Einleitung (Jürg Meier)
„Änneli, gimm mr es Müntschi!“ (Beat Weber)
Qualität (Désirée Auderset und Lydia Braun)
Qualität – Die Theorie
Qualität in der Vehfreude
Qualitätsmanagement (Stefan Burkhardt, Fabian Oser, Urs Pozivil)
Qualitätsmanagement – Die Theorie
Qualitätsmanagement in der Vehfreude
Kundenorientierung (Dominik Grether, Sebastian Hurst)
Kundenorientierung – Die Theorie
Kundenorientierung in der Vehfreude
Prozessorientierung (Selina Hessel, Melanie Stebler)
Prozessorientierung – Die Theorie
Prozessorientierung in der Vehfreude
Mitarbeiterorientierung (Samuel Baumgartner, Hannah Klotz, Sebastian Krebs)
Mitarbeiterorientierung – Die Theorie
Mitarbeiterorientierung in der Vehfreude
Managementmodelle (Daniel Karpati, Sophie Langloh)
Managementmodelle – Die Theorie
Managementmodelle in der Vehfreude
Kontinuierliche Verbesserung (Sascha Lisser, Fabian Zemp)
Verbesserung – Die Theorie
Verbesserung in der Vehfreude
Ergebnisorientierung (Michael Holman und Franziska Lang)
Ergebnisorientierung – Die Theorie
Ergebnisorientierung in der Vehfreude
Nachgedanken (Jürg Meier)
Der Mensch
Der Schriftsteller und seine Botschaften
Was macht die Vehfreude aktuell?
Verwendete Literatur
Liebe Leserin, lieber Leser,
sollten Sie „Die Käserei in der Vehfreude“ von Jeremias Gotthelf noch nicht kennen, empfehle ich Ihnen sehr, das Werk zu lesen, bevor Sie sich mit dieser Analyse der Käserei und des Käsens aus Sicht des Qualitätmanagements auseinandersetzen wollen.
Grundlage des kleinen Werks bildet ein Kolloquium in Qualitätsmanagement, das ich im Frühjahrssemester 2012 erstmalig an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel angeboten habe. Ich wagte den Versuch, die Studierenden Elemente des Qualitätsmanagements anhand eines literarischen Werkes herausarbeiten zu lassen. Dass ich dazu „Die Käserei in der Vehfreude“ von Jeremias Gotthelf aus-wählte, hat drei Gründe:
1) „Die Käserei in der Vehfreude“ eignet sich für die exemplarische Behandlung des Qualitätsmanagements ganz besonders, beinhaltet sie doch alle Aspekte des Wirtschaftens.
2) Die Studierenden sollten sich mit einem literarischen Werk auseinandersetzen, das uns auch aus sprachlicher Sicht einiges abfordert.
3) Als ehrenamtlicher Seelsorger und Bezirksvorsteher der Neuapostolischen Kirche im Kirchenbezirk Basel (www.bezirk-basel.nak.ch) faszinieren mich die treffenden und zeitlosen Beschreibungen des menschlichen Wesens und Verhaltens, wie sie der evangelisch-reformierte Pfarrer und Schriftsteller Albert Bitzius (1797-1854) unter dem Pseudonym Jeremias Gotthelf veröffentlicht hat, seit Jahrzehnten. Schliesslich ist seine Literatur gewissermassen eine Fortsetzung der Seelsorge mit anderen Mitteln.
In einer ersten Phase des Kolloquiums hatten die Studierenden die Aufgabe, sich in Gruppen anhand eines Buches1 mit verschiedenen Aspekten des Qualitätsmanagements auseinanderzusetzen, ihre Erkenntnisse zu präsentieren und zusammenzufassen. Im zweiten Teil des Kolloquiums mussten sie das Buch „Die Käserei in der Vehfreude“ von Jeremias Gotthelf2 unter dem jeweiligen Blickwinkel ihres theoretisch erarbeiteten Themas lesen und gleichsam als Fallstudie betrachten. In einem abschliessenden Anlass stellten sie den Kommilitonen ihre zu Papier gebrachten Erkenntnisse vor.
Das Kolloquium war ein nicht ganz risikoloses Unterfangen. Ich hatte keine Ahnung, was herauskommen würde und ob diese spezielle Art eines Kolloquiums bei den Studierenden Anklang findet. Nun, das Ergebnis war derart zufriedenstellend, dass ich mich entschloss, die Beiträge der Studierenden zu überarbeiten, stilistisch zu glätten, wo nötig zu ergänzen und in Form dieses Büchleins interessierten Freunden von Jeremias Gotthelf zugänglich zu machen. Falls dieser etwas unübliche Zugang zur Käserei in der Vehfreude Ihnen die eine oder andere neue Einsicht vermittelt, hat es seinen Zweck erfüllt. So nebenbei wissen Sie dann auch gleich noch etwas über das Wesen des Qualitätsmanagements.
Die Illustrationen aus dem Emmental, die Albert Anker zu Gotthelfs Käserei in der Vehfreude geschaffen hat, verdanken wir dem Verleger Frédéric Zahn (1857-1919) aus La-Chaux-de-Fonds. Dieser brachte 1894 eine „Illustrierte Prachtausgabe“ mit ausgewählten Werken Gotthelfs heraus. Die Bilder sollten die Anziehungskraft der Werke verstärken, weil die Lektüre der mit Dialektpassagen gespickten Texte von den Lesern schon damals als recht anspruchsvoll empfunden wurde.
Anker arbeitete – eher widerwillig – ab 1892 an den Illustrationen. Er war in der Auswahl der Motive frei. Ein eigentliches Illustrationskonzept gab es nicht, wohl deshalb ist der Stil seiner Bilder heterogen. Im Burgdorfer Jahrbuch 1997 widmete der Kunsthistoriker Alfred G. Roth (1913-2007) Ankers Emmental-Bilder eine Arbeit3. Anker selbst meinte 1899: „Meine Zeichnungen sind nichts wert.“ Die Tatsache, dass die „Illustrierte Prachtausgabe“ während langer Jahre das Bücherregal in vielen Haushalten schmückte. straft diese Aussage allerdings Lügen.
Anker hat für die Vehfreude den ganzen Herstellungsprozess des Käsens studiert und bildlich festgehalten. So schien es mir richtig, seine Illustrationen auch in dieses kleine Werk einzustreuen und die von Alfred G. Roth beschriebenen Hintergrundinformationen hier aufleben zu lassen.
Bei der Abfassung stiess ich auf eine „Gotthelf-Predigt“ des evangelisch-reformierten Pfarrers Dr. Beat Weber aus Linden im Emmental. Er hat mir freundlicher- und dankenswerterweise erlaubt, diese Predigt, die den Roman hervorragend zusammenfasst und auch christlich-erbauend und zeitgemäss interpretiert, hier als erstes Kapitel abzudrucken. Sie möge dem „Gotthelf-Kenner“ wie auch dem „Gotthelf-Neuling“ eine Hilfe sein, sich beim Lesen dieses Büchleins zurechtzufinden.
Ein paar Nachgedanken zum Schriftsteller, seinen Botschaften und zur „Vehfreude“ runden das kleine Werk ab. Dem Gotthelf-Kenner und Buchautor 4 Hans Rufer, Frenkendorf, danke ich für die kritische, aber auch wohlwollende Prüfung dieses Kapitels ganz herzlich. Ich freue mich, wenn Ihnen die Lektüre ebenso viel Freude beschert, wie mir das Kolloquium mit den Studierenden und die Abfassung und Gestaltung dieses kleinen Werkes bereitet hat.
Pfeffingen/Basel, im September 2012 | Jürg Meier |
1 Jürg Meier, Chefsache Qualitätsmanagement, Norderstedt 2006, 220 Seiten.
2 Jeremias Gotthelf, Die Käserei in der Vehfreude, illustriert von Albert Anker, Zürich 1965,526 S., Seitenangaben im Text: (S.…)
3 Alfred G. Roth, Albert Ankers Emmental-Bilder zu Gotthelfs «Käserei in der Vehfreude», Burgdorf 1997, 42 S.
4 Hans Rufer, Jeremias Gotthelf - Mehr Menschlichkeit im Alltag, Basel 1994,135 S.; Hans Rufer, Jeremias Gotthelf - Aus Ehrlichkeit entsteht Freundschaft, Basel 2005,132 S.
Von der „Vehfreude“ und anderen Freuden (und Leiden), zugleich eine „scharfe Predigt“ in kurioser wie lieblicher Gestalt
Beat Weber
Evangelisch-reformierte Predigt, gehalten in der Kirche Linden im Emmental am 21. August 20115
1. „Es dunkelte unter dem Himmel…“
Liebe Predigtgemeinde,
„Es dunkelte unter dem Himmel … “ (S.11). Mit diesem vielsagenden Wort lässt Jeremias Gotthelf seinen Roman „Geburt und erstes Lebensjahr der Käserei in der Vehfreude“ beginnen. Düster und dunkel ist es darin oft. Dies fügt sich in das Bild vom „Fortschritt und seinen Versuchungen“6. Dazu gesellt sich schwarzer, beissender Humor. Wer die „Vehfreude“ liest und hört, der hat viel zu lachen. Und das tut gut. Allerdings weiss man nie, ob man nicht unversehens über sich selber lacht. Plötzlich verliert man die Distanz, wird hineingezogen in die Geschichte und merkt, dass trotz aller Übertreibungen Körner der Wahrheit im eigenen Magen zu „grummeln“ beginnen.
„Schonungslos, aber nicht trostlos“7 ist die „Vehfreude“. Nicht mit einer Moralpredigt, wohl aber mit scharfer Zunge und lächelndem Auge erzählt und belehrt Gotthelf. Von Gott und Christus ist so wenig die Rede wie kaum in einem anderen seiner Werke. Gleichwohl bekommt man den Eindruck, dass Gott – wie er es in der Bibel selten tut – auch lacht, wie es in Psalm 2,4 heisst: „Aber der im Himmel wohnt, lacht ihrer …“ Zu unsinnig ist das Treiben der Menschen, die glauben, sich von der Religion emanzipiert zu haben. Dem trotzt er, legt in weiser Vorsehung inmitten menschlicher Abgründe seine Spur und zündet ein Lichtlein an, wo man es nicht erwartet. Auch die Liebe von Felix und Änneli hat ihren Ort in nächtlichen Stunden. Das Wort „Änneli, gimm mr es Müntschi!“ (S.483) entweicht dem Felix schlafend im Traum und wird im Dorf zum geflügelten Wort. Es führt nicht nur zu einer Hochzeit, sondern eröffnet dem ganzen Dorf den Weg zu einer Art „Neugeburt“. So mag es unter dem Himmel zwar dunkel sein, im Himmel aber ist hellstes Licht, das niemand zu löschen vermag. Und weil Gott trotz aller Abdankungen, die über ihn gehalten werden, auch auf Erden noch im Regiment ist, hat Bosheit und Unverstand nicht das letzte Wort – solange jedenfalls, als er die Menschen sich und ihrem Treiben nicht vollends überlässt.
2. Käsgemeinde statt Kirchgemeinde
Die Hauptperson des Romans sind nicht einzelne Gestalten, sondern eine ganze Gemeinschaft, angesiedelt im bäuerlichen Emmental. Sie nimmt ihren Ausgang in einer ökonomischen Neuerung. Nachdem vorzeiten nur auf den Alpen gekäst wurde, beginnen sich nun auch in den Talschaften Dorfkäsereien anzusiedeln – im milchwirtschaftlichen Museum hier in der Nähe, in Kiesen, kann man sich über die Anfänge kundig machen. Gotthelf ist dieser Neuerung nicht partout abhold, zeichnet aber mit scharfem Blick die aufkommenden Begehrlichkeiten und Missstände. den alten Tanz um einen neues „Goldenes Kalb“
Und so beginnt es: Das Anmahnen von Schulmeister und Pfarrer, ein dringend nötiges Schulhaus zu bauen, wird abgeschmettert. Gotthelf berichtet: „Das Dorf … hatte einen großen Tag erlebt. Den Vehfreudigern hatte die Regierung befohlen gehabt, ein Schulhaus zu bauen, und sie hatten soeben beschlossen, keins zu bauen; dessen waren sie stolz …“ (S.14). Die Argumente waren diese: „Ringsum hätte man Käsereien, und wer keine habe, werde ausgelacht … Von großem Nutzen aber seien solche Käsereien, das Geld komme wie durch ein Stiefelrohr herab“ (S.18). Und so kam es: „Keine Einwendung wurde gemacht, einhellig der Beschluß gefasst, eine Käserei zu errichten, eine Käshütte zu erbauen, und zwar eine rechte“ (S.19). So scharte sich um das eine Käskessi eine neue Art von Gemeinde: die „Käsgemeinde“. Sie drängte die sich an Christus bindende „Kirchgemeinde“ ins Abseits. Eglihannes bringt es auf den Punkt: „Es sei hier nicht wie in einer Kirche, wo einer das Recht habe, vorzusingen, und jeder dem nachgaaggen müsse. Jeder könne dem nach, wer das Beste vorbringe, sei er, wer er wolle“ (S.263). Mit der Einmütigkeit war es dann allerdings schnell vorbei. Was demokratisch begonnen und dem dörflichen Gemeinwohl dienen sollte, entpuppt sich als Zankapfel der Egoismen. In dieser Kessigemeinschaft erwiesen sich Eigennutz und Gewinnsucht als giftiges Käselab, das Menschen- und Käsleiber gerinnen liess. Die Angst zu kurz zu kommen und die Gier nach noch mehr, sind starke Antriebskräfte. Jeder misstraut dem andern, panscht selber mit Wasser und Käsmilch und führte so einen Teil des Gemeinschaftswerkes „Käse“ in den Ruin. „So eine Käswägete ist fast wie das jüngste Gericht, da kommen die Sünden an die Sonne, das sieht mans an den Käsen, wie die Bauern mit schlechter Milch betrogen, und haben geglaubt, es merke es niemand …Am Ende waren dreißig Käse ausgeschaubet“ (S.275).
Damit nicht genug, auch zwischen Mann und Frau mit je ihren Zuständigkeiten reisst die Sache Wunden auf. Der bäuerliche Hausfrieden ist bedroht. Die Frauen. die vormals das Milchgeld hüteten, hatten kaum noch Milch für den Hausgebrauch, zum Ankne und Chüechle, weil die Männern „umsverode“ alles dem Käs- und Geldgötz abliefern wollten.
Die Ökonomie frisst die Theologie, und man ist noch stolz darauf. Der Bericht von der „Käsebörse“ in Langnau mit ihrem Händeln, Spekulieren und Taktieren rund um den Ertrag lässt sich leicht als Vorschattierung unserer modernen Börsen und andern Geldgeschäften lesen. Märit vor Bettag, Käs- und Geldgemeinde vor Kirchgemeinde, so Gotthelf: „Man sieht, sie hatten eine moderne Richtung und hielten nicht viel auf Buße … Ungewöhnlich dicke Haut schützte sie vor der Plage der Selbsterkenntnis, und hinter dieser Haut hatten sie ein glücklicheres Selbstbewußtsein als die meisten Päpste […] und Päpste haben doch bekanntlich das Recht, sich für unfehlbar zu halten. Diesmal nun war der Bättag für die meisten wie gar nicht da, sondern bloß der Langnauer Markt“ (S.217). Die nachfolgende Käsfuhr mit ihrem Einkehren und allerhand Piagieren schliesst mit einem Ben-Hur-Wagenrennen à la Emmental. Auch dieses endet in der Nacht und beinahe tödlich: Änneli wird überfahren. Die Wunden an Leib und Seele eitern noch lange, das Böse wächst sich aus. Gleichwohl schreibt Gott auf krummen Wegen gerade und lässt – gegen den Augenschein – Heilvolles daraus entstehen. Wie kaum in einem anderen Roman sind in der Vehfreude Pfarrer und Kirche an den Rand gestellt, nahezu bedeutungslos. So bekommt man zu hören:
„«Das ists, was mich freut und tröstet bei der heutigen Erkenntnis, daß der Pfaff sieht, daß er nichts zwängen kann, und wie viel er giltet in der Gemeinde, daß man so auf Jesuiten und Pfaffen nüt meh het, nüt meh het, ja nüt meh het!» Auf diese schöne Rede antwortete niemand geradezu. «Wey mr hey, oder hey mr e Schoppe?» hieß es“ (S.13). Die Musik spielt anderswo, die Verbindung von Dorfgemeinschaft und Glaubensgemeinschaft ist aufgelöst. In dem Sinn ist die Vehfreude aktuell und vergleichbar mit heute, wo Reste dieser Verbindung auf dem Land lediglich noch bei Abdankungsgottesdiensten aufleuchten. Ist aber die Stellung des Pfarrers bedeutungslos, dann ist es auch das Gottes Wort und seine Verkündigung in der Predigt. Das allerdings ist trostlos und gefährlich zugleich. Gotthelf dazu: „Tausende verschlafen die Kirche, wie Tausende den Himmel!“ (S.474). Und allenthalben wird der Schlaf in die Kirche verlegt, so überkommt es den Felix, und aus dem Schlaf heraus ertönt von der Portlaube: „Änneli, gimm mr es Müntschi!“ (S.483). Die Predigt trifft nicht mehr, das Müntschi-Wort aus der Kirche bleibt das einzige mit Wirkung – lustig und tragisch zugleich. Doch wenn die Verkündiger zum Schweigen gebracht werden, so – sagt Jesus (Lukas 19,40) – „werden die Steine schreien“. Es ist die Predigtnot, die Gotthelf zum Schreiben seiner Romane führte. Diese andere Art hat dann auf ihre Weise gepredigt in Häusern, Stuben und neuerdings auf Seebühnen: durchs Lesen, aber noch mehr durch die Hörspiele und Verfilmungen und jetzt vielleicht im Musical – wenngleich die Tendenz da ist, dem Verkündigungsanspruch Gotthelfs neuerlich auszuweichen, sich mit schöngeistiger Unterhaltsamkeit zufrieden zu geben und die Vehfreude zu einer Liebesgeschichte zu versimpeln. Gott aber findet seine Wege: In der „Schwarzen Spinne“ ist es der Grossvater, der die Taufpredigt daheim hält, nachdem in der Kirche bei all dem „Gschtürm“ und dem Achten auf Nebensächlichkeiten das Eigentliche verloren geht – eine Situation, die jeder Pfarrer kennt. Und hier ist es der träumende Felix, dessen Müntschi-Wort zur heilsamen Wendung für die beiden und die Vehfreude insgesamt wird. So sieht man den Lützelflüher Pfarrer gleichsam lächeln, wenn sein Pfarrer in der Vehfreude auf die Seite gestellt und allenthalben als Pfaff beschimpft wird. Denn (Sprüche 16,9): „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der Herr allein lenkt seinen Schritt“. So schnell wird man Gott nicht los; wo die normalen Kanäle zugemacht werden, predigt und wirkt er unerkannt weiter. Gleichwohl ist nicht zu spassen, wenn die Ohren für Gottes Wort verstopft werden. Wer sich vom Glauben verabschiedet, den holt die Religion – ohne die der Mensch nicht auskommt – auf andere Weise ein. So wird alles zur Ware, zum Handeln: vom Kuhhandel, zum Käshandel, zum Geldhandel. Das Geld ist der neue Götz, der von Gotthelf bis heute noch viel mehr Gläubige gefunden hat. Wo der Gottesgeist schwindet, meldet sich der Zeitgeist, wie Gotthelf schreibt: „Es ist sehr merkwürdig, wie der Zeitgeist gleich wie ein schneidender Nordwind durch alle Fenster und Fugen, in alle Verhältnisse dringt, wie er nicht bloß die Familienbande bis auf die innigsten löset, sondern auch die Bande zwischen Menschen und Vieh, alles Freundliche, alle Anhänglichkeit frißt und herzlos nur das scheinbar Nützliche gelten lässt" (S.81). Und schliesslich meldet sich der Glaube zurück in neuer Form als Aberglaube, der im Emmental seit jeher allerlei Blüten treibt. „ Wie aber die Nacht kommt, wenn die Sonne untergeht, so kommt dieser alte abgöttische Aberglaube wieder in dem Maße, als der rechte christliche Glaube an den lieben Vater im Himmel, von dem jede gute Gabe kommt, schwindet“(S.107). Der Teufel kommt umso mehr ins Spiel. Und „wer vom Teufel gedrückt ist, ist ein armer Teufel“8 Das Dürlufteisi will das Nägelibodenbethi „totbeten“. Im Namen des Teufels bekommt sie dann aber eine Ohrfeige, wacht z grächtem auf, fällt ins Mistloch. Peterli, ihr Mann, sagt denn auch situationsgerecht: „Tüfel, wie siehst Du aus!“ (S.128). Schliesslich, wo der Pfarrer nicht mehr predigt, tun es umso mehr andere: „Die Weiber hielten den Männern Predigten, daß dieselben zu Gott schrien, er möchte sie, nämlich die Predigten, in Bratwürste verwandeln, sie hätten dann Stoff, den ganzen Sommer wohlzuleben“ (S.128).
3. Die Vehfreudiger zwischen Dürluft und Nägeliboden
Es ist so: Die Vehfreude als Dorfgemeinschaft hat die Kirchgemeinde an den Rand gedrängt und sich als Käsgemeinde neu formiert. Gleichwohl ist der Glaube damit nicht erledigt. An den einzelnen Gestalten wird sichtbar, und wie der alte Kampf zwischen „Fleisch“ und „Geist“, wie die Bibel sagt, ausgefochten wird.