiße!

Da trifft man die, die die Richtige sein könnte und dann kommt man zu spät. Das darf doch nicht wahr sein!

Und Tom wusste genau, dass Flo in ihrer Beziehung nicht glücklich war. So wie sie reagiert hatte. Die Traurigkeit in ihren Augen.

Gott! Diese Augen! Sein Leben lang würden sie ihn verfolgen.

Er sah ihr nach. Seiner Traumfrau. Und blieb fassungslos am Strand zurück

1

Flo lief, so schnell es ihr verletzter Fuß erlaubte, weg von Tom.

Was war das denn? So was hast du ja noch nie erlebt! Und wirst du auch nicht mehr. Du musst jetzt an dein Kind denken!

Mit Tränen in den Augen erklomm sie die Stufen, die vom Strand wegführten. Sie widerstand dem Drang, sich zu ihm umzudrehen. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, da wäre sie sofort schwach geworden. Toms ganze Erscheinung zog Flo magisch an. Nie hatte sie das glatt zurückgekämmte Haar ihres Verlobten gemocht. Tom hingegen sah verwegen aus mit seinem fast kahl rasierten Kopf und diesem genau getrimmten Kinnbart, der in einer schmalen Linie am Kinn entlang bis zu den Schläfen führte. An dieser Stelle begann ein leichter grauer Ansatz, was sehr sexy wirkte.

Wie alt er wohl ist? Egal, das hat dich nicht zu interessieren.

Sein restlicher Körper brachte sie ebenfalls ins Schwärmen. Unter dem engen T-Shirt zeichneten sich seine Bauchmuskeln ab. Die starken Arme, die sie einfach so getragen hatten, versprachen Sicherheit. Natürlich lugten unter den Ärmeln ein paar Linien eines bestimmt markanten Tattoos hervor. Obwohl Tom mehr als einen Kopf größer und viel breiter war als sie, hatte sie nicht einen Augenblick Angst vor ihm gehabt. Seine dunkelbraunen Augen strahlten eine beruhigende Wärme aus, obwohl seine markanten Gesichtszüge eher bedrohliche Dominanz versprachen, wie sie zu einem Polizisten passte. Ebenso wie dieser durchtrainierte, große, männliche Körper. Und trotzdem hatte sich Flo wohl in seiner Gegenwart gefühlt. Und das nach nur ein paar Minuten. Das war fast zu verrückt, um wahr zu sein.

Flo betrat das Hotel und ging zielstrebig auf die Treppe zu, die sie in die Etage führte, in der sich ihr Zimmer befand. Natürlich mit Strandblick. Das beste Haus am Platz und wahrscheinlich auch das teuerste. Immer auf Ansehen bedacht. Flo wusste selbst nicht, wie sie dahin gekommen war, wo sie gerade war.

Sie hatte ihren Job in einem Wellnesshotel als Wellnesstrainerin verloren und wurde von der Arbeitsagentur in eine Firma an die Rezeption verfrachtet. Sie wusste nichts über diese Firma und hatte auch nicht vor, lange zu bleiben. Sie bewarb sich weiter um ihren geliebten Job und nahm währenddessen freundlich die Anrufe entgegen. Dann irgendwann stand der Juniorchef, Alwin Müller, vor ihrem Tresen und begrüßte sie mit ihrem Namen.

„Guten Morgen, Frau von Rosen. Es freut mich, dass unsere Besucher als Erstes Sie zu Gesicht bekommen, wenn sie zu uns kommen.“ Flo wurde rot und wusste nicht, wie ihr geschah. Ja, das war ihr Name. Floriane von Rosen. Gott, wie sie den immer gehasst hatte. Ihre Urgroßoma hatte ihn ausgesucht. Alter Adel. Aber wenigstens hatte sie ihr auch das Haus mit den vier Wohnungen vermacht. In einer davon wohnte sie mit ihrer Freundin Ewa. Von den Mieteinnahmen der anderen konnte man übrigens die Zeit auch ohne Job überbrücken, wenn das Leben dann nicht so langweilig wäre.

Woher kennt er deinen Namen? Der Juniorchef! Und recht gut sieht er auch noch aus.

Naja. Ihr Traummann wäre etwas größer und hätte nicht so glatt zurückgestyltes Haar, aber seine Figur hielt er in Schuss, immerhin…

In den folgenden Tagen begrüßte er sie immer wieder persönlich. Sie fühlte sich geschmeichelt. Flo war gerade mal wieder solo. Aber irgendwie bekam sie langsam Torschlusspanik. Sie war mittlerweile zweiunddreißig Jahre alt und fühlte ihre innere Uhr ticken. Sie war keine von diesen Karrierefrauen, sondern eher ein Familienmensch. Wenigstens ein Kind wollte sie in ihrem Leben haben.

Und als die Betriebsfeier anstand und Alwin sie persönlich einlud, sagte sie spontan zu. Der Alkohol floss in Strömen. Flo vertrug eigentlich nicht viel, aber ihr Glas war wundersamerweise immer gefüllt. Alwin war ständig in ihrer Nähe und irgendwann zog er sie in einen Abstellraum. Dort schob er ihr sofort den Rock hoch und den Slip herunter. Dann war er in ihr, ohne sie zu fragen, ob auch sie das so wollte.

Flo kam es vor, als würde sie das gerade gar nicht selbst erleben. Sie stand einfach neben sich und es lief ab wie im Film. Dann war da ein Taxi. Ewas Gesicht direkt vor ihr und dann die Kloschüssel, in die sie sich entleerte.

Am nächsten Morgen kamen Fetzen der Erinnerung zurück. Alwins grinsendes Gesicht, wie er ihr immer wieder Champagner nachgoss und sie nicht nein sagen mochte. Obwohl er ihr noch nicht einmal schmeckte. Dann war er in ihr. Mit einem Stoß. Es tat weh, weil sie knochentrocken war. Am Ende lag sie auf dem Boden. Im Abstellraum! Wie erniedrigend.

Am nächsten Morgen, sie stand mit dickem Schädel pflichtbewusst am Empfangstresen der Firma, kam Alwin und eröffnete ihr, dass sie nun zusammen wären.

Flo fiel aus allen Wolken und erbat sich etwas Zeit.

„Aber natürlich, meine Rose“, erwiderte ihr wohl Zukünftiger. Aber irgendwie fühlte sich das nicht richtig an. Und sie mochte auch nicht „meine Rose“ genannt werden.

In den nächsten Tagen ging Flo Alwin so weit wie möglich aus dem Weg. Sie fühlte sich auf der einen Seite zwar durchaus geschmeichelt, dass sie vom Chef umworben wurde, andererseits war aber der Sex mit ihm nicht gerade typisch gewesen. Flo war betrunken und nicht wirklich entscheidungsfähig. Sie schloss nicht aus, dass sie mit Alwin auch ohne Alkohol Sex hätte haben wollen, aber es war nun mal anders gekommen.

Langsam solltest du dich entscheiden, was du willst. Schließlich gibt er sich alle Mühe.

Und das tat er wirklich.

 Alwin bemühte sich um ihre Gunst. Er lud sie ins Museum ein und zu wichtigen Galerieausstellungen und ließ sie dafür natürlich auch entsprechend einkleiden, damit sie in der Öffentlichkeit ein annehmbares Erscheinungsbild aufwies, wie er sagte. So etwas war ihr bisher nie wichtig gewesen, aber sein Vater, der Seniorchef der Firma, legte darauf sehr viel Wert.

Naja. Gib zu, dass es dir auch gefällt, mal elegant durch die Weltgeschichte zu laufen.

Ja, das stimmte. Flo fand auch Gefallen daran, was sie mit anderer Kleidung aus sich machen konnte. Und trotzdem…

Sie fand sich am nächsten Tag tatsächlich auf Fotos in der Boulevardpresse wieder. Und fand sich grauenvoll. Sie wollte nichts davon. Aber eigentlich wusste sie gar nicht, was sie wollte. Alwin sah ganz gut aus und anscheinend hatte er ehrliches Interesse an ihr.

Dann blieb ihre Regel aus. Nach einem One-Night-Stand im Abstellraum.

So gerne sie auch Mutter werden wollte, aber so? Sie konnte sich nicht einmal richtig daran erinnern, nur so viel, dass sie trocken und er zum Zug gekommen war. Ein einziges Mal!

Doch so war es nun mal und sie gestand es Alwin.

Der war Feuer und Flamme und schlug vor, zu heiraten.  Es überraschte Flo, dass er sogar anbot, ihren Namen anzunehmen.

Und so war sie nun hier gelandet. Auf Sylt. In einem Nobelhotel direkt am Strand von Westerland. Wunderschön der Blick aus ihrem Fenster übers Meer. Flo in der siebten Woche schwanger. Sie hatte sich gerade den Badeanzug ausgezogen und stand nun nackt am offenen Fenster und genoss den kühlen Windzug. Sie strich sich gedankenverloren über den noch nicht vorhandenen Babybauch.

„Auch wenn es sich nicht richtig anfühlt, die Sache mit deinem Vater… Wir schaffen das. Zur Not auch ohne ihn. Weißt du, ich hab nur dieses eine Mal mit ihm geschlafen und dabei bist du entstanden. Keine Ahnung warum es noch nicht zu einem zweiten Mal gekommen ist, aber ich gebe dem Ganzen noch eine Chance.“

Dann wurde es Zeit und Flo zog Slip und BH und ihr langes rotes Abendkleid an sowie die Highheels, auf denen sie nie laufen lernen würde, und verließ ihr Zimmer. In der Pianobar wartete Alwin bereits auf sie. Ein wichtiger Geschäftspartner saß mit seiner wahnsinnig gutaussehenden Tochter neben ihm. Sie tranken Champagner und stießen auf irgendein erfolgreich getätigtes Geschäft an.

„Ah, da ist sie ja, meine Zukünftige. Schön, dass du dich sehen lässt. Dann können wir ja zu Tisch gehen.“

Flo beschloss den stichelnden Ton zu überhören und machte gute Miene zum bösen Spiel. Das Essen war nicht schlecht, doch so richtig Appetit hatte sie in den letzten Wochen nicht. Während des Essens floss guter Wein in Strömen. Flo aber trank Wasser.

Nach belanglosem Smalltalk und dem Dessert begab man sich wieder in die Pianobar und sinnierte über Gott und die Welt. Flo bedachte die Gespräche mit einem Lächeln hier und da, beteiligte sich aber nicht wirklich daran. Dies war nicht ihre Welt. Die drei waren mittlerweile zu gutem Whiskey übergegangen, während Flo sich mit ihrem Wasser begnügte. Vor ihrer Schwangerschaft hätte sie sich ihren Lieblingscocktail, einen „White Lady“, aus Gin, Cointreau und Zitronensaft, gegönnt. Aber als verantwortungsvolle werdende Mutter war das undenkbar.