Eric Clapton

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Über dieses Buch

Wie »Slowhand« zum grössten lebenden Blues- und Rock-Gitarristen wurdee

Eric Clapton ist der einzige Künstler, dem es gelang, gleich drei Mal in die Rock & Roll Hall of Fame aufgenommen zu werden – mit den Yardbirds, mit Cream und für seine Solokarriere. Er gewann 17 Grammys, davon allein sechs im Zusammenhang mit dem bis heute erfolgreichsten Album der Reihe MTV Unplugged.
Ein Leben für den Blues erzählt von Claptons Wurzeln, seiner Musik, seiner Weltkarriere – und von seinen Dämonen.

»Wahrscheinlich gibt es einen Grund dafür, dass ich noch da bin. Und es wird immer wichtiger für mich, diesen Grund herauszufinden.« (Eric Clapton)

Peter Kemper macht sich auf die Suche nach diesen Gründen. Er erzählt davon, wie ein unglücklicher weißer Jugendlicher im Großbritannien der Nachkriegszeit aus zerrütteten Verhältnissen überhaupt auf die Idee kommen konnte, sich dem amerikanischen, schwarzen Blues zu verschreiben. Er schildert, wie der Ausnahmemusiker seinen späteren Drogenkonsum in den Griff bekam, wie er Schicksalsschläge wie den Tod seines Sohnes verarbeitete – und woher Clapton die Kraft nimmt, weiterhin den Blues zu spielen. Zwei Konstanten nimmt Kemper dabei immer wieder in den Blick, nämlich Claptons Blues-Auffassung in Verbindung mit seinem Verständnis von »Blackness« (wie konnte es etwa zu seinen Entgleisungen in Birmingham gegen Schwarze kommen?) und seine lebenslange Verehrung des Blues-Mythos Robert Johnson (1911–1938), dem vielleicht einzigen sicheren Bezugspunkt in seinem Leben.

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Enthält das E-Book in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, so verweisen diese auf die Printausgabe des Werkes.

Eric Claptons wichtigtste Gitarren

1960s Kay Jazz II

1963 Fender Telecaster

1960 Gibson Les Paul Standard »Beano Burst«

1964 Gibson SG Standard »The Fool«

1964 Gibson ES335TDC

1950s Fender Stratocaster »Blackie«

1939 Martin 000-42

»Wenn du mir versprichst, mich mit Eric Clapton bekannt zu machen, komme ich mit nach England.« Chas Chandler gab Jimi Hendrix sein Wort, und die beiden betraten am 24. September 1966 um neun Uhr morgens auf dem Londoner Flughafen Heathrow britischen Boden. Schlagartig machte Hendrix, der von dem Album John Mayall & The Blues Breakers With Eric Clapton zutiefst beindruckt war, als neue ›Gitarren-Sensation‹ in der damaligen Musikmetropole von sich reden. Clapton erlebte gerade mit der Supergroup Cream einen ungeahnten Höhenflug und war ganz begierig darauf, seinen amerikanischen Herausforderer persönlich kennenzulernen. Als es dann am 1. Oktober im Polytechnic in der Londoner Regent Street zur Begegnung der beiden Ausnahmegitarristen kam, fand Eric seinen Meister. Zwar hatte Ginger Baker schon vor dem gemeinsamen Auftritt Bedenken geäußert, doch Eric wollte unbedingt wissen, was dran war an diesem Hype um den Mann mit der futuristischen Afro-Frisur. Mit seinem Griffbrett-Feuerwerk, dem Spiel mit den Zähnen und hinter dem Rücken, fegte Jimi an diesem Abend in der Howlin’-Wolf-Nummer »Killin’ Floor« Clapton regelrecht von der Bühne. Der verschwand anschließend wortlos in der Garderobe. Sofort aber manifestierte sich seine Bewunderung und freundschaftliche Rivalität darin, dass er Hendrix’ Afro-Frisur übernahm und sich wie der Kollege aus Seattle um ein knallbuntes Outfit bemühte.

Doch Hendrix besaß hinsichtlich musikalischer Originalität zwei entscheidende Vorteile: Er war schwarz, und er war Amerikaner. Deshalb sah Clapton in ihm auch sofort ›the real thing‹: »Und ich dachte mir, wenn ich schwarz wäre, möchte ich er sein.« Eric blieb auch Hendrix’ »erstaunlich großes Talent« hinter der ganzen Bühnen-Exzentrik nicht verborgen, wo doch gerade dieses Showgebaren ihn für viele unecht wirken ließ. Hendrix jonglierte offenkundig mit rassischen Klischees, was vielleicht befreiend auf einen Musiker wirkt, der sich nicht in Kategorien wie ›schwarz‹ oder ›weiß‹, ›amerikanisch‹ oder ›britisch‹ zwängen lässt. Doch genau das brachte Clapton mit seinem eigenen

Wir haben es versucht und auch geschafft, Pop-Songs zu schreiben und für uns ein Pop-Image zu kreieren. Ich habe da mitgemacht und es war eine Schande, weil ich mir gegenüber nicht ehrlich war. Ich bin nun mal ein Bluesgitarrist und werde immer einer sein.

Welche Konsequenzen hatte diese strenggläubige Auffassung von ›schwarzer Musik‹ für sein Weltbild?

Bis heute ist Clapton weit mehr als ein Blues-Musiker unter vielen: In ihm bündelt sich wie in einem Brennspiegel die Geschichte des britischen White-Boy-Blues, einer Bewegung, die noch immer als produktive Unterströmung in der aktuellen Rockmusik fortwirkt. Und nicht allein John Mayall zeigt sich überzeugt: »Eric ist der größte Blues-Gitarrist, der je auf Erden wandelte.« Warum aber haben sich ausgerechnet in England Anfang der 1960er Jahre weiße Jugendliche aus der Arbeiter- und Mittelschicht mit Haut und Haaren einer Musikform verschrieben, die in ihrem Heimatland, den USA, fast vergessen schien? Was waren die innersten Motive von Clapton & Co., den Blues zum Soundtrack ihres Lebens zu wählen? Und warum suchte sich Clapton als Leitfigur ausgerechnet einen damals fast vergessenen, obskuren Delta-Blues-Pionier wie Robert Johnson aus?

Robert Johnson: Abbildungstradition in Covern und Plakaten

1961

1970

1990

2004

2004

Ende 1961 war Eric zum ersten Mal mit der Musik von Johnson in Berührung gekommen. Sein Schul- und Blues-Freund Clive Blewchamp hatte ein Exemplar des gerade erschienenen Johnson-Albums King Of The Delta Blues Singers aufgetrieben. Clapton war schockiert und fasziniert von den 16 Songs, die gleichzeitig als Drohung und mysteriöse Verheißung wirkten: Ein verletzlicher Gesang, der von weit her zu kommen schien, aus einer anderen, längst versunkenen Welt. Johnsons Stimme trägt anscheinend so viel existenzielles Erschrecken in

Can’t You Hear The Wind Howl? Erst im Jahr 1972 tauchte das erste Foto von Robert Johnson auf.

In der Tat kann man Claptons Karriere als lebenslange Suche nach dem ›spirit‹ von Robert Johnson verstehen. Und selbst die Jahre seiner Heroin- und Alkoholsucht in den 1970er Jahren vermitteln noch eine Parallele zu Johnsons frühem Tod mit 27 Jahren. Clapton war in seiner dunkelsten Phase genauso alt, und in dieser Zeit schien er von Johnsons faustischem Pakt (er soll seine Seele an einer Straßenkreuzung dem Teufel verkauft haben, um ein besserer Gitarrist zu werden) geradezu besessen gewesen zu sein: Er bezog den Mythos auf sein eigenes

Seine Musik besitzt ein eigenes Leben und wenn Johnson heute noch leben würde, und – sagen wir mal: ein etablierter Banker wäre, würde meine Wertschätzung seines Werks davon nicht im Mindesten betroffen sein. Die Aufnahmen sind aufregend und wahr – und alles andere ist nebensächlich.

Fast wäre Claptons lebenslanger Leitstern verschwunden, bevor er vollends aufgehen konnte. Claptons Klassenkamerad Anthony ›Top‹ Topham erinnert sich 2015 im Gespräch mit Tony Scott:

Samstagvormittags trafen sich alle Blues-Enthusiasten von der Art School in unserem Haus in der Clifton Road. Eines Morgens kam Eric völlig deprimiert bei uns an. Er hatte sich gerade sein erstes Robert-Johnson-Album gekauft und an der Haltestelle auf den Bus zu uns nach Kingston gewartet. Weil er noch ein paar Minuten Zeit hatte, lehnte er sich an das Bus-Stoppschild und stellte das Album neben sich auf den Boden. Als der Bus dann kam, sprang er gleich rein und merkte sofort, dass er die Platte vergessen hatte. An der nächsten Haltestelle stieg er gleich wieder aus und lief zurück, musste aber feststellen, dass das Album weg war. Er war fürchterlich aufgebracht, denn die Platte hatte ihn 30 Schilling gekostet, was damals viel Geld war.

Baumwollfelder an der Themse

Anfang der 1960er Jahre galt der Blues in Amerika als ›toter Hund‹, während er auf der anderen Seite des Atlantiks geradezu enthusiastisch gefeiert wurde. In einem ersten Schritt eigneten sich britische Blues-Bewunderer diese schwarze Musikform an, indem sie sie so genau wie irgend möglich studierten, ihre musikalischen Strukturen anhand von Schallplatten, Radiosendungen, Büchern und Zeitschriften analysierten und nachahmten. In einem zweiten Schritt kam es zu einer produktiven Synthese aus Nachahmung und Neuerfindung: Die Rhetorik des Blues, seine Bildersprache, seine Mythen, sein Slang-Vokabular, seine musikalischen Phrasen und Wendungen wurden mit englischer Folklore, ebenso wie mit amerikanischer Rockmusik verschmolzen, vor allem aber mit Lautstärke und Aggression aufgeladen. So entstand Anfang der 1960er Jahre der typisch britische Blue-Eyed-Blues als eine Rekombination von traditionellen und aktuellen Elementen.

Dabei bedeutete Blues als kulturelles Idiom und sozialer Text für Schwarze etwas völlig anderes als für Weiße. Die britischen Blues-Liebhaber – Musiker wie Publikum – wuchsen weder mit dem institutionalisierten Rassismus in Amerika auf, noch hatten sie zunächst eine Ahnung von den oft katastrophalen Lebensumständen schwarzer Musiker in den Südstaaten der USA. In Großbritannien speiste sich die

Als Brite war man überzeugt, Rassefragen und damit verbundene moralische Entscheidungen vernachlässigen und den Blues als quasi wertfreie musikalische Ausdrucksform übernehmen und weiterentwickeln zu können. Diese Haltung entsprach noch ganz der ›Shopping-Mentalität‹ des untergehenden britischen Empire, das geglaubt hatte, kulturelle Formen, Stile und Genres aus allen Teilen der Welt konsumieren, amalgamieren und nach eigenem Gutdünken verändern zu können. Selbst wenn jemand wie Clapton sich nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des britischen Empire um den Verlust von – sagen wir – Indien oder Kenia wenig gekümmert haben mag, so konnte er doch nicht der verbreiteten nationalen Stimmung von Unsicherheit und kultureller Verknöcherung entfliehen. Erst in dieser Situation des Niedergangs konstruierten britische Blues-Liebhaber ›Amerika‹ als einen Ort, an dem Abenteuer und Bewegungsfreiheit noch möglich schienen – und nach einem Wort von Keith Richards »die Mädchen ohnehin besser aussahen.«

Für Schwarze war das Leben im Mississippi-Delta in den 1920er Jahren, als der Blues entstand, eine Qual: Als Tagelöhner auf den endlos weiten Feldern wurden sie wie Geister behandelt: Bei Sonnenaufgang hatten sie lautlos zu erscheinen, mussten ohne Murren in glühender Hitze schuften und bei Sonnenuntergang möglichst geräuschlos wieder verschwinden. Auch einem einfachen ›farbigen‹ Sharecropper bzw. Pächter ging es nicht viel besser, war er doch von korrupten weißen Großgrundbesitzern abhängig, deren absurd hohe Pachtforderungen er kaum erfüllen konnte und sich deshalb immer weiter verschulden musste. Kein Wunder, dass die Schwarzen am Wochenende in sogenannten Juke Joints, von Alkohol und Sex durchtränkten

Schnell durchschaute der junge Robert Johnson dieses geheime Gesetz: Der Blues machte die Schrecken der Welt besser erträglich, einer brutalen Welt, »die tagtäglich auf der Lauer lag, sobald man den Fuß aus der Kirche setzte« – wie es der amerikanische Musik- und Kulturkritiker Greil Marcus formulierte. Nie war der Blues transzendent oder huldigte dem Höchsten. Anstelle göttlicher Gnade bettelte er um Erlösung durch Liebe und Sex. Das musste bei heranwachsenden, vom britischen Zeitgeist enttäuschten Jugendlichen zwangsläufig auf offene Ohren treffen. Eric Clapton und die Rolling Stones sollten deshalb in der Folgezeit viele Johnson-Songs covern, von »Love In Vain«, »Stop Breaking Down«, über »Ramblin’ On My Mind« und »From Four Until Late« bis zu Claptons lebenslanger Erkennungsmelodie »Crossroads«.

Die Bedeutung von Johnson lässt sich dennoch nicht allein an der Anzahl der Coverversionen messen, sein Einfluss reicht tiefer: Für viele Rock- und Blues-Musiker wurde er zum Spiegel und Prüfstein zugleich. Blues verkörperte für die weißen jungen Briten ungeschulte Rauheit anstelle von gekonnter Professionalität, bäuerliche Vorzeit statt städtischer Modernität und herbe Männlichkeit anstelle von zarter Weiblichkeit. Doch der Hauptgrund, warum weiße britische Mittelschichtsjugendliche sich für den Delta-Blues begeisterten, war ihre Suche nach den Wurzeln, nach den historischen Vorläufern des Rock ’n’ Roll. Wo kam Elvis eigentlich her? Aus welchen Quellen schöpfte Carl Perkins? Woher nahm Chuck Berry seinen Rhythmus? Und wie kam

Den ersehnten Ursprungsmythos fanden sie schließlich im Mississippi-Delta-Blues, in den Songs von Robert Johnson, Charlie Patton, Son House oder Skip James, so dass sich die aufmüpfigen Jugendlichen – so Mick Jagger – vorkamen wie »großartige musikalische Historiker«. Clapton und seine Mitstreiter stöberten in kleinen Jazz-Läden nach obskuren Platten oder bestellten wie Jagger die exotischen Alben per Mailorder direkt in den USA. So lernten sie in einer Art Secondhand-Studium das Blues-Vokabular, das Personal der Songs, ihre Charaktere, Ausdrucksformen und Ideen kennen. Obwohl in diesem Aneignungsprozess in Wahrheit keine reale Verbindung zu schwarzen, ja zumeist bitterarmen und ausgegrenzten Amerikanern bestand, konnten die britischen Blues-Musiker für sich immerhin emotionale Verarmung und eine Art Inhaftierung im britischen Klassensystem geltend machen, aus dem man sich mit aller Macht befreien wollte. Clapton präzisierte in einem Interview mit David Fricke vom Rolling Stone im Jahr 2014:

Wenn man es in einen sozialen Kontext stellen möchte, könnte man sagen, dass England im Zweiten Weltkrieg kurz davor war, besiegt zu werden. Aber wir sind aufgestanden und haben uns gewehrt. Die Blues-Sänger repräsentierten genau diese Haltung aus Widerstand und Trotz. Robert Johnson war ein Kerl gegen den Rest der Welt und die Jugendlichen aus meiner Generation haben dieses Gefühl übernommen – wir waren unschlagbar.

Projektion und Überhöhung gehen hier Hand in Hand.

Robert Johnson verarbeitete seine lebenslange Flucht vor der Heimatlosigkeit in einer Musik, die von immer neuen Verwundungen erzählt. Von zahllosen Höllenhunden gehetzt – er fühlte sich zeitlebens wie ein verstoßenes Kind, war von ständiger Unruhe erfüllt und wurde von seiner Gier nach Sex ins Verderben getrieben –, gelang es ihm dennoch, durch seine Musik der bedrückenden Realität zu entfliehen. Mit durchdringender, hoher Stimme forderte er in seinen Songs

Das Mysterium, das Johnsons kurzes, aber heftiges Leben umgibt, sein rätselhafter Tod: Keiner der Blues-Musiker, die England in den 1960er Jahren besuchten, weder Muddy Waters, Big Bill Broonzy noch Howlin’ Wolf, konnte es mit dieser schillernden Figur aufnehmen, keiner verfügte über einen ähnlich verlockenden Mythos: Sein »walking with the devil« funktionierte als verführerische Metapher für die düstere Seite seines Charakters, seiner inneren Abgründe und führte damit direkt ins dunkle Herz der Rockmusik. Zugleich konnte Johnsons vermeintlicher Teufels-Pakt vom jungen britischen Blues-Netzwerk als eine Geste des Widerstands, des Ausstiegs aus bürgerlichen Konventionen gedeutet werden. Als er die Johnson-Platte King Of The Delta Blues Singers hörte, wurde Clapton, wie er sich im Gespräch mit Andrew Franklin erinnert, schlagartig klar:

Ich konnte seine Musik nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn er war ja in gewisser Weise ein Rebell. Er regte jede Menge Fantasien in mir an, und ich sah in ihm einen echten einsamen Wolf, der einfach zu kraftvoll war, um ihn mit anderen Musikern zu vermischen.

Es sind vor allem vier Songs, denen Johnson sein ›teuflisches‹ Image verdankt. Dabei beklagt der Sänger in »Hellhound On My Trail« lediglich, dass er von Höllenhunden gejagt werde und deshalb immer weiterziehen müsse. In »Me And The Devil Blues« wacht der Sänger eines Morgens davon auf, dass Satan an seine Tür klopft und ihn warnt, »dass

In Johnsons »Cross Road Blues« sehen die meisten Kommentatoren die deutlichste Anspielung auf einen Deal mit dem Teufel. Obwohl die abergläubische Verbindung ›Straßenkreuzung – Teufel‹ in der Folklore der Südstaaten stark verbreitet war, erzählt Johnson in seinem berühmtesten Lied vom glatten Gegenteil: Hier geht der Sänger zu einer Straßenkreuzung, um Gott anzuflehen. Er fällt auf die Knie und bittet an der Kreuzung um dessen Gnade. Anschließend sucht er eine Mitfahrgelegenheit, doch keines der vorbeifahrenden Autos hält an. Dunkelheit senkt sich über die Straßenkreuzung, und der Sänger ist allein, voller Furcht, zusammenzubrechen. Wahrscheinlich im Jahr 1932 geschrieben, zählte der »Cross Road Blues« bald zu Johnsons Standardrepertoire. Obwohl in dem Lied an keiner Stelle explizit vom Teufel die Rede ist, gilt er unter Blues-Fans als derjenige Song, der die satanische Symbolik am plausibelsten ausdrückt. Wahrscheinlich liegt das an der düsteren Atmosphäre des Stücks, die leicht als unmittelbarer Ausdruck der Seelenlage des Sängers interpretiert werden kann. Allein die Tatsache, dass in Johnsons »Cross Road Blues« der Sänger die Kreuzung aufsucht, als die Sonne schon untergeht, widerspricht dem üblichen Ritual des Teufelspakts, das ja um Mitternacht stattfinden muss.

Der Song beschreibt eine typische Situation im Leben eines umherstreifenden Musikers: Sobald er einen seiner sicheren Stützpunkte verlässt, kommt er am Ortsrand unweigerlich zu einer Straßenkreuzung. Hier muss er sich entscheiden, welche Richtung er einschlagen soll. Der Sänger steht an einem schicksalhaften Scheideweg. Zunächst versucht er zu trampen, aber niemand nimmt von ihm Notiz. So geht das bis zum späten Abend, als ihn der Mut verlässt (»Poor Bob is sinkin’ down«.)

Man kann diesen Text so deuten, als handele er von der mentalen Verfassung einer Person, die Angst hat, ihre Seele an einen an der Kreuzung vorbeikommenden Teufel zu verlieren – vielleicht auch als

In seiner Musik kommt eine Angst zum Ausdruck, die ich in meinem eigenen Leben auch erfahren habe. Ich kann mich mit seiner Furcht und seinem Schrecken vorbehaltlos identifizieren. Johnson hat in seiner Jugend einige schwerwiegende Fehler gemacht, deshalb wurde er ein Getriebener, immer auf Achse, weil er in der Klemme saß.

In immer neuen Versionen hat Clapton sich am »Crossroads«-Song mit den verschiedensten Bands abgearbeitet – als ginge es im Blues »nicht so sehr darum, was mit der Gitarre gesagt wird, sondern wie es gesagt wird. Deshalb wollte ich auch den ›spirit‹ und weniger die Form oder die Technik aus den Johnson-Songs herausziehen.«

Seit 1961 sucht Clapton beharrlich nach einem Weg, die rohe Emotionalität von Johnsons Musik in den modernen Sound eines elektrisch verstärkten Bluesrock zu integrieren. Im Booklet zu den Complete Recordings von Robert Johnson schreibt er:

Für mich war die Frage wichtig: Gibt es so etwas wie ein Riff, eine Form, die auch in einem Bandformat funktionieren kann? Der einfachste Ausgangspunkt schien mir in den Songs zu liegen, in denen er diese Jimmy-Reed-Figur in den Basslinien benutzt. Dann fand ich in seinem »Cross Road Blues« ein eingängiges Riff, das mehr oder weniger aus dem Song »Terraplane« stammt. Er spielte es als ganzen Akkord mit einem Slide. Ich übertrug es auf eine oder zwei Saiten und schmückte es dann noch etwas aus. Aus all seinen Songs schien mir dieses Riff am einfachsten zu reproduzieren zu sein.

Schon im März 1966, bevor er sein erstes Album mit John Mayall & The Bluesbreakers einspielen sollte, entstand eine erste Aufnahme des Stücks mit der Studio-Band Eric Clapton And The Powerhouse. Am 28. November 1966, bevor Cream ihr erstes Album Fresh Cream

Lokales Markenzeichen: Die Crossroads-Skulptur von Vic Barbieri in Clarksdale, Mississippi

Gerade die ›Crossroads‹-Metapher weist eine reiche Geschichte auf: In der afrikanischen Volksmythologie steht die Kreuzung für einen Ort zwischen den Welten des Natürlichen und Übernatürlichen. Hier kann eine außerweltliche Macht kontaktiert werden, es gilt ein »weder hier noch dort.« Überall in Europa war der Aberglaube verbreitet, eine Kreuzung sei der Treffpunkt von Hexen und bösen Geistern. Deshalb haben Christen gern an solchen Stellen Kapellen für Heilige und Madonnen-Statuen aufgestellt.

Die ›Crossroads‹-Metapher drängt sich neben der Black-and-White-Problematik als Leitmotiv von Claptons Leben geradezu auf, das voll von Abstürzen und Neuerfindungen ist. Mit Hilfe des Kreuzungssymbols lassen sich entscheidende Wegmarken in seinem bisweilen widersprüchlichen Werdegang enträtseln, wie Clapton selbst im Interview mit Andrew Franklin erklärt:

Ich identifiziere mich mit Robert Johnson, und ich sehe mich ebenfalls oft an einer Kreuzung stehen. Ich durchlaufe dann immer einen Veränderungsprozess –, wenn ich in einer Situation bin, in der ich nicht mehr weiterweiß, nicht sicher bin, in welche Richtung ich gehen soll. Ich fühle mich nie in einer stabilen Verfassung. Ich bin nie wirklich mit mir zufrieden, halte immer nach mehr Ausschau. Ich bin mir auch nie sicher, wohin meine Reise geht. Wissen Sie, ich fühle mich wirklich richtungslos. Das ist schon ein komisches Dilemma, und es begann wohl, als ich Johnson zum ersten Mal hörte –, ohne dass ich ihm dafür die Schuld geben würde.

Claptons Psychodrama nahm schon viel früher seinen Lauf: Als er seiner Mutter Pat zum ersten Mal bewusst begegnete, war er neun Jahre alt. Sie traf eines Tages im Jahr 1954 für Eric völlig überraschend mit einem Ozeandampfer in Southampton ein und führte ihre beiden Kinder mit sich, den sechsjährigen Brian und die einjährige Cheryl. Ein Foto von ihr auf der Gangway zeigt eine hübsche, wenn auch etwas streng wirkende Frau, die ihr rötlich braunes Haar der Mode entsprechend hochgesteckt trug. Auf Eric, der mit seiner Großmutter Rose am Pier stand, muss sie glamourös wie ein Hollywoodstar aus einer anderen Welt gewirkt haben. Rose und ihr Mann Jack hatten Eric erzählt, seine Schwester käme zu Besuch. Die letzten sieben Jahre hatte Pat nämlich in Kanada verbracht, wo sie mit ihrem Ehemann, dem Soldaten Frank McDonald, eine Familie gegründet und ihr erstes Kind Eric anscheinend aus ihrer Gedanken- und Gefühlswelt verbannt hatte.

Die vielleicht wichtigste Frau in seinem Leben: Clapton mit seiner Großmutter Rose Clapp in ihrem Haus in Surrey

Obwohl Clapton sich wegen seiner unehelichen Geburt lebenslang als Außenseiter fühlte, war er mit diesem ›Makel‹ keineswegs allein. Man nimmt an, dass rund 300 000 Kinder von unverheirateten britischen Frauen nach Ende des Krieges zur Welt gebracht wurden, während ihre Väter, amerikanische und kanadische GIs, in ihre Heimat zurückkehrten. Die meisten von ihnen hatten zuvor ein erstes militärisches Training in Aldershot durchlaufen, damals der größte Standort der britischen Armee. Um der Enge und Langeweile in ihrem Ausbildungscamp zu entgehen, besuchten die GIs aus Übersee gern Tanzveranstaltungen in der Umgebung und trafen sich dort mit Einheimischen. Sexuelle Liaisons zwischen GIs und englischen Mädchen waren an der Tagesordnung.

Patricia Molly Clapton, die älteste Tochter von Rose, war erst 15 Jahre alt, als sie unmittelbar vor dem sogenannten D-Day am 6. Juni 1944, der Invasion der Alliierten in der Normandie, eine kurze Affäre mit dem acht Jahre älteren Edward Walter Fryer hatte. Der in Montreal geborene Soldat war 1942 nach England gekommen und in Surrey, in der Gegend von Guildford – nicht weit von Aldershot entfernt – stationiert worden. In den Pubs der Umgebung verdiente sich Fryer an den Wochenenden etwas Taschengeld dazu – wie er es regelmäßig tat, seit er

Rose war in erster Ehe mit dem Anwaltsgehilfen Reginald ›Rex‹ Clapton verheiratet, dem Sohn eines in Oxford erzogenen Armeeoffiziers, dessen betuchte Eltern sich zunächst vehement gegen die Liaison ihres Sohnes mit einem Mädchen aus der Arbeiterklasse gewehrt hatten –, auch wenn sie aus einer der ältesten Familien Ripleys, den Mitchells, stammte. Doch die beiden hatten sich durch keine Intrige auseinanderbringen lassen. Nach ihrem Erstgeborenen Adrian, brachte Rose am 7. Januar 1929 in London ihre Tochter Patricia zur Welt. Als Rex Clapton drei Jahre später an Tuberkulose verstarb, zog Rose mit ihren beiden Kindern von Woking in das fünf Meilen entfernte Dörfchen Ripley. Heute ein beliebter Pendler-Ort, galt Ripley Mitte der 1940er Jahre als verarmte Gemeinde, in der hauptsächlich schlecht bezahlte Landarbeiter wohnten, deren Lebensstil sich in den letzten 100 Jahren kaum verändert hatte. Hier lernte Rose ihren zweiten Mann, den großgewachsenen, schwarzhaarigen Jack Clapp kennen, einen geschickten Handwerker, den sie 1942 heiratete. Ein roter Backsteinbau mit vier Zimmern und Toilette im Garten, der an offenes Weideland, die sogenannten »Fuzzies«, grenzte, musste den bescheidenen Ansprüchen der vierköpfigen Familie genügen: Es gab in dem kleinen Mietshaus weder Elektrizität noch ein Badezimmer. Da Roses Sohn Adrian das zweite Schlafzimmer für sich beanspruchte, musste Eric in seinen

Man darf davon ausgehen, dass Pat ihren kleinen Jungen vom ersten Moment an ablehnte, markierte er doch nicht nur das Ende ihrer Jugend. »Mir war schon bei seiner Geburt klar, dass ich keine Chance haben würde, ihn großzuziehen. Darüber werde ich nie hinwegkommen, denn ich habe mich schuldig gemacht«, gestand sie später. Schon während Pat mit Eric schwanger war, wurde sie mehrfach auf der Straße angespuckt und beschimpft. Schmierereien an der Hauswand der Clapps stellten ihre moralische Integrität in Frage. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass während des desolaten Kriegswinters 1944/45 in der Familie Clapp auch das Stimmungsbarometer auf den Gefrierpunkt fiel: Wie sollte man in den beengten Verhältnissen, bei ständiger Lebensmittelrationierung und zunehmender Geldknappheit ein weiteres Kind aufziehen?

Schon früh hatte man sich auf eine Scharade verständigt; der Plan war einfach und tausendfach erprobt: Pat, gerade erst von der örtlichen höheren Schule abgegangen, sollte fortan als die ältere Schwester ihres Sohnes auftreten, während seine Großeltern sich als seine leiblichen Eltern ausgeben wollten: Eric, der Junge von Rose und Jack. Obwohl sie ihn nie offiziell adoptiert hatten, behielten seine Großeltern bis zu seiner Volljährigkeit de facto die Vormundschaft. So konnte auch die Abwesenheit seines leiblichen Vaters verschwiegen werden, der (wie Philip Norman erst jüngst durch Recherchen im Armee-Register nachwies) keineswegs als Kampfpilot nach England gekommen und auch nicht verheiratet war. Vielmehr gehörte er zur Infanterie und wurde 1946 wegen »unerlaubten Entfernens von der Truppe« unehrenhaft aus der Armee entlassen, kurz bevor seine Einheit ohnehin in die kanadische Heimat zurückkehrte.

Nach dem Sieg der Alliierten fand England nur langsam den Weg zurück in die Normalität. Ein Schulfreund Eric Claptons resümierte später die ernüchternden Erfahrungen der Nachkriegsgeneration:

Obwohl Eric und ich nur sechs Wochen eigentliche Kriegszeit miterlebt haben, wirkten die Folgen noch zehn Jahre lang nach. In Großbritannien war diese Zeit ganz besonders schlimm:

Sieg und Sorgen: Auch nach dem Krieg gab es noch Lebensmittelmangel in Großbritannien.

Noch bis Ende der 1950er Jahre gab es in England Lebensmittelrationierungen für Zucker, Eier, Fleisch, Tee, Käse und Brot. Laut Keith Richards erklärte sich allein durch die langanhaltende Zuckerrationierung, »warum viele von uns so dünn sind«. Die meisten jugendlichen Briten erlebten ihr Heimatland damals als grau und langweilig. Die Düsterkeit in Kombination mit dem sprichwörtlich schlechten Wetter gerann zu einem Stereotyp. Jack Bruce erinnert sich mit Grausen an seine Jugend in Glasgow: »Es gab damals keine Farben in Großbritannien. Alles wirkte grau und verwaschen, um vier Uhr wurde es dunkel.«

Obwohl der stolze Inselstaat Hitler besiegt und die Demokratie verteidigt hatte, galt das Land nach dem Zweiten Weltkrieg als »der kranke Mann Europas«: ein kleines Land mit zerstörten Fabriken, kulturell ausgezehrt, in geistiger Enge gefangen, finanziell impotent und irgendwie zweitklassig. England hatte seinen Platz in der Welt noch nicht wiedergefunden. Zusätzlich nahm jener Entkolonisierungsprozess ab 1947 seinen Anfang, der das britische Empire massiv schrumpfen ließ. Erst diese ökonomische und kulturelle Kraftlosigkeit des Landes führte dazu, dass britische Jugendliche in den Folgejahren auf eine geradezu verzweifelte Suche nach Abenteuer und Exzessen gingen. Nach Ansicht des amerikanischen Folkmusik-Sammlers Alan Lomax war dieser globale Machtverlust Großbritanniens in Verbindung mit dem englischen »Klassen-