Kurzbeschreibung:
Als die wohlbehütete Teela Warren, eine auffallende Schönheit aus dem Süden, nach Florida kommt, erliegt sie alsbald dem verführerischen, exotischen Flair dieses in blutige Indianerkämpfe verstrickten Grenzlandes.
Der Mischling James McKenzie ist der attraktivste Mann, den Teela je gesehen hat. Sie sind Feinde von Geburt an, doch das Schicksal macht sie zu Liebenden. James verbotene Leidenschaft entzündet Teelas heißblütiges Herz, allen Gefahren zum Trotz, in die der verheerende Krieg sie hineinreißt.
Verstrickung des Herzens
MacKenzies Saga Teil 2
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ISBN: 978-3-96215-338-0
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1492 |
Christoph Columbus entdeckt die neue Welt. |
1513 |
Am 27. März erblickt Juan Ponce de Leon die Halbinsel, später Florida genannt, von seinem Schiff aus. Anfang April geht er an Land, in der Nähe der jetzigen Stadt St. Augustine. |
1539 |
Hernando de Soto landet an der Westküste der Halbinsel, nahe dem jetzigen Tampa. |
1564 |
Die Franzosen errichten das Fort Caroline am St. Johns River. Wenig später beauftragen die Spanier Pedro de Menendez, die französischen Eindringlinge – »Piraten und Unruhestifter« – zu vertreiben. Pflichtbewußt erobert Menendez die französische Festung und tötet oder versklavt die Bewohner. |
1565 |
Pedro de Menendez gründet St. Augustine, die erste permanente europäische Siedlung in den späteren USA. |
1586 |
Sir Francis Drake greift St. Augustine an, plündert die Siedlung und brennt sie nieder. |
1698 |
Pensacola wird gegründet. |
1740 |
Der britische General James Oglethorpe fällt von Georgia aus in Florida ein. |
1763 |
Am Ende des Siebenjährigen oder Französisch-Indianischen Krieges werden Ost- und West-Floria an die Engländer abgetreten. |
1763 |
Die Briten regieren in Ost- und |
1783 |
West-Florida. |
1774 |
In Concord wird der Schuß abgefeuert, »den die ganze Welt hört«. |
1776 |
Der Amerikanische Freiheitskrieg beginnt. Viele britische Königstreue fliehen nach Florida. |
1783 |
Im Pariser Vertrag wird Florida den Spaniern zurückgegeben. |
1812–1815 |
Der Krieg von 1812. |
1813 |
Die Creek-Kriege. Das »Red Stick«-Land |
1814 |
wird dezimiert. Viele Indianer suchen bei den »Seminolen« im Süden eine neue Heimat. |
1814 |
General Andrew Jackson erobert Pensacola. |
1815 |
Die Schlacht von New Orleans. |
1817–1818 |
Der erste Seminolenkrieg. Die Amerikaner beschuldigen die Spanier, die Indianer bei den Plünderungen jenseits der Grenze zu unterstützen. Um sich noch mehr Land anzueignen, wollen die Siedler Spanien zwingen, Florida an die Vereinigten Staaten abzutreten, indem sie behaupten, die spanische Regierung könne die Situation in ihren Kolonien nicht kontrollieren. |
1819 |
Don Luis de Onis, spanischer Gesandter in den Vereinigten Staaten, und der amerikanische Außenminister John Quincy Adams unterzeichnen einen Vertrag, der Florida den USA zuerkennt. |
1821 |
Der Onis-Adams-Vertrag wird ratifiziert. Ein Kongreß-Erlaß vereinigt die beiden Florida-Territorien. Jackson wird Militär-Gouverneur, gibt den Posten aber nach ein paar Monaten auf. |
1822 |
In Pensacola findet die erste gesetzgebende Versammlung statt. Die Ratsmitglieder aus St. Augustine absolvieren eine Seereise von neunundfünfzig Tagen, um daran teilzunehmen. |
1823 |
Die zweite gesetzgebende Versammlung wird in St. Augustine abgehalten. Die Delegierten aus dem Westen erleiden Schiffbruch und entrinnen dem Tod nur um Haaresbreite. Die großen Seminolenhäuptlinge und die U.S.-Regierung ratifizieren den Vertrag von Moultrie Creek. Kaum ist die Tinte getrocknet, als die Indianer auch schon klagen, ihr Gebiet sei zu klein. Die weißen Siedler bitten die Regierung, die Seminolen zu vertreiben. |
1824 |
Die dritte gesetzgebende Versammlung findet in Tallahassee statt, das zur ersten Hauptstadt des Territoriums ernannt wird. |
1832 |
Payne’s Landing. Mehrere Häuptlinge verpflichten sich vertraglich, nach Arkansas zu ziehen, wenn sieben aus ihrer Mitte das Land gesehen und gutgeheißen haben. Der Vertrag wird im Fort Gibson, Arkansas, ratifiziert. Einige Häuptlinge protestieren dagegen. |
1835 |
Sommer. Wiley Thompson behauptet, Osceola habe ihn wiederholt in seinem eigenen Büro beleidigt, und läßt den Häuptling festnehmen. Osceola wird gefesselt und eingesperrt. |
1836 |
Januar. Major General Winfield Scott wird vom
Heeresminister beauftragt, das Kommando in
Florida zu übernehmen. |
1837 |
2. Juni. Osceola und Sam Jones befreien oder
»entführen« fast 700 Indianer, die im Gefängnis
von Tampa auf die Deportation nach Westen
warten. |
1838 |
31. Januar. Osceola stirbt im Fort Marion, South
Carolina. (Eine eigenartige Randbemerkung zu
einer traurigen Geschichte: Dr. Wheedon, Os-
ceolas weißer Arzt, schnitt dem Häuptling den
Kopf ab und konservierte ihn. Wheedons Erben
berichteten, der gute Doktor habe gedroht, den
Kopf übers Bett eines seiner drei Kinder zu hän
gen, falls es sich schlecht benehme. Sein Schwie
gersohn, Dr. Daniel Whitehurst, erbte den Kopf
und übergab ihn Dr. Valentine Mott. Dieser be
saß ein medizinisches und pathologisches Mu
seum. Angeblich wurde der Kopf vernichtet, als
das Museum 1866 brannte.) |
1839 |
Dezember. Wegen seines Streits mit den Bundesbehörden über den Seminolenkrieg wird Gouverneur Richard Keith Call des Amtes enthoben. Robert Raymond Reid tritt die Nachfolge an. |
1840 |
24. April. Zachary Taylor erhält die Erlaubnis, sein Kommando abzugeben, das als schwierigstes in den Vereinigten Staaten gilt. Walter Keith Armistead wird zu seinem Nachfolger ernannt. September. William Henry Harrison wird zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Vermutlich hat der Florida-Krieg seinen Vorgänger Martin Van Buren die Wiederwahl gekostet. John Bell ersetzt den Heeresminister Joel Poinsett. Robert Reid wird als Gouverneur Floridas abgesetzt, und Richard Keith übernimmt erneut das Amt. |
1841 |
4. April. Präsident William Henry Harrison
stirbt, John Tyler wird sein Nachfolger. |
1842 |
10. Mai. Winfield Scott erhält die Information, die Regierung habe entschieden, die Feindselig keiten müßten möglichst bald beendet werden. 14. August. Colonel Worth erkennt, daß es un möglich ist, die Kämpfe einzustellen und alle In dianer nach Westen zu schicken. Er schlägt ih nen vor, das Land zu verlassen oder Grenzen zu akzeptieren, und erklärt den Krieg für beendet. Der Konflikt hat die Nation dreißig bis vierzig Millionen Dollar und das Leben von vierund siebzig Offizieren gekostet. Mehrere tausend In dianer sind gestorben. Aber die Seminolen (die während des Kriegs als die Gesamtheit der Flori da-Indianer galten) behalten ihr Land und blei ben unbesiegt. Die Army hat sich neue Taktiken angeeignet, den Partisanen- und Guerilla-Krieg. In Florida erlernten jene Männer die Kriegs kunst, die wenig später am größten Konflikt innerhalb der Nation teilnehmen sollten: William T. Sherman, Braxton Bragg, George Gordon Meade, Joseph E. Johnston und – als künftiger Präsident – Zachary Taylor. |
1845 |
3. März. Präsident John Tyler unterzeichnet die Urkunde, die Florida zum 27. Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika erklärt. |
Florida, Anfang Herbst 1837
Sie war dem Tod so nahe, daß sie das Metall der Klinge fast schmeckte, die ihren Hals bedrohte, den pulsierenden Strom ihres eigenen Blutes beinahe spürte ...
Aber dann ertönte ein durchdringender Ruf, und der Krieger, der sie ermorden wollte, hielt inne. Der Stahl berührte ihre Kehle nicht mehr, und der Befehl ließ das Geschrei der Indianer verstummen. Eben erst hatten sie die Schlacht gewonnen, und sie feierten den Sieg, stahlen ihren Opfern Schmuck und Münzen, ermordeten oder skalpierten sie, gaben grausam verstümmelten Gestalten den Gnadenstoß.
Jetzt erstarrten sie alle, tiefe Stille sank herab. Teela schaute den Krieger an, das tintenschwarze Haar, den nackten, mit Bärenfett beschmierten Körper, die haßerfüllten dunklen Augen.
Sie haßte ihn allerdings genauso. Sie hatte nichts mit dem Trupp der U.S. Army zu tun und sich den Soldaten nur angeschlossen, um diesen gräßlichen Ort zu verlassen. Grauenvoll – und doch so schön im Glanz des Sonnenuntergangs ... Bald würden Mond und Sterne schimmern, eine frische Brise würde die Hitze des Tages mildern.
Und sie würde wahrscheinlich sterben, wenn die Finsternis die wunderbare Wildnis verhüllte.
Vielleicht schwebte sie in dieser furchtbaren Gefahr, weil die meisten Mitglieder der Eskorte – hartgesottene, skrupellose Männer – unter ihrem Stiefvater gedient, diese Sümpfe monatelang durchstreift und gegen Seminolen oder andere Stämme gekämpft hatten. Nur wenige Weiße waren bei den Indianern so verhaßt wie Michael Warren – und offensichtlich auch seine Tochter.
Doch manche Soldaten verhielten sich genauso brutal wie die sogenannten Rothäute. Deshalb durfte sie den Indianern nichts verübeln. Andererseits hatte sie ihnen kein Leid angetan. Einige ihrer Begleiter, unschuldige Grünschnäbel, verdienten einen so grausamen Tod in der Wildnis einfach nicht. Teela ebensowenig.
»Bastard!« fauchte sie den Krieger an, der ihr Haar immer noch festhielt, trat mit aller Kraft in seinen Unterleib und versuchte sich zu befreien, selbst wenn sie nur ein paar Sekunden gewinnen würde, eine kurze Atempause.
Schmerzerfüllt schrie er auf, ließ ihr Haar los und krümmte sich zusammen. Sie wollte davonlaufen. Aber der Indianer packte sie und warf sie zu Boden. Über ihrer Brust zitterte das Messer, an dem bereits das Blut zahlreicher Männer klebte.
Wieder erklang jene kraftvolle, gebieterische Stimme. Während Teela blinzelte und nach Luft rang, wurde der Krieger von ihr weggezerrt, und sie wagte sich nicht zu fragen, warum. Sie sprang auf und ergriff die Flucht. Kampflos wollte sie nicht sterben.
Umgehend krallten sich starke Finger in ihr Haar und rissen sie zurück. Verzweifelt wehrte sie sich und wurde erneut zu Boden geschleudert. So wie zuvor.
Nein. Diesmal war es noch schlimmer. Denn der Mann saß auf ihren Hüften, klemmte sie zwischen seine Schenkel und preßte ihre Unterarme, die er mit einer Hand umklammerte, hinter ihrem Kopf ins Erdreich. Ihr langes kastanienrotes Haar versperrte ihr die Sicht, und beinahe erstickte sie daran, als sie Atem holte.
Da wurden die zerzausten Strähnen von ihren Wangen gestreift. Sie öffnete den Mund, um zu schreien. Aber kein Laut kam über ihre Lippen. Wie gebannt starrte sie in Augen, die sie genauso zu fesseln schienen wie die muskulösen Arme und Beine.
Es waren blaue Augen. Ein Blau, das im Zorn wie Kobalt funkeln und vor Belustigung wie ein Sommerhimmel leuchten konnte. Blaue Augen in einem bronzebraunen Gesicht, die sie schon einmal fasziniert hatten.
Running Bear – Laufender Bär.
Diesen Namen hatte ihm sein Volk in den dunkelgrünen Schatten der Sümpfe gegeben. Der Name paßte zu ihm, seit er seine Kindheit beendet und den schwarzen Trank getrunken hatte, denn er war bärenstark und doch geschmeidig, und er konnte sich blitzschnell bewegen. Weil er ihr Interesse geweckt hatte, wußte sie Bescheid über ihn.
Jetzt war er halbnackt, nur mit einer engen Hose aus Rehleder, Silberketten und Lederstiefeln bekleidet, die Muskelkraft seiner Brust und der breiten Schultern deutlich zu sehen. In seinem ebenholzschwarzen Haar zeugten die Wellen vom Blut der Weißen, das durch seine Adern floß, ebenso wie die blauen Augen. Sein Gesicht zeigte Merkmale beider Rassen, mit hohen, breiten Wangenknochen, einem eigenwilligen Kinn, einer schmalen Nase, einer hohen Stirn und vollen, sinnlichen Lippen.
Um seinem Blick zu entrinnen, senkte Teela die Lider.
Ihr Herz schlug wie rasend. Viel zu gut kannte sie diese Augen. Und sie spürte erneut das blaue Feuer.
Nun nannte er sich Running Bear. Aber er hatte James McKenzie geheißen, an jenem Abend, an dem er ihr zum erstenmal begegnet war, im weißen Rüschenhemd mit roter Weste, in dunklen Breeches und schwarzen Stiefeln. Sie hatte ihn in der Welt des weißen Mannes gesehen, seine Eleganz auf der Tanzfläche beobachtet, seinen Argumenten gelauscht, die er so beredsam vorzubringen wußte. Alle Frauenherzen pochten schneller vor Erregung, denn obwohl er einem zivilisierten Gentleman glich, umgab ihn eine gefahrvolle, hypnotisierende Aura.
Er war jedoch kein zivilisierter Gentleman, er hatte sich nur verkleidet, und er spielte die Spiele der Weißen. Im blauen Feuer seiner Augen glühte eine wilde Bitterkeit. Nicht mit Waffen hatten die Weißen seine Familie getötet. Nach der Flucht seines Stammes vor den amerikanischen Siedlern war eine Fieberseuche im Sumpfgebiet ausgebrochen und hatte zahlreiche Indianer dahingerafft. Um ihres Vaters willen haßte er Teela.
Trotzdem schien er sie zu begehren, was sie entsetzte und zugleich faszinierte. Irgend etwas zwang sie, seine Nähe zu suchen, obwohl sie besser davongelaufen wäre. Er gehörte nicht zu ihrer Welt. Einerseits wollte sie beteuern, sie sei nicht schuld an den Taten ihres Vaters, andererseits grollte sie ihm, weil er sie so rückhaltlos verachtete. Wie auch immer, er hatte sie unwiderstehlich in seinen Bann gezogen.
»Schau mich an!« befahl er. Beinahe hätte sie gelacht. Inmitten dieser halbnackten, mit Federn und Silberketten geschmückten, mit Messern und Äxten und Gewehren bewaffneten Wilden klang sein makelloses Englisch absurd. Genausogut hätte er sie bitten können, ihm eine Tasse Tee einzuschenken.
Sie öffnete die Augen und überlegte, was seine Ankunft bedeuten mochte. Würde sie am Leben bleiben oder einfach nur etwas langsamer sterben?
Nicht einmal er konnte etwas an der Tatsache ändern, daß sie Michael Warrens Stiefkind war, die Tochter des Mannes, der seinem Volk so viel angetan hatte.
Entschlossen biß sie die Zähne zusammen und bekämpfte ihr Zittern. Nein, er würde sie nicht einschüchtern. Von Anfang an war er verbittert gewesen. Er hatte sie nie geliebt, nicht einmal gemocht, sondern gehaßt, vielleicht auch sich selbst, weil es eine Weiße war, zu der er sich hingezogen fühlte. Aber diese seltsamen wilden Flammen loderten zwischen ihnen, ob es ihm gefiel oder nicht. Damals hatte sie ihre Angst verborgen. Auch jetzt wollte sie ihm die Stirn bieten.
»Offensichtlich gehörst du zu diesen roten Kriegern. Worauf wartest du?« forderte sie ihn heraus. »Töte mich! Bringen wir’s hinter uns! Nimm dir doch ein Beispiel an deinen Leuten, die diese Männer skrupellos niedergemetzelt haben!«
»Es war ein fairer Kampf«, entgegnete er, und seine Augen verengten sich.
»Nein, ein Hinterhalt.«
»Der Kommandant deiner Truppe hat die Vernichtung zweier Stämme angeordnet – von Männern, Frauen und Kindern, von Babies im Mutterschoß ... Und da sollten die Krieger Gnade walten lassen?«
»Natürlich, du kennst keine Gnade ...« Teela verstummte zögernd. Was den Captain betraf, hatte James die Wahrheit gesagt. »In dieser ganzen verdammten Hölle gibt es keine Barmherzigkeit. Ich weiß, daß ich sterben muß. Also laß mich nicht länger leiden. Mach ein Ende!«
»Ein Ende?« Spöttisch hob er die Brauen und neigte sich zu ihr hinab. »Aber wir Wilden ziehen es vor, unsere Opfer endlos lange zu martern. Besonders die widerspenstigen ...«
Obwohl ihr das Blut in den Adern zu gefrieren drohte, glaubte sie, ihre Haut müßte verbrennen – überall, wo er sie berührte. Sie hörte die Stimmen der Krieger, die in den Habseligkeiten der Soldaten wühlten. Vor allem suchten sie Lebensmittel. Das wußte Teela. Die weißen Militärs wandten jene besondere Taktik an, die Indianer auszuhungern, um ihre Kapitulation zu erzwingen.
»Warum hast du diese Männer begleitet?«
Inzwischen war nächtliches Dunkel hereingebrochen, verbarg die Leichen und die Krieger, die sorgfältig die Taschen der Toten durchstöberten, auf der Suche nach ein paar Bissen.
Das konnte sie ihnen nicht übelnehmen. Oft genug war sie erschauert, wenn ihr Stiefvater genüßlich seine brutalen Attacken gegen die Indianer geschildert hatte. Nicht alle Soldaten waren so unmenschlich. Viele strebten ein friedliches Zusammenleben mit den Ureinwohnern an. Aber auch sie bekamen die Konsequenzen jener grausigen Manöver zu spüren, die Colonel Warren als militärische Glanzleistungen bezeichnete.
»Nun, warum hast du die Männer begleitet?« wiederholte James ärgerlich.
»Ich wollte weg ...«
»Wohin?«
»Nach Charleston.« Sie hatte keine andere Möglichkeit gesehen und beschlossen, davonzulaufen. Niemals war es ihr gelungen, irgend jemandem klarzumachen, daß sie Warren ebenso abgrundtief verabscheute wie jeder einzelne seiner Feinde. James hatte sie von Anfang an gedrängt, ihren Stiefvater zu verlassen.
Plötzlich sprang er empor, behende wie ein Panther. Teela erwog einen neuen Fluchtversuch. Wenn sie St. Augustine erreichte ... Aber ehe sie sich bewegen konnte, zerrte er sie auf die Beine und preßte sie an seine Brust. »Närrin! Du gehst nirgendwohin!«
»Hast du nicht immer wieder gesagt, daß ich aus diesem Land verschwinden soll?«
»Leider wolltest du nicht auf mich hören.«
»Ich bin doch weggerannt ...«
»Zu spät. Wenn du jetzt fliehst, wirst du’s nicht überleben.«
Ein heftiges Schwindelgefühl erfaßte sie. Ringsum lagen Tote, die sie nicht anzuschauen wagte. Tränen brannten in ihren Augen. Einige dieser Männer hatte sie gehaßt. Aber andere ...
Was mochte James empfinden? Vielleicht hatte er an diesem Abend weiße Freunde verloren. Sein Bruder und sein Neffe waren weiß. Und er stammte von einem weißen Vater ab. Er hatte versucht, sich aus den Kämpfen herauszuhalten. Doch es war unmöglich gewesen.
Als sie einen gellenden Schmerzensschrei hörte, stockte ihr Atem. Vielleicht verspürte ihr Feind ein gewisses Mitleid, wenn er es auch niemals zugeben würde. Er erteilte einen Befehl in der Muskogee-Sprache. Dann umfaßte er Teelas Oberarm und zog sie mit sich. »Schau nicht hinunter – und nicht nach hinten.«
Vergeblich bemühte sie sich, die Spuren des Gemetzels zu ignorieren. Auf der Leiche eines Army Corporals lag ein lebloser Seminole, Federn um den Kopf, den nackten Oberkörper blau bemalt. Im Tod schienen sie sich zu umarmen. Eine gräßliche Kälte durchdrang Teelas Glieder, ihre Zähne klapperten. Bald würde sie zu schluchzen beginnen. Nein, niemals vor den Augen dieses Mannes ...
Er hob sie auf eine schöne braune Stute, schwang sich hinter ihr in den Sattel, und sie verließen den Schauplatz des Hinterhalts.
Welches Ziel sie ansteuerten, wußte Teela nicht. Da James’ Volk ständig auf der Flucht war, gab es kaum noch Dörfer, nur mehr in der abgeschiedenen Tiefe des Sumpfs. Manche Indianerinnen rächten sich noch grausamer als die Männer an den Weißen, und so hoffte sie, er würde sie nicht in ein Lager bringen, wo Frauen wohnten. Zu den Folterwerkzeugen der Seminolen gehörten Nadeln, mit denen sie die Haut ihrer Opfer zerkratzten, oder sie schnitten ihnen Ohren und Nasen ab ...
Während sie dahinritten, fühlte sie sich elend. Die Erinnerung an den gnadenlosen Angriff lastete bleischwer auf ihrer Seele. Hatten einige weiße Soldaten den Überfall überlebt? Wurden sie jetzt gemartert?
Zunächst glaubte sie, James hätte das Pferd am Fluß nur gezügelt, damit sie trinken konnten. Aber dann sah sie das kleine, hastig errichtete Quartier zwischen den Bäumen. Kohlpalmenblätter bildeten das Dach, am Boden lagen mehrere Pelzdecken.
Weit und breit ließ sich keine Menschenseele blicken, und dafür war Teela dankbar, obwohl er sie ziemlich unsanft auf die Füße stellte. Sie mochte den Mitgliedern seines Stammes nicht begegnen.
Als sie zum Ufer ging, folgte er ihr. »Wolltest du aus Florida abreisen, um in die eleganten Salons zurückzukehren, in die Welt der vornehmen Gesellschaft, wo junge Damen von deiner Sorte hingehören?«
Ärgerlich straffte sie die Schultern. »Ich wollte nirgend-wohin zurückkehren!«
»Also hast du nur versucht, dieser schrecklichen Wildnis zu entrinnen.«
»Ja«, flüsterte sie mit bebenden Lippen und drehte sich zu ihm um, »und den Kämpfen und dem Grauen und dem Tod. Dein Freund war drauf und dran, mir die Kehle aufzuschlitzen.«
Lässig verschränkte er die Arme vor der nackten Brust. Rabenschwarzes Haar fiel auf seine Schultern, ein schlichtes Band ohne Federschmuck umwand seinen Kopf. »Wenn das geschehen wäre, hätte ich ihn getötet, ganz langsam.«
»Wie tröstlich! Dann hätte ich mich im Himmel über deine Rache freuen können.«
»Oder in der Hölle«, bemerkte er trocken. »Warum hast du das Haus meines Bruders verlassen?«
»Weil mir nichts anderes übrigblieb.«
»Jarrett hätte dich niemals hinausgeworfen.«
»Trotzdem – ich hatte keine Wahl.« Er ging zu ihr, und sie wollte zurückweichen. Aber hinter ihr plätscherte der Fluß. James ergriff ihre Hand und preßte sie an seine Brust. »Bist du vor dem Krieg davongelaufen? Oder davor? Vor bronzebrauner Haut?«
Mit aller Kraft riß sie sich los. »Ich fürchte mich nicht vor dir ...«
»Schon vor langer Zeit hättest du dich fürchten und in dein zivilisiertes Charleston zurückkehren müssen.
Sobald du einen Fuß in dieses Gebiet hier gesetzt hattest!«
»Geh doch zum Teufel!« zischte sie.
»Sicher werde ich bald im ewigen Höllenfeuer landen.« Er packte ihre Schultern, drückte sie an einen knorrigen Zypressenstamm, und sein warmer Atem streifte ihr Gesicht. »Wurdest du nicht vor diesem Krieg gewarnt? Wußtest du nicht, daß wir die Weißen ausrauben, vergewaltigen, martern und ermorden? Daß die Rothäute frei in der Wildnis herumlaufen?« Ohne seine Stimme zu erheben, verlieh er ihr einen eindringlichen Klang. »Oder war’s dir egal? Hat’s dich amüsiert, mit einem Indianerjungen zu spielen und dann den Rückzug anzutreten, ehe du dich verbrennen konntest?«
»Jeder, der dich anrührt, wird von deinem Haß verbrannt, von deiner Leidenschaft und Verbitterung ...«
Erschrocken verstummte sie, als er das Oberteil ihres Kleids und das Hemd zerriß. »Dann spür dieses Feuer!«
Ein fordernder Kuß zwang sie, die Lippen zu öffnen. Begierig erforschte seine Zunge ihren Mund. Sie wollte schreien und ihn hassen, die betörenden Flammen nicht fühlen, die er in ihr entfachte. Wie eine Tigerin wehrte sie sich, trommelte mit beiden Fäusten gegen seine Brust. Aber er warf sie zu Boden, auf einen weichen Teppich aus Zypressennadeln und Moos. Der Duft der Erde verstärkte die sinnliche Atmosphäre.
Während er rittlings auf Teelas Hüften saß, umklammerte er ihre Handgelenke. Sie bekämpfte ihn nicht mehr, starrte ihn nur an, zornig und anklagend. Plötzlich ließ er sie los. Sie rührte sich noch immer nicht.
»O Gott, was soll ich nur mit dir machen?« seufzte er leise, strich über ihren Hals, zog das zerfetzte Kleid und das Hemd auseinander.
Seine Hand liebkoste eine erhärtete Brustwarze, und Teela wußte genau, was er mit ihr machen, wie er sie küssen würde, hungrig und trotzdem zärtlich und so verführerisch. Ja, sie spürte das Feuer. Es brannte in ihrem Herzen und in ihrer Seele, versengte ihr Fleisch. »Bastard«, hauchte sie atemlos.
»Vielleicht bin ich das. Schick mich doch weg. Befiehl mir zu gehen. Aber du mußt es ernst meinen.«
Selbst wenn die ganze Welt zusammenbrechen würde – sie wollte nicht, daß er sie verließ. »Bastard ...«
»Das hast du bereits gesagt«, stöhnte er und schlang die Finger in ihr Haar. Dann spürte sie seinen Mund an ihrem Hals, auf ihren Brüsten. Seine Zunge spielte mit einer Knospe und sandte heiße Ströme durch ihren ganzen Körper.
Ungeduldig riß er das Kleid und die Unterwäsche noch weiter nach unten, seine Hände glitten über ihre Hüften und Schenkel, gefolgt von seinen aufreizenden Lippen.
Sie stieß einen halb erstickten Schrei hervor, versuchte ihr Verlangen zu bezähmen und kämpfte auf verlorenem Posten. Denn das Feuer brannte immer heller, vom Wind der Wildnis geschürt, und trug sie auf süßen Wellen himmelwärts. Sie schloß die Augen und schlug sie wieder auf, begegnete James’ glühendem Blick und sah, wie er sich seitwärts neigte, um seine Breeches zu öffnen.
Ehe sie wußte, wie ihr geschah, nahm er sie in die Arme und drang in sie ein. Ihr zitternder Körper nahm ihn auf, und er schien sie ganz und gar auszufüllen. Mit jeder verlockenden Bewegung führte er sie näher an den Zauber heran, den sie bereits kannte.
Immer schneller, immer wilder ... Starke Muskeln preßten sich an ihre Brüste, harte Hüften forderten sie auf, dem leidenschaftlichen Rhythmus zu gehorchen. Und dann schien sein flüssiges Feuer alles in ihrem Innern zu verzehren. Bebend klammerte sie sich an ihn, von heftigen Erschütterungen erfaßt – bis sie langsam vom gleißenden Himmel zur Erde zurückkehrte, ins weiche Moos, ins mondhelle Dunkel, in die Arme des Mannes, der sie umfangen hielt.
Nach einer Weile streckte er sich neben ihr aus und starrte zu den Sternen hinauf. Teela zog ihr langes Haar unter seinem Rücken hervor, versuchte das zerrissene Kleid zusammenzuraffen und spürte, wie er sie beobachtete.
Doch das Kleid war ebenso hoffnungslos ruiniert wie die Unterwäsche. Sie streifte die Fetzen von ihrem Körper, stand auf und kniete am Flußufer nieder, um ihr erhitztes Gesicht mit klarem Wasser zu kühlen. Als er sich zu ihr setzte, flüsterte sie bitter: »Spür das Feuer.«
»Du hättest es besser wissen müssen. Mit einem Indianerjungen spielt man nicht.«
»Oh, ich spiele niemals.« Seufzend schaute sie zu ihren zerrissenen Sachen hinüber. »Heute nacht werde ich jämmerlich frieren.«
»Keine Bange, ich wärme dich. Und morgen früh überlegen wir, was du anziehen kannst.«
Entschlossen hob sie ihr Kinn. »Ich habe nicht vor, hier zu übernachten.«
»Nachdem du zu spät die Flucht ergriffen hast, bist du mein Gast.«
»Wohl eher deine Gefangene.«
»Wie du meinst. Jedenfalls bleibst du hier.« Er hob sie hoch und trug sie zu dem Unterschlupf, wo er seine wenigen Habseligkeiten verwahrte. Schnell errichtet, ebenso schnell wieder zerstört. Wenn er die Wildnis durchstreifte, brauchte er fast kein Gepäck. Was immer er benötigte, fand er überall in diesem Land, das er so gut kannte – und das er behalten wollte. Niemals würde sich sein Volk dem weißen Mann unterwerfen.
Er setzte sie auf die Decken, und als sie erschauerte, legte er ein Fell um ihre Schultern. Dann reichte er ihr eine lederne Wasserflasche, und sie trank in durstigen Zügen.
»Wenn ich gehen wollte, könntest du mich nicht zurückhalten«, behauptete sie. »Ich bin zwar in eleganten Salons aufgewachsen, aber inzwischen kenne ich mich in deinem Zypressen- und Palmendschungel aus.«
»Oh, eine Herausforderung?« James hob die Brauen. »Spar dir die Mühe. Du wirst mir nicht entkommen.«
»Verdammt ...«
»Möchtest du unbedingt einem Krieger in die Arme laufen, der die Skalps schöner weißer Frauen sammelt.«
»Nicht alle Seminolen sind Barbaren.«
»Was für ein liebenswürdiges Zugeständnis, Miss Warren!«
»Und du bist eher ein Weißer als ein Seminole. Sogar deine Mutter war ein Mischling. Das hast du mir erzählt.«
»Schau mir ins Gesicht, dann wirst du merken, daß ich ein Indianer bin. Das Leben hat mich dazu gemacht ...«
»... zu einem grausamen Mann!«
»Genug für diese Nacht, Teela.«
Krampfhaft schluckte sie und streckte sich auf den Pelzdecken aus. Nach einer Weile spürte sie, wie er sich zu ihr legte. Er umarmte sie, und seine nackte Brust wärmte ihren Rücken.
Genug für diese Nacht ...
Am Morgen hatte sie geglaubt, sie könnte an Bord eines Schiffes gehen und ein neues Leben beginnen. Oder sie würde ihr altes Leben weiterführen, das sie so leichten Herzens aufgegeben hatte, in dem sie jetzt Schutz suchen wollte vor dem Grauen.
Beinahe wäre sie gestorben, und jetzt ... Sie hatte mit einem Indianerjungen gespielt.
Nein, es war kein Spiel gewesen. Sie liebte ihn, obwohl er alles haßte, was sie verkörperte, und sie nur mit wilder Leidenschaft begehrte. Dafür verabscheute er sich selbst. Er war ihr Feind. Aber er hatte ihr das Leben gerettet. Und nun hielt er sie im Arm.
Wenn sie auch gedroht hatte, ihn zu verlassen – sie wußte nur zu gut, daß sie nicht allein durch den Sumpf wandern konnte. Wie sollte sie den Seminolen, die ihr begegnen mochten, glaubhaft erklären, sie sei ihnen friedlich gesinnt?
O Gott, was würde ihr die Zukunft bringen? Unter ihren geschlossenen Lidern brannten Tränen. Bevor sie in die Zukunft blickte, mußte sie sich an die Vergangenheit erinnern – an die Nacht, wo sie jenes wilde Feuer zum erstenmal gespürt hatte. So lange war es noch gar nicht her.
Südost-Florida, 1842
John Harrington ritt am Strand entlang. Zwischen den Bäumen sah er bereits sein Ziel, ein einstöckiges Haus aus Dade County-Kiefernholz – so genannt, weil es sich ebenso wie Major Francis Dade als besonders hart und widerstandsfähig erwiesen hatte. Es war ein wunderbares Heim, nicht so verschwenderisch ausgestattet wie Cimarron, aber sehr gemütlich. Den Mittelpunkt bildete der große Eßraum, wo die Familie zahlreiche Gäste zu bewirten pflegte.
»Hallo, John!« rief Jennifer, ein hübsches, schlankes elfjähriges Mädchen. Sie saß auf einem Baumstumpf, ein Buch in der Hand, und hütete ihre kleinen Brüder – Jerome, fast fünf Jahre alt, Brent, dreieinhalb, und Sydney, der demnächst seinen zweiten Geburtstag feiern würde.
»Ah, da ist ja die ganze McKenzie-Bande!« John schwang sich lachend aus dem Sattel, umarmte Jennifer und überreichte ihr einen eleganten Kamm mit Elfenbeingriff, der ihr einen Jubelschrei entlockte. Den älteren Jungen hatte er Spielzeugtrommeln mitgebracht, dem kleinen Sydney eine Puppe.
»Natürlich freuen wir uns sehr über die Geschenke«, beteuerte Jennifer »Aber du weißt, wie ungeduldig wir auf Neuigkeiten warten ...«
»Dann will ich dich nicht länger auf die Folter spannen. General Worth, der zur Zeit das Kommando führt, hat verkündet, der Krieg sei beendet.«
Glückstrahlend hielt sie den Atem an. Doch ihr Lächeln erlosch sofort. »Hat sich mein Volk – ergeben?«
Die Kriegsjahre hatten das ganze Land schwer belastet. Am 31. Januar 1838 war Osceola gestorben und zur Legende geworden. Obwohl sich mehrere amerikanische Politiker über die hohen Materialkosten beklagten, setzte man die Kämpfe beharrlich fort.
Zachary Taylor nahm einem erschöpften und verzweifelten Jesup die Zügel aus der Hand, gefolgt von Walker Keith Armistead und schließlich auch William Jenkins Worth:
Immer mehr Indianer wurden nach Westen getrieben. Sogar der kampflustige Wildcat gab sich geschlagen. Viele Stammesbrüder begleiteten ihn zu den neuen Jagdgründen. Aber andere blieben in Florida – fest entschlossen, niemals auszuwandern.
Mittels des sogenannten Armed Occupation Act wies der Kongreß den Siedlern große Florida-Gebiete zu, und die Bevölkerung der Halbinsel wuchs sehr schnell, trotz der zahlreichen Kämpfe, die der großen Schlacht am Lake Okeechobee folgten.
Und jetzt ...
Bedeutsamere Schlachten hatten nicht mehr stattgefunden, die restlichen Indianer hatten nicht kapituliert, und der Krieg war für beendet erklärt worden.
»Nein, Schätzchen«, antwortete John, »dein Volk hat sich nicht ergeben. Der Clan deiner Großmutter lebt immer noch im Süden. Zu deinem nächsten Geburtstag will Mary hierherkommen. Es ist – einfach vorbei. Sicher wird’s dein Dad verstehen. Weißt du, wo deine Eltern sind?«
»Als ich sie zuletzt sah, wollten sie zur Lagune wandern. Mein Vater war verreist, um das Volk meiner Großmutter zu besuchen und Vorräte aus einer Siedlung beim Fort Dallas zu holen. Nach langer Zeit ist er endlich zurückgekommen, und Teela hat mich gebeten, auf die Kinder aufzupassen.«
Jennifer sprach in ernsthaftem Ton, beinahe wie eine erwachsene Frau. John senkte den Kopf, um ein Lächeln zu verbergen. »Also sind sie zur Lagune gegangen?«
»Ja. Willst du mit uns essen?«
»Sehr gern.«
Gemächlich schlenderte er um das Haus herum, zur Lagune, die hinter dem Anwesen lag. James hatte sein Heim nicht direkt an der Bucht gebaut, sondern an einem Meeresarm auf der Westseite, mit vielen kleinen Strandseen.
Als John um die Ecke des Gebäudes bog, hörte er Teelas Gelächter und blieb wie erstarrt stehen. Splitternackt stand sie auf einem Baumstumpf über dem aquamarinblauen Wasser, das nasse Haar so lang, daß es ihre Blößen fast bedeckte. Sein Herz begann schneller zu pochen, tat aber nicht mehr so weh. Denn jetzt, nach dem ersehnten Kriegsende, wollte er möglichst bald ein Mädchen heiraten, das er in Tampa kennengelernt hatte. Er hoffte, James würde ihm ein Stück Land verkaufen und er könnte mit seiner jungen Frau hierherziehen.
Wieder erklang ein fröhliches Lachen.
»Spring doch runter!« hörte er James rufen, der im seichten Wasser auftauchte, ebenfalls nackt und kraftvoll gebaut wie eh und je. An diesem schönen Paar schien die Zeit spurlos vorüberzugehen.
»Und wenn du mich nicht auffängst?«
»Nun komm schon!«
Da sprang sie hinab, landete in seinen ausgebreiteten Armen und küßte ihn.
Erheitert kehrte John zum Haus zurück. Beim Dinner würde er genug Zeit finden, um mit den beiden zu reden.
Die Marjorie Anne durchpflügte türkisblaues Wasser. Nie zuvor hatte Teela Warren einen so schönen Tag erlebt. Am hellblauen Himmel zogen kleine weiße Wolken dahin. Eine sanfte Brise wehte ihr ins Gesicht, während sie im Bug des Schiffs stand.
Bald würde sie Tampa erreichen, die rauhe Stadt, die rings um den Militärposten Fort Brooke entstanden war, das Tor zur Wildnis. An Bord hatte sie manchmal das süße Versprechen künftiger Abenteuer vernommen. Nicht immer war das Wetter so mild gewesen. Wütende Stürme hatten die Marjorie Anne umhergeschleudert. Aber es hatte ihr gefallen. Sie fühlte dabei irgend etwas Wildes, etwas, das ihr die Freiheit verhieß, etwas, das sie vergessen ließ ...
Glücklicherweise wurde ihre Eskorte bei jedem Unwetter seekrank. Trenton Wharton war fast eins neunzig groß und über zweihundert Pfund schwer, Buddy MacDonald noch größer und schwerer. Mühelos konnten sie ein halbes Dutzend erwachsener Männer auf einmal hochstemmen und eine mutwillige junge Frau in die Schranken weisen. Aber einer Schiffsreise zeigten sie sich nicht gewachsen.
Das spielte natürlich keine Rolle. Auf dem Atlantik konnte sie ihnen ohnehin nicht entwischen und ihr Gesicht nur in den Wind halten und träumen. Von der Freiheit.
Ihre Finger umklammerten die Reling, und sie sah das Land immer näher rücken.
Wann Teela und Michael Warren begonnen hatten, einander zu verabscheuen, wußte sie nicht. Vielleicht ließe sich einiges ändern, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnte. Als er ihre Mutter geheiratet hatte, war sie noch sehr jung gewesen, der geliebte Vater erst seit einem knappen Jahr tot. Warren behandelte die Stieftochter wie einen seiner Soldaten. Um ihr Disziplin beizubringen, schlug er sie manchmal sogar mit Reisig. Die Mutter versicherte, er sei ein guter Mann, aber eben ein Soldat und fest entschlossen, in seinem Haushalt ebenso strenge Ordnung zu halten wie in seinem Heer.
Aber er war kein guter Mann, wenn er auch täglich betete und regelmäßig zur Kirche ging.
Der Mutter zuliebe versuchte Teela, das Gute in ihm zu entdecken, doch sie sah nur seine Grausamkeit.
Er genoß es, andere Menschen leiden zu sehen. Oft genug hörte sie das Vergnügen aus seiner Stimme heraus, wenn er mit Freunden und Offizieren im Salon des Plantagenhauses in Charleston saß und seine Erlebnisse schilderte. Er liebte den Krieg und freute sich am Tod seiner Feinde.
Mit besonderer Vorliebe tötete er die Indianer, diese ›Ausgeburten der Hölle‹, wie er sie nannte.
Gemeinsam mit Andy Jackson hätte er die Creek bekämpft. Dann war Jackson Präsident der Vereinigten Staaten und erst vor kurzem von seinem Freund Martin Van Buren abgelöst worden.
Nun lebte Jackson zurückgezogen auf seiner Plantage. Seine Überzeugung, die Indianer müßten weiter nach Westen ziehen, bestimmte die amerikanische Politik immer noch. Daran hatte sich nach den Creek-Kriegen und der traurigen Auswanderung der Cherokees nichts geändert. Die Rothäute mußten Florida verlassen – von diesem Grundsatz wich die Regierung nicht ab. Die Indianer waren jedoch ebensofest entschlossen, in ihrer Heimat zu bleiben. Auf diese Weise dauerten die Kämpfe an, die Michael Warren so beglückten.
1812, im Krieg gegen die Briten, war er mehrfach für seine Heldentaten ausgezeichnet worden. Doch diese Orden bedeuteten ihm nicht viel. Den Kampf gegen die Indianer nahm er viel wichtiger.
Wegen seiner militärischen Pflichten hielt er sich nur selten zu Hause auf. Solange die Mutter lebte, war Teelas Leben einigermaßen erträglich, da die Army ihren Stiefvater zumeist von der Plantage fernhielt. Aber während des letzten Sommers, als man ihn zum Kommandanten im sogenannten ›Höllenloch‹ Florida ernannt hatte, war Lilly Warren gestorben.
Teela hatte sich gelobt, so lange daheim zu bleiben, wie die kranke Mutter sie brauchen würde. Danach wollte sie der Plantage, ihrem einstigen Erbe, den Rücken kehren. Auf der Eigentumsurkunde stand nun Michael Warrens Name, obwohl Teelas leiblicher Vater das Haus eigenhändig gebaut hatte.
So schwer ihr der Abschied von ihrem Heim auch fiel – sie konnte nicht mehr mit Warren unter einem Dach wohnen.
Bedauerlicherweise war sie noch minderjährig. Nach dem Begräbnis der Mutter erklärte der Stiefvater, wie er sich Teelas Zukunft vorstellte. Unmißverständlich teilte sie ihm mit, sie würde abreisen und seine Anweisungen nicht länger akzeptieren. Das war ein verhängnisvoller Fehler. Er sperrte sie in ihrem Zimmer ein und ließ sie von seinen Soldaten bewachen. Trotzdem gelang es ihr zu fliehen, doch sie wurde gewaltsam zurückgebracht – von dem Mann, den sie auf Wunsch ihres Stiefvaters heiraten sollte.
Vor dem Traualtar sagte sie einfach nein. Natürlich war Warren wütend über die Blamage. Am Abend schlug er sie mit seinem Gürtel. Aber wenn er ihr auch Tränen in die Augen trieb, er konnte sie nicht zur Kapitulation zwingen.
Als die Kämpfe zwischen der Regierung und den Seminolen einen neuen Höhepunkt erreichten, hielt sich Warren zumeist in Florida auf. Daheim wurde Teela strenger denn je bewacht, eine Flucht war unmöglich.
Immer heftiger tobte der Krieg. Im Sumpfgebiet, das die Indianer so gut kannten, konnten sie wie aus heiterem Himmel zuschlagen, sich verstecken, plötzlich wieder aus dem Dunkel auftauchen und erneut angreifen. Zahlreiche Soldaten fielen. Vielleicht würde auch Michael Warren sterben ...
Es war falsch, um den Tod eines Menschen zu beten, und Teela wollte es auch nicht tun. Statt dessen hoffte sie, er würde einfach im Sumpf verschwinden.
Aber er war nicht verschwunden. Er hatte seine Stieftochter nach Florida beordert. Nun stand sie an der Reling der Marjorie Anne und näherte sich der Küste des wilden Landes, in dem ein so brutaler Krieg geführt wurde.
Seufzend beobachtete sie die Wellen. In diesem Land hatten schon viele die Freiheit gesucht. Teela las manchmal in Zeitungen und Magazinen die Berichte über Sklaven, die ihren Herrn entflohen und sich den Indianern anschlossen. Seit Jahrzehnten wurden die Creek und andere Indianer von den Weißen immer weiter nach Süden getrieben und gesellten sich zu fast ausgestorbenen Stämmen. Nun wurden die Creek, die Seminolen, die Muskogee sprachen, und die Mikasukis, die den Hitichi-Dialekt pflegten, von den Weißen unter dem Sammelnamen Seminolen zusammengefaßt – Cimarrons, Renegaten, Flüchtlinge.
Verträge waren unterzeichnet und gebrochen worden. Immer neue Kämpfe tobten. Und nach dem wilden Gemetzel, das als Dade-Massaker in die Geschichte einging, verschlimmerte sich die Situation. Wie Teela den Zeitungsartikeln entnahm, huldigten die Seminolen einem neuen Helden, ihrem Kriegerhäuptling oder mico Osceola. Unter seiner Führung lernten die Indianer, zu kämpfen und davonzulaufen, zu töten und zu zerstören und dann im Sumpf zu verschwinden. Obwohl die Weißen glaubten, ein paar tüchtige Army-Truppen müßten genügen, um die Unruhen zu beenden, stürzten die Seminolen das Land in einen schrecklichen Krieg. Die Amerikaner waren Expansionspolitiker, die neue Gebiete erschließen wollten, ganz egal, ob dort Indianer lebten oder nicht. Und so befahlen sie den Seminolen, nach Westen auszuwandern, in die Reservate.
Manche wurden tatsächlich vertrieben, aber viele blieben in den Sümpfen, wo sie sich schnell wie der Wind bewegten, lautlos wie das Flüstern der Abenddämmerung, und weiße Siedler niedermetzelten – Männer und Frauen und Kinder. Doch auch ganze Indianerdörfer wurden von den Weißen ausgerottet.
Trotzdem kämpften die Seminolen weiter, wobei sie eine geradezu unheimliche Raffinesse entwickelten. Hilflos stand die gut ausgebildete Army der U.S.-Regierung dem Guerillalampf der Ureinwohner gegenüber.
Nur ein Mann wie Michael Warren würde darauf bestehen, seine Stieftochter unter so gefährlichen Umständen nach Florida zu holen, dachte Teela. Aber er war der Ansicht, sie müßte seinen Befehlen gehorchen, oder sie würde es verdienen, von Wilden ermordet zu werden. Außerdem stand ein Waffenstillstand bevor. Im März hatte man einen neuen Vertrag ausgehandelt.
Doch diese Vereinbarungen wurden ebensowenig eingehalten wie die vorangegangenen. Die Soldaten fielen erneut über Indianerdörfer her, die Seminolen griffen die Farmen und Plantagen der Weißen an.
Während Teela zur Wildnis der Halbinsel segelte, dauerte der Krieg an, entlang der Ostküste bis zum Atlantik und an der Westküste am Golf von Mexico.
Wenn Teela ihren Stiefvater auch haßte, sie freute sich auf Florida, die exotischen Vögel, über die sie so viel gelesen hatte, und die Sonnenuntergänge. Nicht einmal die Moskitos fürchtete sie oder das beschwerliche Leben im Militärstützpunkt Fort Brooke, wo Warren stationiert war.
Zu Lillys Lebzeiten hatte sich Teela bemüht, die Wünsche der Mutter zu erfüllen, Gäste bewirtet, oft auf dem Spinett gespielt und Balladen gesungen, Teeparties und Bälle besucht, charmant geflirtet, wie es ihre Gesellschaftsschicht erwartete. Regelmäßig ging sie zur Kirche, betreute Arme und Kranke. Das alles tat sie gern. Vor allem die Krankenpflege verschaffte ihr eine tiefe Befriedigung, und sie hätte gern Medizin studiert.
Aber nun war Lilly gestorben, ein neues Leben begann. Von wachsender Abenteuerlust erfaßt, blickte sie diesem wilden Land entgegen, seiner Schönheit und seinen Gefahren. Allerdings mußte sie auch mit Problemen rechnen. Michael Warren hatte sie sicher nicht grundlos zu sich bestellt. Vermutlich würde er sie wieder verloben, diesmal mit einem reichen alten Mann, der stark genug wäre, eine widerspenstige Frau zu zähmen.
Niemals, gelobte sie sich. Michael Warren konnte sie nicht zu einer Heirat zwingen. Und da ihn der Krieg vollauf beschäftigte, sah sie in der Wildnis von Florida bessere Chancen, ihre Freiheit zu gewinnen, als in Charleston, wo man strenge gesellschaftliche Regeln befolgte.
Plötzlich ertönte die Schiffsirene, und Teela beobachtete hektische Aktivitäten an Bord. Die Besatzung trimmte die Segel und wendete die Marjorie Anne, um den Hafen des Forts anzusteuern.
Fasziniert schaute sie zu den hohen Wällen und Türmen hinüber. Mehrere armselige Holzhäuser umgaben die Festung. Aber die kleine Gemeinde Tampa lag in einer atemberaubenden Landschaft. Der grün schimmernde Fluß verlor sich zwischen dichten Bäumen. Im aquamarinblauen Wasser der Bucht schienen unzählige Diamanten zu funkeln. Weiße Strände erstreckten sich an der Küste wie leuchtende Seidentücher, die man hingeworfen hatte, um alles Häßliche zu verbergen.
»Gleich legen wir an, Miss Warren.« Teela drehte sich zu dem leichenblassen Trenton um. Auch das Gesicht des armen seekranken Buddy war fast so weiß wie die Sandstrände.
»Sieht nicht besonders aus«, meinte er entschuldigend, »aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran.« Er stammte aus Tennessee, ein sommersprossiger Farmerssohn, in der militärischen Tradition aufgewachsen. Die Soldatenpflicht ging ihm über alles. Aber er besaß ein gutes Herz, und sie war gerührt, weil er sie aufzumuntern versuchte.
»Oh, es sieht wundervoll aus«, widersprach sie, und sie mußte nicht einmal lügen. So schäbig die kleine Stadt auch wirkte – die Küste und das Meer und der Himmel erstrahlten in magischer Schönheit.
Inzwischen hatten sie den Hafen erreicht. Gellendes Geschrei ertönte, halbnackte Männer kletterten in der Takelage umher, während das Schiff an seinem Liegeplatz schaukelte und vertäut wurde. Die Laufplanke sank hinab, aber bevor irgend jemand an Land gehen durfte, eilten die Soldaten an Bord und sprachen mit dem Captain.
»So ist das immer«, erklärte Trenton. »Zuerst müssen Informationen ausgetauscht werden.«
»Jedenfalls ist es eine gute Neuigkeit, daß Tampa noch steht und noch nicht in Schutt und Asche liegt«, bemerkte Buddy.
Nachdem die Soldaten das Schiff verlassen hatten, kam der freundliche alte Captain Fitzhugh zu Teela. Bei seinem Anblick mußte sie ein Lächeln unterdrücken. Er war ein seltsamer kleiner Mann, mit rundem Bauch, dünnen Beinen und winzigen Füßen, das Gesicht voller weißer Barthaare. Ständig schien er sich irgendwelche Sorgen zu machen. »O Miss Warren, ich bin ganz verzweifelt! Eigentlich wollte Ihr Stiefvater Sie hier begrüßen, Aber er mußte nach Norden reiten, um die Heiden zu bekämpfen.« Mit einer dramatischen Geste bekreuzigte er sich.
»Ach, wie schade!« log Teela, und ihre Augen glänzten.
»Nur keine Bange. Unsere guten Freunde Josh und Nancy Reynolds, die einen großartigen Laden in der Stadt betreiben, kümmern sich um Sie und bringen Sie nach Cimarron. Dort wartet ein Army-Trupp, der Sie zu Ihrem Vater eskortieren wird.«
»Vielen Dank, Captain.« Erleichtert atmete sie auf. Also durfte sie das Wunder dieser neuen Welt vorerst allein genießen. Sie ergriff Fitzhughs Arm und ließ sich die Laufplanke hinabführen, um ihren Fuß zum erstenmal auf Florida-Boden zu setzen.
Auf dem Kai stand eine hübsche, rundliche Frau. Braune Locken hingen unter einem breitrandigen Hut herab. Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte sie Captain Fitzhugh, dann reichte sie Teela die Hand. »Willkommen, Miss Warren! Wie schön, daß Sie endlich da sind! Wir haben schon so viel von Ihnen gehört. Ich bin Nancy Reynolds, und das ist Josh«, fügte sie hinzu und zeigte auf einen hochgewachsenen, kräftig gebauten Mann, der hinter ihr stand.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Warren. Keine Angst, hier beurteilen wir die Leute nicht nach Charleston-Maßstäben .«
»Josh!« schimpfte Nancy und stieß ihren Ellbogen zwischen seine Rippen.