♥ Für Natalie:
Mein kleiner großer Engel. Ich hoffe, dass Du inzwischen Deinen Platz da oben auf einer der Wolken gefunden hast und dass dort immer die Sonne für Dich scheint, genauso wie Du es schon hier unten so geliebt hattest. Noch immer ist es für mich unbegreiflich, dass Du nicht mehr da bist und Du fehlst mir jeden Tag aufs Neue unbeschreiblich sehr. Ich weiß, dass das Leben weitergehen muss und das wird es auch. Nur wird dieses einfach nie mehr so sein wie es war, da es eben ohne Dich stattfinden muss. Ich danke Dir auf jeden Fall dafür, dass ich Dich auf diesem Weg für einen längeren Zeitabschnitt dabei begleiten und Dich kennenlernen durfte. Wer hätte gedacht, dass ich erst mit 30 Jahren erfahren würde, was es heißt zu leben und zu lieben. Beides hast Du mir gezeigt und gemeinsam hatten wir dies getan. Du warst das größte Glück in meinem Leben, hast mir so unendlich viel gegeben und mit auf meinen Weg gegeben. Durch unsere vielen Gespräche haben wir so viel voneinander erfahren und es gibt keinen Menschen auf dieser Welt, der mich so gut kennt und versteht, wie Du es tatst. Auch über ernste Themen wie den Tod hatten wir uns unterhalten und im Nachhinein war dies ja auch gut so gewesen. Dadurch kannte ich auch Deine Wünsche zu diesem Thema und weiß, was Du Dir für mich wünschen würdest. Dies gibt mir auch immer wieder die Kraft, um nicht aufzugeben. Ich bin glücklich darüber, dass wir so viele unserer Pläne verwirklichen konnten und die Zeit die wir hatten so intensiv nutzten, auch wenn diese leider so kurz war und wir noch so viel für unsere gemeinsame Zukunft vorhatten.
Ich bin froh, dass Du nie wusstest, dass Du krank warst, da Du sonst die Zeit die Du hattest nie so hättest leben können, wie Du es tatst und wie es Dich glücklich machte. Dein Sport, Dein Beruf, unsere Reisen und alles sonst wären andernfalls sicher nie so möglich gewesen und nur dadurch konntest Du Dein Leben bis zum Schluss auch wirklich leben. Auch freut es mich, dass wir am Ende unseren Weg gefunden hatten und viele der Zweifel, welche Du in so manchen Phasen hattest, sich aufgelöst hatten und wir in eine gemeinsame Zukunft blicken konnten. Es hilft mir auch oft zu wissen, dass gerade die letzten Wochen und Tage, Du noch einmal so genossen hattest. Der lang geplante Urlaub mit Deiner besten Freundin, dass Du nach Jahren noch einmal Deinen Geburtstag mit Deinen Freunden gefeiert hattest, an dem sogar Deine Schwester bei Dir war und Du auch noch rechtzeitig Deine neue Wunschfrisur bekommen konntest, auf die Du doch so stolz warst. Selbst der ins Wasser gefallene Ausflug in den Tiergarten hatte sein Gutes, da Du dadurch auch Deinen Großeltern nochmal Tschüss sagen konntest. Am Ende natürlich auch das Essen beim Chinesen, um Dich von Deiner geliebten Mama sozusagen verabschieden zu können. Die Nacht in der Du für immer von hier gegangen bist, begleitet mich noch immer Tag für Tag und vor allem in der Nacht. Ich versuche dann immer nach links zu Dir zu greifen aber da liegt eben niemand mehr, der mir hilft und mich aus diesem Alptraum wieder aufweckt. Inzwischen gelingt es mir aber schon ganz gut, dass ich in solchen Phasen versuche einfach an viele von so schönen Momenten mit Dir zu denken. Ich werde Dich hier jedenfalls sehr vermissen und Dich mein Leben lang in meinem Herzen tragen. Du hast mir gezeigt was Liebe ist und Du warst die Frau mit der ich meinen Lebensabend verbringen wollte.
Mal warst Du meine Chip und ich Dein Chap, mal warst Du meine Ente und ich Dein Erpel, mal warst Du meine Maus und ich Dein Mops-Bär, mal warst Du mein Engel und ich Dein Baby. Immer warst Du für mich aber etwas ganz Besonderes und meine erste große Liebe, die Du auch immer bleiben wirst! Dein Verlust wird durch nichts zu ersetzen sein und doch werde ich mein Leben in Deinem Sinne weiter bestreiten, so wie Du es auch immer gewollt hast. Ruhe in Frieden mein Schatz und bitte gebe mir auch weiterhin die Kraft und die Zuversicht, um meinen Weg weiter zu gehen. Ich habe Dich zutiefst geliebt und werde Dich unendlich vermissen aber dafür auch nie vergessen.
♥ Dein Uwe:-*
Meine letzten Worte in diesem Buch sollen genau wie der Beginn noch einmal der Frau gelten, die ich über alles geliebt hatte und für die ich dieses Buch, mit der Geschichte unseres Lebens, geschrieben habe.
Ich habe die Geschichte unseres Lebens niedergeschrieben, um die Erinnerungen an Natalie für immer in unseren Herzen zu bewahren und damit diese niemals vergessen werden mögen. Dafür war sie einfach zu gut für alle um sie herum und auch für mich gewesen! Und auch wenn mir ein Teil meines Herzens genommen wurde, wird Natalie durch das was wir erlebt hatten, unsere Liebe und letzten Endes auch durch dieses Buch, für immer einen Platz in dem noch übrigen Teil meines Herzens behalten.
Ich danke allen die dieses Buch gelesen haben und hoffe, dass Natalies Leben dadurch in jedem irgendwie weiterlebt. Es war einfach zu schön und wertvoll, um jemals vergessen zu werden.
Mit herzlichen Grüßen,
Uwe Schumann
Als ich Ende August 2013 anfing dieses Buch mit unserer Geschichte zu schreiben, hatte ich überhaupt keine Ahnung davon, was dabei rauskommen würde, ob ich bis zum Ende hin durchhalte, wie lange es braucht und wie viel Seiten am Ende geschrieben sein würden. Jetzt, nach über 8 Monaten und mehr als 400 Seiten weiß ich die Antwort darauf.
Nach Natalies Tod und der Beerdigung war ich tatsächlich am nächsten Tag in den Flieger gestiegen, um meinen geplanten Workshop in Peking zu halten. Die Zeit war zwar extrem schwer aber der Abstand von meinem und davor auch unserem gewohnten Umfeld hatte mir gut getan. Dadurch kam ich tagsüber auch gar nicht allzu sehr in die Situation zu grübeln, da ich ja meine Schulung zu halten hatte und ich dies auch gut und mit vollem Einsatz machen wollte. Nur die Abende waren selbst in der großen Entfernung sehr schwer für mich gewesen, da es immer und immer wieder alles in mir hochkam. Ich schaute mir die Fotos auf meinem Notebook aus unserer gemeinsamen Zeit an und ich konnte kaum fassen, dass das alles ist, was mir von meinem Schatz geblieben war. Irgendwann fing ich an ein paar Videos mit unseren Fotos zu erstellen, schrieb ein paar Zeilen dazu und stellte diese in Facebook. Die Anteilnahme von allen war wirklich sehr groß gewesen und es schrieben mir sogar Personen, welche weder Natalie oder mich kannten, da sie das was ich geschrieben hatte so bewegend fanden. Mit einer dieser Menschen schrieb ich eine ganze Weile hin und her und irgendwann schlug sie mir zur besseren Verarbeitung vor ein Buch zu schreiben, in dem ich alles und für immer festhalten könnte.
Es wäre zu schade, wenn von dem was ich schreibe und was wir erlebt hatten etwas verloren gehen würde. Ich nahm den Vorschlag so hin aber glaubte nicht wirklich daran, dass ich mich einfach so hinsetzen und ein Buch schreiben könnte.
Die Wochen nach meiner Rückkehr aus China waren weiterhin nicht einfach gewesen und jegliche Art des Lachens oder des Spaßhabens, waren in mir verloren gegangen. Der Tag über im Büro und mit den Kollegen zusammen waren für mich das Highlight, da dieser Ort der einzige war, wo ich nicht ständig an Natalie denken musste, abgelenkt war und inzwischen sogar auch ab und zu mal ein Späßchen machen oder lachen konnte. Es war aber zugleich auch sehr anstrengend gewesen, da man am Morgen wenn man die Wohnung verlässt, wie eine Art Maske aufsetzt, um „zu funktionieren“, so wie es alle von einem erwarten. Am Abend kommt man wieder zurück in die Wohnung, ist allein, erschöpft von der Maskerade und unheimlich froh darüber, sich die Maske wieder herunter zu ziehen, um seinen Gefühlen und der Trauer freien Lauf zu lassen. Ein großer Halt für mich in dieser Zeit waren und sind auch noch immer die Menschen, die Natalie und unsere gemeinsame Zeit sehr gut kannten, da ich mich mit ihnen am besten über das was ich in diesen Momenent durchlebte unterhalten konnte. Nach Natalies Tod meldeten sich plötzlich sehr viele Menschen bei mir, von denen ich und wir schon lange nichts mehr gehört hatten und jeder wollte mir helfen, um für mich da zu sein. Nachdem inzwischen ein dreiviertel Jahr vergangen ist, hat sich der Kontakt wieder auf einen kleinen Kreis an Vertrauten beschränkt. Die Menschen, welche auch vor den Geschehnissen bereits ein fester Bestandteil in unserem Leben waren, sind es auch jetzt noch in diesem Moment. Zu den wichtigsten Menschen mit denen ich mich über meine Gefühlslage und der Verarbeitung von all dem Erlebten unterhalten kann, zähle ich nach wie vor Natalies beste Freundin vom Bodensee und auch Natalies Mama.
Es haben sich seit dem aber auch einige neue Kontakte ergeben, wie z.B. zu einem Freund von Natalie, mit dem ich mich ab und zu treffe und sehr gut verstehe.
Nach Natalies Tod wollte ich für mich unbedingt ein Zeichen setzen und mir noch ein weiteres Tattoo stechen lassen, um etwas von Natalie für den Rest meines Lebens bei mir zu haben und was mir auch keiner mehr nehmen könne. Es sollte ein Motiv sein, das mich an unsere gemeinsame Zeit erinnern würde, was uns immer verbunden hatte, wo wir uns immer sehr nah waren aber auch gleichzeitig nichts Kitschiges werden. Herausgekommen ist ein Motiv, auf dem im Hintergrund die Berge sind, davor ein See mit einem kleinen Entenpaar, die Sonne und im Bergrelief findet man bei genauem Hinsehen die Buchstaben von Natalies Namen. Im Zentrum davon ist ein Koi-Karpfen, welcher die Verbindung zu meinem anderen Tattoo mit dem chinesischen Drachen bildet und außerdem als Symbol für Ausdauer und Kraft gilt. Des Weiteren symbolisiert er Mut und die Fähigkeit, Ziele zu erreichen, um die Schwierigkeiten des Lebens zu überwinden. Das Wort “Koi” heißt übersetzt „Liebe“ oder ein Gefühl für die Sehnsucht nach einer bestimmten Person. Es ist in meinen Augen das perfekte Motiv für mich sowie für die gemeinsame Zeit mit Natalie und inzwischen trage ich es stolz auf meinem rechten Oberarm. Wer es sich nicht vorstellen kann wie es aussieht, der sollte sich noch einmal das Buchcover genauer ansehen. Darauf sieht man das Ergebnis.
Im August war ich auch noch einmal für eine Woche an die Talsperre Pöhl gefahren, um ein paar entspannte Sommertage zu verbringen und etwas zur Ruhe zu kommen. Ich wollte endlich mal abschalten, Rad fahren, schwimmen und ein paar Fahrten mit dem Segelboot machen. Es sollte aber mal wieder alles anders kommen und bereits in der ersten Nacht stürzte ich bei dem Weg zum See und schlitzte mir dabei die ganze Fußsohle auf.
Am nächsten Morgen musste ich schließlich ins Krankenhaus fahren und man sagte mir, dass ich mindestens zwei Wochen lang kein Wasser an den Fuß kommen lassen darf und ihn die nächsten Tage entlasten sollte. Damit war das Radfahren und Schwimmen schon mal erledigt gewesen. In der nächsten Nacht war ich dann plötzlich aus dem Hochbett gefallen und hatte mir auch noch die rechte Schulter geprellt, den Zehennagel teilweise herausgerissen und noch ein paar gleichmäßig verteilte blaue Flecken zugezogen. Ich wollte dieses Erlebnis an dieser Stelle eigentlich nur mal erwähnen, um zu verdeutlichen, dass sich seit dem schlimmsten Tag meines Lebens plötzlich alles verändert hatte und auch meine Wahrnehmung sich veränderte. Der Urlaub war zwar wirklich „suboptimal“ gestartet, warf mich jedoch auch nicht so sehr aus der Bahn heraus, dass ich am Verzweifeln war. Im Gegenteil, ich konnte sogar darüber schmunzeln und nahm es mit Humor. Mit dem Tod von Natalie wurde mir das Wichtigste und Wertvollste in meinem Leben genommen. Der Schmerz dieses Schicksalsschlags führte dazu, dass plötzlich viele Dinge die mich zuvor vielleicht enttäuscht hätten oder auch Schmerzen, mir auf einmal viel weniger zu schaffen machten. Die Welt ist seit dem Tag an dem Natalie starb einfach eine andere geworden und auch ich bin nicht mehr derselbe Mensch wie zuvor.
Kurze Zeit danach erinnerte ich mich Ende August an die Worte der Person, welche mir damals in China schrieb und den Rat gab, all das Erlebte mit Natalie in einem Buch festzuhalten. Ich bemerkte, dass beim Ansehen unserer Fotos bereits erste Erinnerungen aus unserer gemeinsamen Zeit nicht mehr so im Bewusstsein waren, wie sie es hätten sein sollen und deshalb beschloss ich dann auch dieses Buch zu schreiben. Ohne den Tipp dieser Person, würde vermutlich heute niemand dies hier alles lesen.
Ich wollte es einfach tun, um all die vielen Dinge die ich mit Natalie zusammen erlebt hatte, vom ersten Nachrichten schreiben, dem ersten Date, der Kennenlernphase, unseren gemeinsamen Urlauben, dem Zusammenziehen und von unserem Leben, für immer festzuhalten. Auch sollte es einen kleinen Einblick darüber geben, was Natalie oft beschäftigte, belastete und wie sie sich gefühlt hatte, um auch die Seite von ihr zu sehen, welche nicht jeder sofort mitbekam oder sich Gedanken darum gemacht hatte. Es sollte kein Detail verloren gehen und ich wollte einfach das Erlebte für immer festhalten. Bereits beim Schreiben bemerkte ich, wie oft ich Bilder oder E-Mails und Nachrichten durchlesen musste, um mich an verschiedene Dinge wieder zu erinnern. Dies war für mich auch die größte Motivation zu diesem Buch gewesen, da ich einfach Angst davor hatte, auch nur einen einzigen Moment unserer gemeinsamen Zeit irgendwann mal zu vergessen.
Dazu tat mir das Schreiben in der ersten Zeit auch ausgesprochen gut und es half mir dabei, mich von der Gegenwart abzulenken. Am Anfang fühlte es sich einfach schön an, alles noch einmal von Beginn an zu durchleben und die verschiedenen Stationen unserer Beziehung festzuhalten. Je weiter ich mit dem Buch aber vorankam und mich der Gegenwart näherte, umso schwerer wurde es danach jedoch wieder. Ab diesem Zeitpunkt war einfach alles noch so frisch gewesen und das was ich schrieb war noch so greifbar. Am schwersten wurde es dabei ab dem Neujahr 2013, wo wir noch einmal neu durchstarten wollten, um alles hinter uns zu lassen. Der Urlaub in Thailand, Natalies Geburtstag, alles war so sehr nah vor dem Ende. Trotzdem gehörte es noch einmal dazu, genauso wie die Tränen, welche beim Schreiben der letzten Kapitel geflossen waren. Auch wenn in diesem Buch vielleicht der eine oder andere Grammatik- bzw. Rechtschreibefehler enthalten ist, kann ich zumindest sagen, dass diese Geschichte zu 100% aus tiefster Liebe geschrieben wurde.
Eine Woche später war am Donnerstag, den 13. Juni 2013 die Beerdigung von Natalie gewesen, welche nur im engsten Kreis der Familie stattfand. Wir fanden uns zu Mittag an der Kapelle auf dem Friedhof in Wendelstein ein und ich bereitete mich darauf vor, dass dies unsere letzte Reise werden würde. Es war wieder derselbe Pfarrer anwesend gewesen, der Natalie seinen letzten Segen auf dem Sterbebett gegeben hatte und der auch die Beisetzung durchgeführt hatte. Ich war sehr froh darüber gewesen, da dieser Pfarrer uns auch schon die ganze Zeit davor begleitet hatte und er Natalie durch unsere Gespräche inzwischen bereits kannte. In der kleinen Kirche auf dem Friedhof war Natalies Urne gestanden und wir setzten uns auf die Bänke in der Kapelle. Es kam schließlich der Pfarrer und er sprach noch einmal ein paar sehr persönliche Worte über Natalie und auch zu den Hinterbliebenen.
Nach der Zeremonie kam die Frau von dem Bestattungsunternehmen auf mich zu und da sie sehr mit mir fühlte fragte sie mich, ob ich die Urne von Natalie persönlich zu ihrem Grab führen wolle. Ich sagte sofort ja und dankte ihr, dass ich diese letzte Reise, unsere letzte Reise, mit ihr gemeinsam gehen durfte. Ich hielt Natalies Urne auf dem Weg zu ihrem Grab ganz fest an mich gedrückt und streichelte sie dabei immer wieder. Als wir an dem Grab angekommen waren, stellte ich sie ab und der Pfarrer sprach noch ein paar Worte. Er fühlte wirklich sehr mit mir und sah auch wie schwer mir der Abschiede fiel. Obwohl es ungewöhnlich war fragte er mich, ob ich die Urne selbst in das Grab herabsetzen und Natalie beerdigen wolle.
Ich war zwar inzwischen total überwältigt von meinen Gefühlen aber ich sagte, dass ich dies machen wolle, da ich ihr ja auch versprochen hatte, immer auf sie aufzupassen und an ihrer Seite zu sein. Ich wollte ihr ein letztes Mal beim Einschlafen helfen und sie zur Ruhe kommen lassen, damit sie endlich ihren Frieden finden könne. Ich setzte Natalies Urne in das Grab hinab und nahm danach die Schaufel, um die Erde darüber zu verteilen. Mit jeder Schaufel Erde versuchte ich mich von ihr zu verabschieden und plötzlich war alles eingeebnet. In diesem Moment realisierte ich erst so richtig, dass Natalie nun für immer von mir gegangen war und ich ab jetzt nur noch auf mich alleine gestellt sein würde. Ohne den großen Halt, die bedingungslose Liebe, die gemeinsamen Gewohnheiten, den Anker in meinem Leben, die Motivationen und all die Gemeinsamkeiten, welche uns zusammen immer so stark gemacht hatten. All das war auf einmal weg und so endete an diesem Tag, nach unserer letzten gemeinsamen Reise, auch der längere Zeitabschnitt, von dem Natalie immer sprach und bei dem ich mir sicher war, dass dieser für immer sein würde. Letztendlich hatten wir aber irgendwie beide Recht behalten. Es war ein längerer Zeitabschnitt und es war auch eine Liebe für immer gewesen. Dies wird uns niemand mehr nehmen können und ich danke Natalie für alles was sie mir gegeben hatte und was ich mit ihr erleben durfte. So spontan und plötzlich, wie sich damals vor fast 5 Jahren unsere Wege kreuzten und wir zueinander fanden, genauso abrupt und wie aus dem Nichts heraus trennten sich diese auch wieder. Dies allerdings nur auf physischer Ebene, denn in unseren Herzen werden wir für immer vereint bleiben.
An diesem Punkt endete die Geschichte unseres Lebens aber mit diesem Buch soll diese für immer erhalten bleiben. Sie war ein Geschenk Gottes und dafür bin ich zutiefst dankbar!
Die erste Woche ohne Natalie hatte ich fast geschafft und inzwischen war bereits Freitag, der 7. Juni 2013 gewesen. Für 11:00 war die Beisetzung angesetzt und am frühen Morgen trafen in unserer Wohnung zuerst meine Eltern, meine Schwester, ihr Mann und meine Nichte ein. Später kamen auch noch unsere Freunde aus dem Allgäu, die unbedingt in diesem Moment bei mir sein und sich persönlich von Natalie verabschieden wollten. Wir saßen eine Weile auf der Terrasse und es fand ein lockerer Smalltalk statt, wobei ich mich auf keines der Gespräche so richtig konzentrieren konnte. Ich versuchte mich trotzdem gesellig zu geben, um keine zu sehr bedrückte Stimmung zu verbreiten. Innerlich zerriss es mich förmlich und ich hoffte nur, dass ich diesen Tag und die Beisetzung irgendwie schaffen würde, ohne zusammen zu brechen und dass ich noch einmal die Kraft aufbringen würde, um meine vorbereiteten letzten Worte an Natalie richten zu können.
Eine Stunde vor der Beisetzung fuhren wir los und als wir ankamen, war der gesamte Platz vor der Kirche bereits mit Menschen gefüllt gewesen. Freunde und Freundinnen, Familienangehörige, Schulkameradinnen, Arbeitskollegen, sogar die Bewohnern aus Natalies Wohngruppe sowie auch ihre Chefin und viele mehr, welche ich zum größten Teil gar nicht kannte, waren gekommen. Nachdem ich kurz ein paar der wichtigsten Menschen von Natalie und mir persönlich begrüßte, ging ich in die Kirche, um mich zu setzen und wieder etwas zur Ruhe zu kommen. Ich fand einen Platz neben Natalies Freundin, die auch schon in dem schlimmsten Moment meines Lebens an meiner Seite war und welche auch in diesem Augenblick versuchte mich etwas zu beruhigen.
Im Altar der Kirche stand Natalies Sarg aufgebahrt und daneben ein Foto von ihr, welches sonst in unserer Wohnung hing und das sie mir mal extra in einem Fotostudio hatte anfertigen lassen. Es waren unzählige Blumengestecke, Kränze und Sträuße gewesen und nach und nach fand jeder seinen Platz. Schließlich betrat der Pfarrer den Raum und als erstes erklang wie von uns ausgewählt der Titel „Over the Rainbow“. Danach hielt der Pfarrer seine Rede und ging dabei wirklich sehr auf Natalie ein, mit all den Informationen die wir ihm bereits zuvor gegeben hatten und er fand dabei auch sehr persönliche Worte. Anschließend kam der Song „Lied von den Vergessenen“ und danach war auch schon ich an der Reihe gewesen, um meine letzte große Rede für Natalie zu halten. Ich ging nach vorne ans Rednerpult und hielt dabei den Schlüsselanhänger mit dem Bild, welches wir mal von uns beiden im Tiergarten haben machen lassen, ganz fest in meiner Hand. Dieser hatte mich bereits seitdem auf all meinen Reisen um die Welt begleitet und mir immer wenn ich mal aufgeregt gewesen war Kraft gegeben. Ich legte meine Zettel auf das Pult, blickte in die Runde und begann nachdem das „Liede der Vergessenen“ verklungen war damit, meine letzten Worte an Natalie und all die Anwesenden zu sprechen:
„Nein, vergessen wirst Du nie werden mein Engel, dafür hast Du einfach viel zu sehr gelebt und geliebt.
Ich stehe hier und sende Dir diese Zeilen weil ich weiß, dass Dich meine Worte immer berührt haben und Du schon immer mal Mäuschen sein wolltest auf einem meiner Workshops oder Schulungen. Dass ich Dir diesen Wunsch erst jetzt zu diesem tragischen Moment erfüllen kann schmerzt zwar unendlich aber gibt mir auch die Kraft, in diesem Moment die Worte an Dich zu richten.
Ich weiß, dass Du jetzt da oben auf Deiner Wolke sitzt und wie man sieht auch endlich dafür gesorgt hast, dass die Sonne den Regen vertreibt.
Am 13. September 2008 bist Du in mein Leben getreten mit den Worten: „Hey Uwe, ich heiße Natalie. Fand Deine Seite ganz nett und dachte mir, dass ich Dir einfach schreibe.“
Keiner hätte damals wirklich daran geglaubt, dass mit diesen Zeilen so etwas Wunderbares, Wertvolles und Unsterbliches beginnt. Wir haben uns die Zeit für alles gegeben die es brauchte, um uns kennen und lieben zu lernen.
Es gab Höhen und Tiefen aber gemeinsam und mit unserem Glauben an uns, haben wir jede dieser Phasen bestritten und stets unseren Weg wieder gefunden.
Wenn ich jetzt hier in diese Runde blicke bin ich so glücklich, da Familie und Freundschaften bei meiner Maus immer an erster Stelle gestanden haben.
Sie wollte immer jedem gerecht werden, für alle da sein und hat sich dabei so oft selbst vergessen.
Deswegen möchte ich eigentlich nur noch kurz Danke sagen, dass heute hier die gesamte Familie und alle Ihrer Freunde zusammen gekommen sind, um ihr diesen Abschied zu gewähren, ganz ohne Streit und dass sich alle verstehen, wie sie es sich immer so sehr gewünscht hatte.
Durch Dein großes Herz wirst Du bei jedem auch darin eine riesen Lücke hinterlassen und im Moment gibt es auch nichts, was diese auf irgendeine Art füllen kann aber irgendwann wird sie dies durch all die Erinnerungen und die erlebten Momente mit Dir, meiner Maus.
Hier auf Erden warst Du für die meisten einfach immer nur die kleine zierliche Natalie und musstest so sehr kämpfen, um Deinen Platz zu bekommen, den Du verdient hast.
Ich habe in Dir aber schon immer viel mehr gesehen, mehr sogar als Du selbst und ich hoffe einfach, dass Du jetzt im Himmel den Platz finden wirst, den Du schon immer verdient hattest und der Dir immer zustand mein Sonnenschein.
Du warst meine erste und große Liebe und dies wirst Du auch immer bleiben.
Ich danke Dir dafür Dich kennengelernt zu haben, all das erlebte mit Dir, dass Du ein Teil meines Lebens warst und dies auch immer sein wirst.
Mach‘s gut mein kleiner großer Engel!
Ich werde Dich hier sehr vermissen aber für immer in meinem Herzen tragen.
Ich liebe Dich!
Dein Uwe“
Danach ging ich wieder zurück auf meinem Platz und war unendlich froh darüber, dass ich diese Worte in meinem momentanen Zustand über die Lippen gebracht hatte, um Natalie einen persönlichen letzten Gruß mit auf den Weg zu geben. Nach meiner Rede kam auch Natalies Chefin noch einmal nach vorne und richtete ebenfalls ein paar persönliche Worte an Natalie, welche sie zusammen mit den Bewohnern ihrer Wohngruppe vorbereitet hatte. Das was sie sagte war wirklich sehr schön und treffend gewesen und es freute mich, dass sie die Stärke hatte, um dies vor allen Anwesenden vorzutragen. Schließlich lebte auch Natalie für ihren Beruf und er erfüllte sie stets mit Glück. Danach kam zum Abschluss noch das Lied „Geboren um zu leben“ und die Zeremonie war beendet. Wir gingen anschließend alle aus der Kirche wieder heraus und ich versuchte mich soweit mir möglich von den meisten zu verabschieden und zu bedanken aber irgendwie war ich ganz weit weg und gefangen in meiner Welt.
Nachdem fast alle bereits weg waren oder auf dem Weg zu der anschließenden „Feier“, kam die Frau von dem Bestattungsunternehmen noch einmal auf mich zu und sagte mir, dass sie Natalies Sarg gleich abholen würden und wenn ich möchte, ich jetzt noch einmal kurz Zeit hätte, loszulassen. Ich ging wieder zurück in die Kirche zu ihrem Sarg und dem Bild von ihr, um mich ein letztes Mal noch von ihr zu verabschieden. Ich fragte die Bestatterin, ob ich Natalie noch ein letztes Mal sehen könnte aber sie sagte mir, dass sie auf Grund der Obduktion mir dies nicht empfehlen würde und ich Natalie lieber so in Erinnerung behalten sollte, wie ich sie zuletzt kannte. Ich hielt mich fest an Natalies Sarg, streichelte ihn und blieb bei ihr, bis er in das Fahrzeug transportiert wurde und wegfuhr.
Danach fuhren wir zu den anderen Angehörigen, welche sich bereits in einer Wirtschaft noch einmal zusammen gefunden hatten. Ich konnte an dem Tag keinen Bissen essen aber es freute mich zumindest, dass Natalies ganze Familie, ohne irgendwelche Streitereien in einem Raum war und ich auch ihre entferntere Verwandtschaft kennen gelernt hatte. Auch Natalies Freundinnen waren noch mit da geblieben und jeder hatte etwas von Natalie zu erzählen gehabt. An den Tisch mit meiner Familie kamen auch immer mal ein paar aus Natalies Familie, um sich etwas kennen zu lernen. Danach fuhren wir im engsten Kreis der Familie noch zu Natalies Grab, welches wir uns herausgesucht hatten. Dort waren bereits all die Blumen und Kränze aus der Kirche hingebracht gewesen und auch ein Holz-Kreuz mit ihrem Namen war bereits angebracht. Es war ein sonniger Platz, genauso wie Natalie es immer geliebt hatte.
Am darauffolgenden Montag ging ich erstmal zu meinem Hausarzt und ließ mich zumindest für eine Woche krankschreiben. Meine Eltern blieben noch für ein paar Tage bei mir, um mich bei den Dingen die es noch zu erledigen gab zu unterstützen und um für mich da zu sein, damit ich nicht so alleine wäre. Nachdem ich beim Arzt war, sagte ich auch alle Termine die Natalie vereinbart hatte ab und informierte sie über ihren Tod. Ich rief bei Natalies Arbeitgeber an, um auch dort Bescheid zu sagen und bei ihrer Chefin, da ich ihr die Nachricht persönlich mitteilen wollte. Mit ihr hatte Natalie so gerne zusammen gearbeitet, von ihr hielt sie so viel und auch privat verstanden sie sich sehr gut. In unserem Wochenplaner sah ich auch, dass Natalie eigentlich für ihre ausgeliehen Bücher einen Rückgabetermin hatte und ich brachte diese in die Bibliothek zurück. Alles sollte seine Ordnung behalten, so wie es Natalie auch immer wollte. Nach den ersten organisatorischen Erledigungen brauchte ich zum Durchatmen erstmal wieder etwas frische Luft und ich machte einen Spaziergang in den Stadtpark zu unserem Ententeich. Als ich dort so dastand, die Enten sah und daran dachte, dass nur zwei Tage zuvor ich hier noch mit Natalie war, kam in mir alles wieder hoch und mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich suchte mir eine Bank, um etwas zur Ruhe zu kommen und fand mitten im Stadtpark, da wo wir so oft zum Spazieren waren, einen sehr schönen Platz. Rechts neben mir lag Natalies alte Wohnung und hinter mir der Ententeich. Hier war sie mir so nah und als ich da so saß, kamen seit Tagen auch endlich wieder mal ein paar Sonnenstrahlen hervor, die mir ins Gesicht schienen, so als ob mir Natalie von oben aus einen Kuss geben wollte, damit ich weiter mache und nicht aufgeben würde.
Am nächsten Tag hatten Natalies Familie und ich einen Termin beim Bestattungsinstitut gehabt, um ihre Beisetzung und alles weitere durchzusprechen. Zu dem Gespräch waren Natalies Mama, ihr Papa, ihre Schwester und ich gekommen. Wir hatten eine sehr nette und freundliche Mitarbeiterin gehabt, die sehr einfühlsam war und immer die richtigen Worte fand. Sie sagte uns, dass auf Grund der Obduktion sie erst noch warten müssten, bis der Richter Natalies Leichnam wieder freigeben würde aber sie rechnete damit, dass die Beisetzung am Freitag, den 7. Juni 2013 stattfinden könne. Wir suchten uns einen Sarg aus, einen Grabstein, gaben eine Traueranzeige auf und klärten die Zeremonie für die Beisetzung ab. Schnell einigten wir uns gemeinsam auf die wichtigsten Punkte, ohne dass es größere Diskussionen gab. Wir informierten die Frau von dem Bestattungsunternehmen darüber, dass es kein „Ave Maria“ geben solle und wir drei Lieder aussuchen würden, welche Natalie etwas bedeutet hatten. Die Frau hielt dies für eine sehr schöne Idee und dazu sicherlich auch passend für Natalie, so wie sie es sich vorgestellt hätte. Meine Aufgabe war noch ein paar Kleidungsstücke für Natalie bis Donnerstag vorbeizubringen, welche sie dann bei der Beisetzung tragen würde.
Nachdem wir das Büro wieder verlassen hatten lief ich zurück zu meiner Wohnung und meinen Eltern, die in der Zwischenzeit auch ein Stück spazieren gewesen waren und nur kurz nach mir wieder in der Wohnung eintrafen. Ich sagte ihnen dann, dass wenn es ihnen nichts ausmachen würde, sie später wieder zu sich nach Hause fahren könnten. Ich brauchte in den nächsten Tagen bis Freitag einfach mal etwas Zeit für mich alleine, um meine Trauer zu verarbeiten. Ich war ihnen wirklich sehr dankbar dafür, dass sie die letzten Tage bei mir waren. Sie hatten mir in diesen schweren Stunden auch sehr geholfen aber es war eben auch für alle sehr anstrengend gewesen.
Sie mussten stark sein, um mich aufzumuntern und auch ich konnte nicht so trauern und weinen wie mir oft zumute war, da ich auch nicht wollte, dass sich meine Eltern zu sehr Gedanken um mich machen müssten. Wir tranken zusammen noch einen Kaffee und danach fuhren sie schließlich wieder zurück. Ich sah ihnen die Sorgen die sie sich um mich machten an aber ich glaube, jeder von uns brauchte jetzt erstmal etwas Abstand und zur Beisetzung am Freitag würden wir uns ja auch schon wieder sehen.
Nachdem meine Eltern wieder weggefahren waren, fühlte ich mich in unserer gemeinsamen Wohnung zwar plötzlich so allein aber endlich hatte ich auch die Zeit, um für mich alles irgendwie zu verarbeiten. Um mich ein wenig abzulenken, begann ich zunächst erstmal die ganze Wohnung zu putzten. Ich wollte einfach unser wöchentliches Programm, welches ich mir sonst mit Natalie aufgeteilt hatte, so wie immer erledigen. Danach suchte ich die Sachen raus, welche Natalie zu ihrem Geburtstag getragen hatte und worin sie sich so wohl gefühlt hatte, um sie zu waschen und am nächsten Tag sauber und gebügelt bei dem Bestattungsunternehmen vorbeizubringen.
Inzwischen hatten wir erfahren, dass der Pfarrer in Wendelstein zurzeit krank war und deshalb der Pfarrer aus Schwabach die Beisetzung machen würde. Anfangs war ich etwas beunruhigt aber als ich erfahren hatte, dass es der selbe Pfarrer sei, welcher bereits bei Natalie am Totenbett bei uns war, fühlte es sich gut an und ich war froh darüber gewesen. Als hätte es so sein sollen. Ich hatte daraufhin mit Natalies Mama und ihrem Papa noch einen Termin zum Vorgespräch mit dem Pfarrer, um die Zeremonie abzustimmen. Damit dieser seine Rede vorbereiten konnte, wollte er dadurch auch etwas mehr über Natalie erfahren und sie besser kennenlernen. Er hatte inzwischen auch die CD mit den von uns gemeinsam ausgewählten Stücken von dem Bestattungsunternehmen erhalten.
Wir hatten die Songs „Over the Rainbow“ von Israel Kamakawiwo'ole, „Lied von den Vergessenen“ von Rosenstolz und „Geboren um zu leben“ von Unheilig für die Beisetzung ausgewählt. Er kannte zwar keinen der Titel aber fand sie sehr schön und passend. Nachdem wir ihm von Natalie erzählt hatten fragte er noch, ob jemand von uns zu der Beisetzung auch ein paar persönliche Worte an die Anwesenden und Natalie selbst richten wolle. Ihr Papa meinte, dass dies sicher eine gute Idee sei und auch sehr schön wäre aber er dazu nicht die Kraft aufbringen könne. Für mich war klar, dass die letzten Worte die Natalie empfangen sollte nicht von einem Pfarrer kommen sollten und so sagte ich, dass ich etwas vorbereiten würde, um ihr und den Trauernden auch noch etwas Persönliches zu sagen. Der Pfarrer war wirklich sehr nett gewesen, legte großen Wert darauf, wie es mir ging und hatte wie schon an Natalies Totenbett immer die rechten Worte parat, um einem Zuversicht zu geben.
Am Abend holte mich später noch mein Freund ab und wir fuhren in das Einkaufscenter in Schwabach, wo Natalie und ich noch in der vergangenen Woche alles für ihren Geburtstag besorgt hatten, um in einem Modecenter ein Hemd und eine Krawatte für die Beisetzung am Freitag einzukaufen. Ich war zwar noch die Woche über krankgeschrieben aber ich wollte irgendwie auch wieder raus aus der Wohnung, unter Menschen und auf Arbeit gehen. Meine Firma, mein Chef und auch all die Kollegen waren mir in dieser Zeit wirklich sehr entgegen gekommen und räumten mir sämtliche Freiheiten ein, die ich brauchen würde. Sie überließen es mir, ob ich sofort wieder in das Tagesgeschäft einsteigen wolle, ob ich ins Büro kommen und nur aus dem Fenster raussehen wolle oder ob ich noch weiter zu Hause bleiben wolle. Das zeigte mir einmal mehr, was ich doch zumindest vom Beruflichen her für ein Glück in meiner Firma, der Abteilung und mit den Kollegen hatte.
Ich entschied mich dazu bereits am Mittwoch wieder auf die Arbeit zu gehen, um mich wenigstens für die zwei Tage bis zur Beisetzung noch etwas während der Arbeitszeit abzulenken und Stück für Stück in die Normalität überzugehen, soweit es mir zumindest möglich war. Als ich am Morgen in das Büro kam, war zunächst nur eine Kollegin da und bekundete mir wenig später ihr Beileid. Nach und nach kamen wie immer auch all die anderen Kollegen ins Büro aber zum Glück blieb ich davor bewahrt, dass sich jeder bei mir meldete, um sein Beileid auszusprechen. Die Kollegen wurden zwar über das was passiert war weitestgehend informiert aber auch darüber mir den Abstand zu gewähren, wofür ich sehr dankbar war. Später sprach ich lediglich mit meinem Chef noch einmal persönlich über das Vorgefallene und er gab mir seine tiefste Anteilnahme und versicherte mir, dass ich alle Zeit haben würde die ich bräuchte, um mit der Situation umzugehen. Ich versuchte zumindest etwas in das Tagesgeschäft zurück zu kommen, deswegen war ich ja auch schließlich wieder hier und es tat mir auch ganz gut. In der nächsten Woche hätte ich am Wochenende eigentlich für einen Workshop nach China fliegen müssen und man fragte mich, ob sie diesen besser absagen sollten. Ich sagte aber, dass ich dies machen wolle, sofern Natalie bis dahin beerdigt wäre und ließ mir noch bis zum Ende der Woche Zeit, um mich zu entscheiden und bis ich den Termin für die Beerdigung wissen würde. Ich hatte bereits die Frau vom Bestattungsunternehmen darauf hingewiesen und sie versuchte, dass es nach der Beisetzung zügig zur Beerdigung kommen würde. Sie gab mir nach Rücksprache auch die Information, dass nach der Beisetzung in der Kirche, am Freitag den 7. Juni 2013, die Beerdigung bereits für den darauffolgenden Donnerstag, den 13. Juni 2013 festgesetzt wurde. Ich war froh darum, dass jetzt alles zügig gehen würde und ich danach meine geplante Dienstreise nach China antreten könnte, um mich bei meiner Arbeit ablenken und auch um etwas Abstand von allem hier gewinnen zu können.
Ich rief nach Natalie und fragte ob alles in Ordnung wäre. Als jedoch keine Antwort kam ging ich schnell rüber ins Schlafzimmer, um nach ihr zu sehen. Was ich dann sah, werde ich wahrscheinlich für den Rest meines Lebens nie mehr vergessen können und ich war total geschockt. Das Bett war leer und daneben lag Natalie auf dem Boden, gekrümmt vor Schmerzen. Ihr ganzer Körper krampfte und zitterte. Ihre Augen waren halb weg gedreht und gingen immer wieder hin und her. Als Natalie nicht reagierte war mir sofort klar, dass etwas Schlimmes passiert sein musste und sie unter Schock stand. Durch meine Ersthelfer-Ausbildung, die ich auf ihren Rat hin in meiner Firma gemacht hatte, wusste ich in dieser Schrecksekunde zumindest noch etwas darüber, was ich zu tun hatte. Ich kniete mich zunächst neben sie auf den Boden und versuchte mit ihr zu reden und sie zu Bewusstsein zu bekommen, was mir aber nicht gelang. Danach stützte ich vorsichtig ihren Hals und Kopf, um sie auf das Bett zu legen. Ich hielt ihre Beine nach oben, versuchte immer wieder mit ihr zu reden und bekam sie endlich auch wieder etwas zu Bewusstsein. Natalie war zwar noch immer nicht ansprechbar aber das Krampfen hatte etwas nachgelassen und ihre Augen hörten auf sich zu drehen. Immer wieder wollte sie diese zumachen aber dies ließ ich nicht zu und sorgte dafür, dass sie nicht einschlief. Als sie für einen Moment soweit stabil war rannte ich schnell ins Wohnzimmer, um das Telefon zu holen und danach gleich wieder zurück zu Natalie. Sie wollte gerade wieder ihre Augen schließen aber ich schaffte es erneut sie wach zu halten. Zeitgleich setzte ich einen Notruf ab, beschrieb die Lage und schrie nur noch, dass sie sich doch bitte beeilen sollten! Die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungswagens und der Sanitäter erschien mir fast wie eine Ewigkeit.
Ich sprach die ganze Zeit über mit Natalie, um sie munter zu halten und um ca. 3:30 klingelte es endlich an der Tür. Ich öffnete den Sanitätern und führte sie zu Natalie ins Schlafzimmer, während ich ihnen soweit ich in der Lage war beschrieb, was passiert war. Ich war so froh, dass endlich professionelle Hilfe da war und hoffte einfach nur, dass sich Natalies Zustand jetzt wieder verbessern würde. Sie breiteten auf unserem Bett ihre Geräte und das ganze Equipment aus und begannen sofort mit den Untersuchungen an Natalie. Ihr Kreislauf war ziemlich am Boden gewesen und sie versuchten ihr zunächst im Arm eine Nadel zu stechen, um eine Infusion legen zu können und sie zu stabilisieren. Nach mehreren vergeblichen Versuchen probierten sie es auch in der Hand und irgendwann hatten sie schließlich Erfolg und Natalie bekam über den Tropf zumindest erst mal etwas gegen die Schmerzen. Gleichzeitig versorgten sie Natalie mit Sauerstoff und kontrollierten den Puls, bis um ca. 3:40 auch der Notarzt eintraf. Er nahm den Zustand von ihr soweit auf und danach trugen sie die Sanitäter auf einem Tuch aus dem Schlafzimmer. Da der Fahrstuhl zu klein für die Trage war, transportierten sie Natalie damit auch durch das Treppenhaus, bis hinunter zu dem Rettungswagen. Ich fragte den Notarzt noch was denn los sei und ob ich gleich mitkommen könnte? Dieser sagte mir, dass ihr Kreislauf sehr schwach wäre und sie im Moment erstmal nur für den Transport in die Notaufnahme stabil genug sei. Dort würden danach weitere Untersuchungen notwendig sein, um die Ursache für ihren Zustand zu finden und ihren Kreislauf zu stabilisieren. Ich sollte ein paar Sachen zusammen packen und in ca. 2 Stunden zum Schwabacher Krankenhaus kommen, da diese Maßnahmen zunächst mindestens so lange brauchen würden. Danach war die Wohnung wieder leer und außer ein paar Kanülen und aufgerissenen Verpackungen auf unserem Bett, war nichts und niemand mehr da. Ich hatte so eine Angst um Natalie und zitterte am ganzen Körper.
Ich wusste nicht so recht was ich in den nächsten zwei Stunden tun sollte und überlegte zunächst Natalies Mama anzurufen. Da ich aber selbst nicht so recht wusste, was überhaupt passiert war und ich in meinem Zustand ihr nur noch mehr Angst gemacht hätte, entschied ich zunächst Natalies Freundin in Schwabach anzurufen und sie um Rat zu fragen.
Diese Freundin kannte Natalie und mich wirklich sehr gut und war während unserer gesamten Beziehung immer mit ihrem Rat beiseite gestanden und dies auch zu den ungewöhnlichsten Zeiten. Ich war mir sicher, dass sie mir auch in diesem Moment, zu dieser Uhrzeit, weiterhelfen könnte und rief sie um kurz vor 4:00 an. Natürlich war sie ziemlich schläfrig als ich sie aus dem Schlaf gerissen hatte aber ich war einfach nur so froh gewesen, dass sie da war und ich mit ihr über das was passiert war reden konnte. Sie versuchte mich etwas zu beruhigen und sagte mir, dass schon alles gut werden würde und ich mir keine Sorgen machen solle. Natalie wäre ja jetzt schließlich in guten Händen und der Notarzt hatte ihren Zustand ja auch stabilisieren können. Sie riet mir auch dazu, dass in dem Zustand wie ich war besser nicht Natalies Mama anrufen sollte und sie dies für mich machen würde. Ich war so dankbar dafür, endlich eine Hilfe in dieser Situation an meiner Seite gehabt zu haben. Nach unserem Gespräch räumte ich noch etwas die Wohnung von der Geburtstagsfeier auf, um mich ein wenig abzulenken und packte bereits schon ein paar Sachen für Natalie zusammen, wie ich es ja auch schon aus der Zeit zuvor im Krankenhaus kannte.
Inzwischen war Natalie bereits etwa anderthalb Stunden weg gewesen und ich hielt es nicht länger aus. Ich nahm den Rucksack mit den für sie vorbereiteten Sachen und fuhr mit dem Rad zum Krankenhaus. Als ich um kurz nach 5:00 ankam sagte man mir an der Information, dass Natalie auf der Intensivstation liegen würde und ich dort im Warteraum warten solle.
Bei der Nachricht, dass sie auf der Intensivstation lag, wurde mir ein weiteres Mal gleich ganz übel und ich wollte einfach nur noch so schnell es ging zu ihr. Als ich vor der Intensivstation ankam klingelte ich an der Tür, um mich nach Natalie zu erkundigen und zu ihr zu kommen. Man sagte mir jedoch, dass ich noch etwas warten müsse, da die Ärzte im Moment noch immer damit beschäftigt seien ihren Kreislauf zu stabilisieren. Die Zeit zog sich für mich wie eine Ewigkeit hin aber nach circa 40 Minuten durfte ich endlich zu ihr. Als ich Natalie da so auf der Intensivstation liegen sah, mit all den Schläuchen und Geräten, brach es mir fast mein Herz. Trotzdem versuchte ich stark zu sein, damit sie sich keine Sorgen machen müsse und um ihr Kraft zu geben.
Ich ging sofort zu Natalie hin, um sie zu sprechen und bei ihr zu sein. Ich war so froh sie endlich wieder zu sehen und dass sie auch wieder ansprechbar war. Inzwischen war ja schon der 2. Juni 2013 und daher wünschte ich Natalie natürlich auch zunächst, wie immer an unserem Monatstag, alles Gute und dankte ihr dafür, dass sie es die letzten 4 Jahre und 5 Monate mit mir ausgehalten hatte. Sie versuchte etwas zu lächeln und ich hielt dabei ganz fest ihre Hand, während ich ihr über den Kopf und ihre neue Frisur streichelte. Ich fragte sie, was denn eigentlich in der Nacht passiert sei und warum sie plötzlich auf dem Boden gelegen war? Mit schwacher Stimme erzählte sie mir, dass sie wieder auf Toilette musste und als sie aufstand der Schmerz plötzlich so stark wurde, dass sie in Ohnmacht fiel. Ich fragte den Arzt nach dem aktuellen Stand und wie es jetzt weiter gehen würde. Er sagte mir, dass sobald ihr Zustand stabil genug sei, Natalie für eine Not-OP vorbereitet werden müsse, um herauszufinden was mit ihr los sei. Ich blieb noch einen Moment bei Natalie, schaute ihr in die Augen und dann sagte man mir, dass ich mich jetzt erstmal soweit von ihr verabschieden sollte, da ihr jetzt ein Katheder gelegt werden müsse.
Ich blieb trotzdem noch für einen Moment an Natalies Seite, kniete mich neben ihr ans Bett und sagte ihr:
„Mein Schatz, Du musst jetzt ganz stark sein! Ich weiß, Du schaffst das alles und schon bald bist Du wieder zu Hause und bei mir. Alles wird wieder gut werden! Ich liebe Dich!“
Ich küsste sie noch einmal, streichelte ihr über den Kopf und hielt ihre Hand dabei. Als ich mich von ihr verabschiedete sah ich in ihren Augen die Angst und irgendwie auch das Gefühl, dass dies nicht gut ausgehen würde. Inzwischen war es circa 5:45 und dieser Abschied von meinem geliebten Engel war der letzte, an dem ich sie noch einmal lebend gesehen hatte. Im Vorzimmer sprach ich noch einmal mit dem Arzt und fragte ihn, wann ich wieder zu ihr kommen könne und ob sie denn wieder gesund werden würde? Er sagte mir nur, dass ihr Zustand weiterhin sehr kritisch sei, da ihr Kreislauf noch immer sehr schwach war und sie dringend operieren müssen. Erst nach der CT und der OP könne man Genaueres sagen. Ich solle erst einmal wieder nach Hause fahren, da die Untersuchungen und der Eingriff mindestens 2–4 Stunden dauern könnten. Ich hinterließ ihm noch meine Handynummer, damit er mich sofort zurück rufen könne, wenn sich etwas an Natalies Zustand verändern würde. Als ich mit dem Rad zurück fuhr, schossen mir sämtliche Szenarien durch meinen Kopf und ich weinte aus tiefster Angst heraus, um mein kleines Baby. Immer wieder kamen mir die verschiedensten Gedanken und auch immer wieder der, dass sie jetzt ihre CT bekam, die ihr während dem Aufenthalt im Krankenhaus die Ärzte verweigerten. Hätte man denn nicht vielleicht früher etwas machen können, als man die Möglichkeit dazu hatte?
Als ich wieder zu Hause angekommen war, rief ich erst einmal Natalies Freundin in Schwabach zurück, um ihr von meinem Besuch zu erzählen. Sie versuchte mir erneut Mut zu machen und sagte mir, dass jetzt wenigstens endlich herausgefunden werden würde was mit Natalie los sei. Es half mir zumindest für den Moment und gab mir auch wieder etwas Zuversicht. Danach räumte ich noch ein wenig weiter auf, um mich abzulenken doch dann klingelte es plötzlich um etwa 6:15 auf meinem Handy. Ich war gerade mal eine halbe Stunde aus dem Krankenhaus zurück gewesen und ahnte, dass wenn es vor den 2–4 Stunden einen Anruf geben würde, dies keine guten Nachrichten wären. Als ich ran ging war ein ziemlich gestresster Arzt zu hören, der mir klar machte, dass Natalie nach Nürnberg ins Klinikum verlegt werden müsste, da es bei ihr zu inneren Blutungen gekommen sei und in Schwabach die dafür notwendige Operation nicht durchgeführt werden könne. Ich fragte noch wohin sie gebracht werden würde und wann ich sie besuchen könne aber man sagte mir nur, dass ich abwarten soll und mich in zwei Stunden wieder melden sollte, wenn die Ärzte etwas Genaueres wüssten. Wieder lief es mir eiskalt den Nacken herunter und auch diesmal rief ich sofort Natalies Freundin an, welche die ganze Nacht über ja sowieso schon Stand-by stand und wofür ich ihr in dieser Zeit auch so dankbar war. Auch dieses Mal versuchte sie mich mit ihrer Zuversicht zu beruhigen, dass alles gut werden würde und sagte mir, dass wenn Natalie so transportfähig sei, um ins Klinikum nach Nürnberg gebracht zu werden, könne es nicht so schlimm um sie stehen. Wieder hieß es zunächst erstmal warten und dabei diese ganze Ungewissheit um Natalie. Um 8:26 rief ich schließlich im Krankenhaus von Schwabach an, um mir die Informationen geben zu lassen, wo Natalie jetzt in Nürnberg liegen würde und wie es ihr ginge. Nach längerem Klingeln ging endlich jemand ans Telefon und das was ich da zu hören bekam, werde ich wohl nie mehr aus meinem Kopf heraus bekommen.
„Ihre Lebensgefährtin ist noch immer in Schwabach im Krankenhaus. Da sich ihr Zustand akut verschlechtert hatte, konnten wir sie nicht nach Nürnberg verlegen. Wir sind gerade beim Reanimieren. Kommen sie besser sofort! Es sieht nicht gut aus.“
Nach diesem Telefonat stand ich wie unter Schock und ich zitterte am ganzen Körper. Wieder rief ich Natalies Freundin an und sagte ihr, was mir die Ärzte soeben gesagt hatte und dass ihre Mama sofort ins Krankenhaus kommen solle. Sie versicherte mir erneut, dass alles gut werden würde und versuchte mich etwas zu beruhigen. Sie würde mich gleich abholen kommen, um zu Natalie ins Krankenhaus zu fahren. Ich lief sofort runter auf die Straße, um auf sie zu warteten. Wieder fühlte es sich wie eine Ewigkeit an bis sie da war und ich war währenddessen wie in Trance aus Sorge um mein Baby. Auf der Fahrt zum Krankenhaus versuchte sie mich weiter etwas zu beruhigen und versicherte mir, dass sie sich absolut sichere wäre, dass Natalie nicht sterben würde! Als wir am Krankenhaus angekommen waren, parkte die Freundin direkt davor und wir liefen schnellen Schrittes durch die Gänge in Richtung Intensivstation, wo ich schon die Nacht über gewesen war. Auf dem Weg dahin stand auch bereits Natalies Mama auf dem Gang und fiel mir weinend um den Hals. Ich rannte weiter und führte alle mit mir zur Intensivstation, da ich den Weg ja inzwischen schon kannte. Als wir oben ankamen klingelte ich an der Tür und man sagte uns, wir sollen einen Moment warten. In der Zwischenzeit war auch der Mann von Natalies Mama eingetroffen und versuchte mich zu trösten. Plötzlich öffnete sich endlich die Tür zur Intensivstation und man führte uns in ein Ärztezimmer, wo wir auf den behandelnden Arzt warten sollten. Als dieser den Raum betrat, uns begrüßte und sich hinsetzte, ahnte ich bereits, dass es zu spät war. Er sagte, dass er uns leider mitteilen muss, dass Natalie nach einer Not-OP auf Grund von inneren Blutungen und trotz Reanimationsmaßnahmen leider verstorben sei.