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PIERCE BROWN

RED RISING

DAS DUNKLE ZEITALTER

TEIL EINS

ROMAN

Aus dem Amerikanischen
von Claudia Kern

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Die deutsche Ausgabe von RED RISING: DAS DUNKLE ZEITALTER – TEIL EINS

wird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler; Übersetzung: Claudia Kern; verantwortlicher Redakteur

und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Kerstin Feuersänger; Korrektorat: Peter Schild;

Satz: Rowan Rüster; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o.,

CZ-69123 Pohořelice. Printed in the EU.

Titel der Originalausgabe:

DARK AGE, a RED RISING novel

Copyright © Pierce Brown 2019. All rights reserved.

Map copyright 2019 by Joel Daniel Phillips

Buch-Design Originalausgabe: Caroline Cunningham

German translation copyright © 2020 Cross Cult.

Print ISBN 978-3-96658-035-9 (April 2020)

E-Book ISBN 978-3-96658-036-6 (April 2020)

Hörbuch erschienen beim Ronin Hörverlag

RED RISING: DAS DUNKLE ZEITALTER – TEIL ZWEI erscheint im Juni 2020

WWW.CROSS-CULT.DE

Für Lily

Inhalt

Dramatis Personae

Das Oberhaupt

Prolog

Darrow

TEIL I Gräuel

1 Darrow

2 Lysander

3 Darrow

4 Lysander

5 Darrow

6 Lysander

7 Darrow

8 Lysander

9 Darrow

10 Lysander

11 Darrow

12 Lysander

13 Darrow

14 Lysander

15 Darrow

16 Lysander

17 Darrow

TEIL II Handwerk

18 Virginia

19 Virginia

20 Virginia

21 Ephraim

22 Ephraim

23 Ephraim

24 Ephraim

25 Virginia

26 Virginia

27 Virginia

28 Ephraim

29 Virginia

30 Virginia

31 Virginia

32 Darrow

33 Darrow

34 Lysander

35 Darrow

36 Lyria

37 Ephraim

38 Lysander

39 LYSANDER

40 Ephraim

41 Ephraim

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Dramatis Personae

Die Sonnenrepublik

Darrow von Lykos / Der Schnitter – ehemaliger Erzimperator der Sonnenrepublik, Virginias Ehemann, ein Roter

Virginia au Augustus / Mustang – herrschendes Oberhaupt der Sonnenrepublik, Darrows Ehefrau, Primus von Haus Augustus, Schwester des Mars-Schakals, eine Goldene

Pax – Sohn von Darrow und Virginia, ein Goldener

Kieran von Lykos – Darrows Bruder, Heuler, ein Roter

Rhonna – Darrows Nichte, Kierans Tochter, Lanzenreiter, Welpe Zwei, eine Rote

Deanna – Darrows Mutter, eine Rote

Sevro au Barca / Der Kobold – Imperator der Republik, Victras Ehemann, Heuler, ein Goldener

Victra au Barca – Sevros Ehefrau, geborene Victra au Julii, eine Goldene

Electra au Barca – Tochter von Sevro und Victra, eine Goldene

Dancer / Senator O’Faran – Senator, ehemaliger Leutnant der Söhne des Ares, Deannas Ehemann, Tribun des Roten Blocks, ein Roter

Kavax au Telemanus – Primus von Haus Telemanus, Klient von Haus Augustus, ein Goldener

Niobe au Telemanus – Kavax’ Frau, Klientin von Haus Augustus, eine Goldene

Daxo au Telemanus – Erbe von Haus Telemanus, Sohn von Kavax und Niobe, Senator, Tribun des Goldenen Blocks, ein Goldener

Thraxa au Telemanus – Prätor der Freien Legionen, Tochter von Kavax und Niobe, Heuler, eine Goldene

Alexandar au Arcos – ältester Enkel von Lorn au Arcos, Erbe von Haus Arcos, verbündet mit Haus Augustus, Lanzenreiter, Welpe Eins, ein Goldener

Cadus Harnassus – Imperator der Republik, Vizekommandant der Freien Legionen, ein Oranger

Orion xe Aquarii – Navarch der Republik, Imperator der Weißen Flotte, eine Blaue

Colloway xe Char – Pilot mit den meisten Abschüssen in der ganzen Republik-Flotte, Heuler, ein Blauer

Glirastes der Meistermacher – Architekt und Erfinder, ein Oranger

Holiday ti Nakamura – Dux von Virginias Löwenwache, Triggs Schwester, Klientin von Haus Augustus, Zenturio der Pegasus-Legion, eine Graue

Quicksilver / Regulius ag Sun – reichster Mann der Republik, Chef von Sun Industries, ein Silberner

Publius cu Caraval – Tribun des Kupferblocks, Senator, ein Kupferner

Theodora – Anführerin der Splitteragenten, Klientin von Haus Augustus, eine Pinke

Zan – nach Darrows Amtsenthebung Erzimperatorin der Republik, Kommandantin der Verteidigungsflotte von Luna, eine Blaue

Clown – Heuler, Klient von Haus Barca, ein Goldener

Pebble – Heulerin, Klientin von Haus Barca, eine Goldene

Min-Min – Heulerin, Scharfschützin und Waffenexpertin, Klientin von Haus Barca, eine Rote

Screwface – Heuler, Klient von Haus Augustus, ein Goldener

Marbles – Heuler, Hacker, ein Grüner

Tongueless – war Gefangener in Deepgrave, ein Obsidianer

Felix au Daan – Darrows Leibwächter, Klient von Haus Augustus, ein Goldener

Die Weltengesellschaft

Atalantia au Grimmus – Diktatorin der Weltengesellschaft, Tochter von Magnus au Grimmus, dem Herrn der Asche, Ajas und Moiras Schwester, ehemalige Klientin von Haus Lune, eine Goldene

Lysander au Lune – Enkel des ehemaligen Oberhaupts Octavia, Erbe von Haus Lune, ehemaliger Patron von Haus Grimmus, ein Goldener

Atlas au Raa / Der Ritter der Furcht – Bruder von Romulus au Raa, Legat der Null-Legion (»die Gorgonen«), ehemaliges Mündel von Haus Lune, Klient von Haus Grimmus, ein Goldener

Ajax / Der Ritter des Sturms – Sohn von Aja au Grimmus und Atlas au Raa, Erbe von Haus Grimmus, Legat der Eisenleoparden, ein Goldener

Kalindora au San / Die Ritterin der Liebe – olympische Ritterin, Alexandar au Arcos’ Tante, Klientin von Haus Grimmus, eine Goldene

Julia au Bellona – Cassius’ entfremdete Mutter und Darrows Feindin, Primus der Überreste von Haus Bellona, eine Goldene

Scorpio au Votum – Primus von Haus Votum (den Metallschürfmagnaten und Erbauern des Merkur), ein Goldener

Cicero au Votum – Erbe von Haus Votum, Scorpios Sohn, Legat der Skorpionlegion, ein Goldener

Asmodeus au Carthii – Primus von Haus Carthii (den Schiffsbauern der Venus), ein Goldener

Rhone ti Flavinius – lunesischer Subprätor, ehemaliger stellvertretender Kommandant der XIII Dragoner-Prätorianerwache unter Aja, ein Grauer

Seneca au Cern – Dux von Ajax, Zenturio der Eisenleoparden, ein Goldener

Magnus au Grimmus / Der Herr der Asche – Octavia au Lunes ehemaliger Erzimperator, der Verbrenner von Rhea, ein Goldener, der von den Heulern und Apollonius au Valii-Rath getötet wurde

Octavia au Lune – ehemaliges Oberhaupt der Weltengesellschaft, Lysanders Großmutter, eine Goldene, wurde von Darrow getötet

Aja au Grimmus – Tochter von Magnus au Grimmus, des Herrn der Asche, eine Goldene, wurde von Sevro getötet

Moira au Grimmus – Tochter von Magnus au Grimmus, des Herrn der Asche, wurde von Ragnar getötet

Das Randzonenreich

Dido au Raa – Co-Konsul des Randzonenreichs, Ehefrau von Romulus au Raa, dem ehemaligen Oberhaupt des Randzonenreichs, geborene Dido au Saud, eine Goldene

Diomedes au Raa / Der Ritter des Sturms – Sohn von Romulus und Dido, Taxiarchos der Blitzphalanx, ein Goldener

Seraphina au Raa – Tochter von Romulus und Dido, Lochagos der Elften Staubläufer, eine Goldene

Helios au Lux – zusammen mit Dido Co-Konsul des Randzonenreichs

Romulus au Raa / Der Herr des Staubs – ehemaliger Primus von Haus Raa, ehemaliges Oberhaupt des Randzonenreichs, ein Goldener, starb durch rituellen Selbstmord

Die Obsidianen

Sefi die Stille – Königin der Obsidianen, Anführerin der Walküren, Ragnar Volarus’ Schwester, eine Obsidiane

Valdir der Ungeschorene – Kriegsherr und Sefis königlicher Geliebter, ein Obsidianer

Ozgard – Schamane der Feuerknochen, ein Obsidianer

Freihild – Geistkriegerin der Skuggi, eine Obsidiane

Gudkind – Geistkrieger der Skuggi, ein Obsidianer

Xenophon – Sefis Berater, ein Weißer Logos

Ragnar Volarus – ehemaliger Anführer der Obsidianen, Heuler, ein Obsidianer, wurde von Aja getötet

Weitere Figuren

Ephraim ti Horn – Freiberufler, ehemaliges Mitglied der Söhne des Ares, Trigg ti Nakamuras Ehemann, ein Grauer

Volga Fjorgan – Freiberuflerin, Ephraims Kollegin, eine Obsidiane

Apollonius au Valii-Rath / Der Minotaurus – Erbe von Haus Valii-Rath, wortreich, ein Goldener

Der Fürst der Hände – Syndikatsagent, Meisterdieb, ein Pinker

Lyria von Lagalos – Gamma vom Mars, Klientin von Haus Telemanus, eine Rote

Liam – Lyrias Neffe, Klient von Haus Telemanus, ein Roter

Harmony – Anführerin der Roten Hand, ehemals Leutnant bei den Söhnen des Ares, eine Rote

Pytha – Pilotin, Begleiterin von Cassius und Lysander, eine Blaue

Die Erscheinung – Freiberufler, ein Brauner

Fitchner au Barca / Ares – ehemaliger Anführer der Söhne des Ares, ein Goldener, wurde von Cassius au Bellona getötet

Das Oberhaupt

»Bürger der Sonnenrepublik, hier spricht Ihr Oberhaupt.«

Ich starre halb blind auf das Exekutionskommando der Kameras mit ihren Fliegenaugen. Auf dem riesigen Monitor hinter meiner Bühne schweben Kampfstationen und Kriegsschiffe über der Atmosphäre von Luna.

Acht Milliarden Augen beobachten mich.

»Am Abend des letzten Freitags, am dritten Tag des Mensis Martius, erhielt ich einen Bericht über eine groß angelegte militärische Operation der Weltengesellschaft, die sich anscheinend im Orbit des Merkur abspielt. Dies ist die größte Ansammlung von Kriegsmaterial und Truppen, die wir seit der Schlacht um den Mars vor fünf langen Jahren gesehen haben.

Wir sind für diese Krise verantwortlich. Die falschen Versprechungen, die uns über einen gegnerischen Generalbevollmächtigten gemacht wurden, haben uns eingelullt und unsere Entschlossenheit geschwächt. Sie haben uns dazu gebracht, an das Gute in unserem Feind zu glauben, und daran, dass es möglich wäre, mit Tyrannen Frieden zu schließen.

Diese Lüge, so verführerisch sie auch war, hat sich nun als ein tückischer politischer Schachzug erwiesen, der von der gerade ernannten Diktatorin der restlichen Weltengesellschaft – Atalantia au Grimmus, Tochter des Herrn der Asche – erdacht, umgesetzt und ausgeführt wurde. Wir ließen uns in ihren Bann ziehen und glaubten, man könne Kompromisse mit den Befürwortern der Tyrannei eingehen. Wir wandten uns von unserem größten General ab, dem Schwert, das die Ketten der Knechtschaft durchschlagen hat, und verlangten von ihm, einen Frieden zu akzeptieren, den er als Lüge durchschaute.

Als er das nicht tat, schrien wir: Verräter! Tyrann! Kriegstreiber! Aus Angst vor ihm zogen wir die Heimatschutztruppen aus der Weißen Flotte über dem Merkur ab. Wir nahmen Admiral Aquarii die Hälfte ihrer Kampfkraft und ließen sie geschwächt und angreifbar zurück. Nun treiben die Trümmer ihrer Flotte, der Flotte, die unser aller Heimat befreit hat, im All. Zweihundert Ihrer Kriegsschiffe sind zerstört worden. Tausende Ihrer Matrosen sind gefallen. Millionen Ihrer Brüder und Schwestern sind auf einer feindseligen Welt gestrandet. Trillionen Ihres Wohlstands sind vernichtet worden. Nicht wegen überlegener gegnerischer Waffen, sondern wegen der Zankerei in Ihrem Senat.

In den letzten Monaten wurde in den Sälen des Neuen Forums, auf den Straßen Hyperions und von den Nachrichtensendern unserer Republik oft gefordert, dass wir uns von diesen Söhnen und Töchtern der Freiheit, diesen Freien Legionen abwenden sollten. Ich habe selbst gehört, wie man sie öffentlich und ohne Scheu als »die Verlorenen Legionen« bezeichnete. Sie haben sie abgeschrieben und das trotz des Muts, den sie aufgebracht haben, trotz der Ausdauer, die sie bewiesen haben, trotz der Schrecken, die sie für Sie erlitten haben. Abgeschrieben, weil wir befürchten, dass eine Invasion unserer Heimatwelten drohen könnte, wenn wir uns von unseren Schiffen trennen. Weil wir befürchten, noch einmal das Eisen der Weltengesellschaft an unseren Himmeln zu sehen. Weil wir befürchten, wir könnten den Komfort und die Freiheit verlieren, die uns die Männer und Frauen der Freien Legionen mit ihrem Blut erkauft haben …

Ich werde Ihnen sagen, was ich befürchte. Ich befürchte, dass unsere Träume mit der Zeit verwässert worden sind! Ich befürchte, dass wir so bequem geworden sind, dass wir Freiheit für selbstverständlich halten!« Ich beuge mich vor. »Ich befürchte, dass unsere schwächelnde Entschlossenheit, das Gezänk und die Verleumdungen, in denen wir uns auf solch dekadente Weise suhlen, uns des einheitlichen Willens berauben werden, der diese Welt nach vorn gebracht und verbessert hat, der es uns zum ersten Mal seit einem Jahrtausend erlaubt hat, eine Bastion der Freiheit und Gerechtigkeit zu errichten.

Ich befürchte, dass diese Uneinigkeit uns in diese schreckliche Epoche zurückziehen wird, aus der wir entkommen sind, und dass dieses neue dunkle Zeitalter dank der Tücke, die wir in unserem Feind hervorgebracht haben, grausamer, böser und langwieriger als das letzte sein wird.

Ich rufe Sie, die Bürger dieser Republik, zur Einigkeit auf. Flehen Sie Ihre Senatoren an, sich der Furcht zu verweigern. Nicht in Eigennutz zu erstarren. Nicht zitternd der Urangst vor einer Invasion nachzugeben. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Senatoren sich nicht Ihren Reichtum aneignen und sich nicht hinter Ihren Kriegsschiffen verstecken, sondern die Racheengel in ihrem Geist hervorbringen und die Macht der Republik nutzen, um die Maschinen der Tyrannei und der Unterdrückung aus dem Himmel des Merkur zu schleudern und unsere Freien Legionen zu retten.«

In diesem Moment steigen Geschosse, die mit Tarnpolymer von Sun Industries ummantelt sind, dreihundertvierundachtzigtausend Kilometer von meinem Herzen entfernt, vom eigensinnigen Kontinent Südpazifika auf und rasen mit einer Geschwindigkeit von dreihundertzwanzigtausend Stundenkilometern durch die Leere auf den Merkur zu. An Bord haben sie nicht den Tod, sondern Ausrüstung, Strahlenmedikamente, Kriegsmaschinen und, sollte mein Gatte noch am Leben sein, eine hoffnungsvolle Botschaft.

Wir haben euch nicht vergessen. Ich werde dich holen.

Halte bis dahin durch, mein Geliebter. Halte durch.

Prolog

ZWEI MONATE ZUVOR

Darrow

Blutrot

Ein Friedhof aus Republik-Kriegsschiffen treibt im Schatten des Merkur.

Von der siegreichen Weißen Flotte, die Luna, Erde und Mars befreit hat, sind nur verbogene Splitter und geschwärzte Höhlen geblieben. Die gebrochenen Schiffe, die von der mächtigen Asche-Armada zerschlagen wurden, drehen sich im Orbit eines Planeten, den sie nur Monate zuvor befreit haben. Die marsianischen Matrosen und Legionäre, die Eos Traum treu geblieben waren, drängen sich dort nicht mehr. Die kalten Hallen sind schutzlos dem Vakuum ausgeliefert und werden nur noch von den Toten bewohnt.

Der Herr der Asche verhöhnt uns ein letztes Mal, und seine Erbin feiert ihr Debüt.

Während ich den alten Kriegsherrn in seinem Bett auf der Venus zusammen mit Apollonius und Sevro verbrannte, trat seine Tochter Atalantia aus den Schatten und übernahm sein Amt als Diktator. Heimlich zog sie einen Großteil ihrer Armada von der Venus ab und benutzte die sensorstörende Strahlung der Sonne, um die Weiße Flotte in der Umlaufbahn des Merkur zu überfallen.

Orion, meine Flottenkommandantin und die beste Schiffsstrategin der Republik, ahnte nichts. Es war ein Massaker, und als ich drei Wochen später eintraf, konnte ich es nicht mehr verhindern. Die verzweifelten Notrufe meiner Freunde quälten mich, als ich die Leere durchquerte, mich immer weiter von meiner Frau und meinem Sohn entfernte und mich dem Chaos näherte.

Die Weiße Flotte gibt es zwar nicht mehr, aber die Freien Legionen, die sie zum Merkur gebracht hat, leben noch. Bald werde ich mich ihnen auf der Planetenoberfläche anschließen, aber zuerst muss ich etwas erledigen.

Das wäre einfacher mit Sevro. Alles Gewalttätige ist einfacher mit ihm.

Mein Atem rasselt in einem vakuumsicheren Anzug, als ich den Friedhof durchquere. Meine Magnetstiefel landen lautlos auf dem gebrochenen Rückgrat eines Republik-Schlachtkreuzers, und ich werfe durch einen langen Riss im Rumpf einen Blick ins Schiff, um nachzusehen, wie mein Lanzenreiter vorankommt. Die Rumpfwunde ist dreißig Decks tief. Treibgut schwebt in der Dunkelheit – Metallstücke, Matratzen, Kaffeetassen, gefrorene Tropfen Maschinenöl und einige Körperteile. Keine Spur von Alexandar.

Die steife Leiche eines Matrosen, der einen Mechaniker-Overall trägt, treibt mit den Füßen voran nach oben. Die Hitze eines Partikelstrahls hat seine Beine zu einem krummen Stumpf verschmelzen lassen. Sein Mund verharrt in einem stummen Schrei, als wolle der Matrose fragen: »Wo warst du, als der Feind kam? Wo war der Schnitter, dem zu folgen ich geschworen hatte?«

Er wurde von seinen Feinden, seinen Verbündeten, von sich selbst verraten.

Während der Republikssenat sich vormachte, man könne Frieden mit faschistischen Kriegsherren schließen, tat ich so, als würde der Tod des Herrn der Asche den Krieg in unserem Zeitalter beenden. Ich tat so, als sei dies der Schlüssel zu einer Zukunft, in der ich den Schlagsäbel niederlegen und zu meinem Kind und meiner Frau zurückkehren könnte, um ihnen ein Vater und ein Ehemann zu sein. Meine Verzweiflung brachte mich dazu, an diese Lüge zu glauben. Die Naivität der Senatoren brachte sie dazu, an Atalantias zu glauben. Aber jetzt erkenne ich die Wahrheit.

Krieg ist unser Zeitalter. Sevro glaubte, er könnte ihm entkommen. Ich glaubte, ich könnte ihn beenden. Aber unsere Feinde sind wie die Hydra. Wenn man einen Kopf abschlägt, wachsen zwei nach. Sie werden keinen Frieden schließen. Sie werden sich nicht ergeben. Wir müssen ihnen das Herz herausschneiden und ihren Kampfeswillen zu feinem Staub zermahlen.

Erst dann wird Frieden herrschen.

Lichter flackern in dem Abgrund unter meinen Füßen. Einige Minuten später schwebt ein Goldener, der einen Raumanzug trägt, zu mir herauf und stellt sich neben mich auf den Rumpf. Aus Angst vor feindlichen Sensoren drückt er sein Helmvisier gegen meines und benutzt es als Schallträger.

»Der Reaktor ist bereit für die Nekromantik.«

»Gut gemacht, Alexandar.«

Er nickt stoisch.

Der junge Soldat ist nicht mehr der unreife, unsichere Jugendliche, der vor vier Jahren als Lanzenreiter in meinen Dienst getreten ist. Nach dem Krieg schrumpfen die meisten Menschen. Manche, weil ihnen Fleisch herausgerissen wurde. Manche, weil sie Freunde verloren haben. Manche, weil sie ihre Eigenständigkeit verloren haben. Doch die meisten schrumpfen aus Scham, weil sie herausgefunden haben, wie machtlos sie sind. Weil sie mit Schrecken konfrontiert wurden, die ihre Träume von einem ruhmreichen Schicksal zerfallen ließen. Nur einige wenige Verfluchte genießen den düsteren Nervenkitzel, mit dem sie erkennen, dass sie zum Töten bestimmt sind.

Alexandar ist zum Töten bestimmt. Er hat sich als würdiger Erbe seines Großvaters Lorn au Arcos erwiesen. Und ich frage mich langsam, ob er meine Last erben wird. Er allein war der Damm, der auf dem Turm des Herrn der Asche die Flut zurückwarf, als Thraxa, Sevro und ich in die Knie gegangen waren. Das weckte den Hunger in ihm. Nun will er sich unbedingt an Atalantia für die Ermordung unserer Flotte rächen.

Ich vermisse solch klare Ziele.

Was hatte Lorn noch gesagt? »Die Wut der Alten ist kälter, denn sie allein entscheiden, wie die Jungen verbraucht werden.«

Wie viele muss ich noch verbrauchen? Was ist Alexandars Leben wert? Was ist meins wert? Ich sehe nach rechts, als könne ich dort die Antwort finden. Hinter dem Rumpf des dahintreibenden Schlachtkreuzers pulsiert der östliche Rand des Merkur wie eine geschmolzene Sense.

Der Planet ist kaum größer als Luna, doch aus dieser Nähe betrachtet wirkt er riesig. Der Schatten eines Minensuchers der Weltengesellschaft gleitet über sein Antlitz. Er spürt die atomaren Minen auf, die Orion im Orbit hinterlassen hat, um nach Atalantias Überfall unserer verzweifelten Armee bei ihrem Rückzug Deckung zu verschaffen. Nur wenige Minen sind noch übrig. Sobald sie weg sind, werden nur noch die troposphärischen Schilde, die den begehrten Helios-Kontinent bedecken, den Zorn der Asche-Armada bremsen. Die schwarzen Schiffe streifen hinter dem Friedhof umher, wo die Bodengeschütze der Republik sie nicht erreichen können. Sie warten darauf, dass ein Eiserner Regen meine gestrandete Armee trifft.

Wenn die Schilde fallen, dann fällt auch der Planet.

Zehn Millionen meiner Brüder und Schwestern stehen dann vor der Vernichtung.

Deshalb ist Atalantia hier. Sie will die Weiße Flotte auslöschen. Sie will die Freien Legionen auslöschen. Sie will sich den Merkur mit seinen Metallen und Fabriken sichern, damit die Kriegsmaschinerie der Goldenen auf der Venus antreiben und einen einzigen, unaufhaltsamen Speerstoß ins Herz der Republik vorbereiten.

Ein winziger Laser flackert über den Rumpf zwischen Alexandars Füßen. Ich drücke meinen Helm gegen den seinen. »Sie setzen sich in Bewegung«, sage ich. Sein Blick wird hart. »Wir müssen gehen.«

Wir stoßen uns gleichzeitig vom Rumpf ab und schweben wieder durch den Friedhof. Wir durchqueren ein Meer aus Leichen und zertrümmerten Ripwings und landen zwei Kilometer von dem Schlachtkreuzer entfernt auf dem zerfetzten Rumpf eines toten Fackelschiffs. Wir hüpfen über dessen Oberfläche, bis wir einen dunklen Hangarschacht erreichen. Im Inneren wartet bereits ein schwarzes Shuttle auf uns – die Nekromant, ein Prototyp und das private Tiefraum-Shuttle des Herrn der Asche. Ich habe es aus seiner Festung gestohlen und bin damit von der Venus zum Merkur geflogen. Heute wird es sich seinen Namen verdienen.

»Ameisenbär an Dunkler Tango, empfangen Sie mich?« Die kalte intelligente Stimme des Ritters der Furcht hallt aus den Lautsprechern im Bereitschaftsraum der Nekromant. Die Stimme passt zu ihrem Besitzer. Atlas au Raa, Atalantias effektivster Frontkommandant, ist das genaue Gegenteil seines ehrenvollen Bruders Romulus. Atlas hat sich mit den Guerillakämpfern seiner Null-Legion auf der Oberfläche festgesetzt und sorgt für Chaos hinter unseren Linien. Wegen ihm habe ich auch noch nicht zu meiner Armee vorstoßen können. Sie weiß nicht einmal, dass ich hier bin. Aber der Feind ebenfalls nicht.

Als ich vor drei Wochen am Merkur eintraf, hatte die Asche-Armada den Planeten bereits abgeriegelt. Zum Glück ist die Tarnvorrichtung der Nekromant die höchstentwickelte der ganzen Weltengesellschaftsarmada, und so konnten wir uns beim Anflug im Trümmerfeld verbergen.

In unserem Versteck auf dem Friedhof kann ich mit der Entschlüsselungssoftware der Nekromant die Korrespondenz des Ritters der Furcht belauschen. Wenn er von seinen Gräueltaten, Pfählungen und Verstümmelungen berichtet, klingt er so abgeklärt wie ein Arzt, der einem Patienten Medikamente verabreicht. Heute spricht er jedoch über etwas anderes.

»Dunkler Tango hört, sprechen Sie, Ameisenbär.« Die dünne Stimme eines Kupfernen antwortet an Atalantias Stelle. Irgendein boshafter Black-Ops-Leiter auf der Annihilo.

»Sklave Zwei ist verpackt und kann verschickt werden«, sagt Atlas lang gezogen. »Blutmedusa bereit. Die Tanzfläche sieht ziemlich voll aus, bestätigen Sie Landung der Eskorte und Überwachung durch Aufsichtsperson.«

»Landung bestätigt. Eskorte: Liebe, Tod und Sturm zwanzig vor Ankunft. Handschlag in vierzig Minuten. Aufsichtsperson bereit. Erbitte Handschlagsbestätigung der Eskorte. Versand erfolgt auf Ihren Befehl.«

»Verstanden. Werde Handschlag bestätigen. Ameisenbär Ende.«

Das Gespräch endet mit einem Klicken.

Sklave Zwei, so nennen sie meine Freundin. Seit Sevro und ich Orions Schiff bei unserer Flucht von Luna gekapert haben, ist die Blaue meine Vertraute, meine treue Verbündete, meine Wunderwaffe gegen die unglaublich fortschrittlichen Flotten-Prätoren der Goldenen. Nun ist sie deren Gefangene.

Sklave Zwei. Diese Arschlöcher.

Orion wurde vor unserer Ankunft vom Ritter der Furcht aus ihrer Basis in Tyche, der Hauptstadt des Merkur, entführt. Ihre Leibgarde wurde abgeschlachtet. Ihre Finger legte man auf ihr Bett, um die Freien Legionen zu verhöhnen.

Der Ritter der Furcht konnte sie zwar nicht in den Orbit bringen, war den Kundschaftern, mit denen meine Kommandanten die Verfolgung aufnahmen, jedoch immer einen Schritt voraus. Ich hörte die Berichte des Bastards, in denen er erzählte, wie er einige von ihnen bei lebendigem Leib häutete und Orion in seinen verborgenen Berglagern folterte. Heute versucht er, sie in den Orbit zu verschiffen, damit Atalantias mysteriöse Psychotechniker sich ihrer bemächtigen können. Sie werden eine neurale Extrahierung vornehmen – eine Wissenschaft, die nur meine Frau so gut wie Atalantia beherrscht. Orion hat sich der Folter zwar widersetzt, aber wenn Atalantia sich durch die Schichten ihres Bewusstseins gräbt, wird sie sehen, wie die Republik ihre planetare Verteidigung strukturiert hat.

Das darf ich nicht zulassen.

»Faschistische Arschlöcher«, murmelt meine Nichte Rhonna und streckt ihre synaptischen Handschuhe in Alexandars Richtung aus.

»Die dummen Roten Bauern haben Orion aufgegeben, nicht die Goldenen«, sagt Alexandar, während er mit seinem Razor einen Kriegsfalken in die kurzen Haare von Thraxa au Telemanus’ riesigem Kopf schneidet. Ich habe den gleichen. Thraxa betrachtet ihn bewundernd in der Spiegelung ihres mit Kerben versehenen Kriegshammers, den sie Kleines Mädchen nennt.

»Der ganze Planet ist ein Arschloch«, erwidert Rhonna. »Vielleicht solltest du dort eine Villa kaufen, Prinzessin.«

Er wirft ihr einen Kussmund zu.

»Atalantia hat wenigstens Stil«, sagt Colloway lang gezogen. Der beste Kampfpilot der Republik verschwendet seine Energie nicht. Er liegt auf einer Kiste voller Impulsrüstungen und raucht einen Burner. Seine schlanken Gliedmaßen hat er ausgestreckt, seine blassblauen Augen betrachten verträumt den sich kräuselnden Rauch. »Erinnert ihr euch noch an Dreadhammer und Lightbane? Jupiter, da hatte der Herr der Asche die Nase vorn. Wenn er das eine Nase nannte. Wahrscheinlich eher Luftverschlinger oder Einatmer von Lebensgas …«

Thraxas Kleines Mädchen knallt auf den Boden und hinterlässt zwei tiefe Dellen.

Alle halten den Mund.

Meine beste Killerin ist scharf auf einen Kampf. Sie hat sich das Gesicht orange angemalt. Ihr oberschenkeldicker Hals ist gestreckt wie der eines Sonnenbluthengstes vor dem Startschuss im Hippodrom. Während ich meine Neigung zur Gewalt wegen eines typisch Roten Schuldgefühls bedauere, suhlt sich diese Goldene vom alten Schlag in dieser Raserei. Thraxa liebt nicht den Ruhm wie einst Cassius, sie sehnt sich nicht nach einem ehrenhaften Kampf wie Alexandar oder nach einer befreienden Rache wie Sevro. Sie genießt die primitive Essenz einer Schlacht. Thraxa blüht nach dreißig Tagen an der Front auf, wenn sie mit Sattelwunden übersät und schweißbedeckt ist und Menschen jagt, die noch nie zuvor Beute gewesen sind.

»Ich bringe gerne Leute um, die ich nicht mag«, sagte sie einmal, als Pax sie fragte, weshalb sie mir folgt. »Und dein Daddy zieht sie an wie Fliegen.«

Ich betrachte die mageren Überreste meiner Truppe. Abgesehen von Colloway tragen alle den Kriegsfalken, der durch Sevro berühmt geworden ist. Alexandar, Colloway und Thraxa sind bereit. Rhonna und Tongueless auch? Der alte Obsidiane sitzt im Schneidersitz auf dem Boden.

Vom Gefängniswärter zum Gefangenen zum unerwarteten Helfer – Tongueless hat auf der Insel des Herrn der Asche bewiesen, dass man auf ihn zählen kann. Er ist ein wahrer Republikpatriot, aber ich befürchte, dass er auf das, was uns bevorsteht, nicht vorbereitet ist. Ich befürchte, dass wir alle das nicht sind. Ohne Sefis Gefährten Valdir und seine Obsidianen, ohne Sevro, Victra, Pebble, Clown und Holiday fühlt sich die Truppe kleiner an, als sie sollte. Mir fehlen meine besten Waffen und Freunde.

»Der Feind hat sich in Bewegung gesetzt«, sage ich. »Der Ritter der Furcht wird innerhalb der nächsten Stunde versuchen, Orion an die Annihilo auszuliefern. Wenn wir sie retten können, werden wir das tun. Wenn nicht, eliminieren wir sie. Sie dürfen dieses Wissen nicht bekommen.« Ich sehe jedem in die Augen, um ihre Bereitschaft dazu ablesen zu können. »Ihr kennt den Plan. Ihr alle dürft töten. Vergesst nicht, weshalb wir hier sind. Unsere Mission ist nicht die eigene Rettung, sondern der Schutz der Republik und das um jeden Preis.«

Sie nicken, aber ich frage mich, ob sie begreifen, dass ich von ihnen erwarte, alles diesem Ziel unterzuordnen. Einige werden sich von ihrem Gewissen dazu hinreißen lassen, sich anderen, höheren Zielen zu verschreiben.

Ich brauche einen Kern, auf den ich zählen kann.

»Unsere Informationen lassen darauf schließen, dass wir mindestens drei Olympischen Rittern und Gorgonen-Agenten begegnen werden.« Die Gorgonen stellen die Black-Ops-Legion des Ritters der Furcht dar. Sie setzt sich aus Beschämten Goldenen aus den Instituten sowie Grauen und Obsidianen zusammen, die aufgrund ihrer antisozialen Tendenzen der Moral der regulären Legionen schaden könnten. »Niemand wird sich ohne mich einem Olympischen stellen.«

»Wird Furcht selbst dort sein?«, fragt Thraxa.

»Er heißt Atlas«, erwidere ich. »Das wäre möglich, aber ich bezweifle, dass Atalantia vor ihrem Regen auf ihren besten Soldaten auf dem Planeten verzichten wird. Aber sie schickt Ajax.«

Alexandar und Thraxa spannen sich an.

»Hat Screwface das bestätigt?«, fragt Rhonna.

»Screwface schweigt immer noch«, sage ich. Sie senkt den Blick, weil sie befürchtet, dass er tot ist. Das ist wahrscheinlich, da unser einziger Maulwurf an Bord der Annihilo uns nicht vor Atalantias Überfall gewarnt hat. »Noch Fragen?« Keine. Eine angenehme Abwechslung. »Gut. Auf eure Posten. Holen wir unser Mädchen zurück.«

Rhonna hebt ihren Vakuumsack auf, klatscht Char und Tongueless mit der Faust ab und rutscht die Leiter zum Starshell-Hangar hinunter. Kurz empfinde ich Schuldgefühle. Ich habe meinem Bruder gesagt, dass ich ihre Sicherheit gewährleisten würde. Wenn wir nicht so unterbesetzt wären, könnte ich so tun, als würde sie auf der Nekromant gebraucht. Aber für Orion muss ich selbst meine Nichte riskieren, vor allem, weil ihre Funktion heute wichtiger als meine eigene sein könnte.

Ich halte Alexandar am Arm fest, als die anderen den Raum verlassen, und zeige auf Thraxas Farbstempel. Ich bitte ihn, mir die Ehre zu erweisen. »Ich weiß, dass du Kalindora nahe gestanden hast«, sage ich, als er das Gerät hochhebt. Er nickt, als ich die Ritterin der Liebe erwähne, die jüngere Schwester seiner Mutter.

Er scrollt sich durch die Optionen des Farbstempels. »Sie hat jeden Sommer bei uns in Elysium verbracht und Großvater immer angefleht, mit ihr zu trainieren. Aber sie war die beste Freundin von Atalantia und Anastasia. Er wollte Octavia nicht noch eine Waffe in die Hand geben.« Alexandar sieht auf. »Als er das Haus nach Europa brachte, entschied sie sich gegen die Familie und für ihr Oberhaupt. Sie ist nicht von meinem Blut.« Er richtet die Farbpistole auf mein Gesicht. »Was soll es denn sein? Koboldschwarz, Walkürenblau, Minotauruslila, Juliitürkis …«

»Blutrot.«

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Wieder in der Startröhre.

Warten auf das Töten.

Ich hasse diesen Teil.

Ein aktiver Verstand bekommt stets Nahrung. Wenn meiner ruht, frisst er sich selbst auf.

Wie oft bin ich schon hier gewesen? Eingeschlossen in diese Gebärmutter aus Metall, nicht um geboren zu werden, sondern um die Lebenden zu fressen? Die Enge erfüllt mich mit Angst. Nicht vor dem, was vor mir liegt – auf dieses Spiel kann man sich nicht vorbereiten –, sondern davor, dass dies bis in die Ewigkeit mein Sarg sein wird.

Dazu verflucht, ein Leben lang zu töten. Werde ich immer so sein?

Sehne ich mich nach diesem Leben? Mich vor dem Sonnenaufgang zu erheben? Über die Schwanz- und Furzwitze von Killern zu lächeln, die jedes Mal jünger sind, während ich älter werde? In den Ruinen von Städten unter Panzern zu schlafen, umgeben von Leichen?

Ich glaube nicht mehr an das Tal. Ich bin ein wandelnder Toter.

Wehe denen, die in meinen Schatten geraten.

Ich vermisse die Hoffnung auf Leben. Den Geruch des Regens. Das Flüstern der Wellen am Strand. Den Lärm eines vollen Hauses. Dieses Leben habe ich gemietet, aber es hat mir nie gehört.

Meine Frau und mein Sohn sind real. Keine Geister in meinem Kopf. Sie sind da draußen und atmen in diesem Moment. Wo bist du, Pax? Ist es dort, wo du entlanggehst, hell? Hast du Angst? Hat deine Mutter dich gefunden? Dein Onkel? Fragst du dich, ob dein Vater zurückkehren wird? Hasst du ihn, weil er dich verlassen hat? Wirst du das jemals verstehen?

Ich habe Teile von ihm und seiner Mutter gestohlen und als Geiseln genommen, als ich versprach, eines Tages zurückzukommen. Ich weiß, dass das gelogen war. Der Merkur wird mein Ende sein.

Ich taste nach seinem Schlüssel und denke nicht daran, dass ich ihn vor drei Wochen zu meinem Gepäck gelegt habe. Meine Gedanken wandern zu seiner Mutter. Im Gegensatz zu Sevro hat Virginia mich nicht der Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht bezichtigt. Sie weiß, welch gegensätzliche Kräfte mein Herz zerreißen. Wie kann ich Pax ein Vater sein, wenn ich die Millionen Menschen im Stich lasse, die mir nach Luna gefolgt sind? Die Verantwortung für viele überwiegt die Verantwortung für einen, selbst wenn dabei etwas in mir zerbricht. Ich fühle mich allein, weil ich weiß, dass Sevro dieses Opfer nicht bringen würde. Bin nur ich davon überzeugt oder habe ich den Verstand verloren?

Meine Frau und ich haben während meiner Reise von der Venus zum Merkur miteinander korrespondiert, bevor ich den Funkverkehr nahe dem Planeten einstellen musste. Alles andere wäre zu gefährlich gewesen. Ich rufe die letzten Worte ihrer letzten Nachricht auf. Ihre Stimme hallt durch meinen Helm. »Vertraue darauf, dass deine Frau unseren Sohn finden wird. Vertraue darauf, dass dein Oberhaupt dir die Armada bringen wird. Vertraue so weit auf mich, dass du überleben kannst.«

Ich vertraue meiner Frau. Meinem Oberhaupt vertraue ich nicht.

Sie wird Pax zusammen mit Victra und Sevro finden. Aber keine Flotte wird meine gestrandete Armee retten. Die meisten haben vergessen, dass die Schlagsäbel meines Volks nicht dazu gedacht waren, Grubenottern zu töten. Sie waren dazu gedacht, festsitzenden Bergleuten die Gliedmaßen abzuschlagen. Mein alter Mentor Dancer hat das nicht vergessen. Er leitet mittlerweile als Senator die Vox-Populi-Bewegung, und er wird uns amputieren, um die Republik zu retten.

Atalantia rechnet damit. Wenn sie die Freien Legionen hier bricht, wenn sie ihre Kriegsmaschinerie mit den Ressourcen des Merkur antreibt, wer wird sich ihr im All noch widersetzen können? Und wer soll sich Atlas und den Kommandanten der Aschelegionen am Boden stellen, wenn sie sich meiner Mutter, meinem Bruder, meiner Schwester, meinem Sohn, meiner Frau, meinen Freunden, meiner Heimat zuwenden?

Ich werde den Merkur nicht überleben. Das weiß ich. Die Freien Legionen werden den Merkur nicht überleben. Aber wir können dafür sorgen, dass Atalantia einen hohen Preis für unseren Tod zahlen muss, einen so hohen, dass er dem Goldenen Militär das Rückgrat bricht und unseren Familien, unserer Republik und unserem zerbrechlichen Traum eine Chance gibt.

Ich verstaue das Gesicht meiner Frau so wie den Schlüssel, den mein Sohn mir für sein Gravbike gab, als ich zum Merkur aufbrach. Dann starre ich das rote Licht an, bis der Funk des Feindes knackt.

»Ameisenbär an Dunkler Tango. Handschlag mit Eskorte bestätigt. Starten in drei, zwei …«

Die Raserei auf dem Planeten beginnt mit einem Funken. Eine einsame Korvette steigt aus einem im Wüstengebirge verborgenen Hangar auf. Eine Eskorte, die aus sechs Gorgonen-Ripwings besteht, folgt ihr im Tiefflug über die Wüste. Ihr Ziel ist das Sycoraxmeer außerhalb der Reichweite der Bodenschilde. Aus dem Orbit über dem Planeten stürzen fünf Schlachtkreuzer, die von Atalantias Annihilo angeführt werden, der westlichen Hemisphäre entgegen.

Über dem Meer tauchen als Reaktion Kondensstreifen der Freien Legionen auf. Atalantias Schlachtkreuzer-Kampftruppe bombardiert einen schmalen Streifen des Planeten, der nicht von Schilden geschützt wird. Bodenkanonen antworten ihnen, und die Republikgeschwader nähern sich der flüchtenden Korvette. Ripwings der Weltengesellschaft stürzen sich aus der Annihilo. Über der westlichen Hemisphäre wird gleich eine verdammt große Party steigen.

Wir werden daran nicht teilnehmen. Und die Olympischen Ritter auch nicht.

Während die Schlacht im Hintergrund tobt, konzentriere ich mich auf Colloway, der die Ladon-Einöde untersucht. »Da ist ein Geist in Ost-Ladon. Muss unser Vogel sein. Eine Korvette der Hermes-Klasse.«

»Warte, bis sie ins Trümmerfeld gelangt.« Wie erwartet zeigt die Korvette kein Interesse an dem Getümmel in der westlichen Hemisphäre. Sie durchdringt die Atmosphäre über der östlichen Hemisphäre und eilt auf den Trümmergürtel zu. »Char, hau rein.«

»Die Ionen machen Bumm.«

Tausend Tonnen erstklassiger Triebwerke und Waffen erwachen in der Höhle des toten Zerstörers zum Leben. Trägheitsdämpfer ächzen, als die Nekromant aus ihrem Versteck schießt.

»Kinn an die Brust«, rufe ich meinen Heulern ins Gedächtnis, als Colloway sich durch den Friedhof schlängelt und sich unserem Ziel nähert. »Ich bin die Speerspitze. Passt euch an meine Geschwindigkeit an. Tötet alle Gegner. Geschwindigkeit ist alles, was wir haben. Wenn wir stehen bleiben, werden wir sterben.« Unser Schiff erbebt, als es mit Trümmern kollidiert. Ich sehe, dass der Funkkanal zwischen Alex und Rhonna aktiv ist. Ich klicke mich dazu.

»Hoffentlich ist dieses Mal ein Wolfsumhang drin«, sagt Alexandar.

»Pah, für uns Welpen doch nicht«, erwidert Rhonna. »Pass auf dich auf, Prinzessin.«

»Du auch, Rostnase.«

Ich klicke mich heraus.

»Ziel in Sicht«, sagt Colloway lang gezogen. »Kneift den Arsch zusammen, es geht los.« Das Schiff dröhnt, als seine Kanonen abgefeuert werden. Man hat uns entdeckt. Das Rennen durch das Trümmerfeld, an dessen Ziellinie die Armada wartet, ist gestartet. Wie drehen uns wie ein Kreisel. Geschosse prallen von uns ab, als die Blutmedusa das Feuer erwidert. Die Sekunden ziehen sich. Jede stellt meine Geduld auf die Probe. Drei Wochen lang habe ich gewartet. Drei Wochen Dunkelheit. Drei Wochen Folter. Drei Wochen bis zu diesem Angriff.

Eine magnetische Ladung baut sich hinter mir auf.

Die Lichter springen auf Grün.

Gelb.

Rot.

Die Schwerkraft begrüßt mich.

Ich rase aus der Startröhre.

Geschwindigkeit und Sonnenlicht und kreisendes Metall. Unsere Beute jagt durch die Trümmer eines Fackelschiffs, während es und die Nekromant sich gegenseitig beschießen. Colloway hängt an ihr wie ein böser Schatten.

Die Signaturen der Heuler gehen in den Trümmern unter. Ich übernehme die Seitenschubdüsen meines Anzugs und richte mich auf die Korvette aus. Ich verlasse mich darauf, dass mein Team mir folgt. Noch fünfhundert Meter. Trümmer rasen an mir vorbei. Tropfen aus gefrorenem Blut und Wasser aus Schiffstanks verschwimmen vor meinen Augen. Die Herzschlagkontrollgeräte meiner Heuler klingen wie Presslufthämmer, als sie versuchen, mich nicht zu verlieren.

»Passt euch an mich an«, sage ich. »Passt euch an.«

Die Medusa versucht so verzweifelt, der Nekromant zu entkommen, dass sie beinahe mit dem Triebwerksblock eines Zerstörers zusammenprallt. Der Pilot schlägt auf die rechten Schubdüsen und biegt scharf nach rechts ab. Er ist verdammt gut. Doch die Menschen im Schiff werden gegen die Wände geworfen, wenn sie nicht angeschnallt sind.

Ich wittere eine Chance.

»Brich durch«, sagte ich, während ich meine Gravstiefel aktiviere und nach vorn springe. Der Rumpf der Medusa wird größer. Ich ziele auf seine Mitte und führe Colloway zum Durchbruchspunkt.

Systematische Wut baut sich in mir auf, während ich mich auf den Kontakt vorbereite.

Atalantia hat geglaubt, dass sie mir meinen Imperator stehlen könnte.

Dass ihr Ritter der Furcht meine Freundin als Spielzeug behalten und foltern könnte.

Dass ich nach Luna fliehen und meine Leute im Stich lassen würde.

Dass sie mir den Sohn stehlen könnte, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

Aber hier bin ich, du perverse Schlampe. Hier bin ich, verdammt noch mal.

Da hast du deine scheiß Konsequenzen.

»Fünf Sekunden bis Durchbruch.«

Der Rumpf der Korvette reißt auf, als Colloways Schuss wie durch ein Wunder die richtige Stelle trifft. Sein Projektil versprüht ein molekulares Kollisionsnetz.

Zwei Sekunden.

Eine.

Durchbruch.

Ich stoße in das geschmolzene Loch vor. Das schwarze molekulare Kollisionsnetz dehnt sich aus wie sich rasch vermehrender Schimmel.

Ich krache in das Netz. Meine Zähne beißen sich durch den Mundschutz. Meine Organe schmerzen. Das Netz hat die Kollision abgefangen, wird aber rasch zum Problem, so wie Alexandar befürchtet hatte. Es versiegelt das Leck, und ich hänge kopfüber darin. Ich kann den Auflösungswirkstoff, der sich am Oberschenkel meiner Impulsrüstung befindet, nicht erreichen.

Als sich das Netz weiter ausbreitet, sehe ich nur noch Schwärze. Maskierte Feinde, die zerrissene Wüstentarnkleidung tragen, kriechen hindurch. Eben noch wurden die Gorgonen durch das Leck ins All gerissen. Nun hängen sie fest wie ich. Ich kann den Razor an meinem Handgelenk nicht erreichen. Weniger als einen halben Meter entfernt richtet ein sonnenverbrannter Obsidianer mit silbrigen Wüstenaugen eine Pistole auf meinen Kopf. Ich stoße den Lauf zur Seite und bohre meine durch das Netz verlangsamte linke Hand in seinen Bauch, bis das Fleisch nachgibt. Er schreit, als ich unter seine Rippen greife und seine Leber zerquetsche.

»Meldung«, belle ich.

»Heuler Drei«, sagt Thraxa. »Feindkontakt, versprühe Gegenwirkstoff.«

»Welpe Zwei. Landung«, sagt Rhonna. »Warte auf Befehl zum Bohren.«

»Welpe Eins? Tongueless?« Ich höre nur Rauschen.

Das Kollisionsnetz blubbert. Thraxa hat den Gegenwirkstoff versprüht. Das Netz löst sich auf und wird zu einer schwarzen Suppe, die zischend auf das Deck tropft. Dampfschwaden steigen auf. Meine nun befreite Rüstung kracht auf den Boden, meine Hand steckt immer noch in dem schreienden Sklavenritter. Ich ziehe den Razor und vergrabe ihn in seinem Gesicht.

Während er zuckt, sehe ich, wie andere im Dampf auftauchen. Sechs Feinde, die auf mich zulaufen. Das Aufstehen fällt mir schwer. Dann werden aus den sechs Umrissen nacheinander zwölf. Eine schlanke Gestalt gleitet hindurch wie ein Lykos-Tänzer.

»Welpe Eins zur Stelle.«

Alexandar, der gerade sechs der besten Leute des Ritters der Furcht gespalten hat, geht vor mir auf ein Knie. Er wischt das Blut von seiner Familienklinge ab und hilft mir hoch.

Das Loch, das Colloway in das Schiff geschossen hat, zieht sich über drei Decks. Funken knistern in zerstörten Instrumenten. Die molekulare Panzerung des Rumpfs rasselt, als sie das Leck hinter uns verschließt und uns im Inneren einsperrt.

Tongueless meldet sich mit einem Klicken über Funk und taucht zwei Decks unter uns auf. Er fliegt zu uns herauf und setzt das Ripwinggeschütz zusammen, das er und Rhonna aus dem Friedhof geborgen haben. Dann hakt er die mannsgroße Waffe in das selbst gebastelte Exoskelett ein, das seine Rüstung umgibt. Thraxa quetscht sich durch eine aufgeplatzte Wand. Ihr Fuchs-Kriegshelm ist verbeult. Ein scharfes Stück Metall steckt in ihrem Unterleib und tritt am Rücken aus. Sie biegt die Spitzen des Metallsplitters nach unten und wendet sich dem Lärm der Feinde zu, der von den unteren Decks und aus dem Hauptgang zu uns dringt.

Ich werfe eine Granate auf die unteren Decks. Weißes Licht blitzt auf, und Donner hallt durch das Schiff. Ich werfe einen Blick in den Hauptgang.

Maskierte Soldaten, die Kampfausrüstung tragen, bewegen sich wie ein geduckter Organismus durch den Gang. Ich ziehe den Kopf zurück, als Kugeln sich in die Wand bohren und sie schmelzen lassen.

»Tongueless, zeig ihnen mal was.«

Tongueless richtet das Ripwinggeschütz mit dem hydraulischen Arm aus, während Thraxa ihn von hinten stützt. Das Geschütz ist für Schiffe gedacht. Nicht für Menschen. Kreischend stößt es Energieringe in den Gang und wirft den Obsidianen gegen Thraxa. Die Bildfrequenz der Welt gerät ins Stottern. Hinter Tongueless zieht Thraxa ihren Kriegshammer aus dem magnetischen Holster. Alexandar grüßt mich mit seiner Klinge und wendet sich dem Hauptgang zu.

Ein kaleidoskopisches Massaker spielt sich vor uns ab.

»Welpe Zwei, fang an zu bohren«, sage ich zu Rhonna.

»Verstanden.«

»Wenden«, befehle ich. Alle außer Tongueless drehen ihre Stiefel in Richtung Decke. »Hundert Meter bis zum Paket. Vorwärts.«

Wir stürzen uns in das Nachspiel von Tongueless’ Mahlstrom. Alles steht auf dem Kopf. Hitze lässt die Luft wabern. Körperteile liegen dampfend am Boden. Halb geschmolzene Türen hängen schräg in den Angeln. Der Hauptgang verläuft entlang des Schiffsrückgrats. Er führt auf direktem Weg zu den Gefängniszellen. Doch das bedeutet, dass man uns schon in wenigen Sekunden in die Zange nehmen wird. Wir müssen uns rasch durchkämpfen, sonst wird alles von Rhonna abhängen.

Etwas Verschwommenes taucht am Ende des Gangs auf. Drohnen rasen kreischend auf uns zu und spucken Munition aus. Drei von uns eröffnen das Feuer mit unseren Impulsfäusten. Überall klirren Granatsplitter. Dann mischen sich die Gorgonen in das Spiel ein.

Dutzende der Elite-Guerillas schießen um Ecken, aber wir schwingen uns kopfüber von der Decke wie Abrissbirnen, die aus Energie, Razorn und Hämmern bestehen.

Ich schieße einem Gorgonen mitten in die Brust und töte auch noch den gepanzerten Mann hinter ihm. Der dritte krümmt sich auf unmöglich erscheinende Weise und gibt rasch hintereinander drei Schüsse auf meinen Kopf ab. Aber ich bin schon an ihm vorbei und schieße mit meiner Faust auf einen Obsidianen.

Eine Zielsuchgranate heftet sich an meinen rechten Oberschenkel. Ich trenne sie mit meinem Razor ab, und Alexandar tritt dagegen. Sie explodiert zehn Meter vor uns und schleudert uns zurück.

»Vorwärts.«

Mit sechzehn war ich ein Killer. Mit zwanzig ein Kriegsherr. Aber mein jüngeres Ich war nicht so. Es war noch sanft und nicht an den Krieg gewöhnt. Wenn es ein Höllentaucher war, dann bin ich ein Greifbohrer.

Ich schlitze mich durch die abgehärteten Veteranen der Null-Legion, als bestünden sie aus Teig. Aber sie strömen immer noch aus allen Gängen. Meine Existenz beschränkt sich auf Rauch und Feuer. Meine Rüstung klirrt. Interne Warnungen heulen auf. Ich schalte meine Impulsschilde ein und aus, lasse sie abkühlen, damit ich nicht gekocht werde. Die Gorgonen lassen sich nicht so leicht umbringen, und es sind zu viele.

Wir sitzen fest. Umzingelt an drei Seiten, und wir kommen nicht vorwärts. Tongueless räumt mit einem Schuss den Gang hinter uns auf. Etwas trifft ihn von rechts. Ein qualmendes Loch taucht in seiner Rüstung auf. Er stolpert, als ich auf seinen Angreifer schieße und ihn mit meinem Schild schütze, damit er sich erholen kann.

»Rotieren.«

Alexandar übernimmt nahtlos die Führung und schießt in den Gang. Thraxa tritt an seine Stelle. Tongueless erholt sich und übernimmt ihre Position. Alexandar flackert durch den Gang wie eine von einem Geist besessene Flamme. Er beherrscht das Spiel mit der Schwerkraft besser als jeder andere, abgesehen von Sevro, und sein zuckender Razor bringt Leid und Tod. Er versucht, das Sperrfeuer, das uns aufhält, zu überwinden.

»Rumpfpenetrierung«, meldet Rhonna. »Breche durch.«

Die Gorgonenschützen führen ein perfektes flaxianisches Manöver durch, um Alexandar seiner Rüstung zu berauben. Drei nageln ihn mit elektrischen Geschossen fest, bevor er sie erreichen kann, worauf sein Impulsschild in sich zusammenfällt. Zwei schießen Massekugeln ab, die ihn betäuben. Er steht taumelnd wie ein Betrunkener da. Ihr Zenturio versetzt ihm den Todesstoß. Seine Mündung blitzt auf. Drei rüstungsbrechende Bohrprojektile rasen kreischend auf Alexandars Kopf zu.

Thraxa springt vor, und die Projektile zischen, als sie von ihrem intakten Impulsschild abprallen. Eines dringt durch und reißt ein Loch in ihre linke Schulter, das sie zur Seite wirbeln lässt.

»Rotieren!«

Ich nehme ihren Platz ein und rase mit meinen Gravstiefeln in diese verdammten Schützen hinein, um sie alle umzubringen. Als ihre Körper von meiner Rüstung tropfen und meine Freunde hinter mir den Kampf aufnehmen, werfe ich einen Blick in den rauchverhangenen Gang und sehe ein rotes Herz, das in der Dunkelheit brennt. Ein weißer Schädel gesellt sich zu ihm.

Zwei Silhouetten stehen noch zwischen uns und den Zellen. Die Razor der Olympischen Ritter glänzen wie Zähne. Das Herz- und das Schädelemblem, das die Ritter kennzeichnet, leuchten auf ihren Brustplatten. Die Ritterin der Liebe und der Ritter des Todes.

Wo ist der Ritter des Sturms?

Wo ist Ajas einziger Sohn?

Ich bete zu einem stummen Gott, dass er nicht bei Orion ist.

Ich sehe nach links: Gorgonen. Nach rechts: Gorgonen. Dann hinter mich, wo ich ein dreihundertfünfzig Pfund schweres Raubtier sehe, das im Gang lauert. Sein grau-schwarzer Kriegshelm ist geschlossen und bereit zum Kampf.

Ajax.

»Welpe Zwei, wir haben die Olympischen. Du bist sicher«, belle ich. Und dann: »Zu mir!«