Für Hannah und Jakob

Du kennst mich sicher schon. Weißt du, das bin ich.

Und das ist meine Schwester Klara.

Was sie alles so anstellt, habe ich schon erzählt.

Mit ihr habe ich nur Ärger. Wirklich! Und jetzt ärgert mich, dass die Geschichten, die ich über sie erzähle, überall Klara-Geschichten heißen. Obwohl das meine Geschichten sind, wie jeder weiß.

Vielleicht nennen die Leute die Geschichten so, weil meine Schwester Klara älter ist als ich. Aber bald wird sich das auch ändern. Noch zwei Jahre, dann bin ich genauso alt wie sie. Hier ist jemand, den du noch nicht kennst.

Es ist Onkel Tonis Papagei Pippo. Früher hat mich nur meine Schwester Klara geärgert. Aber jetzt ärgert mich auch Pippo. Mein erster Ärger mit ihm begann so:

Klaras Traum

An einem Sonntagmorgen, als ich gerade eine Banane aß, kam meine Schwester Klara zu mir und fragte: »Weißt du, was ich heute Nacht geträumt habe?«

Ich wollte es gar nicht wissen, aber sie fragte schon wieder:

»Weißt du, was ich heute Nacht geträumt habe?«

»Was denn?«

»Onkel Toni hat sich einen Papagei gekauft. Einen großen bunten Papagei, der auch noch sprechen kann.«

Ich wollte meiner Schwester zeigen, dass ich auch schöne Träume habe. Darum sagte ich:

»Ich habe heute Nacht auch was geträumt.«

»Was denn?«

»Ich hatte einen Löwen. Einen schönen, kleinen, zahmen Löwen. Ich habe die ganze Nacht mit ihm gespielt.«

Ich dachte, sie wird mich jetzt beneiden und sich ein bisschen ärgern. Aber sie fragte nur: »Hast du das zum ersten Mal geträumt?«

»Zum ersten Mal«, nickte ich eifrig.

»Dann gilt das nicht!«, schrie sie, nur um mich zu ärgern. »Ich habe schon dreimal hintereinander von dem Papagei geträumt. Und wenn man dreimal hintereinander dasselbe träumt, dann wird es wahr. Onkel Toni muss den Papagei schon haben. Es ist sicher so!«

Das wollte ich meiner Schwester Klara nicht glauben.

»Stimmt nicht!«, rief ich. »Stimmt nicht!«

»Doch!«, beharrte sie. »Doch! Wenn man dreimal hintereinander dasselbe träumt, wird es wahr. Das weiß doch jeder.«

»Stimmt nicht! Stimmt nicht!«

»Doch! Doch!«

»Wollen wir wetten?«, schlug ich vor.

»Um was?«

»Wenn Onkel Toni keinen Papagei hat, dann musst du eine Woche lang alles tun, was ich will.«

»Und wenn er einen hat?«, fragte sie listig. »Was dann?«

»Dann werde ich eine Woche lang alles tun, was du willst.«

»Abgemacht!«

Wir gaben uns die Hände, um die Wette zu besiegeln, und liefen die Treppe nach oben in den fünften Stock, wo Onkel Toni wohnt.

Ich klingelte.

Endlich eine Wette mit Klara, die ich gewinnen werde!, dachte ich. Bis jetzt hatte sie immer alle Wetten gewonnen.

»Onkel Toni! Onkel Toni!«

Ich klopfte ungeduldig gegen die Tür.

Er kam, öffnete und fragte: »Was gibt es denn?«

»Onkel Toni, hast du einen Papagei?«, fragte ich.

»Ja!«, lachte er. »Willst du ihn sehen?«

Ich blieb mit offenem Munde in der Tür stehen. Das gab’s doch nicht!

»Ich habe ihn heute Morgen mit nach Hause gebracht. Komm herein. Klara hat ihn schon gesehen.«

Also so war das! Jetzt musste ich eine Woche lang alles machen, was sie wollte. Sie hatte mich schon wieder reingelegt. Sie hatte den Papagei vorher schon gesehen, und darum wusste sie, dass sie die Wette gewinnen wird. Und das mit dem Traum hatte sie sich ganz bestimmt ausgedacht.

Aber Klara schwor, dass alles stimmte. Sie hätte sich nichts ausgedacht.

»Dreimal hintereinander habe ich von dem Papagei geträumt, und als ich am Sonntagmorgen aus dem Fenster schaute, sah ich Onkel Toni mit dem Papagei«, erklärte sie. »Glaub es mir!«

Ich glaubte ihr das alles nicht so richtig. Aber seitdem versuche ich, dreimal hintereinander von einem zahmen Löwen zu träumen. Von einem kleinen, zahmen Löwen, der mir gehört. Bis jetzt habe ich es noch nicht geschafft. Aber vielleicht schaffe ich es noch. Wenn ich dann einen kleinen, zahmen Löwen habe, wird sich meine Schwester Klara bestimmt wundern!

Bist du eine Papageienfrau, Pippo?

Onkel Tonis Papagei gefällt mir sehr. So einen Papagei möchte ich auch haben. Später, wenn ich groß bin, werde ich nach Afrika fahren und mir dort selber einen fangen. Sicher werde ich auf einen Baum klettern müssen. Aber das macht nichts. Ich klettere so gut. Wenn ich den Papagei gefangen habe, werde ich ihm das Sprechen beibringen. Aber keine schlimmen Wörter. Nur »Bitte« und »Danke« und so. Und dann werde ich ihn Onkel Tonis Papagei vorstellen. Wenn Onkel Tonis Papagei schlimme Wörter krächzt, wird mein Papagei ganz höflich »Danke« sagen. Dann wird sich Pippo aber sehr wundern. Und meine Schwester Klara auch.

Warum Onkel Tonis Papagei soooo ungezogen ist, weiß ich nicht. Meine Schwester Klara sagt, dass er keine gute Kinderstube gehabt hat.

Wenn ich ihm einen Papagei mit guter Kinderstube vorstelle, wird er sich sicher ändern. Aber wie kriege ich jetzt einen Papagei? Bis ich groß bin, möchte ich nicht warten. Ich fragte meine Schwester Klara, und sie meinte, ich soll irgendwo ein Papageienei finden. Dann wäre alles ganz leicht.

»Wie leicht?«, fragte ich.

»Ganz leicht. Dann musst du nur das Ei ausbrüten.«

»Ja, aber wie brütet man ein Papageienei aus?«

»Wenn du ein Papageienei hast, werde ich es dir zeigen.«

»Gut, aber wie kriege ich ein Papageienei?«

Ich überlegte und überlegte. Dann hatte ich plötzlich eine Idee: Vielleicht ist Onkel Tonis Papagei eine Frau. Wenn ja, muss er irgendwann ein Ei legen. Und wenn er dieses Ei legt, werde ich es ausbrüten. Ganz einfach. Und so bekomme ich einen Papagei. Mensch, ist das toll! »Klaraaaaa! Ist Onkel Tonis Papagei ein Mann oder eine Frau?«

»Woher soll ich das wissen?«

»Wer weiß es denn?«

»Weiß ich nicht.«

»Ich muss es aber wissen.«

»Dann frag ihn doch selbst«, sagte meine Schwester Klara nach einer Pause. »Frag ihn selbst, und lass mich in Ruhe.«

»Meinst du, er weiß es?«

»Wenn er es nicht weiß, wer soll es dann wissen? Frag ihn mal. Er spricht doch so gut.«

»Gut! Ich werde ihn fragen!«

Ich lief sofort nach oben in Onkel Tonis Wohnung und ging schnurstracks zu Pippo.

»Krraa … wie geht’s? Krrraaakra?«, krächzte Pippo, als er mich sah.

»Sag mal, Pippo, bist du ein Mann oder eine Frau?«, fragte ich ihn ganz höflich.

»Kraaaaa! Wie geht’s? Kraaaaaaa?«

»Danke, gut. Aber bist du ein Mann oder eine Frau?«

Er krächzte: »Dummkopf! Dummkopf! Kraaa! Kraaaa!«

Was hatte er plötzlich gegen mich?

Ich fragte noch einmal: »Bist du ein Mann oder eine Frau?«

»Kraaaa! Dummkopf! Dummkopf!«

Was sollte ich jetzt tun? Ich lief schnell nach unten zu meiner Schwester Klara. »Klaraaaaa, er weiß es selber nicht!«

»Dann müssen wir unter seinen Schwanzfedern nachschauen!«, sagte sie. »Warte! Ich komme mit!«

Wir liefen jetzt beide zu Onkel Tonis Wohnung. Leider wollte Pippo uns nicht freiwillig erlauben, unter seinen Schwanzfedern nachzuschauen. Er drehte sich wie ein Verrückter nach links und rechts. Wir versuchten, ihn aus seinem Käfig zu holen. Aber gerade als wir dachten, wir hätten ihn, flog Pippo aus unseren Händen davon. Er setzte sich auf ein Bücherregal. Und von dort schrie er mir zu: »Kraaaa! Dummkopf! Dummkopf! Kraaaa!«

Einige Bücher fielen herunter.

»Der Dummkopf bist du!«, schrie ich zurück. »Weil du nicht mal weißt, ob du ein Mann oder eine Frau bist!«

Der verlorene Euro

Eines Tages kam meine Schwester Klara zu mir und fragte:

»Hast du Geld?«

»Nein.«

»Du hast nie Geld«, sagte sie verärgert.