Epilog
Sie war jetzt seit zwei
Wochen zurück in der Villa.
An dem Tag, an dem sie
Alwin für immer verlassen hatte, war sie direkt mit ihrem Auto, das praktischerweise
auf dem firmeneigenen Parkplatz stand und immer noch ihre zwei Koffer
beherbergte, zur Villa gefahren.
Es war früher Vormittag
und Tom war nicht da. Vera und Paul nahmen Flo in Empfang.
Vera schloss sie sofort in
die Arme.
„Süße, was ist bloß los?
Du musst uns alles erzählen.“
Doch als Vera sie wieder
losließ, spürte Flo, wie ihre Kraft sie verließ. Das Adrenalin, das ihr
geholfen hatte, ihren Plan in die Tat umzusetzten, war verschwunden. Flo
schwankte leicht und spürte nun auch die Schmerzen von den Striemen am Bauch.
Vera hielt sie wieder
fest.
„Paul?“
„Ja, ich sehe es. Hol ihr
was zu trinken.“ Ohne zu zögern packte er sie, hob sie hoch und beförderte sie
in Toms Bett.
„Kleine Lady, was ist mit
dir? Hast du Schmerzen?“
Flo konnte auch Paul
vertrauen, das wusste sie. Und außerdem hatte er Ahnung, er war schließlich
Heilpraktiker.
„Mein Bauch, er hat mich
mit dem Rohrstock geschlagen“, brachte sie völlig kraftlos über die Lippen.
Paul schob ihren Pullover
hoch und sah die offene Wunde.
Besorgt runzelte er die
Stirn und eilte dann ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer. Kurz darauf kam
Vera herein.
„Oh Gott, nein, Süße. Das
tut mir leid.“ Sie ging zum Bett und reichte Flo das Glas mit Wasser.
Flo hatte gar nicht
bemerkt, wie durstig sie war, bis sie das Glas fast in einem Zug geleert hatte.
Vera hielt Flo nur im Arm. Sie würde sie nicht bedrängen und warten, bis sie
selber entschied, über die Sache zu sprechen. Paul kam zurück mit einer braunen
Flasche, ein paar Binden und Tupfern in der Hand. Er versorgte die Striemen so
vorsichtig er konnte. Dann ging er ins Bad, füllte das Glas erneut mit Wasser
und reichte es Flo zusammen mit einer Tablette.
„Gegen die Schmerzen. Ruh
dich aus, Kleines. Wir sehen nachher noch mal nach dir.“ Ohne Vorwürfe in der
Stimme sprach er beruhigend auf sie ein. Flo nickte nur und schließlich ließen
Paul und Vera sie allein.
Erst jetzt merkte sie, wie
sehr die letzten zwei Tage an ihrer Kraft gezerrt hatten und sie schlief ohne
weitere Gedanken ein.
Als sie aufwachte, spürte
sie, dass sie jemand beobachtete. Sie öffnete die Augen und sah sich um.
Da saß Tom, auf einem
Stuhl vor dem Bett und sah sie an.
Flo setzte sich abrupt
auf, was sie allerdings im nächsten Augenblick bereute. Die Wirkung der
Schmerztablette hatte nachgelassen und ihr Bauch brannte fürchterlich. Sie
verzerrte ihr Gesicht und stöhnte.
Tom setzte sich zu ihr
aufs Bett und drückte sie sanft zurück auf die Matratze.
„Bleib liegen, Flo. Hier.“
Er langte zum Nachttisch, gab ihr eine neue Tablette und das Glas Wasser. Flo
schluckte willig und legte sich wieder hin.
„Danke“, krächzte sie und
erschrak sich vor ihrer eigenen Stimme.
Tom lächelte sie an. „Du
hörst dich genauso furchtbar an, wie du aussiehst.“
Jetzt räusperte sich Flo,
bevor sie sprach.
„Noch mal danke, für das
Kompliment.“
„Gerne doch, mein Schatz.
Aber Spaß beiseite.“ Toms Blick wurde ernst.
„Erzählst du mir, was
passiert ist? Wieso, zum Teufel, bist du mit ihm in diesen Raum gegangen? Und
wieso wolltest du nicht, dass ich dich da raushole? Und was hat dich überhaupt
dazu veranlasst, dich mit diesem Arschloch einzulassen?“
Flo bekam feuchte Augen,
unterdrückte aber die Tränen. Es gab keinen Grund mehr zu weinen. Es war alles
überstanden. Aber Tom hatte selbstverständlich ein Recht darauf, zu erfahren,
was passiert war.
Flo begann mit dem
Schnüffler, der sie ausspioniert und so Alwin auf ihre Spur gebracht hatte. Sie
schilderte ihm ihre Gefühle, die Hoffnungslosigkeit, die sie empfand, als sie
sich in der Dusche geliebt hatten.
Und jetzt kamen die Tränen
doch.
„Ich dachte, es wäre das
letzte Mal, Tom. Ich wusste da noch nicht, wie es ausgehen würde. Für mich war
es ein Abschied.“
„Oh, Flo, wenn ich das
doch nur gewusst hätte.“ Tom nahm sie in den Arm und drückte sie vorsichtig an
sich. Dann drängte er sie, weiterzuerzählen. Sie bemühte sich, keine Details
auszulassen, auch wenn die Erinnerung sie schmerzte. Als sie geendet hatte, kam
Tom nicht umhin, ein wenig stolz auf seinen kleinen, mutigen Flo zu sein, auch
wenn ihr Plan sehr leichtsinnig gewesen war.
Um eine Bestrafung zur
richtigen Zeit würde sie nicht herumkommen, weil das alles auch hätte daneben
gehen können. Und Tom mochte sich nicht ausmalen, was das für Konsequenzen
gehabt hätte.
Aber jetzt war Schluss
damit. Er wollte genauso mit der ganzen Sache abschließen wie Flo und lieber an
ihre gemeinsame Zukunft denken. Und die stellte er sich rosig vor.
„Ich liebe dich, mein
kleiner Flo.“ Er drückte sie noch ein bisschen mehr an sich, damit sie merkte,
dass er sie nie wieder loslassen wollte und gab ihr einen sanften Kuss auf die
Stirn.
Flo hob den Kopf und
blickte ihn mit ihren wunderschönen Smaragdaugen an.
„Und ich liebe dich, Tom.
Von ganzem Herzen. Ich bin so froh, dass du mir dein Vertrauen gegeben hast.“
„Immer wieder.“ Er küsste
sie auf den Mund.
Flo erholte sich schnell.
Die Wunden verheilten, würden aber dünne Narben hinterlassen. Doch damit konnte
sie leben.
Jetzt, wo sie seit zwei
Wochen zu Hause war, warteten sie auf Doros Rückkehr, die sich eine Woche
Urlaub auf Mallorca gegönnt hatte. Alleine, um den Kopf freizubekommen, hatte
sie gesagt.
Doro und Flo hatten jeden
Tag miteinander geschrieben und sich Fotos geschickt. Doro von der tristen
Landschaft der Insel im Winter und Flo von der erfolgreichen Videoüberwachung
eines gewissen kriminellen Individuums namens Dildy. Doro hatte ein Dutzend
Lachsmileys geschickt über die gefundene Beute. Einen Tag noch und sie hatte
ihre Freundin wieder, die ihr mittlerweile richtig ans Herz gewachsen war. Und
Doro sah das wohl genauso und vertraute ihr das jüngst Geschehene an. Sie hatte
ihr in den vielen Nachrichten nämlich auch von dem Kuss erzählt, den sie von
Ben bekommen hatte, nachdem er sie vor Hannes beschützt hatte. Doro freute sich
zwar, nach Hause zu kommen, doch war sie sich unsicher, wie sie mit dieser
neuen Situation und vor allem mit Ben umgehen sollte. Sie mochte Ben und die
Sticheleien, die immer von ihm kamen, sah sie eher als spaßig an. Dass er diese
andere als freundschaftliche Art der Gefühle für sie hatte, war ihr nicht
bewusst gewesen. Schließlich war sie ja da noch mit Hannes zusammen. Und sie
lebte monogam und hatte außerdem nichts mit dem Keller der Villa zu tun gehabt
und konnte sich auch nicht vorstellen, das jemals zu ändern. Nie, wie sie jedes
Mal betonte, wenn sie darüberschrieb. Das versprach auf jeden Fall spannend zu
werden, wenn Doro zurück war. Flo konnte es gar nicht erwarten.
Aber nun, an diesem Morgen,
stand Flo vor der Toilette und hatte vor, ihren morgendlichen Urin über den
Teststreifen laufen zu lassen. Denn sie war ein paar Tage überfällig und ihre
Regel ließ sonst nie auf sich warten. Ein weiteres Anzeichen für ihren
veränderten Körper waren ihre Brüste, die heftig spannten. Flo hatte sich
gleich zwei Packungen Schwangerschaftstests besorgt, um sicher zu gehen.
Also setzte sie sich aufs
Klo und hielt den Streifen zwischen ihre Beine. Doch als sie lospinkelte,
rutschte ihr der blöde Stab aus den Fingern und fiel in die Kloschüssel.
„So ein blöder Mist.
Floriane von Rosen, das kann auch wieder nur dir passieren“, schimpfte sie.
Aber trotz allem war sie so geistesgegenwärtig, ihren Beckenbodenmuskel aufs
Schärfste anzuziehen, sodass ihr noch genug Pipi für den vorausschauend
gekauften zweiten Test übrig blieb. Sie stand seitlich auf, griff zum
Waschbecken und nahm sich den nächsten Streifen. Dieses Mal musste es klappen.
Und es klappte. Jetzt hieß es warten. Und so ein paar Minuten konnten sich
endlos hinziehen.
Flo hatte gar nicht mehr
darüber nachgedacht, ob sie eine Schwangerschaft wollte oder nicht. Schließlich
hatten Tom und sie es ja nicht ausdrücklich geplant. Aber sie hatten es offengelassen,
wie Tom sich ausdrückte. Und Flo war jetzt so weit, dass sie über ein positives
Ergebnis außerordentlich glücklich wäre.
Und dann erschien in dem
Sichtfeld endlich das Zeichen, das ihr sagte, dass sie Toms Baby erwartete.
Wow!
Flo überkam ein
Glücksgefühl, das sie nie hätte in Worte fassen können. Am liebsten hätte sie
ihre Freude laut herausgeschrien oder es gleich aller Welt erzählen wollen.
Aber nein. Zuerst sollte es der werdende Vater erfahren.
Aber wie? Wie willst du es ihm beibringen?
„Ach, übrigens, einer kam durch… Herzlichen Glückwunsch.“
Nee, blöd. Überleg dir was anderes. Und dann müsstest du vielleicht auch
endlich mal wieder deine Eltern anrufen und ihnen die Neuigkeit erzählen.
Denn das wäre doch ein
guter Anlass, um den Kontakt zu ihren Eltern wieder aufzunehmen.
Sie ging grübelnd im
Zimmer hin und her. Dann knurrte ihr Magen und sie unterbrach das
Gedankenkarussell, um sich in der Küche etwas zu essen zu holen.
Unten traf sie auf Vera,
die gerade mit Dildy spazieren gehen wollte.
„Hallo, Flo. Hast du Lust,
mitzukommen?“
„Nö, grad nicht, ich
wollte was essen.“
„Okay. Ich bin in einer
halben Stunde zurück, dann trinken wir einen Kaffee zusammen.“
„Ja, gut.“ Kaffee? Durfte
sie den überhaupt noch? Naja, doch, wenn man nicht literweise davon trank,
bestimmt. Außerdem sollte Vera noch keinen Verdacht schöpfen.
Nachdem Flo sich mit zwei
frischen Brötchen mit Marmelade und Honig vollgestopft hatte, schlenderte sie
hinunter in den bösen Keller.
Seit sie wieder zurück
war, hatte Tom gemeint, es wäre besser, diesen Ort erst einmal zu meiden.
Warum nur? Du hast doch keine bleibenden psychischen
Schäden erlitten und die kleinen Narben sind nicht der Rede wert. Vielleicht
ist Tom es, der die Bilder nicht aus seinem Kopf bekommt. Dabei würdest du doch
so gerne wieder…
Und zack, … da war die
zündende Idee.
Aber sie brauchte eine
Verbündete. Vera kam gerade wieder zur Tür herein, als Flo die Treppe
hinaufging.
„Ach, Vera. Könntest du
mir wohl bei etwas behilflich sein?“
„Na klar, wobei denn?“
„Also, du hast sicher
mitbekommen, dass Tom und ich seit der Sache nicht mehr zusammen unten waren.“
„Ja. Er hat gesagt, dass
es dich ganz schön mitgenommen hat, was der Typ mit dir veranstaltet hat.“
„Ich glaube, dass es Tom
viel mehr mitgenommen hat als mich. Ich würde schon gerne mal wieder … Naja, du
weißt schon.“ Flo merkte, wie sie rot wurde und Vera lachte.
„Klar.“
„Also, hilfst du mir?“
„Ja, ich bin dabei.“
Als Tom am Abend nach
Hause kam, stand Vera in der Eingangshalle und erwartete ihn.
„Hallo, Tom. Ich bin deine
Empfangsdame heute Abend. Flo bittet dich, dich frisch zu machen und sie dann
unten zu treffen.“
„Ach, wirklich?“
Tom hatte nicht gewagt,
Flo zu drängen, weil er nicht wusste, wie tief sie Alwins Tat verletzt hatte –
nicht ihre Haut, sondern ihre Seele. Aber anscheinend war alles gut und Toms
Herz machte Luftsprünge.
In Windeseile lief er die
Treppe hinauf, riss sich die Klamotten vom Leib und flitzte unter die Dusche.
Nach dem Abtrocknen zog er schwarze Jeans und T-Shirt an und legte sich die
Maske um. Ganz so, wie er es immer tat, wenn er hinunter in den Keller ging.
Obwohl dieses Mal niemand sonst da sein würde, außer sein kleiner Flo.
Voller erregender
Vorfreude nahm er zwei Stufen auf einmal und musste zu Atem kommen und sich zur
Ruhe zwingen, als er vor dem Zimmer stand, in dem Flo auf ihn wartete.
Er öffnete die Tür und da
hockte sie, nackt, auf dem Boden und schaute nach unten, in der Stellung, die
sich für eine Sklavin gehörte. Sein Mund wurde trocken und sein Schwanz wurde
hart.
„Sklavin? Du möchtest
spielen?“ Er hatte sich im Griff und seine raue Stimme war pure Dominanz
„Ja, Master“, flüsterte
sie zittrig.
„Nun, wie du weißt, steht
dir noch eine Strafe bevor, da du dich allein der Gefahr ausgesetzt hast. Ich
lasse dir die Wahl, welcher Art diese Bestrafung sein wird.“
„Ich möchte bitte übers
Knie gelegt werden.“
Flo blickte auf, ihre
Wangen rot vor Scham, aber ihr Blick war Verführung pur.
„Möchtest du noch etwas
sagen, bevor wir anfangen?“
„Nein, Herr. Ich möchte
dir etwas zeigen.“
Flo griff neben sich, nahm
ein kleines Päckchen, das in roten Samt gewickelt war und reichte es ihm.
„Ein Geschenk? Für mich?“
„Für uns“, korrigierte sie
ihn und ihr traten Tränen in die Augen.
Tom stutzte und wickelte
das Päckchen aus. Er hielt einen Stab in der Hand und starrte ihn an. Es
dauerte eine Weile, ehe er begriff. Er zog die Maske langsam vom Gesicht.
Dann ging er auf Flo zu,
griff nach ihr und zog sie zu sich hoch.
„Echt? Ich werde Vater?“
Jetzt klang er etwas zittrig.
„Ja. Und?“
„Das ist … klasse!
Überirdisch! Ich weiß nicht. Einfach nur geil!“
Tränen traten auch in
seine Augen, dann zog er Flo noch dichter an sich und küsste sie. Es war ein
heftiger, leidenschaftlicher und besitzergreifender Kuss, der kein Ende fand.
„Geht es dir gut?“, fragte
Tom, als er endlich von ihr abließ.
Flo lachte. „Ja, alles
gut. Es ist doch auch erst ganz am Anfang.“
„Wunderbar.“ Dann wurde er
wieder zum unnahbaren Master.
„Dann können wir ja mit
dem weitermachen, was du geplant hattest, Sklavin. Schließlich müssen wir noch
ein paar Zimmer hier unten erkunden im bösen Keller.“
„Ja, Herr.“
Flo spürte die prickelnde
Vorfreude.
Ende
Inhaltsverzeichnis
Die Villa
Prolog
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
Epilog
Melia Manadis
Die Villa
Flo
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1. Auflage Januar 2020
Alle Rechte vorbehalten.
Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung auf DVDs, CD-ROMs, CDs, Videos, in weiteren elektronischen Systemen sowie für Internet-Plattformen.
Umschlag- und Covergestaltung: Kiyana Kullik,
verwendetes Foto: 133934183_Maksim Šmeljov
© Parlez Verlag 2020
ein Projekt der BlueCat Publishing GbR
Gneisenaustraße 64
10926 Berlin
ISBN (ePub): 978-3-939990-54-3
Prolog
Es war ein lauer,
angenehmer Nachmittag im Spätsommer.
Tom schlenderte am Strand
entlang und genoss es, seine Seele baumeln zu lassen und einmal nicht darüber
nachzudenken, dass er zu Hause ein einsamer Single war. Wenn er ehrlich zu sich
war, dann nagte diese Tatsache ganz schön an ihm, aber damit konnte er sich
beschäftigen, wenn er wieder in Hamburg war. Als er stehen blieb, um den
Anblick der untergehenden Sonne über dem Meer zu genießen, nahm er neben dem Rauschen
der Wellen plötzlich das Schluchzen einer Frau wahr.
Hm? Wo kommt das her?
Er sah sich um und
entdeckte eine Frau mit schulterlangem blondem Haar, die in einem roten,
enggeschnittenen Badeanzug im Sand saß und mit merkwürdigen Verrenkungen ihren
Fuß untersuchte. Dabei fluchte sie lautstark über sich selbst, was Tom zum Schmunzeln
brachte.
Da das entzückende Wesen mit
seinem Tun keinen Erfolg zu haben schien, versuchte es nun aufzustehen. Doch dabei
geriet die Frau ins Wanken und drohte hinzufallen. Toms Helfersyndrom ließ ihn sofort
reagieren und mit einem Hechtsprung war er bei ihr und hielt sie fest, bevor sie
mit dem Gesicht im Sand landen konnte. Erschrocken schaute sie zu ihm auf. Eigentlich
war es ab diesem Zeitpunkt um Tom geschehen. Er blickte in ein Paar Augen, die
schöner nicht sein konnten. Es waren zwei dunkle Smaragde, die wie Juwelen
funkelten. Inmitten der Farbenpracht drückte dieser Blick eine gewisse
Traurigkeit aus, die Tom sofort berührte und die er mit allem, was in seiner
Macht stand, verblassen lassen wollte.
Das ist doch jetzt nicht wahr. Das bildest du dir ein.
Oder dein Wunschdenken, auch endlich eine Frau fürs Leben zu finden, schaltet
dein Hirn aus und führt zu unüberlegten Handlungen. Und dann läufst du sabbernd
mit dickem Schwanz hinter jeder her, die nicht bei zweieinhalb auf dem Baum
ist!
Das würde Tom, der sich ja
immer gut unter Kontrolle hatte – im Beruf wie auch bei der Ausübung seiner
sexuellen Neigung – natürlich niemals passieren.
Aber diese Augen, dieser
Blick. Da konnte man schon schwach werden.
Eine gefühlte Ewigkeit
standen sie eng beieinander und Tom hielt dieses entzückende Wesen mit den
Meeraugen, den blonden Locken und den verführerischen Rundungen, das mehr als
einen Kopf kleiner war als er, immer noch in festem Griff um die Taille. Bis
ihre wütende Stimme ihn in die raue Wirklichkeit zurückholte.
„Hallo…? Könnten Sie mich
vielleicht mal loslassen? Ich bin durchaus in der Lage, auf meinen eigenen
Beinen zu stehen.“
Tom musste wieder schmunzeln.
Süß ist sie, wenn sie wütend ist. Und eine verführerische
Stimme, wenn ich sie erst mal zum Schreien…
„Hallo!“ Die
verführerische Stimme klang jetzt richtig aufgebracht und die Süße fing an,
sich in seinem Griff zu winden. „Lassen Sie mich sofort los oder ich schreie!“
Toms Verstand übernahm
wieder. „Das brauchst du nicht. Ich halte dich nur, damit du nicht fällst. Was
ist mit deinem Fuß?“
Ein Ausdruck der
Verwunderung schlich sich in das herrliche Smaragdgrün.
„Kennen wir uns? Ich
wüsste nicht. Also würden Sie mich bitte nicht so vertrauensvoll duzen.“
„Nein, noch kennen wir uns
nicht. Ich bin Tom und als dein Helfer in der Not fand ich diese Anrede angemessen.
Also, dein Fuß?“
„Na, wenn Sie meinen …“
Sie ging nicht weiter darauf ein, löste sich aus seinem Griff und drehte sich
in Richtung der Strandkörbe um. Doch als sie den besagten Fuß belasten wollte, geriet
sie erneut mit einem lauten Aufschrei ins Straucheln. Kurzerhand griff Tom wieder
zu. Doch dieses Mal nahm er sie direkt auf den Arm und trug sie zu einem der
Strandkörbe.
„Keine Widerrede!“, kam er
ihr bestimmend zuvor, als sie den Mund aufmachen wollte. Er setzte sie hin und
nahm den Fuß in die Hände.
„Also, sag schon …“
Sie gab sich geschlagen.
„Ich bin im Wasser irgendwo reingetreten. Vielleicht eine Scherbe. Hier ist es
ja sonst recht sauber, aber wenn hier eine Scherbe herum liegt, dann trete ich garantiert
rein. Ich ziehe so etwas magisch an. Liegt irgendwo ein Haufen Kacke, dann
trete ich hinein. Ist wahrscheinlich gar nicht so schlimm, aber beim Auftreten
tut es weh. Vielleicht ist noch eine Scherbe drin.“
„Hm.“ Tom musste sich
zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.
Er sah ihr in die Augen,
doch da war keine Wut oder Schmerz zu sehen, sondern Bestimmtheit.
„Jetzt guck halt nicht so
grimmig und zieh das Ding da raus, damit ich mich aus dem Staub machen kann.
Ich kann ja schließlich nicht ewig hier sitzen und meinen Fuß von dir halten
lassen.“ Sie lächelte ihn an.
Humor hat sie auch noch und kann über sich selber lachen.
Ganz dein Geschmack. Und duzen tut sie dich mittlerweile auch schon. Läuft bei
dir…
„Na, wenn du hier schon so
herumscherzt, ist der Schmerz wohl nicht so groß.“
„Wenn ich mich zu lang
über meine Missgeschicke aufregen würde, hätte ich den lieben langen Tag nichts
anderes zu tun.“
Tom strich vorsichtig den
Sand ab und sah sich die Sache genauer an. Ein kleines Stück einer Muschel
drückte sich unter dem kleinen Zeh in die Haut. Das war wirklich keine große
Sache, aber wenn man auf so etwas trat und einen Nervenendpunkt erwischte,
konnte es durchaus schmerzhaft sein.
„Hm…“, sagte er und
versuchte, besorgt zu klingen. Was ihm anscheinend gelang. Sie versuchte, den
Fuß wegzuziehen.
„Hm, was?“, fragte sie und
sah ihn mit erschrockenen Augen an. Tom liebte es, diese Reaktion bei seinen
Gespielinnen hervorzurufen.
Gott, diese Augen! Dieses Grün! Und jetzt ist sie dir
auch noch ausgeliefert!
Das ging ihm durch und durch
und endete in seinem Schwanz, den er nicht mehr unter Kontrolle hatte. Zum Glück
kniete er vor ihr und so fiel die Beule in seinen Shorts nicht so auf.
Schon fast verstohlen nahm
er ihre ganze Erscheinung in sich auf. Die hübschen, blondgelockten Haare, die
leicht auf ihre Schultern fielen. Ihr Gesicht war geprägt von den Augen, die
Tom faszinierten. Ihre Lippen passten sich den feinen Zügen an. Ihr recht
kleiner Körper war zwar nicht gertenschlank, aber gut proportioniert, was ihm sowieso
besser gefiel. Tom konnte nichts feststellen, was nicht war, wo es hingehörte.
Ihre Brüste und ihr leicht gewölbter Bauch unter ihrem Badeanzug schrien
förmlich danach, von ihm ausgepackt zu werden. Sie war perfekt für ihn, wie sie
so zitternd vor ihm saß und abwarten musste, was er mit ihr tun würde. Er hielt
ihren Fuß in festem Griff, wollte sie jetzt aber nicht länger zappeln lassen.
„Kleiner Scherz. Du bist
in eine kaputte Muschel getreten. Ein kleines Stück ist noch in deiner Haut.
Ich ziehj es raus. Es ist nicht schlimm. Vertrau mir.“
Tom wartete gespannt auf
ihre Antwort. Denn diese letzten beiden Worte hatte er nicht einfach so
ausgesprochen. Für ihn waren sie immer von großer Bedeutung. Wie also würde sie
reagieren?
Sie sah ihn fast
unterwürfig an. Er konnte ihre Reaktion in ihren Augen lesen, wie in einem
Buch. Und er sah, dass ihr Ausdruck sich änderte.
Natürlich vertraut sie dir!
„Na gut. Aber ich muss
dich warnen. Ich bin ein absolutes Weichei, was Schmerzen angeht. Wenn es weh
tut, schreie ich den ganzen Strand zusammen. Ohne Hemmungen.“
Tom musste sich
zusammenreißen, denn sie konnte ja nicht ahnen, was sie da gesagt hatte. Aus
seiner Sicht hatte sie gerade die wichtigste Eigenschaft einer Devoten gezeigt.
Und sie hatte ihn wieder geduzt. Unbewusst vielleicht, aber er sah darin einen
weiteren Schritt der Annäherung.
Tom hielt den Fuß mit der
linken Hand in festem Griff, während er mit der rechten zärtlich die Fußsohle
streichelte.
„Du wirst es kaum spüren.
Versprochen. Ein kurzes Ziehen und es ist vorbei. Hey! Was ist das da auf
deiner Nase?“
„Was? Wo?“ Sofort war sie
abgelenkt und fasste sich ins Gesicht. Tom nutzte den Moment und zog das kleine
Stück Muschel heraus. Sofort war ihr Blick wieder auf ihn gerichtet.
„Aua! Du Schuft! Du hast
mich reingelegt“, rief sie sichtlich erleichtert aus.
„Reine Taktik. Hat doch
funktioniert. Es blutet ein bisschen. Warte etwas, bevor du wieder auftrittst,
damit sich der Schnitt verschließen kann. Es ist aber nicht tief. Nichts
Schlimmes.“
„Du bist dir da ja sehr
sicher. Arbeitest du im Krankenhaus?“
„Nein, ich bin Polizist,
aber mit guter Ausbildung in erster Hilfe.“
„Oh, ein Polizist. Und du
kommst aus Hamburg?“
„Ja. Hört man das? Du bist
sehr aufmerksam.“
„Ja, das hört man an
deiner Aussprache. Und ja, ich bin aufmerksam. Vor allem, wenn es um Sprache
geht. Ich arbeite in einer großen Firma an der Rezeption. Da kommen viele
Anrufe und ich habe gelernt zu spüren, wie die Leute drauf sind, deren Stimme
ich höre.“
„Oh, eine Dame der
Empathie!“
„Eine was?“
„Du reagierst auf die
Gefühle anderer. Spürst sie und kannst dich in sie hinein versetzen. Und hast
eine Wirkung auf dein Gegenüber. Glaub mir. Du bist empathisch.“
„Also eine positive
Eigenschaft, meinst du? Na, dann danke für das Kompliment.“
„Oh bitte, gern geschehen.
Und? Wo kommst du her? Und wie heißt du überhaupt?“
„Ich bin Flo. Ebenfalls
aus Hamburg.“
„Flo?“
„Ja, eine Abkürzung. Alle
nennen mich so, weil ich meinen richtigen Namen doof finde. Und du? Tom, ja?“
„Genau. Nur Tom und das
ist keine Abkürzung.“
„Okay. Tom ohne
Abkürzung.“ Flo lachte.
Tom liebte diesen Klang.
Und sein Blick schien genau das auszudrücken. Flo jedenfalls deutete es so.
„Oh nein. Das läuft doch
nicht aufs Flirten hinaus Tom, oder? Bitte nein. Das geht nicht. Es tut mir
leid. Das wollte ich nicht.“
„Jetzt bleib ruhig. Was
wolltest du nicht?“
„Mit dir flirten. Dir
irgendwelche Hoffnungen machen.“
„Keine Angst. Wir stehen
erst am Anfang.“
„Und so muss es auch
bleiben. Es geht nicht. Zu einer anderen Zeit wäre ich nicht abgeneigt, glaub
mir. Aber jetzt ist es zu spät.“ Flo senkte ihren Blick und Tom nahm den Zwiespalt
in ihrer Stimme wahr. Dann sah sie ihn an und ihre Augen spiegelten ihre
Gefühle wider. Was konnte es sein, dass sie auf einmal bedrückte?
„Was ist los?“
Flo stand auf, ging zu
ihrem Strandkorb und begann hektisch, ihre Sachen zusammenzupacken.
„Ich muss gehen. Es ist
schon viel zu spät und ich muss mich noch umziehen.“ Ihr Blick war traurig und
es stach ihm ins Herz. Irgendetwas beschäftigte diese Frau und ließ sie nervös
aufspringen. Etwas, das sie unglücklich machte.
Tom packte sie am
Handgelenk und zog sie näher zu sich.
„Du hast es auch gespürt.
Das zwischen uns komischerweise von Anfang an eine gewisse Anziehung geherrscht
hat. Warum auch immer. Also, sag mir, was dich jetzt von mir wegtreibt.“
Flo sah ihn irritiert an.
Ihre Stimme war genauso traurig wie ihre Augen.
„Ich kann nicht mit dir
flirten und so. Auch wenn ich noch nie jemanden getroffen habe, der mir von
Anfang an so vertraut war wie du. Wären wir uns vorher begegnet…“ Sie stockte
und schluckte hart.
„Ich muss zurück ins
Hotel. Mein Verlobter wartet. Heute Abend ist dort ein wichtiger geschäftlicher
Termin. Und… ich bin schwanger. Bitte. Ich muss gehen.“
Tom ließ sie los. Sein
Mund stand offen und er konnte ihn nicht mehr schließen. Dabei war es gar nicht
seine Art, so die Kontrolle zu verlieren. Nie!
„Auf Wiedersehen, Tom. Und
danke.“ Ihre Stimme war zittrig.
„Auf Wiedersehen, Flo.“
Seine auch.
Scheiße!
Da trifft man die, die die Richtige sein könnte und dann
kommt man zu spät. Das darf doch nicht wahr sein!
Und Tom wusste genau, dass
Flo in ihrer Beziehung nicht glücklich war. So wie sie reagiert hatte. Die
Traurigkeit in ihren Augen.
Gott! Diese Augen! Sein
Leben lang würden sie ihn verfolgen.
Er sah ihr nach. Seiner
Traumfrau. Und blieb fassungslos am Strand zurück
1
Flo lief, so schnell es
ihr verletzter Fuß erlaubte, weg von Tom.
Was war das denn? So was hast du ja noch nie erlebt! Und
wirst du auch nicht mehr. Du musst jetzt an dein Kind denken!
Mit Tränen in den Augen
erklomm sie die Stufen, die vom Strand wegführten. Sie widerstand dem Drang,
sich zu ihm umzudrehen. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, da wäre
sie sofort schwach geworden. Toms ganze Erscheinung zog Flo magisch an. Nie hatte
sie das glatt zurückgekämmte Haar ihres Verlobten gemocht. Tom hingegen sah
verwegen aus mit seinem fast kahl rasierten Kopf und diesem genau getrimmten
Kinnbart, der in einer schmalen Linie am Kinn entlang bis zu den Schläfen
führte. An dieser Stelle begann ein leichter grauer Ansatz, was sehr sexy
wirkte.
Wie alt er wohl ist? Egal, das hat dich nicht zu
interessieren.
Sein restlicher Körper
brachte sie ebenfalls ins Schwärmen. Unter dem engen T-Shirt zeichneten sich
seine Bauchmuskeln ab. Die starken Arme, die sie einfach so getragen hatten, versprachen
Sicherheit. Natürlich lugten unter den Ärmeln ein paar Linien eines bestimmt
markanten Tattoos hervor. Obwohl Tom mehr als einen Kopf größer und viel
breiter war als sie, hatte sie nicht einen Augenblick Angst vor ihm gehabt.
Seine dunkelbraunen Augen strahlten eine beruhigende Wärme aus, obwohl seine
markanten Gesichtszüge eher bedrohliche Dominanz versprachen, wie sie zu einem
Polizisten passte. Ebenso wie dieser durchtrainierte, große, männliche Körper. Und
trotzdem hatte sich Flo wohl in seiner Gegenwart gefühlt. Und das nach nur ein
paar Minuten. Das war fast zu verrückt, um wahr zu sein.
Flo betrat das Hotel und
ging zielstrebig auf die Treppe zu, die sie in die Etage führte, in der sich
ihr Zimmer befand. Natürlich mit Strandblick. Das beste Haus am Platz und
wahrscheinlich auch das teuerste. Immer auf Ansehen bedacht. Flo wusste selbst
nicht, wie sie dahin gekommen war, wo sie gerade war.
Sie hatte ihren Job in
einem Wellnesshotel als Wellnesstrainerin verloren und wurde von der
Arbeitsagentur in eine Firma an die Rezeption verfrachtet. Sie wusste nichts über
diese Firma und hatte auch nicht vor, lange zu bleiben. Sie bewarb sich weiter um
ihren geliebten Job und nahm währenddessen freundlich die Anrufe entgegen. Dann
irgendwann stand der Juniorchef, Alwin Müller, vor ihrem Tresen und begrüßte
sie mit ihrem Namen.
„Guten Morgen, Frau von
Rosen. Es freut mich, dass unsere Besucher als Erstes Sie zu Gesicht bekommen,
wenn sie zu uns kommen.“ Flo wurde rot und wusste nicht, wie ihr geschah. Ja,
das war ihr Name. Floriane von Rosen. Gott, wie sie den immer gehasst hatte.
Ihre Urgroßoma hatte ihn ausgesucht. Alter Adel. Aber wenigstens hatte sie ihr auch
das Haus mit den vier Wohnungen vermacht. In einer davon wohnte sie mit ihrer
Freundin Ewa. Von den Mieteinnahmen der anderen konnte man übrigens die Zeit
auch ohne Job überbrücken, wenn das Leben dann nicht so langweilig wäre.
Woher kennt er deinen Namen? Der Juniorchef! Und recht
gut sieht er auch noch aus.
Naja. Ihr Traummann wäre
etwas größer und hätte nicht so glatt zurückgestyltes Haar, aber seine Figur
hielt er in Schuss, immerhin…
In den folgenden Tagen
begrüßte er sie immer wieder persönlich. Sie fühlte sich geschmeichelt. Flo war
gerade mal wieder solo. Aber irgendwie bekam sie langsam Torschlusspanik. Sie
war mittlerweile zweiunddreißig Jahre alt und fühlte ihre innere Uhr ticken.
Sie war keine von diesen Karrierefrauen, sondern eher ein Familienmensch. Wenigstens
ein Kind wollte sie in ihrem Leben haben.
Und als die Betriebsfeier
anstand und Alwin sie persönlich einlud, sagte sie spontan zu. Der Alkohol
floss in Strömen. Flo vertrug eigentlich nicht viel, aber ihr Glas war
wundersamerweise immer gefüllt. Alwin war ständig in ihrer Nähe und irgendwann zog
er sie in einen Abstellraum. Dort schob er ihr sofort den Rock hoch und den
Slip herunter. Dann war er in ihr, ohne sie zu fragen, ob auch sie das so
wollte.
Flo kam es vor, als würde
sie das gerade gar nicht selbst erleben. Sie stand einfach neben sich und es
lief ab wie im Film. Dann war da ein Taxi. Ewas Gesicht direkt vor ihr und dann
die Kloschüssel, in die sie sich entleerte.
Am nächsten Morgen kamen
Fetzen der Erinnerung zurück. Alwins grinsendes Gesicht, wie er ihr immer
wieder Champagner nachgoss und sie nicht nein sagen mochte. Obwohl er ihr noch
nicht einmal schmeckte. Dann war er in ihr. Mit einem Stoß. Es tat weh, weil
sie knochentrocken war. Am Ende lag sie auf dem Boden. Im Abstellraum! Wie erniedrigend.
Am nächsten Morgen, sie
stand mit dickem Schädel pflichtbewusst am Empfangstresen der Firma, kam Alwin
und eröffnete ihr, dass sie nun zusammen wären.
Flo fiel aus allen Wolken
und erbat sich etwas Zeit.
„Aber natürlich, meine
Rose“, erwiderte ihr wohl Zukünftiger. Aber irgendwie fühlte sich das nicht
richtig an. Und sie mochte auch nicht „meine Rose“ genannt werden.
In den nächsten Tagen ging
Flo Alwin so weit wie möglich aus dem Weg. Sie fühlte sich auf der einen Seite zwar
durchaus geschmeichelt, dass sie vom Chef umworben wurde, andererseits war aber
der Sex mit ihm nicht gerade typisch gewesen. Flo war betrunken und nicht
wirklich entscheidungsfähig. Sie schloss nicht aus, dass sie mit Alwin auch
ohne Alkohol Sex hätte haben wollen, aber es war nun mal anders gekommen.
Langsam solltest du dich entscheiden, was du willst.
Schließlich gibt er sich alle Mühe.
Und das tat er wirklich.
Alwin bemühte sich um ihre Gunst. Er lud sie
ins Museum ein und zu wichtigen Galerieausstellungen und ließ sie dafür
natürlich auch entsprechend einkleiden, damit sie in der Öffentlichkeit ein
annehmbares Erscheinungsbild aufwies, wie er sagte. So etwas war ihr bisher nie
wichtig gewesen, aber sein Vater, der Seniorchef der Firma, legte darauf sehr
viel Wert.
Naja. Gib zu, dass es dir auch gefällt, mal elegant durch
die Weltgeschichte zu laufen.
Ja, das stimmte. Flo fand
auch Gefallen daran, was sie mit anderer Kleidung aus sich machen konnte. Und
trotzdem…
Sie fand sich am nächsten
Tag tatsächlich auf Fotos in der Boulevardpresse wieder. Und fand sich
grauenvoll. Sie wollte nichts davon. Aber eigentlich wusste sie gar nicht, was
sie wollte. Alwin sah ganz gut aus und anscheinend hatte er ehrliches Interesse
an ihr.
Dann blieb ihre Regel aus.
Nach einem One-Night-Stand im Abstellraum.
So gerne sie auch Mutter
werden wollte, aber so? Sie konnte sich nicht einmal richtig daran erinnern,
nur so viel, dass sie trocken und er zum Zug gekommen war. Ein einziges Mal!
Doch so war es nun mal und
sie gestand es Alwin.
Der war Feuer und Flamme
und schlug vor, zu heiraten. Es
überraschte Flo, dass er sogar anbot, ihren Namen anzunehmen.
Und so war sie nun hier
gelandet. Auf Sylt. In einem Nobelhotel direkt am Strand von Westerland.
Wunderschön der Blick aus ihrem Fenster übers Meer. Flo in der siebten Woche
schwanger. Sie hatte sich gerade den Badeanzug ausgezogen und stand nun nackt
am offenen Fenster und genoss den kühlen Windzug. Sie strich sich
gedankenverloren über den noch nicht vorhandenen Babybauch.
„Auch wenn es sich nicht
richtig anfühlt, die Sache mit deinem Vater… Wir schaffen das. Zur Not auch
ohne ihn. Weißt du, ich hab nur dieses eine Mal mit ihm geschlafen und dabei
bist du entstanden. Keine Ahnung warum es noch nicht zu einem zweiten Mal
gekommen ist, aber ich gebe dem Ganzen noch eine Chance.“
Dann wurde es Zeit und Flo
zog Slip und BH und ihr langes rotes Abendkleid an sowie die Highheels, auf
denen sie nie laufen lernen würde, und verließ ihr Zimmer. In der Pianobar
wartete Alwin bereits auf sie. Ein wichtiger Geschäftspartner saß mit seiner
wahnsinnig gutaussehenden Tochter neben ihm. Sie tranken Champagner und stießen
auf irgendein erfolgreich getätigtes Geschäft an.
„Ah, da ist sie ja, meine
Zukünftige. Schön, dass du dich sehen lässt. Dann können wir ja zu Tisch
gehen.“
Flo beschloss den
stichelnden Ton zu überhören und machte gute Miene zum bösen Spiel. Das Essen
war nicht schlecht, doch so richtig Appetit hatte sie in den letzten Wochen
nicht. Während des Essens floss guter Wein in Strömen. Flo aber trank Wasser.
Nach belanglosem Smalltalk
und dem Dessert begab man sich wieder in die Pianobar und sinnierte über Gott
und die Welt. Flo bedachte die Gespräche mit einem Lächeln hier und da,
beteiligte sich aber nicht wirklich daran. Dies war nicht ihre Welt. Die drei
waren mittlerweile zu gutem Whiskey übergegangen, während Flo sich mit ihrem
Wasser begnügte. Vor ihrer Schwangerschaft hätte sie sich ihren
Lieblingscocktail, einen „White Lady“, aus Gin, Cointreau und Zitronensaft,
gegönnt. Aber als verantwortungsvolle werdende Mutter war das undenkbar.