©-Reinhold-Scharbert-2011
1. Herstellung-und-Verlag:Books-on-Demand-GmbH,- Norderstedt
ISBN: 978-3-8448-6666-7
Einleitung
Ein Abenteuer beginnt ja manchmal so ganz simpel oder auch ungewollt, einfach so eben, und angefangen hatte alles am Irschenberg in Bayern…
…man ärgert sich, ist zutiefst gelangweilt, weil seit langem immer das Gleiche läuft, die Liebe zu den Frauen nicht das erhoffte Glück gebracht hat, man keinen Ausweg mehr aus dieser Tristesse zu wissen glaubt oder man vielleicht noch zu allem Überfluss, wie in diesem Fall, eine staatliche Behörde am Hals, was einem an allem zweifeln lässt, was man so unter Gerechtigkeit verstand zu dieser Zeit. Für eine Lappalie, jedenfalls war es das für mein Verständnis bzw. mehrere, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren angesammelt hatten, schickte man nämlich meinen Führerschein in Urlaub. Das war der absolute Abschuss und die größte Frechheit die mir je untergekommen war!
So begann dieses Abenteuer und alles änderte sich in meinem zukünftigen Leben ohne dass auch nur ein einziges Detail geplant war. Und es ist wahr, nicht erfunden.
Ein ganz spezielles Abenteuer
Ich war Fernfahrer, brav erzogen und eigentlich noch nie unangenehm aufgefallen bis dato. War verheiratet für eineinhalb Jahre, dann geschieden und hatte danach noch eine Freundin, aber ich war nicht der geborene Ehemann, jedenfalls nicht so einer, wie sich das die deutsche Frau im Allgemeinen vorstellt. Zu diesem Schluss kam ich jedenfalls nach vielen Jahren des Liebens und Leidens oder was die einzige andere Erklärungsmöglichkeit gewesen wäre: ich hatte schlicht und ergreifend jedes Mal die Falsche erwischt. Sei's drum, jetzt war ich seit ca. fünf Jahren alleine und eigentlich zufrieden als Junggeselle so vogelfrei zu sein, schönes schnelles Auto überflüssigerweise vor der Tür, das gerade mal am Wochenende für ein paar Stunden über die Straßen brettern durfte, ab und zu mal ein Verhältnis mit einer Mieze, ja brav und spießig normal rollten die Monate und Jahre so dahin.
Schon im Alter von einundzwanzig Jahren - nach dem Militärdienst - ließ ich den Führerschein, den dort erstandenen, umschreiben auf Zivil und begann meine Erfahrungen zu sammeln auf den Straßen. Erst im Nahverkehr und später auch in Europa, wechselte dann ins Ausland, um mehr Geld zu verdienen bei italienischen Firmen, und es gefiel mir eigentlich ganz gut so, war man doch am Wochenende zuhause, pflegte Freundschaften und Bekanntschaften, aber es stellte sich mit der Zeit langsam unendliche Langeweile ein. Es war immer dasselbe, die gleichen Strecken und Ladestellen es wurde zur Lethargie.
Ja ich mochte es sehr, mit stark motorisierten Lkws zu fahren und seit einiger Zeit hatte ich einen Iveco mit vierhundertachtzig PS. Zu dieser Zeit der stärkste LKW auf dem Markt aber den Stolz, oder wie man auch immer dieses Gefühl bezeichnen mochte, verebbte mit der Zeit und irgend etwas musste her als Herausforderung.
Es war das Jahr `93, seit gut fünfzehn Jahren düste ich nun schon auf Europas Strassen durch Westeuropa und hatte mir außer ein paar Strafen wegen Übergewicht oder Überholverbot und üblicher Kleinigkeiten wie Geschwindigkeitsübertretung und Lenkzeitüberschreitung kaum etwas zuschulden kommen lassen.
Seit mehreren Jahren schon war ich am Überlegen, dass man was ändern sollte an der ewigen Eintönigkeit dieser Fahrerei, ging mir schon ganz schön auf den Senkel, denn es war immer das Gleiche, man kannte seine Wege im Schlaf, jeder Stein grüßte schon von weitem und jede Woche auf der gleichen Strecke kam der gleiche Gedanke auf. Diese Schose machst du nicht ewig, du verblödest ja regelrecht auf dem Bock und so hirnlos durch die Gegend zu laufen wie die meisten deiner Zunft, nein, das musste sich ändern lassen, dachte ich immer öfter.
Ändern wollte ich auch etwas, aber wie..?! Immer auf dem Weg von Italien nach Hause am Wochenende träumte ich davon auszuwandern, raus aus dieser langweiligen Eintönigkeit. Ich hatte ja schon davon gehört, dass Leute einfach abhauten, weit weg über den großen Teich, aber wohin und mit wie viel Kohle in der Hand, denn eins war klar, egal wohin, nirgendwo wird es etwas umsonst geben, das hieß natürlich, ohne Moos nix los.
„Was hast du?“, fragte ich mich, „Ein gebrauchtes Auto - bringt nicht viel –
Wohnung gemietet mit gebrauchten Möbeln, ist gerade mal was zum Verschenken und auf dem Konto liegen ein paar mickrige Kröten, die vielleicht für 3 Monate reichen würden zum Leben.“, tja das war so gut wie nichts aber was tun, verdammt noch mal …!
So verging die Zeit, ich ergab mich mehr oder weniger meinem scheinbar unentrinnbarem Schicksal und dann kam plötzlich und unerwartet der Wendepunkt meines Lebens in Langeweile und Lethargie. Mein ganz eigener nur auf mich zugeschnittener Wendepunkt.
Lange Rede kurzer Sinn - Verkehrskontrolle am Irschenberg - Anzeige und infolge dieser Anzeige Führerscheinentzug für vier Wochen. Vorgefertigtes Formular mit rotem Stempel quer über das Blatt „Fahrverbot“!
Die Anfrage beim Anwalt war nicht gerade erbauend und schon gar nicht den zu verbrauchenden Sprit wert, denn dieser meinte, ich möge doch lieber vier Wochen Urlaub machen, Chancen vor Gericht hier in Bayern für einen Fernfahrer seien zu gering und schon gar nicht im Raum München – Rosenheim. Kosten und Aufwand lägen in keinem Verhältnis. Also war selbst der Gang zum Rechtsanwalt schon eigentlich für die Katz.
Jetzt war es dann doch genug der Gängelei für mich und der Unmut gegenüber der Exekutive verstärkte sich noch mehr als er eh schon war, mit einem „freiheitlichem Rechtsstaat“ konnte ich damals ja schon lange nichts mehr anfangen, aber für jeweils EIN Vergehen in einem Jahr und das fünf mal ein Jahr zurück, musste ich nun den „Deckel“ abgeben und alles das dann auch noch, ohne mich wehren zu können? Das wollte ich mir SO nicht gefallen lassen! „Verdammte Wegelagerer!“, war ich am Fluchen, „Schlimmer wie im angrenzenden Nachbarland Tirol, wo ein kleines diebisches Bergvolk sein Unwesen treibt!“,grollte ich so bei mir.
Nach Erklärung der Sachlage war ein Urlaub bei der Firma für vier Wochen auch kein Problem und so blieb mir auch nichts anderes übrig, als mit meinem heiß geliebten Maserati für diese Zeit in wilder Ehe zusammen zu leben, die Grünen konnten ja nicht immer und überall sein, was sich im Nachhinein auch bestätigen sollte.
Ich beruhigte mich zwar mit der Zeit, aber die Wut blieb und die Gewissheit, mich zu rächen blieb auch, nur wie es sein sollte, wusste ich noch nicht.
So gingen ein paar Wochen ins Land und meine Stammkneipe war jetzt die zweite Heimat, sie machte auch gutes Geld mit mir, oft wurde Dart und Billard gespielt und viel getrunken, ich ließ es mir ganz gut gehen, hatte ich doch Urlaub.
Eines Tages erschien mein Kumpel in der Kneipe, Batitsch nannten ihn alle, war einmal Fahrlehrer, machte aber jetzt Geschäfte mit Pkws nach Südamerika und trallala, na ja. Ein großes schlaksiges Mannsbild war er, schlank und eigentlich Porschefahrer aber den Führerschein hatte man auch bei ihm in Verwahrung genommen, zwar nicht wegen Alkoholmissbrauchs, aber wegen unzähliger Geschwindigkeitsdelikte und was weiß ich noch. Polizist war er auch einmal, aber das schien ihm nicht mehr viel geholfen zu haben. Er trank und spielte mit am Dart und nach einer Weile fing Batitsch an mich zu fragen ob ich nicht Interesse hätte, gutes Geld zu verdienen aber die Geschichte sei nicht ganz sauber, sollte aber pro Mann ein paar hunderttausend Mark bringen. Eine Aktion für ca. drei bis vier Monate und dann geht’s ab nach Brasilien für immer…!
Im Moment war ich zugegebenermaßen wie paralysiert. Brasilien - weg hier - raus hier - wow! Ich war schon ein bisschen leicht im Kopf durch den Gin–Bitter-Lemon der immer als „Zielwasser“ diente beim „Darten“ aber auf einen Schlag war ich nüchtern und fragte Batitsch, was das denn für eine Aktion sei. Ah, das ist ein bisschen Versicherungsbetrug meinte er locker und süffisant lächelnd, kaum Risiko und alles schon mal durchgezogen ohne Probleme usw., erklärte, wie das laufen sollte und fragte noch mal, ob ich dabei wäre, denn in Brasilien habe er einen Deutschen kennen gelernt, der sich da auskenne und jemanden suchte für diese Aktion, der auch kein Problem damit hat das Land zu verlassen.
Ohne zu überlegen sagte ich zu. Das war mir noch nie passiert, aber ja genau das war's, was mir raus helfen würde, dachte ich, denn es war ja noch eine Rechnung offen mit der Exekutive und Versicherungen mochte er außerdem auch nicht, also dann los. Jetzt noch ein Weizenbier, denn jetzt gab es Grund, noch einen zu trinken, natürlich auch noch eine Runde Tequila, war klar.
Keine Woche war vergangen und ein Treffen mit dem Initiatoren des vermeintlich perfekt geplanten Clous war perfekt. In meiner kleinen Wohnung, einem kleinen Einzimmer-Appartement im Garten des Vermieters, traf man sich nach ein paar Tagen und der Plan wurde besprochen. Es klang für mich recht einfach und plausibel, auch sollte ich mir keine Sorgen machen, er kenne sich da aus, hätte Erfahrung als Versicherungsvertreter und überhaupt, er war der King, so schien es…ah, na gut. Marvin hieß er, der Superalleswisser ein Badenser, „ajoo so isches“, für mich waren sowieso alles Schwaben.
Nun gut, es war alles geklärt und in ein paar Wochen sollte das Ganze losgehen.
Schnell wurde eine Wohnung gemietet, dort ein Versicherungsbüro eröffnet, was von außen kein Mensch vermutete, aber es war eines – eingekleidet, wie sich das gehört, mit Schlips und Kragen und dann ging es los. Die Einzelheiten über den Plan und die Durchführung wollen wir uns ersparen, das wäre ein eigenes Kapitel für sich.
Dieses laue Spiel dauerte ca. vier Monate und endete sehr viel früher als geplant, na ja nicht so ganz nach den Vorstellungen der Autoren dieser Aktion, auch weil sich so einiges geändert hatte z.B. mit der Bezahlung der Herren Vertreter und so kam auch nur ein Bruchteil des Geldes zusammen, welches der Oberguru sich ausgerechnet hatte.
Kurz, ein einziges Desaster war das Resultat des ganzen Aufwandes dieser Aktion. Hätte ich mich in den Arsch gebissen, wäre das wohl weniger schmerzvoll gewesen, als das was ein gutes Jahr später folgte.
Inzwischen waren wir raus aus dem „Büro“ in meinem Wohnort und quasi umgezogen ins Badische, wo wieder ein Kumpel von Marvin ein Büro hatte mit Nebenräumen, unter anderem Küche, wo ich dann als „Flüchtling“ unterkam und die kommenden Wochen wie ein Richard Kimble auf der Flucht dahin siechte, so möchte ich dass mal bezeichnen.
Eines Tages kam Marvin ins Büro, den Zufluchtsort der „Bande“, und berichtete dass er zwei Brasilianer kennen gelernt hätte, es wären Deutsch-Brasilianer so um die Zwanzig. Er hätte sie eingeladen nach hier, um mal mit ihnen zu reden wie das denn wäre, nach Brasilien zu gehen und dort eine Importfirma für gebrauchte Reifen zu eröffnen. Die Idee wäre ihm plötzlich gekommen, denn das wäre das Geschäft schlechthin, er, Marvin hätte das schließlich schon gemacht und es hätte sich rentiert. Man wollte also hier abgefahrene Autoreifen aufkaufen, in einen Container stecken und in Brasilien wieder verkaufen, so könne man die Kohle machen, um das Geld an die Versicherungsgesellschaften zurückzuzahlen. Oder auch nicht, denn wenn sich das lohne, warum Geld verschenken. Logisch wieder eine Superidee von Marvin, geboren aus dem ganzen Elend seiner „ach so großen Erfahrung“. Aber was wollte ich machen? Alles war mir recht in der Situation, „nur weg hier!“, dachte ich mir damals.
„War ja klasse“, dachte ich mir wegen der Idee mit Brasilien, „aber wieso Deutsch-Brasilianer? Waren das Deutsche oder Brasilianer oder wie verhält sich das denn?“. Ich hatte keine Ahnung von Brasilien und schon gar nicht, wer da wohnt außer natürlich Brasilianern - OK - aber Deutsche? Es sollte sich alles aufklären durch die zwei Besucher, die auch so gar keinen deutschen Vornamen hatten, aber der Nachname war Deutsch, na das war ja ein Ding.
Sie waren so um die zwanzig Jahre und hießen Raulinho und Valmir, sahen auch nicht aus wie Brasilianer, aber sprachen auch Deutsch. Zwar nicht so ganz perfekt, wie man es gewohnt war, denn es war ein altdeutscher Dialekt, wie sich später herausstellte, und sie vermischten portugiesische Wörter mit deutschen, sehr gewöhnungsbedürftig fürs erste, aber war auch egal, denn durch die beiden erfuhr ich, dass vor mehreren Generationen viele Deutsche hauptsächlich aus dem Hunsrück ausgewandert waren nach Brasilien, Argentinien, Paraguay usw.
Raulinho allerdings war ein schon auf den ersten Blick unsympathischer Typ für mich, mit stahlblauen Augen zwar, einem offenbar ewigen Lächeln im Gesicht, ca. einen Meter siebzig groß, kurze mittelblonde Haare und … abgekauten Fingernägeln, „Na Mahlzeit, schon wieder so einer“, dachte ich bei mir. Valmir dagegen war ein bisschen größer, sympathisch auch mit kurzen Haaren, markantem Gesicht, aber er hatte eine Jeans an, die wie mir sofort auffiel, viel zu lang war für meinen Geschmack. Valmir hatte einen Gang, etwas erinnernd an Charly Chaplin, wegen der nach außen stehenden Füße und die Hose schlug mindestens vierfache Wellen über den Schuhen, also für meinen Geschmack sehr seltsam, aber bitte, andere Länder andere Sitten, vielleicht war es ja in Brasilien Mode.
Die beiden waren für drei Monate hier unterwegs und jobbten ab und zu bei einer Gärtnerei, um sich ihr Reisegeld zu verdienen, aber die Sehnsucht in die Heimat war groß und sie hätten so gar nichts gegen eine frühere Heimkehr, wenn der Plan mit den Reifen wirklich gewollt sei…
Na, jetzt kam so langsam wieder Laune auf, denn seit einigen Wochen zog sich nun schon diese Ungewissheit hin, keiner wusste was tun und am wenigsten ich, denn ich hatte nicht nur alles verloren durch die verkorkste Geschichte, ich hatte auch keinerlei Idee, wie denn mein Leben wieder in Ordnung käme.
Es wurde nun geplant, mit den beiden Jungs in Brasilien zusammen zu arbeiten, also eine Import-Export-Firma zu eröffnen, um mit den Reifen zu Geld zu kommen. Sammeln hier in Deutschland und drüben verkaufen, und die beiden erklärten, dass das überhaupt kein Problem sein würde weil, neue Reifen in Brasilien sowieso zu teuer seien und gebrauchte Reifen verkaufe man vom Container weg auf den Hauptverkehrsstraßen, wäre überhaupt kein Problem. Wie war das? Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt…Na ja!
Ich sollte also sobald es ging, mit den beiden Brasilianern nach Brasilien fliegen und dort alles vorbereiten, wie Firmengründung usw.
Geld war nicht mehr all zu viel übrig von dem Clou, denn der Lebensstil des „Herrn“ Marvin war verhältnismäßig teuer und angeblich musste man ja auch noch die Schulden an die Versicherungsgesellschaften zurückzahlen. Also mussten wir uns etwas einfallen lassen und da kam natürlich diese Idee mit Brasilien wie gerufen, man wollte das Geld auf jeden Fall zurückgeben. Auweia, welch edler Vorsatz!
Nachdem man sich kennen gelernt hatte und ich meine Neugierde wegen der Deutschen in Brasilien einigermaßen befriedigt hatte, wollten die beiden gerne nach Hause telefonieren um die Väter und den Rest der Familie zu informieren, was denn nun in Zukunft so laufen sollte.
Die beiden Jungs telefonierten also mit ihren Vätern in Brasilien und Valmir haute dabei seinen Vater aus dem Bett, denn erstens hielt der immer um diese Zeit seinen Mittagsschlaf und zweitens waren es jetzt im Sommer fünf Stunden Zeitunterschied, also früher wie in Deutschland. Sie erklärten die neuen Pläne für die Zukunft und Marvin, das schlaue Hirn, schlug vor, dass die beiden praktisch als Angestellte arbeiten sollten, ich als Chef und sie bekämen im Monat ein „Salair“ von sage und schreibe tausendfünfhundert Deutsche Mark. Keiner hatte auch nur ansatzweise im Entferntesten eine Ahnung, was das umgerechnet für einen Brasilianer bedeutete, aber die Zukunft sollte allen noch die Augen öffnen.
Die folgenden Tage waren Tage der Freude, endlich ein Plan, das Schicksal meinte es anscheinend gut mit dem Haufen Elend, und man suchte sich ein Reisebüro, um ein Ticket zu kaufen nach Brasilien. Wäre nicht die tägliche Angst gewesen des Verfolgtseins, der allgemeinen Ungewissheit, ob die Vergangenheit nicht doch zurückschlagen würde, eher als erwartet … aber Marvin war der „ultracoole Denker und Lenker“. Er mit achtundzwanzig Jahren, seinen abgekauten Fingernägeln und dem Gang der vermuten ließ, mit Federn an den Füssen geboren worden zu sein oder er hatte Probleme mit seinen Fersen, wer wusste das schon. Ich fing langsam an, mich und auch ihn zu hassen, aber ich brauchte ihn. Ich hatte nicht den Mut, mir einen Ruck zu geben und alles aufzuklären, um dann endlich wieder ruhig schlafen zu können. Gut, schlafen war nicht das Problem, aber jedes Erwachen begann mit einem sehr befremdlichen Druck in der Herzgegend. Nein ich schaffte es nicht. „Gut, dann versuchen wir es eben mit Brasilien“, dachte ich mir und außerdem wollte ich ja sowieso raus aus diesem unseren Lande, „Auf was wartest du also?“, dachte ich resigniert und konzentrierte mich wieder auf das, was kommen sollte.
Man fand ein Reisebüro und auch einen Flug nach Brasilien, sogar einen Einmal-Flug, also nur hin und nicht wieder zurück, für einen niedrigeren Preis als ein normaler Hinund Rückflug, na das sah ja nach etwas Endgültigem aus, schmunzelte ich. Die Spannung stieg, aber es war trotzdem wie eine Erlösung für mich, denn die Belastung durch die für mich vermeintlich schon eingeleitete Fahndung, machte mich fix und fertig.
Jedes Telefonat, jeder Schritt nach draußen auf die Straße waren eine Qual, in jedem Mann der mich ansah, war es auch nur im Vorübergehen, sah ich einen Ermittler oder Zivilpolizisten. Ach was hätte ich darum gegeben, eine Maus zu sein …
Aber nun war alles ein bisschen anders, ich hatte die beiden Brasilianer kennen gelernt, man hatte geplant mit ihnen eine Firma zu gründen in Brasilien, wow jetzt ging es aufwärts, aber dass das Geld zurückgezahlt werden sollte, glaubte selbst ich nicht mehr, denn den Beobachtungen nach über die ganze Zeit in der Versenkung, in der „Vorfluchtphase“, ließen mich sicher sein, dass Marvin nicht im Traum dran dachte, die verkorkste Geschichte wieder in Ordnung zu bringen. Na ja, dachte dieser wahrscheinlich - dumm gelaufen, müssen mal sehen, wie wir das hinbiegen.
„Du wirst sehen, das kommt alles in Ordnung, das hab ich alles schon mal durchgezogen und es ist glatt gegangen, kein Weg ist immer so, wie man sich das vorstellt, du musch positiv denga“, ließ er immer wieder verlauten. Er als Badenser…..na gut, warten wir’s ab, ich zog die Augenbrauen nach oben und zuckte hilflos mit den Schultern. Ich glaubte Marvin kein Wort mehr, allerdings war sonst auch niemanden mehr da, mit dem ich hätte reden können, außer meinem alten Kumpel zuhause in meinem letzten Wohnort, mit dem noch immer Kontakt bestand, dem ich auch alles telefonisch mitteilte und auch seine Meinung hören wollte. Dieser Kumpel wurde mir dann noch zum richtigen Freund, denn er machte mir das Angebot, dass - wenn ich nach Brasilien ginge und alles doch noch schief laufen sollte - es könnte ja sein, wobei er jedoch für mich hoffe, dass es doch gut geht, dann sollte ich ihn seinen guten Kumpel anrufen denn „die paar Kröd’n für den Rückfluch kriech mer ah noch zam“. Was nicht mehr heißen sollte, als dass bei Misslingen der Unternehmung ich ihn anrufen sollte, er brächte das Geld für den Rückflug auch noch zusammen. Als es dann los ging nach Brasilien, meinte er am Telefon bei dem Abschiedsgespräch noch zusätzlich, „ich wünsch dir alles Gute, du Arschloch“! Ja, so kannte ich ihn, immer gerade heraus und deftig, wie gut einen Freund zu haben.
Am nächsten Tag ging es noch mal in die Stadt um ein bisschen Literatur über Brasilien zu besorgen, ein Wörterbuch dazu und dann ging es zurück in die Fluchtburg.
Die beiden Brasilianer waren schon in den letzten Tagen zurückgeflogen in freudiger Erwartung auf das große Geld, sie wollten mich abholen mit dem eigenen Auto in Porto Alegre, der Hauptstadt des Bundesstaates Rio Grande do Sul. „Oh ihr Götter“, frohlockte ich, „lasst alles gelingen was wir vorhaben.“, meine Schuld verdrängend, als hätte es sie nie gegeben. Na ewig konnte man ja auch nicht deprimiert sein und ein Neuanfang in Brasilien? Das wär's doch.
Ich fantasierte wie verrückt, wie es denn da sei. Was ich wusste war, dass es Urwald gab, Karneval, die heißesten Mädels der Welt, Kinder die in São Paolo auf der Straße erschossen wurden und seit kurzem auch, dass es „Deitsche“ gab, ja die beiden konnten kein „eu“ oder „ei“ oder „ö“ schon gar nicht „ü“ sagen, das war mir aufgefallen bei den Gesprächen.
Aber es sollte noch viel lustiger werden, was die Sprache anging.
Die Tage vergingen wie im Flug, Koffer packen war angesagt und schon war er da, der Tag des Abflugs in Frankfurt. Marvin fuhr mich mit seinem vom ergaunerten Geld angezahlten Geländewagen nach Frankfurt und man verabschiedete sich mit den besten Wünschen und Vorsätzen. Nun saß ich da alleine, hadernd mit mir selbst, und das schlechte Gewissen fing an, an mir zu nagen. Sollte ich nicht wenigstens jemanden meiner Familie informieren, meinem Vater konnte ich um Himmels Willen nichts sagen, denn Lügen ihm gegenüber brachte ich nicht fertig, dann schon besser einfach mal machen. Meine Schwester wollte ich auch nicht einweihen, um sich dann die Vorwürfe anzuhören, nein Schluss - Aus - Ende, jetzt geht’s erst mal ab und dann sieht man ja weiter, dachte ich und tröstete mich so ein bisschen selbst. „Hast Mist gebaut und fliegst trotzdem nach Brasilien, das glaubt dir keiner“, dachte ich mir und musste doch ein wenig grinsen. Wie war es mit Heimweh? Nein, kennst du sowieso nicht, gut dass du schon so lange in Europa rumeierst mit dem LKW, hattest ja auch nie Heimweh, na ja mal sehen was die Zukunft bringt.
Nun kam aber der Zeitpunkt um einzuchecken, das heißt den Ausweis raus und vorbei am Bundespolizisten. Kalter Schweiß auf der Stirn hätte mir bescheinigt, dass ich nicht der Obercoolste zu sein schien, aber allen Unkenrufen zum trotz war ich plötzlich durch, ich konnte es kaum glauben. Gut, es war die Hölle los und er hatte vielleicht Glück dass ich durchgewunken wurde wegen der Stichproben, aber vielleicht ………..egal er war jetzt erstmal frei, basta.
Plötzlich war alles wie weggeblasen, der ganze Angstschweiß die Zweifel und das schlechte Gewissen.
Ich fühlte mich fast wie neu geboren, komisch aber … ich grinste zufrieden. So ging’s dann los, rein in den Flieger und schon war ich angenehm überrascht wegen der brasilianischen Stewardessen, so etwas Schönes und Edles hatte ich schon lange nicht mehr gesehen, mit langen gepflegten schwarzen Haaren und schönen Gesichtern und die Figur, ah ein Traum. „War es also doch die richtige Entscheidung, diesen Weg zu gehen?“, überlegte ich grinsend und wenn es nur der Frauen wegen war, grinste ich still und machte mir ein wenig Mut.
Ankunft Brasilien, S. Paolo – Rio Grande do Sul
Das zweite mal über den großen Teich aber jetzt nach Brasilien, denn das erste Mal war noch nicht so lange her, als wir mit dem „Beutegeld“ in Amerika waren bei einem Broker, einem Bekannten von Marvins Kumpel.
Die Erwartung war groß aber auch die Zweifel, ob denn alles so laufen würde wie geplant… „aber jetzt erst mal entspannen und den Flug genießen“ entschied ich dann.
Es war Oktober und eigentlich ein goldener in Deutschland, von Brasilien wusste ich inzwischen dass dort jetzt das Frühjahr begann, also der „primaveira“ wie mir die beiden Brasilianer erzählt hatten, alles um ein halbes Jahr versetzt. Na, da konnte nichts mehr schief gehen, von der Sonne in die Sonne, was wollte ich mehr.
Verdammt unbequem war’s in den engen Sitzen, stellte ich wieder mal fest und die Flugzeit verging deswegen auch kaum, weil dauernd die Beine oder der Hintern einschlief, auch Positionswechsel führten nicht zum Erfolg, es war zum wahnsinnig werden, aber es half nix. Zehn Stunden Flug von Frankfurt nach São Paolo dann Flieger wechseln nach Porto Alegre, unten im Süden, das hieß noch mal gut zwei Stunden - na Mahlzeit, war irgendwie wie Marathon laufen.
Hell war es schon draußen, es wurde Frühstück gereicht und feuchte heiße Tücher verteilt, um die Gesichtsnerven wieder zu beleben nach dem Aufwachen, oh ja das tat gut und ich glaubte langsam wirklich, dass es kein Traum mehr war hier zu sein. Der Fensterplatz, den ich ergattert hatte war mit Gold nicht zu bezahlen, denn jetzt im Anflug auf São Paolo sah ich, was eine Großstadt bzw. Weltstadt ausmacht.
Himmel, fast eine viertel Stunde vor der Landung nur Häuser und Dächer zu sehen bis zum Horizont, ob nach links aus dem Fenster oder nach rechts und kein Ende, unglaublich faszinierend. Geschätzte zwanzig Millionen Menschen waren da unten zu dieser Zeit im Oktober Dreiundneunzig. Der Kapitän schwenkte mal nach links und mal nach rechts um den Fluggästen dieses Panorama von Häusermeer besser zu zeigen, es war ein eindrucksvoller Anflug auf São Paolo.
Um sechs Uhr dreißig landete er endlich, obwohl das alles schon ein wenig länger hätte dauern können und dann kam mir wieder die Angst in den Nacken. Alle mussten ja durch den Zoll, bzw. durch die Passkontrolle, aber ich tröstete mich damit, dass ja wahrscheinlich noch kein internationaler Haftbefehl raus sei und schon gar nicht wegen eines kleinen Betrügerleins wie mir.
Mit dickem Hals und klopfendem Herzen legte ich, als ich dran war, den Pass vor, der Beamte von der Policia Federal (gesprochen „Polißia Federal“, also Bundespolizei), schaute kurz rein, stempelte den Pass und den im Flugzeug ausgefüllten Vordruck des Visums und schrieb etwas hinein. Er trug die Tage ein, die man im Land bleiben durfte, aha auch noch nie gehört….und durch war ich.
Na das ging ja glatter als gedacht, jetzt das Gepäck abholen am Förderband, noch durch den Zoll und dann tat sich die unbekannte aber faszinierende Welt Brasiliens vor mir auf.
Als erstes einen Platz zum Rauchen suchen, das war erst einmal wichtig, und dann erkundigen wegen des Weiterfluges nach Porto Alegre, entschied ich, genoss die Zigarette sehr und den Geruch der Umgebung, der völlig unbekannt war, es roch exotisch feucht und leicht süßlich, es war warm, ja heiß, und ich betrachtete die Bäume und die Palmen die rund um den Flughafen angepflanzt waren und wähnte mich in einem Traum. Ohne Hintergedanken beobachtete ich die Mädchen und Frauen, die meine Augen sich zur doppelten Größe erweitern ließen. Lieber Himmel, hier ist ja eine schöner als die andere und die Figuren und dann noch mit hautengen Jeans oder Leggins oder Minirock, egal was es war, es war wie im Märchen. So langsam verstand ich, warum man so von den brasilianischen Mädchen und Frauen schwärmte, es war unglaublich, was da so rum lief und das jetzt nur am Flughafen, wie sollte das noch im Landesinneren aussehen - sagenhaft. Ich dachte unwillkürlich an meine „Exen“ also meine Verflossenen zuhause in meinem Lummerland, die würden sich ja nie nicht im Traum so reizvoll anziehen und schon gar nicht als „normale Kleidung“ wie hier. Wäre ja eine Schande, als gut erzogene „Dame“. Mann, das fing ja gut an und dann musste ich endlich mal los wegen des Anschlussfluges nach Rio Grande do Sul. Irgendetwas ließ mich nicht los von diesem Eindruck, ich hätte am liebsten jetzt hier gestanden bis zum Ende meines Lebens. Wie angewurzelt stand ich mit der Zigarette in der Hand da und beobachtete die Menschen, sog den Geruch in mir auf, hörte so nebenbei die Wortfetzen und Stimmen und war so herrlich gelähmt. Hätte ich damals schon gewusst, was dieses Land in mir auslöst, ich hätte mich sicher geweigert in Deutschland auf die Welt zu kommen.
„Ob die zwei schon da sind, in Porto Alegre?“ fragte ich mich, „Was ist wenn nicht und sie sind mit dem Vorschuss zufrieden, den sie schon mal bekommen hatten?“ …….. „Na, wird schon“, ermutigte ich mich und erledigte das mit dem Anschlussflug profimäßig wie sich das gehört.
Hin und weg von den vielen Eindrücken war ich, die mich schier erschlugen, allein die Sauberkeit im Flieger war schon beeindruckend und jetzt, wo ich auf dem „Örtchen“ im Flughafen war, beeindruckte mich auch da die Sauberkeit, alles organisiert, freundliche Leute, guter Service und keine Abzocke wie in der so genannten „Ersten Welt“, gut die Preise in den Boutiquen und Lokalen usw. waren nicht soo billig, aber dass ich hier überhaupt so etwas „Erste-Welt-ähnliches“ sah, verstand ich noch nicht so ganz, war ich doch in der so genannten „Dritten Welt“. Was hatte ich erwartet? Nun alles, bloß nicht so und schon gar nicht, dass es hier auch alles gab und praktisch so organisiert war wie in Europa.
Oh ja, ich sollte mich noch wundern, welche krassen Unterschiede auf mich zukommen sollten, die wenn nicht schon gesehen und erlebt, kaum begreifbar waren.
Ich fühlte mich ein bisschen wie im Film oder in einem Traum, der schöner gar nicht sein konnte und immer wieder die wunderschönen Mädchen und Frauen, die einfach so über den Weg liefen, Götter dieser Welt, wer sollte da ruhig bleiben, ich griente glücklich vor mich hin und ging dabei langsam zum Abfertigungsschalter der „Rio Sul“, einer Inlandsfluggesellschaft, sie war die Schwestergesellschaft der Varig, Brasiliens größter und edelster Fluggesellschaft zu dieser Zeit. In Englisch oder besser in Englischähnlicher Sprache kaufte ich ein Ticket, es war das das gleiche Elend wie in Italien mit dem Sprechen von Englisch, sie sprachen es in ihrem Dialekt, quasi ein Graus.
Nach zwei Stunden sollte die Reise in den Süden losgehen, so hatte ich noch Zeit, um ein wenig im Flughafengebäude herumzuspazieren. Es war mir, als würde ich schweben, all diese Eindrücke und Gerüche, aber die Sprache, die aus den Lautsprechern tönte, war erst mal nicht das was ich mochte.
Eigentlich dachte ich mit dem geliebten Italienisch etwas anfangen zu können, aber es war ums Verrecken nichts zu verstehen … fürs erste. Diese Sprache wollte ich mal gar nicht lernen, geschweige denn sprechen. Aber erstens kommt es anders, als man zweitens denkt, man weiß das.
Es ging zum Rollfeld zu einer Boing 727 zu Fuß, eine weitere Erfahrung, die ich noch nicht kannte, vom Flughafengebäude zum Flieger, und kurz darauf hob sie ab in Richtung Süden dieses riesigen Landes, um mich in eine völlig unbekannte fantastische Welt zu bringen, voller Überraschungen, die mein zukünftiges Leben total über den Haufen schmeißen sollten, denn ich wollte schon nach kurzer Zeit nie wieder zurück.
Nach gut zwei Stunden Flug setzte der Kapitän zur Landung an mit ein paar Schleifen die den Horizont bis zum Boden senkten aber so konnte man die wunderschöne Landschaft und den Atlantik gut sehen, und die Vorfreude kam in Form von Gänsehaut, „Ah welch schönes Gefühl, jetzt bist du in Brasil“, ich freute mich sehr auf die hoffentlich anwesenden zwei Jungs.
Der Clipper rollte aus und auf das Flughafengebäude zu, da sah ich sie auch schon oben auf dem Aussichtsturm. Aussteigen und schon fing ich an zu schwitzen. Heiß war’s und feucht und roch auch so süßlich wie in São Paolo, ich war da.
Jetzt war ich ja im Inland geflogen und brauchte nur noch mein Gepäck abzuholen, keine Kontrolle mehr und die ersehnten Hände zur Begrüßung zu schütteln. „Mit was seid ihr denn da?“, fragte ich Raulinho. „Mit än Uno“, antwortete er, „mir foän eerscht mo nach Porto Alägre rin, miße do noch än Parent wisitiere“……“Was machen wir da?“ fragte ich und war doch recht hilflos mit dem, was ich da gehört hatte. „Na das begann ja lustig, nicht mal die Deutschen versteht man hier“, dachte ich belustigt bei „mich“, um bei dem Slang zu bleiben. Mit viel Fantasie ergab sich dann, dass man noch nach Porto Alegre rein fahren wollte um einen Verwandten zu besuchen. Oh je, das war ja nun wirklich nicht gerade meine Sprache und dann auch noch mit portugiesischen Worten vermischt, na Mahlzeit!
Wie gesagt, die portugiesische Sprache war vom ersten Moment an nicht mein Ding, ich liebte Italienisch, wo ich ja dauernd mit dem LKW unterwegs war und dachte natürlich, damit ganz gut zurecht zu kommen, wegen der lateinischen Herkunft der Sprache aber Pustekuchen, war in keinster Weise zu verstehen fürs erste und ich wollte es auch nicht mögen. „Verdreht man sich ja Hals und Zunge beim Reden“ dachte ich, „nee, das würde ich mal lassen wollen“.
Fahrt nach Tunápolis
Alle Drei gingen wir nun zum Parkplatz wo „dä Uno“ stand, also ein Fiat Uno in metallic hellblau. „Da schau her“, dachte ich „hat er ja wirklich ein Auto“. Koffer rein und los ging die Reise erst einmal in Richtung Zentrum von Porto Alegre. Alles war sauber asphaltiert, mit Ampeln bestückt wie in Europa, nur anders als Zuhause eben, die Ampeln waren nicht so übersichtlich aufgestellt irgendwie zu hoch und nicht so hell leuchtend aber trotzdem unglaublich für ein so genanntes Drittland dachte ich beeindruckt.
Die Eindrücke waren gewaltig, schon wegen des anderen Baustils, alles ein wenig lockerer wie in Deutschland. Hier ein Holzhaus, erinnernd an die Bauweise einer Scheune zuhause, nur mit Brettern - Fenster keine - dafür wie an einem alten Stall ein Fensterladen, der wenn er geschlossen war, sicher völlige Dunkelheit verursachen würde.
Musste bei Regen die Hölle sein, wenn man nicht rausschauen kann …und neben dran ein Haus aus Stein und eins mit Backsteinen aber ohne Verputz.
Andere dann wieder sauber verputzt und gestrichen, dann wieder ein mehrstöckiges Hochhaus mit Mauern von schätzungsweise nur zehn Zentimetern Dicke kalkulierte ich aus der Entfernung „Mein lieber Herr Gesangverein, wenn das mal hält“, dachte ich mir oft, „wenn man da im Suff gegen fällt, ist alles aus und man liegt auf der Straße oder im Garten!“, aber na ja ist eben so. So fantasierte ich mir einiges zusammen während der Fahrt, voller Vorurteile die ich aber später wieder schnell revidieren sollte, denn es musste ja nicht alles so gemacht werden, wie in der so genannten „Ersten Welt“ und dass es auch anders funktionierte, egal was das war, sollte ich noch bald genug erfahren.
Mir fiel ein, dass ich noch Geld wechseln musste, und fragte, ob die beiden wüssten, wo das ginge. Ja, das wäre kein Problem, der Bekannte bzw. Verwandte den wir treffen, lebt da und kennt sich aus. Na gut, dann passte das ja. Wir kamen an im "centro" der Stadt und bogen dann auch gleich in eine, auf den ersten Blick „Garage“ ein, um das Auto abzustellen, was ratsam wäre, denn wenn man das Auto so alleine auf der Straße stehen ließe, stünden bei Rückkehr möglicherweise „zwei Unos“ da und das wolle man doch tunlichst vermeiden. Sauber, fängt ja gut an und nach Abstellen und Verhandlung wegen Dauer und Kosten des Parkens setzten wir drei nun den Weg Richtung Zentrum zu Fuß fort. Ah, es war alles so ungewohnt und dieses Gefühl des „in Brasilien seins“ war überwältigend. So gingen wir nun in eine „Lanchonete“ also einer Art Imbiss, einer der beiden „Brasilianer“ kaufte eine Telefonkarte, um dem Bekannten die Ankunft mitzuteilen. Alles klar, der Onkel oder was auch immer dieser „Parent“ war, wollte sich in der Kneipe mit uns Jungs treffen, in der wir gerade waren.
„Jetzt erst einmal etwas trinken!“ wurde entschieden, natürlich wollte man mir das gute brasilianische Bier schmackhaft machen und es wurde mein erstes „Brahma“ bestellt.
Brahma (gesprochen - Bramma) war und ist im Süden Brasiliens das Bier Nummer eins, das solle ich mir merken, die anderen Sorten wären Spülwasser oder so!
Na gut, so sei’s denn - prost bzw. „saúde“. Auweia, war das Bier kalt! Mann, ich verzog sofort erschreckt das Gesicht, denn so kalt hatte ich noch nie Bier getrunken. Das müsse man so kalt trinken, klärten die beiden mich auf, weil es nach ein paar Minuten zu heiß sei zum Trinken. „Heiß“ nennt sich im brasilianischen Deutsch alles, was mit Temperaturen über null Grad zu tun hat, „warm“ oder „lauwarm“ kennt die Sprache nicht. Zwischen null und zwei Grad sei die richtige Temperatur. Aha, na dann noch mal „saúde“! Und außerdem hatte man nur eine Flasche und drei Gläser was mich doch sehr wunderte, aber auch hier war der Grund die zu schnelle Erwärmung des Bieres!
„Durfte man wirklich keinem Franken erzählen“ dachte ich noch lächelnd, „eine Flasche Bier und jeder Mittrinker nur ein Glas“.
Ich stellte mir vor, meine Kumpels jetzt dabei zu haben, da würde so ein Kasten Bier den Schlag nicht hören und wäre in der gleichen Zeit leer, wie die jeweiligen Gläser aus denen man hier trinkt. Der Ober würde kündigen nach dem Besuch der Meute.
Natürlich gab’s auch Fanta - Cola - Guaraná, letzteres ein göttliches Gesöff bzw. eine Limonade, die aus einer Urwaldfrucht (Guaraná eben) gemacht wird. Ich sollte mich für den Rest meines Lebens in diese Limonade verlieben - wenn ich denn mal Limonade trank!
Auch zu Essen gab es zumindest für das neugierige Auge leckere Sachen wie „Pastel“ und „Coxa“ (Koscha), also eine gefüllte Teigtasche im Öl frittiert und eine tropfenähnliche, mit Hühnerfleisch, Hackfleisch oder Palmito (Palmherzchen) gefüllte Teigmasse, dazu Majo und Ketchup, bei Bedarf auch noch Pimenta also Peperoni - scharfe Soße. Richtig klasse war das, hatte ich doch auf dem Fußweg kleine mobile Stände am Straßenrand gesehen mit den Sachen, die mich neugierig gemacht hatten.
Überall an den Straßenecken standen die - in Europa, außer im Süden mal wieder, undenkbar. „Da würde es vor den „Mützenträgern“ nur so wimmeln“, dachte ich so bei mir „wegen Genehmigung usw. aber ist ja stark, eben typisch Brasilien wahrscheinlich“.