Freiherr von Joseph Hammer-Purgstall

Geschichte der Ilchane, das ist der Mongolen in Persien

Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020
goodpress@okpublishing.info
EAN 4064066117467

Inhaltsverzeichnis


Vorrede.
Erstes Buch.
Zweites Buch.
Drittes Buch.
Viertes Buch.
Fünftes Buch.
I. Beilage.
II. Beilage.
III. Beilage.
IV. Beilage.

Vorrede.

Inhaltsverzeichnis

Diese Geschichte der Mongolen in Persien ist das Seitenstück zu der im vorigen Jahre erschienenen des mongolischen Reiches in Kiptschak; jene ist durch die Preisfrage der Petersburger Akademie veranlasst worden, die Schreibung dieser ist aus eigenem Antriebe hervorgegangen. Bei der zum Behufe der ersten nöthig gewordenen Sichtung der aufgeschichteten Massen historischen Materials, ward es klar, dass zur zweiten, in den orientalischen selbst durch Herrn von d'Ohssons sehr schätzbare Geschichte nicht erschöpften Quellen, weit mehr dankbarer historischer Stoff vorhanden.

Die Geschichte der Mongolen in Kiptschak liegt dem Europäer zwar näher wegen der verheerenden Raubzüge durch Polen und Ungarn bis ins Herz von Deutschland, und wegen der tatarischen Herrschaft in Russland; aber die Geschichte der Mongolen in Iran hat das grössere Interesse wichtigerer asiatischer Weltereignisse, wie der Ruin der Assassinen und des Chalifates, der Sturz alter Dynastien und die Gründung neuer, bisher selbst den Orientalisten kaum dem Namen nach bekannter, die Feldzüge wider Aegypten und das dschagatai'sche Reich, die diplomatischen Verhältnisse zwischen den Kreuzfahrern und dem Papste. Der Ulus Dschudschi's beherrschte mit dem europäischen das asiatische Russland, welches damals noch, wie von allem Anfang der Geschichte her, in Asien das Land der Finsterniss und der Barbarei, während Persien von der ältesten Zeit an das Land geregelter Herrschaft und Religion, der Sitz von Wissenschaft und Künsten, der Schauplatz grosser Bauten und Gelehrten, und der Mittelpunkt mittelasiatischer Cultur.

Zudem beut diese Geschichte keine Lücken, wie jene von Kiptschak, und selbst über das zerrissene Ende derselben, wo die Thronanmasser über einander stürzen, schwebt kein solches Dunkel, wie über die letzten Herrscher des Uluses Dschudschi. Der Strom geschichtlicher Erzählung fliesst also in geregeltem Flussbette reich und ruhig. Der in der Geschichte von Kiptschak zur Rechtfertigung vor überstrengen akademischen Richtern nothwendig gewordene Reichthum erläuternder Noten enthebt hier von der Anhäufung derselben zur Beglaubigung vor sachkundigen Gelehrten und billigen Lesern. Die Sparsamkeit an Citaten wird also hier nicht bedauert werden, und noch weniger der Mangel an aller Polemik, welche in der Geschichte von Kiptschak Nothwehr zur literarischen Ehrenrettung. Dafür ist in dem Texte keine Nachricht von Dynastien oder Oertern übergangen worden, wodurch das Gebiet der Geschichte und Erdbeschreibung erweitert, keine Kunde von Sitten und Literatur, wodurch der Charakter der Völker und ihrer geistigen Kultur beleuchtet wird.

Schloss Hainfeld,
den 24. October 1841.

Erstes Buch.

Inhaltsverzeichnis

Uebersicht der mongolischen Stämme, der Familie und Geschichte Tschengischans; sein Gesetzbuch und sein Testament; Charakter und Sitte, Aberglauben und Gebräuche der Mongolen. Die Regierung Ogotai's, Gujuk's, Mengku's; die der gleichzeitigen Dynastien in Asien und Aegypten.

Mongolische Geschichte.

Tschengischans und seiner Nachkommen Thaten, die von ihnen zerstörten und gegründeten Reiche, ihre Raubzüge und Gesetzgebung, der Namen der Tartaren oder Tocharen, d. i. Tataren, und der der Moalen oder Mogholen, d. i. Mongholen, haben Europa durch zwei Jahrhunderte mit Erstaunen und Schrecken gefüllt, von der chinesischen Mauer bis an die von Wienerischneustadt und Olmütz, und fürchterlich hallte der Donner ihrer Heere von den Ufern des gelben Flusses bis an die des rothen Meeres, vom Altai bis an den Libanon zurück. Naturrevolutionen, mit denen Gibbon das Erscheinen der Mongolen so treffend verglichen hat, lassen nicht tiefere Spuren ihrer verheerenden Kräfte auf der Oberfläche der Erde zurück, als die verheerenden Hufen mongolischer Heere, unter denen Reiche und Cultur zertreten wurden; sie fuhren daher wie die entfesselten Elemente, wie Orkane und grosse Fluthen und das Erdbeben und der Wetterstrahl; sie durchackerten die Erde mit dem Schwerte und düngten sie mit Blut. Das Jahrhundert ihrer so fürchterlichen und verderblichen Grösse und Macht fällt zusammen mit dem zweiten der Kreuzzüge, das ist mit dem dreizehnten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, dem durch grosse Begebenheiten vor anderen historisch wichtigen, durch die Umgestaltung so vieler asiatischen Reiche und durch den regsten Verkehr des Abendlandes mit dem Morgenlande. Einen so namhaften Platz die Kreuzzüge auch in der europäischen Geschichte einnehmen, so erscheinen sie in der asiatischen doch bei weitem nicht so bedeutend, indem dieselben nur den Westrand von Asien bestreifen. Die Ringe dieses Steinwurfs der Eroberung der Levante verebben schon an den Ufern des Nils und des Tigris, während die hochaufschäumende Woge mongolischer Eroberungsfluth über ganz Asien bis nach Europa, vom Baikalsee bis an den Platensee, und vom Kokonor bis an den Ladoga sich verheerend fortwälzt. Die Wichtigkeit der Geschichte der Mongolen und die Grösse des Stoffes springt also von selbst in die Augen. Sie zerfällt in viererlei Geschichten, deren jede, bei dem Reichthume der Quellen, Stoff für mehrere Bände. Erstens die Geschichte Tschengischans; zweitens die der vier Uluse, d. i. der durch die Nachkommen seiner vier Söhne beherrschten Reiche; dann nach der Theilung der Herrschaft des vierten Uluses in das östliche chinesische und in das westliche persische Reich, drittens in die Geschichte der Juan oder der chinesischen Kaiser aus den Nachkommen Kubilai's; und viertens in die der Ilchane oder persischen Herrscher, Nachkommen Hulagu's, des Bruders Kubilai's. Eine vollständige Geschichte dieser Reiche könnte sich keine engeren Gränzen des Umfangs stecken, als die des osmanischen; die vorliegende beschränkt sich nur auf den vierten und letzten Zeitraum, als ein Seitenstück zu der Geschichte der goldenen Horde in Kipdschak, aber von weit grösserem Interesse, als jene, in Bezug auf Asien.

Die der persischen Ilchane.

Die Geschichte des von Hulagu gegründeten Reichs der persischen Ilchane, d. i. Landes- und Volksfürsten [denn Il heisst sowohl das eine als das andere[1]], füllt nur Ein Jahrhundert, von der Hälfte des dreizehnten bis in die Hälfte des vierzehnten unserer Zeitrechnung[2], während welchem siebzehn Ilchane gezählet werden, von denen aber nur die neun ersten achtzig Jahre den Thron als Alleinherrscher füllten, die acht anderen sich um denselben mit ihren Mitbewerbern stritten, bis dass das mit so grosser Machtäusserung gegründete, mit so grossem Glanze unter neun Herrschern aufrecht gehaltene Reich der Ilchane, nach dem Tode Ebu Said's, durch die inneren Kriege der Thronanmasser zerfiel und sein Andenken nur in drei, aus den Ruinen derselben emporgeschossenen Pilzlingen mongolischer Dynastien, in denen der Indschu, Tschoban und Ilkaan, noch kurze Zeit hinterliess, wie das untergegangene Reich der goldenen Horde in Kipdschak in den aus seinen Trümmern entstandenen Dynastien der Chane von Kasan, Astrachan und der Krim noch längere Zeit fortgelebt. Jene persischen und diese kipdschakischen Dynastien gehören aber nicht mehr eigentlich der Geschichte der Mongolen an, deren Herrschaft nur von Tschengischan's Auftritt als Eroberer bis zum Untergange der goldenen Horde in Russland und zur Erscheinung Timurs, nur zweihundert Jahre gedauert. Die Hälfte dieser Zeit nimmt die Geschichte der persischen Ilchane als die glänzendste der vier Uluse in Anspruch, die glänzendste durch die Eroberungen des Gründers Hulagu und seines Nachfolgers Abaka, durch die gesetzgebende Weisheit Ghasan's des siebenten und seines Nachfolgers Oldschaitu nicht unrühmliche Regierung, endlich durch den Flor der persischen Literatur während dieses Jahrhunderts. Die grössten Geschichtschreiber der Perser, Dschuweini, der Wesir Hulagu's, und Reschideddin, der Wesir Ghasan Chan's, haben die Geschichte Tschengischan's und der Ilchane Persiens aus den Quellen des goldenen Archiv's, d. i. des mongolischen Staatsarchivs, und der Begebenheiten ihrer eigenen Zeit als Augenzeugen und mithandelnde Werkzeuge beschrieben. Als Augenzeugen und Zeitgenossen schrieben auch Hamdallah Mestufi, der Verfasser der bessten persischen Geographie und Universalgeschichte, Binaketi, der Epitomator des grossen Werkes Reschideddin's, und Wassaful-hasret, d. i. der Lobredner der Majestät, unter Oldschaitu und Ebu Said, dessen in allen Künsten der Rhetorik üppig wuchernder Styl wohl das Lesen seines Werkes erschwert, aber der historischen Wahrheit so wenig Eintrag thut, dass derselbe die einzige verlässliche Quelle, aus welcher die späteren, mit Recht geschätzten persischen Schreiber der Universalgeschichte: Mirchuand, Chuandemir, Hafis Ebru und Ghaffari geschöpfet. Schon Wassaf, wiewohl er erst unter dem achten und neunten Herrscher der Ilchane seine Geschichte schrieb, die mit Hulagu, dem Gründer der Dynastie, beginnt, fühlte zu Ende seines Werkes die Nothwendigkeit, demselben aus Dschuweini auch einen kurzen Ueberblick der Geschichte Tschengischan's und seiner vier ersten Nachfolger anzuhängen, welche besser dieselbe eingeleitet hätte, wie Scherefeddin von Jesd die Geschichte Timur's mit einem kurzen Ueberblicke der Geschichte Tschengischan's und der vier Uluse aus den obigen Quellen eingeleitet hat. Die Nothwendigkeit solcher Einleitung dringt sich auch hier um so unabweislicher auf, als Tschengischan nur acht und zwanzig Jahre vor der Gründung des persischen Reichs durch Hulagu verstorben, als die mongolischen Stämme und die der Gründung des Reichs Hulagu's gleichzeitigen asiatischen Herrscher den Lesern unbekannt. Dieses Buch leitet daher dieselben durch die möglichst kurze Kunde über dieses Volk des Morgenlandes und seine Stämme, über Tschengischan und seine vier ersten Nachfolger, und über die dem Auftritte Hulagu's gleichzeitigen Herrscher Asiens in die Geschichte der persischen Ilchane ein.

Türken, Tataren und Mongolen.

Das älteste der Völker, welche die Geschichte in Hochasien als Herrscher kennt, sind unstreitig die Türken, deren (der chinesischen Quellen zu geschweigen) die byzantinischen schon in der Hälfte des sechsten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung erwähnen, wo die griechischen Kaiser mit dem Chane der Türken am Altai, d. i. dem Goldberge, durch Gesandtschaften verkehrten, d. i. schon sechs Jahrhunderte früher, als in der Hälfte des zwölften die Tataren und Mongolen durch Tschengischan in Europa geschichtlichen Namen erhielten. Die Geschlechtsregister der letzten sind augenscheinlich türkischen eingepfropft, um dunkeln Ursprung der Väter durch berühmte Altvordern zu adeln und ihr Geschlecht hinaufzuführen bis Türk, den Sohn Japhet's, den gemeinsamen Ahnherrn von Tatarchan und Mogolchan, die angeblichen Stammväter der Tataren und Mongolen. Der Namen der letzten taucht erst unter Tschengischan mit Gewissheit auf, da es nicht ausgemacht, ob die ältern Moho der Chinesen eben so gewiss Mongolen, als ihre Tata Tataren; wie aber Türken und Tataren ganz verschiedenen Stammes, indem jenen der Namen von diesen nur durch Missbrauch beigelegt worden, und noch beigelegt wird, so sind Tataren und Mongolen ursprünglich ein und dasselbe Volk, jenes der ältere unterjochte, dieses der jüngere unterjochende Zweig. Die Türken sind vom östlichen Altai, die Tataren vom Baikalsee ausgezogen, die Mongolen am westlichen Kentei, von den Quellen des Onon und Kerulon, wo im bewaldeten Gebirge Burhan Kaldun die Geburts- und Grabstätte Tschengischan's. Nachdem Tschengischan die ihm feindlichen Stämme der Tataren und ihre Verbündeten vernichtet oder unterjocht, nachdem seine Herrschaft durch Sieg und Eroberung von den Ufern des vaterländischen Sees Dalai Nor bis an die des persischen Sees von Meragha über siebzig Längengrade ausgedehnt war, buhlten die unterjochten Völker um die Ehre, dem siegenden und erobernden, dem gesetzgebenden und herrschenden anzugehören; Türken und Tataren zählten sich nun den Mongolen bei, wie diese in ihren Stammregistern sich früher den Türken angeschlossen, wiewohl beide durch die nicht zu überspringende Kluft von verschiedener Sprache und Gesichtsbildung von einander scharf getrennt. Tataren wollten Mongolen, Türken Tataren heissen; hingegen protestirten die Mongolen wider den Namen von Tataren, wie noch heute die Osmanen wider den von Türken. Die Eitelkeit, altem Geschlechte anzugehören, und Adelstolz (derselbe bei Völkern, wie bei Individuen), bringt durch Ahnen- und Namen-Vermengung in die Stammtafeln von beiden nur Irrthum und Verwirrung[3]. Eben so richtig als lichtvoll ordnet der grosse Geschichtschreiber der Mongolen, Reschideddin, Anfangs seines Werkes eine Centurie von Stämmen, welche zu seiner Zeit alle auf den Ehrennamen von Mongolen Anspruch machten, ausser den Türken (denen er die Uighuren der Sprache nach beigezählt) in drei Klassen, nämlich in Tataren (desselben Stammes und derselben Sprache, wie die Mongolen), welche ursprünglich den Namen von Mongolen nicht führten[4]; zweitens in Völker verschiedenen Ursprungs, welche, weder Tataren noch Mongolen, den Namen der letzten der Aehnlichkeit wegen annahmen, wie die Turkmanen den der Türken, und die daher am bessten Mogolmanen genannt würden, weil sie an die Mongolen mahnen[5], wie jene an die Türken; drittens in die eigentlichen Mongolen, welche wieder in zwei Abtheilungen zerfallen, nämlich in die Mongolen Durlegin, der neun Geschlechter vor Alankowa, der neunten Ahnfrau Tschengischan's, und die Mongolen Nirun, deren Stammväter alle aber Nachkommen Alankowa's. Es ist nöthig, den Leser wenigstens mit einem Viertel der Centurie von Stämmen, die zur Zeit Reschideddin's, d. i. Anfangs des vierzehnten Jahrhunderts, bestanden, bekannt zu machen, mit denen nämlich, welche ihre Berühmtheit vor anderen entweder ihren Helden und Frauen, ihrer Freundschaft für oder ihrer Feindschaft gegen Tschengischan, ihrer Opposition oder Verschwägerung mit dessen Hause danken.

Die Stämme Tatar und Merkit.

Von den ursprünglichen tatarischen Stämmen nennen wir zuerst den sechsgetheilten Stamm der Tataren selbst, von denen einer Tschaghlan Tatar, d. i. die weissen Tataren[6], hiess, im Gegensatze der übrigen, welche die schwarzen genennet werden; in der Folge wurde der Namen der weissen Tataren auch den Uiguren, welche Türken, und anderen türkischen Stämmen beigelegt, sowie den Mandschu's der Namen der Sui Tatar, d. i. der Wasser- oder schlechten Tataren; die mächtigsten und gefährlichsten der Feinde des Hauses Tschengischan's, welcher bei seiner Geburt den Namen Temudschin erhielt, weil am selben Tage sein Vater Jesukai Behadir einen tatarischen Fürsten, Temudschin, geschlagen und gefangen gemacht. Der Namen, den er trug, von dem am Tage seiner Geburt besiegten Tatarfürsten hergenommen, und die in seiner Jugend von den Erbfeinden seines Stammes erlittenen Unbilden spornten den Sohn Jesukai's zur Rache und zum Vertilgungskriege wider diese unversöhnlichen Feinde seines Hauses an; sie wurden vernichtet, und nur ihre Weiber gingen als Trophäen in das Frauengemach Tschengischan's und seiner Söhne über. Zwei der fünf Gemahlinnen Tschengischan's, Jisulun und Jisulut, und eine seiner Beischläferinnen, Mutter seines als Kind verstorbenen Sohnes Uradschagan, waren Tatarinnen, so auch eine Frau seines Bruders Dschudschi Kasar, seines Sohnes Batu und Tudai Mengku's, des Herrschers von Kipdschak. Die beiden Gemahlinnen Tschengischan's erflehten von ihm das Leben zweier Kinder ihres Stammgenossen Kuli und seines Bruders Karamengku, welche beide gross gewachsen, den Dienst von Bawerdschi, d. i. Tafeldecker, bekleideten. Kuli genoss des grössten Ansehens und schloss sich nach Tschengischan's Tod an die grosse Frau Sijurkukteni, die Gemahlin Tuli's, welche ihn zum grossen Emir des Lagers und Obersthofmeister Sijuktu's[7], des Sohnes Tuli's, ernannte. Sali, der Sohn Karamengku's, erscheint unter der Regierung Mengkukaan's, gleich beim ersten Feldzuge Hulagu's, als Sicherer des Rückens des Heers an der indischen Gränze; bei Tschengischan selbst aber galt mehr, als die beiden von seinen beiden Gemahlinnen zum Leben erbetenen obgenannten Kinder, und mehr als die beiden Frauen Akutuku's, der Tatare Kutku Nujan; von Tschengischan als Findelkind angenommen und seiner ersten Gemahlin, noch ehe sie ihm einen Sohn geboren, zur Pflege empfohlen, hatte sich Kutku schon als zwölfjähriger Knabe Tschengischan's besondere Zuneigung durch seine Tapferkeit erworben, indem er taidschutischen Dieben ihre Beute abjagte, und als fünfzehnjähriger Jüngling mitten im tiefen Schnee allein dreissig Hirsche erlegt hatte. Er durfte den Tschengischan Itsche, d. i. Vater, und dessen Gemahlin Ike, d. i. Mutter, nennen. Ogotai, der Sohn und Nachfolger Tschengischan's, gab ihm den Ehrentitel eines Prinzen, Aka, mit dem Vorsitze vor seinen eigenen Söhnen, und noch achtzigjährig versah er das Amt des Oberrichters nach seinem Wahlspruche: Fürchte Nichts und sprich recht.[8] Die Tataren sassen an der Gränze China's, dessen Kaisern sie meistens steuerpflichtig waren.[9] 2. Der zweite feindliche Stamm, welchen Tschengischan wie die Tataren als unversöhnliche Feinde mit Vernichtungskrieg zu Boden trat, war der in vier Zweige getheilte der Merkit oder Mekrit, auch Udujut genannt, denen die Solongos beigezählt wurden. Ihr Fürst Tuktaibeg fiel mit sechs seiner Söhne als Opfer der unversöhnlichen Feindschaft. Selbst der jüngste, welchem als einem trefflichen Bogenschützen Dschudschi, der älteste Sohn Tschengischan's, das Leben retten wollte, musste hingerichtet werden auf ausdrücklichen Befehl des Vaters, welcher dem Sohne diese Milde nie vergab. Tairosim, einer der Ersten des Stammes, gab dem Tschengischan die Tochter Kulan zur Frau, welche ihm den Sohn Kulkan gebar. Vom Schwiegervater bekriegt, verlor Tairosim die Schlacht, und seine Frau Turakina, welche dem Sohne Tschengischan's beigelegt wurde, eine der grössten mongolischen Frauen, verschaffte als Regentin nach Ogotai's Tode ihrem Sohne Gujuk (dessen Gemahlin ebenfalls eine Merkitin) die Herrschaft. Die Sitze der Merkit waren im Osten des mongolischen Stammgebietes am linken Ufer der Selinga.

Die Stämme Dschelair, Sunit, Torghod, Uirat.

Der zehngetheilte mächtigste Stamm der Dschelairen, welche in dem Stammgebiete des Hauses Tschengischan's am Onon, in siebzig Ringen, wie die Avaren, jeder Ring tausend Familien stark, sassen, ist einer von der ältesten bis in die neueste Zeit durch historische Namen und Begebenheiten merkwürdigsten. Die Nachkommen des Brüderpaars Dschudschi Tumle und Dschudschi Dschawerkai, welche der Anlass des Kriegs Tschengischan's mit den Taidschuten, haben unter den persischen Ilchanen zahlreiche und wichtige Aemter des Staats und Hofs bekleidet; Kadan, der Dschelaire vom Gefolge Tschengischan's, hatte zwei Söhne, Iluk und Ildschikitai, wovon jener Atabeg, d. i. Obersthofmeister, des Sohnes und zweiten Nachfolgers Tschengischan's, Ogotai's; dieser schätzte ihn sehr hoch, erlaubte ihm aber nicht, den Bruder Ildschikitai zu tödten, der sich vor ihm ebenfalls zu Ogotai geflüchtet. Auf dem Landtage der Wahl Mengkukaan's spielte Ildschikitai eine höchst wichtige Rolle, indem er die Rechte des Uluses Ogotai's auf den Thron wider die Ansprüche des Uluses Kubilai's vertheidigte; im Gegentheile leistete der Dschelaire Mingkasar Nujan, aus dem Zweige der Dschat, Grossfürst und Oberrichter Miafarakain's, dem Kubilai bei dem nach dessen Thronbesteigung über Majestätsverbrechen gehaltenen Gerichte die grössten Dienste, indem er über die widerspenstigen Prinzen der Uluse, Dschaghatai und Ogotai, das Todesurtheil aussprach. Der Dschelaire Dauldu war Vogt der vier grossen Lager Tschengischan's und befehligte eine Ssade, d. i. Centurie, in jedem Hesare, d. i. Regiment von tausend Mann; endlich das Brüderpaar Olai Kalschu und Karadschai, die Schafhirten Jisukai's, des Vaters Tschengischan's, denen er sich immer sehr dankbar bewies, weil sie seine in die Gefangenschaft der Merkit gerathene Gemahlin sicher zu Owangchan, dem Fürsten der Kerait, geleiteten; auf dem Rückzuge genas sie vom Erstgebornen Tschengischan's, welchen dieser, weil die (von Verläumdern sogar als zu spät verdächtigte) Geburt des Sohnes unerwartet kam, Dschudschi, d. i. den unverhofften Gast, nannte. Tschengischan wollte in der Folge das Brüderpaar mit Aemtern belohnen; sie zogen aber vor, in ihrem Stande zu bleiben und als Hirten seines Vertrauens zu geniessen; aus ihren Nachkommen ist Sertak, der Fürst des Lagers zur Zeit Arghunchan's, des fünften der persischen Ilchane, und von Katschar, dem Sohne Sertak's, leiten die heutigen Schache Persiens ihre Dynastie als eine zweite des Stammes der Dschelaire ab; denn eine frühere hatte nach Zertrümmerung des persischen Reichs der Ilchane der Dschelaire Hasan (beigenannt der Grosse, zum Unterschiede von Hasan Dschoban, aus dem Stamme Suldu's, welcher Stifter der Dynastie Dschoban der Kleine beigenannt ward) in Persien gestiftet, welche von der geschwächten Macht der Ilchane Nichts als den verstärkten Titel als Ilkaane führten. Aus dem Stamme der Sunit, welcher noch heute unter diesem Namen an der chinesischen Gränze sitzt,[10] war Dschurmaghun, welchen Ogotai, nachdem Dschebe und Subetai von ihrem persischen Feldzuge über Russland nach Hause gekehrt waren, als Befehlshaber Statthalter nach Persien gesandt. Nicht minder mächtig, als der Stamm der Dschelairen, war der der Uirat, deren Sitz zwischen den acht Flüssen, die sich in die untere Ankara ergiessen[11], wo noch heute ihre Nachkommen unter dem verwandten Namen der Buirat, von allen Stämmen der mit dem Hause Tschengischan's am meisten verschwägerte, indem acht Uiratinnen in das Haus Tschengischan's verheirathet, und sieben Prinzen desselben an Uiratinnen vermählet waren. Die Grossmutter Tschengischan's, die Frau Sunigil Futschin, war aus dem Stamme der Torghut oder Torghod, welcher noch heute ein Zweig der Kalmuken oder Oeluet (das nur die chinesische Aussprache für Uirat) und deren Andenken in Kleinasien (wohin sie mit Timur's Heere kamen) im Namen des Sandschaks Torghud Ili fortlebt.

Der Stamm der Kerait, Bekrin, Naiman, Tonghut und Uighur.

Drittens die Stämme der Mogholmanen, d. i. der Völker, welche weder Tataren noch Mongolen, mit den letzten verbunden, auf den Namen derselben Anspruch machten. Die mächtigste dieser Völkerschaften, die von nestorianischen Priestern zum Christenthum bekehrte[12] der Kerait; ihres Fürsten chinesischer Ehrentitel Owang Chan erhielt durch die Missionarien des Mittelalters als Priester Joannes keine mindere Berühmtheit, als in früherer mythologischer Zeit der Fisch Oannes als Gesetzgeber an der Küste des rothen Meeres; die Hauptstadt derselben war die Stadt Thianto am Flusse Hoangho, d. i. am gelben Flusse, das Land Tendum[13] Marco Polo's; die Geschichte Owang Chan's und seines Bruders Hakembo[14] ist auf das engste mit der Geschichte Tschengischan's verbunden, welcher erst der Verbündete Owang Chan's, in der Folge denselben, weil er den Feinden Tschengischan's Gehör gegeben, bekriegte und vom Throne stürzte. Vergebens hatte Tschengischan früher die beiden Nichten[15] Owang Chan's für sich und seinen ältesten Sohn Dschudschi als Gemahlinnen begehrt; sie waren ihm verweigert worden, sowie die Hand der Enkelin Owang Chan's aus dem Sohne Sinkun; aber die beiden Töchter Ettiku's, des Bruders Sinkun's, die Frauen Tokus und Tukini, wurden beide die Gemahlinnen Hulagu's, und die dritte Nichte Owang Chan's, die Schwester der dem Tschengischan und seinem ältesten Sohne verweigerten beiden Prinzessinnen, war die berühmte Sijurkukteni[16], unstreitig die grösste aller mongolischen Frauen, welche durch ihre Staatsklugheit dem Uluse Kubilai's den Thron verschaffte; Mutter vier der grössten Fürsten der mongolischen Geschichte, nämlich der Kaane Mengku und Kubilai, des Ilchan's Hulagu, Gründers der mongolischen Dynastie in Persien, und Arikbuka's, der als Nebenbuhler den Brüdern den Thron streitig machte. Auch But Tengri, der Stiefvater Tschengischan's, welcher um die Hand der Keraitin Kadan geworben, erhielt einen Korb, wie Tschengischan und Dschudchi, von der Nichte Owang Chan's. Die nächsten südlichen Nachbarn der Kerait waren die Unkut, d. i. die Wächter der grossen chinesischen Mauer; ihr Fürst Alakusch, Verräther an seinem Herrn, dem chinesischen Kaiser Altun Chan, öffnete dem Heere Tschengischan's den Durchgang, und erhielt dafür die Hand Olakai Begi's, der Tochter Tschengischan's, deren Sohn später mit der Tochter Tuli's vermählet ward; die Unkut waren mit dem Hause Tschengischan's, wie die Stämme der Uirat und Kerait, durch Verschwägerung eng verbunden. Wie die Unkut in der Nähe der Kerait längs der chinesischen Mauer, so sassen diesen westlich die Naiman, deren berühmter Fürst Kuschluk Chan einer der erbittertsten und mächtigsten Feinde Tschengischan's sich wider denselben, mit den Fürsten von acht anderen Stämmen er der neunte, verbündete.[17] Kuschluk's Tochter Linkum ward die Gemahlin Tuli's, Mutter seines dritten Sohnes Kutumku; auch Tuli's Beischläferin[18], die Mutter seines achten Sohnes Muke, welche aber an desselben Statt den vierten Sohn Kubilai säugte, war eine Naimanin. Die Bekrin oder Mekrin, welche weder Mongolen noch Uighuren, sassen im Lande der letzten (in der kleinen Bucharei). Tschengischan nahm Murkai, die Tochter ihres Fürsten, zur Frau, welche nach Tschengischan's Tode, von seinem Sohne und Nachfolger Ogotai vor seinen anderen Gemahlinnen geliebt, dem Bruder Dschagatai, welcher sie von ihm begehrt hatte, verweigert ward; auch die Gemahlin Kaschin's, des fünften Sohnes Ogotai's, die Mutter Kaidu's, des Vaters von vierzig Söhnen, welcher in der Geschichte des Uluses Dschagatai als Herrscher auftrat, war aus dem Stamme Mekrin. Zu den Mogholmanen zählt Reschideddin auch die Kirgisen und Kemdschiut, welche, Türken[19] wie die Ungut, in Sibirien und an dem Kem oder Jenisei sassen, von welchen sie ihren Namen haben. Die Tanghut im Gebirgslande an der sinesischen Gränze, deren Hauptstadt Ninghia am Ufer des gelben Flusses. Tschengischan, welcher in vier Feldzügen dieselben nicht zu unterjochen im Stande gewesen, starb auf dem letzten; und endlich in der kleinen Bucharei die Uighuren, deren Sprache türkisch, deren Religionslehre aber auf tübetanische hinweist, ein schriftgelehrtes Volk, von welchem die Mongolen Schrift und Belehrung annahmen.

Die Dürlegin, deren Ausbruch aus Ergenekun.

Alle wirklichen Mongolen behaupteten, unmittelbar von Tegus und Kijan abzustammen, welche einige Jahrhunderte vor Tschengischan sich mittels eines Durchbruchs aus dem Erzgebirge von Ergenekun, aus der Bothmässigkeit ihrer Sieger und Zwingherrn befreit hatten. Ein Paar tausend Jahre vor Tschengischan, so erzählt die Volkssage, waren die Mongolen von ihren Feinden, den Tataren, bis auf zwei Männer ausgerottet worden, deren einer Tegus, der andere Kijan, d. i. Strom, hiess; sie flüchteten in ein rundum von steilen Felsen umschlossenes Thal, wo sie im Verlaufe von Jahrhunderten sich vermehrend, ihres Bergkerkers und Bergbaues endlich müde, den Ausgang aus demselben sich nur dadurch bahnten, dass sie mit siebzig Blasbälgen die Flamme aufgeschichteter Holzstösse gegen die Erzwand trieben, bis dieselbe schmolz und ihnen freien Ausweg aus dem Gebirge gewährte, dessen Namen Ergenekun als festes Gewölbe oder auch als Gewölbe der Kunen übersetzt werden kann; in der mongolischen Volkssage und in ihrem auf die Türken gepfropften Stammbaum scheint die geschichtliche Wahrheit der Unterjochung und Vertreibung der Hiongnu, d. i. Kunen, aus ihrem Reiche am Inschan gegen Norden am Altai, wo sie lange Zeit in dunkler Knechtschaft für ihre Sieger Bergbau trieben, verlarvt zu seyn. Das Erzgebirge Ergenekun ist von europäischen Forschern mongolischer Geschichten theils am Kokonor[20], d. i. am blauen See, in Tangut im Süden der grossen Sandwüste Schamo oder Kobi, theils im Nordosten derselben am See Dalai[21], d. i. am heiligen See, in welchen sich der Kerulon ergiesst, gesucht worden; dort, weil noch heute die steilen Ufer des Sees von den Mongolen Gunergi[20] genannt werden, hier, weil der in den See mündende Kerulon aus demselben unter dem Namen Ergun ausfliesst[21], und weil die Berge am mittleren Unun metallreich, wie der Inschan, an welchem die Herrscher der Hiongnu oder Kunen ihre Waffenarbeiter unterhielten[22]; aber wahrscheinlicher ist dieses Erzgebirge weder hier noch dort, sondern am Altai zu suchen, aus dessen an Gold wie an Eisen so reichhaltigen Felsenthälern die Türken im sechsten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung in der byzantinischen Geschichte auftauchen; dorten ist der Felsendamm von Gog und Magog, welchen die alte mongolische Geographie und Geschichte bis an die kaukasischen Pforten zieht, und hinter welchen persische Geschichtschreiber und Dichter den Bergkerker der Mongolen verlegen[23]; doch gleichviel, seyen die Mongolen ursprünglich vom Inschan oder Kinschan (so nennen die Chinesen den Altai) ausgebrochen, seyen sie von den Ufern des blauen oder heiligen Sees ausgegangen, das Andenken an diesen Auszug der Väter aus der Bergsclaverei lebte von Geschlecht zu Geschlecht fort (bis auf den heutigen Tag); das Fest des Auszugs ward alljährlich in der Nacht vor dem neuen Jahrestage als ein Fest der Bergleute und Schmiede gefeiert. Glühendes Eisen wurde in Gegenwart des Herrschers gehämmert und Gott für den Auszug aus dem Erzgebirge gedankt; später machte die Volkssage den Tschengischan, den Gründer der Grösse seines Volkes, selbst zum Schmiede[24], und am Berge Tarchan, d. i. der Schmied, welcher auf sieben deutsche Meilen sichtbar, aus rothem Granite als Riese den Eingang der grossen Sandwüste bewacht, wird noch der Ambos bewahrt, auf welchem Tschengischan der Erste das Eisen gehämmert; nicht ferne vom Berge Tono, d. i. der Rauchfang, wird noch an den Ufern des Kerulon der Rauchfang der Jurte gezeigt, in welcher er geschmiedet[25] haben soll. Auch in der altpersischen Geschichte war der Befreier des Volkes von der Tyrannei Sohaks der Schmied Gjawe, dessen Schurzfell erst Freiheitsfahne, dann das Reichspanier, und im Mongolischen ist Tarchan, d. i. der Schmied, gleichbedeutend mit Freiherr.

Die Stämme der Uirangkut und Konghirat.

Die Mongolen, welche von den Altvordern stammen, die aus dem Erzgebirge Ergenekun zogen, heissen Dürlegin, bis auf Alankowa, die neunte Ahnfrau Tschengischan's, deren Nachkommen aus ihren drei Söhnen, die sie vom himmlischen Lichte empfangen, die Nirunen, d. i. die Reinen, heissen; von allen mongolischen Stämmen für den Mythologen und den Geschichtschreiber des Aberglaubens der Völker merkwürdigster Stamm ist der der Uirangkut, die einzigen Mongolen, welche nicht vor dem Donner zitterten, sondern den Blitz mit Fluchen beschworen; alle anderen fürchteten den Wetterstrahl als einen feurigen Drachen, der, aus dem Meere steigend, die Luft durchzieht und die Erde mit feurigem Schweife schlägt[26]; sie glaubten, dass ausgegossener Wein, süsse und sauere Milch und Trocknung von Schuhen den Blitz herbeiziehe, wesshalb dieselben in freier Luft zu trocknen verboten war; diese Meinung und dieses Verbot zeugt für die Fürchterlichkeit der Ungewitter in jenen Gebirgen und Seen, und für die frühe Erfahrung, dass Feuchtigkeit der besste elektrische Leiter; aus diesem Stamme waren die meisten Kamen, d. i. Schamanen, Beschwörer von Ungewittern und Geistern; aus demselben waren Jisun Taischi und Jisun Köke, Befehlshaber des linken und rechten Flügels im Heere Tschengischan's, Subutai Behadir, der berühmte Feldherr, welcher mit Dschebe Nujan die siegreichen Waffen der Mongolen durch Persien nach Kipdschak trug, endlich Udadschi, der Zeitgenosse Tschengischan's, dessen Nachkommen im Gebirge Burhan Kaldun die Grabwächter des tschengisischen Familienbegräbnisses, die Wächter der acht weissen Häuser (Ordu), welche dort in der Gegend Jeke Utek, zwischen der Schattenseite des westlichen Altai und der Sonnenseite des östlichen Kentei, aufgerichtet worden[27], nach aller Wahrscheinlichkeit die Ahnen des in der späteren mongolischen Geschichte erscheinenden und noch heute an der chinesischen Gränze sitzenden mächtigen Stammes der Ordu's[28]. Wenn der Stamm der Urianghut so merkwürdig für den Mythologen und Ethnographen, so ist der siebenzweigige[29] der Konghirat noch weit bedeutender in der Geschichte Tschengischan's und seiner Nachfolger durch die vielfältige Verschwägerung desselben mit dem Herrscherhause, indem ein Dutzend der Frauen des tschengischanischen Hauses aus diesem Stamme in alle vier Uluse vermählt waren. Die Mutter Tschengischan's war aus einem der Zweige dieses Stammes, eine Olkonutin, und Tschengischan vermählte seine Töchter an Konghiraten; so gab er dem Schingku Gurgan seine Tochter Tumalin mit dem Befehle über viertausend Konghiraten, eine andere wollte er dem Konghiraten Tuli Amul zur Frau geben, liess ihn aber hinrichten, da dieser den Antrag mit dem kühnen Worte erwiederte: Wie soll ich deine Tochter nehmen, die Frosch und Schildkröte (quackend und duckmäuserisch sicher). Von Bestui, dem Stammvater der Konghirat und der sechs mit demselben verwandten Stämme, schreibt sich Alles, was in der mongolischen Hofsprache golden heisst, her, wesshalb er auch Bestui serin, d. i. der goldene, beigenannt wird; daher das goldene Lager, das goldene Archiv, das goldene Gesicht und das goldene Zimmer des Herrschers. Aus den Kinkliut, einem Zweige der Konghirat, war Miser Uluk, von dessen Stärke und Gefühllosigkeit Reschideddin seltsame Anecdoten erzählt; drei Tage und Nächte schlief er statt der Decke mit Muscheln zugedeckt, so dass Vögel auf seinen Rücken nisteten und Eier legten; sein Sohn war der Stammvater der Kurulas, aus welchen Merchitai dem Tschengischan den wesentlichen Dienst leistete, ihm von der Verschwörung der feindlichen Stämme, welche den erbitterten Feind Dschamuka zum Gurchan, d. i. zum grossen Herrscher ausgerufen hatten, die früheste Kunde zu geben. Die Gemahlin Miser Uluk's war eine Chinesin, deren Namen[30] die auf dem Esel reitende Rose bedeutete, wesshalb der Sohn Ildschigin, d. i. Langohr, genannt ward, der Stammvater des siebenten Zweiges der Konghirat; sie hatten ihre Sitze an der chinesischen Gränze an den finsteren Wäldern des Gebirges Hingan[31], woher die unter dem Namen der Karawinas berühmten Naphtafeuerwerker.

Die Stämme Kungtan, Erlat, Huschin, Kelkenut, Bajaut, Suldus.

Der Namen des Stammes Kungtan heisst die Grossnasichten, was sowohl physisch als moralisch für stolz und anmassend verstanden werden kann.[32] Aus diesen und den folgenden Stämmen der Erlat, Huschin und Suldus waren die bessten persönlichen Freunde Tschengischan's, die werkthätigsten Helfer seiner Jugend und seines männlichen Alters. Menglik Itschke, der Kungtane, hatte nach Jisukai's Tode den dreizehnjährigen Temudschin gepflegt, sein Sohn aus einer früheren Ehe, But tanri, d. i. Gottes Ebenbild, trat als begeisterter Schamane auf und verwandelte im Namen des Himmels den Namen Temudschin's bei dessen Thronbesteigung in Tschengis, als gleichbedeutend mit Gewaltiger, grosser Chan; der diesem gewogenste Stamm waren die Erlat oder Arulad, d. i. die Guten, als deren Chakan Tschengischan den Thron bestieg[33]; aus diesem Stamme war Bughurdschin Nujan, welcher mit Burghul Nujan, aus dem Stamme der Huschin, der Lebensretter Temudschin's, als er blutspeiend mitten im Schnee zu sterben Gefahr lief, wofür beide im höchsten Ansehen stehend in der Folge als die Waffengenossen, die ihm am Quell Baldschuna treu geblieben waren, zu Tarchanen, d. i. Freiherren, geadelt, dieselbe Würde ohne Diplom erhielten und über Diplome erhaben erklärt wurden; auch den ganzen freundlichen Stamm der Kelkenut adelte Tschengis als Freiherren, wie Kaiser Friedrich I. alle Einwohner einer italienischen Stadt zu Conti erhob; aus dem nicht minder freundlich gesinnten Stamme der Bajaut, welcher in zwei Abtheilungen an der Selinga sass, war Böke Gurgan, einer der Eidame Tschengischan's, dann Ongkus Keisat, d. i. der Truchsess[34], ob der Plünderung der Schätze des chinesischen Kaisers Altan Chan in der Folge verungnadet, und Surkan, der betraute Rath Tschengischan's, der, als die Fürsten der Tataren und Dschadscherat um die oberste Herrschaft der Mongolen stritten, dasselbe dem Temudschin vorausgesagt. Endlich der Stamm Suldus, verherrlicht durch die Familie Surghan Schire's, des Retters Temudschin's, als dieser von seinen Feinden, den Taidschuten, gefangen, mit dem Blocke am Halse sich in einen Teich versteckte, so dass nur die Nase über dem Wasser sichtbar. Die alte Frau Baidschu Ikadschi hatte sich seiner in dieser Sklaverei erbarmt; aber wichtiger war der Dienst, den ihm Surghan Schire erwies, indem er, des Verborgenen gewahr, die ihn aufsuchenden Taidschuten vom Teiche ableitete, Abends denselben hervorzog und in seinem Hause in einem Sacke von Wolle verbarg; die Verfolger durchsuchten das Haus und stiessen mit Spiessen in den Wollsack; als sie ferne, gab ihm Surghan Schire Kleider, Waffen, Mundvorrath und eine weisse Stute, auf welcher er seiner Familie zueilte, die längst alle Hoffnung, ihn wieder zu sehen, aufgegeben; sein vierter Sohn, Tuli, sagte schon mehrere Tage hindurch: Mutter! der Vater kommt auf weisser Stute; und desselben Ankunft bestätigte des Knaben zweites Gesicht[35]. Viele der Nachkommen Surghan Schire's kamen mit Hulagu nach Persien, und von denselben stammt der berühmte Emir Tschoban, der Feldherr unter Ghasan, Oldschaitu und Ebu Said, der in des letzten Regierung so wichtige Rolle spielt, und dessen Sohn Hasan der Gründer der Dynastie Tschoban, welche, wie die der Ilkaane, sich aus den Trümmern des ilchanischen Reichs in Iran erhob. Tschengischan zählte unter den Stämmen der Durlegin mehrere Freunde als unter den achtzehn der ihm nächstverwandten, von den lichtempfangenen Söhnen von der neunten Ahnfrau abstammenden Nirunen, d. i. die Reinen. Sein eigenes Haus hiess erst von seinem Ahnherrn Kabulchan nur das der Kutat oder Kitad und von seinem Vater Jisukai das der Kutat Burdschugin, d. i. die rothbräunlichten Augen. Von diesen achtzehn Stämmen der Nirunen wollen wir hier nur die vier mächtigsten, zwei freundliche, die Taidschut und Dschadscherat, und zwei feindliche, die Barin und Jisut, zur näheren Kenntniss einführen.

Die Stämme der Taidschut, Dschadscherat, Barin und Jisut.

Die Taidschut, deren Namen an die Deutschen erinnert, wie der der Dschete an die Geten, und der der Dschurmanen an die Germanen, stammten mit den ihnen nächstverwandten drei Stämmen, der Erikian, Sidschiut und Dschinis, von Baiduchan, dem sechsten Ahnherrn Temudschin's, dessen Urenkel Ainbaghi von den Tataren gefangen, dem chinesischen Kaiser ausgeliefert, auf einem Esel paradirt und dann geschunden worden; gleiches Schicksal hatte ein anderer Urenkel desselben, Ökin Berkan, und die Blutrache dieser beiden Urgrossoheime Temudschin's diente in der Folge, den wider die Dynastie der Kin unternommenen Krieg zu rechtfertigen; aber früher hatte Temudschin eigene Unbild an diesem seinem Hause so nahe verwandten, aber feindlichen Stamme zu rächen; nach der Niederlage derselben zu Baldschusch wurden die Gefangenen in siebzig Kesseln gesotten, welche in der mongolischen Geschichte eben so berühmt, als die siebzig Blasbälge, welche die Felsenwand von Ergenekun sprengten, als die siebzig Ringe[36] der Dschelairen, deren jeder aus tausend Familien bestand. An der Spitze des zweiten feindlichen Stammes der Dschadscherat oder Dschuirat, deren Stammvater Odurbejan, der Bruder Kabulchan's, des Urgrossvaters Temudschin's, stand Dschamuka, beigenannt Satschan, d. i. der Listige, der gefährlichste und unversöhnlichste aller Feinde Tschengischan's, dessen Ränke ihn mit Owangchan, dem Herrn der Kerait, entzweiten und der von Tschengischan endlich besiegt, dem Neffen Iltschidai zur Hinrichtung übergeben ward; doch theilten nicht alle Dschadscherat den unversöhnlichen Hass ihres Fürsten, indem Tschengischan Mehreren derselben wesentliche Dienste dankte, so den Brüdern Kuschaul und Dschusuk, welche während Tschengischan's chinesischen Feldzugs seinen Jurt hüteten; und Kalender, welchen Tschengis in der Begleitung eines Uriangkuten mit erdichteter Botschaft im Namen seines Bruders Dschudschi Kasar an Owangchan sandte, um diesen in die Falle zu locken. Aus dem Stamme der Barin, dem nächsten Verwandten der Durban, d. i. das Meer, die in den heutigen Törbed fortleben, war Sutukusu nach dem berühmten Feldherrn Mokli Kajanik der zweite im Befehle, der noch als hundertjähriger Greis zur Zeit Ogotai's lebte und sich rühmte, den ersten Hochzeitsschmaus mit Tschengischan gefeiert zu haben; dann Bigi, der Barine, welchen Tschengis als Ungkun, d. i. freien Mann, erklärte, der bei ihm im höchsten Ansehen wie die Prinzen vom Geblüte zu seiner Rechten sass, und dessen Pferde in einer Hürde mit denen Tschengischan's; da er sehr alt, befahl Tschengischan, dass ihm der Rücken eines Sukanut beim Aufstehen zum Schemel diene, woher diesem Stamme der Name Aktadschi Bigi, d. i. die Stallmeister Bigi's, blieb, wider welchen sie protestirten. Die Jisut endlich leiten ihren Ursprung von Tschintai Utdschigin, dem jüngsten Sohne Kabulchans, des Urgrossvaters Temudschin's, ab. Utdschigin, d. i. der Feuerhüter, hiess bei den Mongolen der jüngste Sohn, welcher während der Abwesenheit des Vaters und der Brüder im Felde das Haus als Ofensitzer hüten musste, und welcher nach des Vaters Tode dasselbe erbte, weil er besser als die Brüder im Felde sich mit der Wirthschaft bekannt zu machen Gelegenheit gehabt. Diesen Beinamen führen also mehrere in der mongolischen Geschichte berühmte jüngste Söhne als Ofensitzer-Haushüter, nebst Tschintai noch Budan Utdschigin, der jüngste Sohn Burtan Behadir's, des Grossvaters Tschengischan's; Taratai Utdschigin, der jüngste Sohn Jisukai's, des Vaters Tschengischan's, und endlich Tuli, des letzten jüngster obengenannter Sohn. Diesen Stamm der Jisut verherrlicht die grosse zahlreiche Familie Dschebe Nujan's, des Waffengefährten Subatai Behadir's, welcher mit demselben den dreijährigen Feldzug wider Persien und Russland vollbracht.

Erst nach dieser vorläufigen Kenntniss der berühmtesten Stämme des mongolischen Reichs ist es gerathen, die Geschichte seines Gründers kurz zu überblicken.

 

Perioden der Geschichte Tschengischan's.

Temudschin ward am 20. Silkide des fünfhundert neun und vierzigsten Jahrs der Hidschret, d. i. am 26. Jänner d. J. tausend hundert fünf und fünfzig der christlichen Zeitrechnung, im letzten Jahre des alttürkischen Thiercyclus, nämlich im Jahre des Schweines, geboren, und starb, zwei und siebzig Jahre alt, am vierten Ramasan d. J. d. H. 624, d. i. am 18. August 1227, nach dem sechsmal durchlaufenen zwölfjährigen Thiercyclus, abermal im Jahre des Schweines, ein ominoses Geburtsjahr für den Herrscher der mongolischen schweinischen Menge; nicht minder ominos, als dass Temudschin ein Stück geronnenes Blut fest in der Hand verschliessend zur Welt kam, die er mit Blut überschwemmen sollte. Von den ersten zwölf Jahren seines Lebens, in dessen dreizehntem er den Vater Jisukai verlor, weiss die Geschichte Nichts, als dass dieser ihm den Namen Temudschin von dem am Tage seiner Geburt besiegten und gefangen eingebrachten Fürsten gab; die übrigen sechzig Jahre seines Lebens zerfallen in die frühere kleinere Hälfte, welche sieben und zwanzig Jahre umfassend, von seinem dreizehnten bis an sein vierzigstes, und in die zweite grössere, welche von seinem vierzigsten bis zu seinem Tode zwei und dreissig Jahre füllt; von der ersten Hälfte, in welcher er den wiederholten Unbilden seiner Feinde ausgesetzt sich nur mühsam die Freiheit und Unabhängigkeit erkämpfte, kennt die Geschichte verhältnissmässig für die Zahl der Jahre nur wenige Begebenheiten, aber desto gellender und ohrenzerreissender durchschmettert sein Namen in den folgenden zwei und dreissig Jahren die Welt. Der grosse Geschichtschreiber Reschideddin hat die Geschichte des Lebens und der Herrschaft Tschengischan's von seinem dreizehnten Jahre bis in dessen drei und siebzigstes eben so pragmatisch als lichtvoll in fünf Perioden, die erste von dreimal neun, die zweite von neun, die dritte und vierte von sieben, die fünfte abermal von neun Jahren eingetheilt.[37] In der ersten Periode tritt er als Sieger der Taidschut, deren Gefangene in siebzig Kesseln gesotten worden, auf; schon wider seinen persönlichen Feind, Dschamuka, den Fürsten der Dschadscherat, kämpfend, von denen sich jedoch ein Theil ihm unterwirft, sowie die Stämme Suldus, Jisut und Barin, deren Emire sich seinem Dienste anreihen. Die Gelegenheit eines Festes führt einen Streit mit dem Vetter Sedschebegi, dem Fürsten des nahverwandten Stammes der Kijat Burkin, herbei, der nun Temudschin gegenüber als Bewerber um die oberste Herrschaft auftritt; aber diesen Abfall vergütet der Sieg über die Tungkait, einen Zweig eines wider seinen Fürsten Owangchan, welchem Temudschin Hilfe leistet, empörten keraitischen Stammes. In der zweiten Periode erscheint Temudschin als Verbündeter Owangchan's, des Fürsten der Kerait, wider die ihnen beiden feindlichen Stämme der Naiman Merkit und Tataren; nach Besiegung derselben unterwirft sich der mächtige Stamm der Konghurat der Herrschaft Temudschin's, und er besteigt den Thron als Herr der Mongolen in seinem siebenmal siebenten Jahre. Verschmähte Brautwerbung und Dschamuka's Ränke führen den Krieg mit Owangchan herbei, von welchem Temudschin zwar am Quell Baldschuna geschlagen, in der Folge denselben, sowie die Naiman und Merkit oder Tangut, besiegt, worauf ihm die Uighuren, Kirgisen, huldigen, und er als Herrscher aller Mongolen die neungipflige Fahne mit neun weissen Rossschweifen aufgepflanzt, und den Namen Temudschin in Tchengis, d. i. starker, grosser, gewaltiger Herrscher, verwandelt. Die folgende Periode füllt der siebenjährige chinesische Krieg und die letzten neun Jahre seines Lebens die Feldzüge wider Chuaresmschah's über ganz Vorderasien verbreitete Macht in Transoxana, Chuaresm, Chorasan, Iran und Kipdschak, theils in eigner Person, theils durch seine Söhne und Feldherren, zuletzt die vierte wider Tangkut, wo er seinen Lauf als Eroberer beschliesst. Gibbon hat diese Eroberungen nach den vier Weltgegenden, im Norden, Süden, Osten und Westen, überblickt. Da die Geschichte Tschengischan's zu schreiben und blos die Eroberungen aufzuzählen, hier nicht unser Zweck, so beleuchten wir die grosse historische Figur Tschengischan's von vier Seiten, zuerst in seiner Familie als Menschen, dann gegenüber seinen Feinden als Sieger und Eroberer, hierauf als Staatsmann und Gesetzgeber, und endlich in dem Ueberblicke seiner Heeresmacht und letzten Anordnungen als den Gewaltigen im eigentlichsten Sinne des Worts.

Die Familie Tschengischan's.