Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Buchwerkstatt Berlin
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1. Auflage 2017
Edition Avra
ISBN 978-3-946467-79-3
Printed in Germany
Ich habe mal gehört, dass das geschriebene Wort eine der größten Erfindungen der Menschheit sei.
Ich dachte nie, dass ich mal ein Vorwort schreiben würde.
Bin weder eine Leseratte, noch kenne ich irgendwelche Schriftsteller.
Aber ich musste mich einfach mal auskotzen!
Dinge, die mich beschäftigen, aussprechen.
Scheiße, ich musste aufräumen in meinem schmerzenden Schädel.
Jetzt ist es kurz nach 23:00 Uhr und ich sitze vor meinem Rechner und denke über die korrekte Formulierung nach.
Ach scheiß drauf, ick bin Berliner und formuliere nicht rum.
Ich schreib einfach drauflos.
Meine Zeichnungen, gepaart mit meinen Kurzgeschichten, werden Dich in eine andere Welt entführen.
Vielleicht werden Dir meine Geschichten aus Deinem Leben bekannt vorkommen.
Spiel mit Deinen Instinkten und genieße meine Gedanken.
Nun wünsche ich Dir eine gute Unterhaltung, sowie eine nachdenkliche Zeit, außerhalb Deiner Realität.
Gott, die Nacht steckt mir noch in den Knochen und ich frag mich, wann ich sie loswerde.
Mit der Kälte auf der Haut und dem Rauch in der Lunge gehe ich unter die Erde.
Ich atme aus und sehe im Nebel meiner Sucht all diese Stadtzombies fremdgesteuert an mir vorbeilaufen. Ich reihe mich ein, um tiefer in den Kaninchenbau zu kommen.
Angekommen, warte ich auf den gelben Schwanz, der mich tiefer in sie einführt, um mich zu meinem persönlichen G-Punkt zu bringen.
Ich bereite mich auf den kommenden Kopffick vor, denn U-Bahnfahren in Berlin bedeutet: Jeder ist sich selbst der Nächste und man sieht die Essenz dieser Stadt und all diese Lebensgeschichten der anderen, fuck, es wird mal wieder ein heißer Ritt.
Die Zügel fest in der Hand, steig ich auf und gebe den anderen die Sporen.
Geschafft, ich sitze und lass sie in mein Leben, ob ich will oder nicht.
Als Vorspeise gibt es ein Telefonat eines angepissten Handwerkers:
„Wat … wat hat der jemacht??? Scheiße, der hat wohl ne Fotze am Hals!!!
Mann, da tu ick … und der Vogel kommt nicht. Schein einreichen am Arsch.“
Ruhe!
Das rote Licht scheint mir in die Augen und ich versuche die Vorspeise runterzuschlucken.
Doch der Kellner ist einer von der schnellen Sorte und serviert schon den Hauptgang.
Scheiße, warum greift hier nicht die Servicewüste Deutschland?
Aber bevor ich mir den ersten Bissen geben kann, wird es laut im Zug.
„Jeh außer Tür!!!“, schallt es aus den Lautsprechern.
Als das geklärt ist, kann ich endlich anfangen mein zähes Stück zu essen.
Eine Bank weiter versucht ein verständnisvoller Mitbürger seiner Freundin ihr Handy zu erklären:
Er: „Bist du behindert, Junge? Hab ich dir gestern schon gezeigt!“
Sie: „Was gestern?“
Er: „Alter, drück den Knopf, um Dings zu öffnen!“
Sie: „Ja Mann, ich drück doch!“
Er: „Nein, der andere!“
Ich dachte nur, wenn du ihn nicht gleich drückst, drück ich ihn.
Einmal tief durchatmen und den Sender wechseln, denn unter der Erde hat man eine bessere Senderauswahl als per Satellit.
Nur leider auch mit Geruch.
Scheiße, wer oder was ist das, der meine Nase ficken will?
Er ist leicht auszumachen, obwohl der Zug voll ist, steht er in einer Lichtung.
Instinktiv atme ich durch den Mund und denke mir, so wird der nie ein Exemplar verkaufen.
Erfolglos verlässt er seine Lichtung und verschwindet hinter dem roten Licht, außer sein Geruch, der bleibt noch ein paar Stationen Begleiter meiner Reise.
Ich überspringe die Nachspeise und verlasse die Bühne.
Wieder einen ungeliebten Auftritt hinter mich gebracht und ne Zugabe gibt’s später.
Ich fülle meine Lunge mit Rauch und gehe an die Oberfläche.
Der Lärm der Sirenen holt mich zurück in meine Welt und ich spüre wieder diese Kälte auf meiner Haut.
Tief einatmen, ruhig bleiben, Tunnelblick, den Herzschlag hören, Angst, Stille,
Schuss!!!
Ausatmen, Adrenalin spüren, Macht fühlen, sich von der Kraft verführen lassen.
Wer zum ersten Mal abgedrückt hat, würde es so oder so ähnlich beschreiben.
Eins will ich klarstellen, dieser Bericht soll keine Verherrlichung sein!
Frauen sind wie Feuerwaffen: Gefährlich sind sie nur in den Händen Unerfahrener.
Bericht
Kaum geschlafen, heute ist es so weit. Jetzt wird man sehen, ob sich die wochenlange Ausbildung bezahlt macht.
Im Kopf noch mal alles durchgehen.
Augen öffnen, tief ausatmen, in den Augen der anderen lesen.
Sie schreiben den gleichen Thriller, unzensiert, mit ihrem Schweiß.
Der harte Sitz schüttelt mich in die Realität zurück.
Angekommen, hörte ich die Stimme meines Ausbilders:
„Absitzen, vor dem Tonner angetreten!“
Eingereiht, hoffte ich auf ein baldiges Ende des Unwetters, das mit dem Aufstehen angefangen hatte.
Durch den Sound in meinem Helm, ausgelöst durch den herabfallenden Regen, nahm ich schwer, aber bestimmend meinen Ausbilder wahr:
„Männer, was sagt ihr? Das Wetter hab ich extra für euch bestellt.
Echtes Infanteriewetter! Gott, ich liebe es!“
Bevor ich über den tieferen Sinn dieser Aussage nachdenken konnte, ließ er noch einen los:
„Männer, es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung!“, sagte er und begab sich zu seinem Unterstand, wo schon ein heißer Kaffee auf ihn wartete.
Wir knieten uns unter ein paar kahle Bäume und rauchten den Zorn von uns weg – so gut wir konnten.
Nach seiner Kaffeepause reihten wir uns vor der Munitionsausgabe ein und lauschten erneut unserem fast trockenen Ausbilder:
„Männer, ich will keinen zucken sehen beim scharfen Schuss!
Ein Soldat zuckt nicht!“
Ich dachte mir nur, ein Soldat lässt seine Kameraden auch nicht im Regen stehen.
Fuck, wer hat dich nur zum Ausbilder gemacht?
Bevor ich über weitere Schimpfwörter so wie „Hurensohn“ nachdenken konnte, wurde mir in den Rücken gerufen:
„Fünf Schuss richtig übergeben!“
Das hoffe ich für dich du … nein, keine Aggressionen jetzt!
Der arme Kerl kann nichts für den Wichser.
Blackout! Was soll ich sagen? Wie lautet die richtige Antwort?
„Schütze, was ist los mit dir? Beweg dich!“, keifte mich der Wichser von hinten an.
Ach ja, nachzählen, antworten: „Fünf Schuss richtig übernommen!“
Die letzten Meter durch den Schlamm, fast geschafft, der Puls steigt.
Der Respekt, der mich schon die ganze Zeit begleitete, beginnt ein erbittertes Gefecht mit meiner Angst.
Angekommen am Schießstand sah ich sie, auf mich wartend, unschuldig liegen.
Ihr Name: „P8“.
Ich konnte nur schwer meinen Blick von ihr abwenden und mich auf die Ansage meiner Schützenaufsicht konzentrieren.
Is auch scheißegal, was der da labert, ich kann das im Schlaf, bei Dunkelheit und bei eisiger Kälte.
Es lebe der Drill.
Bevor er seinen Sicherheitspsalm runtergebetet hatte, war ich technisch schussbereit.
Jetzt gibt’s kein Zurück mehr … den Schlitten nach hinten ziehen und entsichern.
Tief einatmen, ruhig bleiben, Tunnelblick, den Herzschlag hören, Angst, Stille,
Schuss!!!
Ausatmen, Adrenalin spüren, Macht fühlen, sich von der Kraft verführen lassen und ich habe nicht gezuckt!
Der Tabak fängt an zu verbrennen und ich schmecke den Rauch.
Mit einem Schluck schaler Cola von gestern auf der Zunge schwanke ich zum Klo.
Ausatmen, laufen lassen, die Geister der Nacht abschütteln, Wasser ins Gesicht, noch mal, fuck, der Spiegel will mich wohl verarschen?!
Bist alt geworden, Junge!
„Wie trinkst du deinen Kaffee?“ Die unerwartete Frage aus der Küche.
Kaffee? Scheiße, ich hab die Olle vergessen.
„Hey, Kleine, ich trinke meinen Kaffee immer alleine!“
„Wie jetzt?“
„Komm schon, zieh dich an und frühstücke zu Hause oder sonst wo!“
„Darf ich mich noch ein bisschen frisch machen?“
„Ja, sieh zu, Mädchen!“
„Weißt du, du kannst ein richtiges Arschloch sein!“
Das ist ja schon fast ein Kompliment, dachte ich mir und ließ den Kaffee in meinen müden Körper.