Jure Jakob

Werkstückchen

Originaltitel: Delci dela

Original: © Jure Jakob und © LUD Literatura

Übersetzung: © Slowenischer Schriftstellerverband (DSP), 2019

Übersetzung

Ann Catrin Bolton

Nachwort

Aljaž Krivec

Redaktion von Litteræ Slovenicæ

Tina Kozin, Tanja Petrič

Redaktionelle Bearbeitung dieser Ausgabe

Tina Kozin

Sprachliche Korrektur

Maike Nedo

Titelfoto

Tihomir Pinter

Gestaltung

Ranko Novak

Herausgegeben und verlegt vom

Slowenischen Schriftstellerverband (DSP), Ljubljana

Vertreten durch seinen Präsidenten, Dušan Merc

Erste elektronische Ausgabe, Ljubljana 2019

https://litteraeslovenicae.si/

ISSN 2712-2417

Kataložni zapis o publikaciji (CIP) pripravili v Narodni in univerzitetni knjižnici v Ljubljani

COBISS.SI-ID=303139328

ISBN 978-961-6995-60-3 (epub)


Jure Jakob

Werkstückchen

Aus dem Slowenischen

von Ann Catrin Bolton

Mit einem Nachwort

von Aljaž Krivec

Društvo slovenskih pisateljev

Slovene Writers’ Association

Ljubljana 2019

Für Anja und Ema

Ich werde mir einen Stecken abbrechen und weitergehen

Was wird auf dieses verdächtige

Wogen der Luft folgen?

Ein undefinierbarer Teil des Tages,

und keine Vögel, die ihn

von nah und fern durchschneiden.

Ich stehe mit dem Rücken zum Wald,

und das Rascheln des jungen Laubs

sind Worte, die ich gerne

an einem Stück gesprochen hörte,

ohne Rätsel.

Die Stämme knarren, wenn sie sich biegen,

und der Wind bleibt leicht,

geht fort.

Als ich mich umdrehe und einen Schritt mache,

knackt unter meinem Stiefel ein trockener Zweig.

Hoch oben bleiben die Massen

unberührt und einflussreich.

Zwischen Schatten und Sonne

nehme ich die Hände aus den Taschen,

als sei das wirklich nötig,

weil ich eine alte Geste wiederhole,

weil ich mich auf das stütze,

wonach ich greife.

Ich werde mir einen Stecken abbrechen und ihn am Hals packen

und jeder Finger dieser einzigen Umarmung

wird ein neuer Fallstrick an meiner

Unsicherheit.

Haus

Raureif auf dem Dach, Eisblumen,

eine Vase.

Im ungeheizten Zimmer steht die Zeit,

versunken in die Bewegung des Lichts.

Keine Sonne, keine starken Schatten.

Die Bewegungen des Winters beobachtet manchmal

eine Meise, die sich aufs Fensterbrett verirrt.

Die gedämpfte Panik der Mauern,

über die ein suchender Wind kriecht,

in die Regenrinnen dringt und in die Stille pfeift.

Es ist stehen geblieben wie der Fels, auf den es gebaut ist,

lächelt das Wasser an,

das im Bach vorbeifließt.

Alle Schritte, die einst über den Boden gingen,

sind eingeprägt: im Keller, im Erdgeschoss, im Dachgeschoss.

Moos zwischen den Dachziegeln, versteinerte Latten.

Der Bussard, der oben kreist

und so hoch steigt, dass es von dort

wohl nur noch wie ein kleiner Fleck aussieht,

umgeben von einer Lichtung am Rande des Waldes,

kehrt zurück.

Ich gehe immer fort,

und jedes Mal, wenn ich wieder hier bin,

sehe ich, dass es keinen Unterschied macht, wohin.

Im ungeheizten Zimmer steht die Zeit,

versunken in die Bewegung der Augen.

Wir sitzen am Tisch.

ES geht nicht vorbei.

Hartriegel

Einst konnte man einen guten Bogen machen,

wenn man stark genug war und den

gespannten Ast mit einer Schnur zähmte.

Er wächst aus dem Fels der Sonne entgegen.

Ich kehre schon seit zwanzig Jahren hierher zurück,

heute habe ich bemerkt, dass er sich nicht verändert.

Die gelbe Frühlingsblüte,

als müsste er jedes Jahr aufs Neue

mit denselben Worten jemanden überzeugen,

es sich anders zu überlegen.

Ein wenig unterhalb habe ich meinen Garten,

ich grabe ihn um und jäte Unkraut,

freue mich und ärgere mich.

Ich werde nicht aufhören, ich kann nicht

einfach nur dastehen.

Er wächst wie der Fels und die Sonne.

Wenn ich säe, denke ich nicht an die Ernte.

Wenn ich mich abends irgendwann müde und zerschlagen hinlege

und fast zufrieden weiß, dass nichts anders sein wird,

sage ich Hartriegel.

Er erzittert und inszeniert den Herbst.

Elstern picken dunkelrote Erdbeeren

und dann vermischt sie der Frost vorübergehend

mit der Erde.

Einst konnte man in die prächtige Luft schießen

und die Pfeile flogen in wundervollen Bögen

zu Boden.

Setzlinge

Die Erde ist weich und alt.

Ich bin nicht der Erste, der hier Löcher gräbt, aber ich arbeite,

als ob etwas wieder zum ersten Mal sein könnte.

Die Grasnarbe öffnet sich wie ein Schrein,

langsam, alles ist unter Kontrolle,

häufe ich Spaten für Spaten voll

an dem gestützten Brett an, das dafür sorgt,

dass die Klumpen nicht den Hang hinunterkullern.

Fünf Löcher für fünf Setzlinge,

Sorten, die dem Hang trotzen, mit Wurzeln

wie Steigeisen und Knospenansätzen, die nach oben weisen –

sie werden sich noch eine ganze Weile nicht öffnen.

Ich denke an die Schermaus, verbinde präzise die Klemmen

des Gitters, am Hasen werde ich mich

mit einer Falle rächen. Die Hände, die die zarte Rute der Jungpflanze streicheln,

stecken in wachsamer Haut, zerkratzt von einem zerstörten Dornenstrauch,

belebt von gejäteten Brennnesseln.

In diesen Monaten ist hier keine Sonne,

doch auf dem Berg gegenüber leuchtet das Gras wie im Schaufenster.

Ein Bussard kreist und entscheidet sich

für eine herausragende Kiefer auf der hellen Seite, doch von dort

sieht man nicht hierher, so wie von hier nach dort.

Ich gehe zurück zum Schuppen, lege das Werkzeug ab.

Ich bleibe kurz stehen, als hätte ich vergessen, wo ich bin,

spucke aus und gehe ins Haus.

Durch das Fenster beobachte ich, wie die Setzlinge

langsam in die Abenddämmerung hineinwachsen.

Dann verschwindet auch das

und die Erde hebt das Dunkel hoch zum Himmel.

Kamin

Frei lässt er den Rauch in die Luft,

schlank, im blassen Schein und von Weitem gesehen

leicht geneigt, als hätte ihm der Wind,

oder war es die Zeit, eine fremde,

erzwungene Position untergeschoben.

Eine Übung in Standhaftigkeit, ein Ziegelvorbild

für Vermittlung, versengt im Gedärm,

um das herum auf allen Seiten abweisend

unbeteiligt ein gemauertes Gesicht gähnt.

Die Sonne setzt sich schräg unter ihn

und der Schatten an der Spitze flackert, als

schlüpfe jeden Moment etwas aus dem erhitzten Kopf.

Rauch windet sich davon, ein Feuerknäuel

unten im Ofen schraubt sich gleichmäßig

in die Höhe und löst sich ins Nichts auf.

Er sieht es, doch das ist dasselbe, als sähe er es nicht.

Es gibt keinen Zweck, der nicht dieser Rauch wäre,

das zwischen den Bergen gefangene

Aufsteigen der feuchten Hitze, die, wenn sie einem in die Augen gerät,

widerlich sticht und einen fortdrängt.

Auswuchs und Sockel, Zufluchtsort für Krähen,

schwarz und grau wie zum Gespött aller

anderen Vögel, die an ein Zuhause denken,

die einzigen wahren Bewohner des Rands, der leicht geöffneten Fuge,

durch die sich das Haus in den Himmel zerstreut.

Jetzt ist Sommer, die trügerische Zeit

selbstverständlicher Wärme und loser Dielen,

eine Lüge, die auf dem Dach lag

wie verdächtige Stille nach dem Mittagessen.

Ich senke einen Drahtbesen in seine Kehle,

an einer Verlängerung, zu einem Kreis gewunden,

huste trocken und lausche dem Echo

von gelöstem Pech und Ruß,

oder ist es der Lärm der abgeschabten Zeit,

ein trügerischer Fehler, ein menschlicher Irrtum:

der Geruch nach der Krume des Verbrannten

drängt für einen Augenblick argwöhnisch in die Nase,

und verschwindet dann schnell

wie eine vage Vermutung.

Jagende Katze

Es geht so viel mehr um die Einsamkeit des Spiels als um die Beute.

Sie kommt von nirgendwo, beugt mit unhörbarem Streich

den Raum, verändert im Nu

die Anordnung zu einer spannenden Szene von Lauern

und süßem Atemanhalten.

Kein Grashalm zuckt, so sorgsam sicher

sind die Schritte, als betrachte man ein Gemälde, das sich,

wendet man nur kurz den Blick ab, um eine unbestimmbare

Nuance verändert.

Eine gute Herausforderung ist Gold wert. Wenn nicht, ist die Zeit

nichts, im Knäuel des zusammengerollten Körpers

döst sie halb, halb strahlt sie elektrisch, an die Erde geschraubt

im aufgeheizten Sonnenlicht.

Maulwurf, Schermaus, Vogel, Maus; Muskeln, getarnt

in einem weichen Mäntelchen, und ein Galgenbart

zittert im unsichtbaren Vormittagsatem,

das Gras wiegt sich in Wellen und kitzelt

das gerümpfte Schnäuzchen, den Katzenverstand, feucht vom unermesslichen

Verlangen, mit der Tatze zu fangen, zu streicheln, zu wühlen,

sich zu vergraben im Wesen des verblüfften Körpers,

im Grauen.

Das ist es nicht wert. Sie sind zu kostbar für einen Imbiss,

der geschmeidige Reichtum, die traumhafte Schönheit, die hinterhältig