Schriftenreihe des Kompetenzzentrums
für Unternehmensentwicklung und -beratung
Das Kompetenzzentrum für Unternehmensentwicklung und -beratung (KUBE e.V.) widmet sich der Entwicklung, Pflege, Anwendung und Diffusion betriebswirtschaftlicher Methoden und Instrumente in Theorie und Praxis. Unter www.kube-ev.de gibt es nähere Informationen über KUBE-Leistungsspektrum, -Projekte, -Studien, -Methoden und -Publikationen.
Bisher erschienene Werke:
Lehr- und Studienbücher:
Hauke, W.; Opitz, O. (2003): Mathematische Unternehmensplanung, 2. Aufl.
Pflaumer, P. (2004): Klausurtraining Deskriptive Statistik
Schneider, D. (2004): Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre - kompaktes Basiswissen
Schneider, D. (2005): Klausurtraining Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 2. Aufl.
Pflaumer, P. (2005): Klausurtraining Finanzmathematik
Hagenloch, T. (2007): Value Based Management und Discounted Cash Flow- Ansätze. Eine verfahrens- und aufgabenorientierte Einführung
Rauch, K. (2007): Steuern in der Sozialwirtschaft – Steuern und Gemeinnützigkeit
Schneider, D. (2007): Unternehmensführung – Instrumente für das Management in der Postmoderne, Kompakte Studienausgabe
Schneider, D. (2007): Fallstudien- und Klausurtraining zur Unternehmensführung – Case Studies und Multiple-Choice-Aufgaben für Manager, Controller und Berater
Hagenloch, T. (2009): Grundzüge der Entscheidungslehre
Hagenloch, T. (2009): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. Theoretische Grundlagen und Managementlehre
Söhnchen, W. (2010): Operatives Controlling. Grundlagen und Instrumente
Hagenloch, T. (2010): Die Seminar- und Bachelorarbeit im Studium der Wirtschaftswissenschaften - Ein kompakter Ratgeber
Forschung und Projekte:
Boes, S. (2004): Die Anwendung der Konzepte probabilistischer Bevölkerungsmodelle auf Prognosen für den Hochschulbereich
Schneider, D.; Amann, M. (2005): Benchmarking von Beratungsgesellschaften mit Success Resource Deployment - ein empirischer Vergleich von Accenture über BCG bis McKinsey aus Kundensicht
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich
2. (veränderte und ergänzte) Auflage: Oktober 2013
© 2013 bei Sven Henning, Kempten
Alle Rechte liegen beim Autor
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-8482-8641-6
Lehrbücher zur Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) beschäftigen sich (i.d.R.) mit einer bestimmten Branche, Beispiele stammen fast ausschließlich aus dem industriellen Bereich. Damit leisten sie der Meinung Vorschub, die KLR in anderen Branchen sei „anders“, eigene Lehrbücher und andere Verfahren seien notwendig. Natürlich sind Rahmenbedingungen und bestimmte Fragestellungen des Managements in anderen Branchen anders: so spielen beispielsweise Bestandsbewertungen (von Fertigerzeugnissen) im Dienstleistungsbereich keine Rolle. Dies darf aber den Blick nicht dafür verstellen, dass die „Grundmethoden“ branchen-übergreifend die gleichen sind und in allen Branchen – wenn auch mit anderen Schwerpunkten und in Adaptionen – einsetzbar sind. Deshalb greift dieses Buch Anwendungsbeispiele sowohl aus dem Bereich der industriellen Fertigung, als auch aus dem Dienstleistungsbereich (exemplarisch anhand der Tourismuswirtschaft) und dem sozialen Bereich (z.B. Krankenhäuser, ambulante Pflegedienste) heraus. Die Anwendungsbeispiele sind dabei möglichst praxisnah gehalten (was mit einer gewissen Komplexität verbunden ist), gleichzeitig dienen Sie zur Illustration bestimmter kostenrechnerischer Verfahren, was eine gewisse Abstraktion und Vereinfachung erforderlich macht.
Die einzelnen Kapitel dieses Buches sind so aufgebaut, dass nach einer allgemeinen Einführung und Darstellung der Methodik jeweils drei Anwendungsbeispiele (aus den Bereichen Fertigung, Tourismus und Sozialwesen) folgen, die das Einsatzspektrum der Methodik aufzeigen. Hierbei variiert nicht nur die Aufgabenstellung, die zu lösenden Fragestellungen werden i.d.R. auch komplexer (und damit schwieriger). Deshalb wechselt auch die Reihenfolge der drei Anwendungsgebiete (Fertigung, Tourismus und Sozialwesen), ansonsten könnte der Eindruck entstehen, die Problemstellungen im Sozialwesen sind immer die komplexesten. Gleichfalls darf z.B. ein Leser, der an Problemlösungen aus dem Gebiet der Fertigung interessiert ist, die anderen Anwendungsbeispiele nicht unberücksichtigt lassen, da es durchaus sein kann, dass die ihn interessierende Fragestellung in einem Anwendungsbeispiel aus dem Bereich Tourismus „verpackt“ ist.
Insgesamt richtet sich das Buch einerseits an Studierende der Fachrichtungen Betriebswirtschaftslehre, Tourismusmanagement und Sozial- und Gesundheitswirtschaft. An der Hochschule Kempten stellt es insb. das „Grundlagenbuch“ zur Veranstaltung Rechnungswesen, Teilbereich Kosten-/Leistungsrechnung, dar. Für diese Zielgruppe gilt insbesondere, gelernte Methoden branchenübergreifend einsetzen zu können und das für ein späteres Berufsleben notwendige Abstraktions- und Übertragungsvermögen zu schulen. Andererseits richtet sich das Buch an Praktiker, die anhand konkreter Anwendungsbeispiele Anregungen für die Lösung innerbetrieblicher Fragestellungen erhalten.
Der Autor dankt dem KUBE e.V. für die Veröffentlichung in seiner Schriftenreihe und der damit verbundenen Möglichkeit, die Inhalte des Buchs der breiten Zielgruppe näher zu bringen.
Ein besonderer Dank geht an meine Frau Cordula für das Verständnis während des Schreibens dieses Buchs sowie für die wunderschönen Jahre mit ihr.
Bei der Zusammenstellung von Texten und Abbildungen wurde mit größter Sorgfalt vorgegangen. Trotzdem können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Hierfür entschuldige ich mich im voraus und hoffe auf das Verständnis des Lesers. Eine Haftung für eventuelle fehlerhafte Angaben wird jedoch nicht übernommen.
Für Verbesserungshinweise und Hinweise auf Fehler bin ich dankbar.
Kempten, im August 2011 und 2013
Sven Henning
Am Ende des jeweiligen Kapitels finden sich die zugehörigen Literaturquellen sowie das Abbildungsverzeichnis.
Zum Auffinden spezifischer Inhalte wird auf das Stichwortverzeichnis (Seite → bis →) verwiesen.
Verwendete Abkürzungen sind aus dem Abkürzungsverzeichnis auf Seite →f ersichtlich.
Inhalte des Kapitels:
I. Überblick über die Teilbereiche des Betrieblichen Rechnungswesens
II. Begrifflichkeiten im Betrieblichen Rechnungswesen
III. Aufgaben und Ausgestaltung der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR)
IV. Abgrenzung zwischen KLR und Buchführung/Bilanzierung
V. Abgrenzung zwischen KLR und Finanzierung/Liquiditätsmanagement
VI. Abgrenzung zwischen KLR und Investitionsrechnung
Notwendigkeit und Aufgabe des Betrieblichen Rechnungswesens:
Das betriebliche Rechnungswesen hat die Aufgabe,
Damit leistet das betriebliche Rechnungswesen einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Überlebens eines Unternehmens. Zudem werden gesetzliche Verpflichtungen (im Rahmen der Rechenschaftsfunktion) eingehalten.
Die sehr unterschiedlichen Aufgaben werden durch verschiedene Bereiche (in Unternehmen oftmals verschiedene Abteilungen) sichergestellt: Buchführung/Bilanzierung, Finanzierung/Liquiditätsmanagement, Kosten-/Leistungsrechung sowie Investitionsrechnung. Diese Bereiche verwenden (voneinander getrennte) Rechenkreise und greifen auf unterschiedliche Rechengrößen (Begriffe) zurück: Aufwand/Ertrag, Auszahlung/Einzahlung sowie Kosten/Leistung.
Jedes Unternehmen unterliegt gesetzlichen Verpflichtungen, die Auswirkungen auf das Vorhandensein und die Ausgestaltung des Rechnungswesen haben.
Für Kaufleute1 besteht nach Handels- und Steuerrecht (HGB bzw. AO) eine gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung.2,3 Eine nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gestaltete Buchhaltung ist aufzubauen und Geschäftsvorfälle (z.B. Kauf eines Grundstücks, Verkauf einer Ware) sind vollständig zu erfassen. Die Ergebnisse der Geschäftstätigkeit sind dann in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV; Darstellung des Erfolgs der Unternehmung) sowie in der Bilanz (Darstellung der Vermögens- und Kapitalsituation der Unternehmung) anzugeben.
Der Zweck der Buchführung besteht – neben der Information der Unternehmensleitung – insbesondere in der Rechenschaftslegung gegenüber Dritten (v.a. Banken/Gläubiger, Aktionäre/Gesellschafter) und in der Bereitstellung von Daten für die Besteuerung4. Zudem sollen Daten und Unterlagen für z.B. Rechtsstreitigkeiten zur Verfügung gestellt werden.
Die Buchführung/Bilanzierung wird auch als externes Rechnungswesen5 bezeichnet, da die Adressaten überwiegend unternehmensextern sind (Gläubiger wie Banken oder Lieferanten, Eigentümer/Anteilseigner, Fiskus, Öffentlichkeit bei publizitätspflichtigen Kapitalgesellschaften). Die externe Zielrichtung zeigt sich auch darin, dass vor allem Beziehungen des Unternehmens zu seiner Umwelt dargestellt werden.
Die überwiegend extern ausgerichtete Buchführung/Bilanzierung liefert jedoch keine bzw. kaum Entscheidungsunterstützung bei der Steuerung des Kerngeschäfts des Unternehmens: Es liegen keine Informationen über Abteilungen bzw. Organisationseinheiten vor, so dass nicht beurteilt werden kann, ob diese wirtschaftlich gearbeitet haben. Für diese lassen sich weder Plan-Vorgabewerte noch die realisierten Ist-Werte zum Vergleich ermitteln.
Auch Aussagen bezüglich der erstellten Produkte (bzw. Leistungen) sind mit Hilfe der Buchführung nicht möglich: Herstellkosten sind nicht berechenbar, zudem kann nicht beurteilt werden, ob ein Produkt einen Gewinn oder einen Verlust erwirtschaftet hat. Auch hier liegen weder Planwerte noch Istwerte zum Vergleich vor.
Ebenso ist die Buchführung – aufgrund ihrer Ausrichtung und Ausgestaltung - für viele andere Fragestellungen zur Entscheidungsunterstützung ungeeignet: hierzu gehören Make-or-Buy-Entscheidungen, Wahl des optimalen Produktionsprogramms oder Auswahl des besten Produktionsverfahrens.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Buchführung/Bilanzierung für die interne Unternehmenssteuerung (betriebsinterne Prozesse) und für viele Entscheidungsunterstützungsaufgaben ungeeignet ist6, weshalb das externe Rechnungswesen durch das – freiwillig durchgeführte7 - interne Rechnungswesen ergänzt wird. Dieses gliedert sich in die Kosten-/Leistungsrechnung (bzw. Kosten-/Erlösrechnung8) sowie die Investitionsrechnung auf. Während letztere sich mit der Wirtschaftlichkeit langfristiger Investitionen befasst, besitzt die Kosten-/Leistungsrechnung einen kürzeren Betrachtungshorizont und ist für ein größeres Spektrum an Entscheidungsunterstützungs- und Steuerungsaufgaben einsetzbar.9
Eine funktionierende Unternehmenssteuerung und die Erzielung von Gewinnen sind aber noch keine Garantie für ein Unternehmen, am Markt bestehen zu können. Gleichzeitig muss jederzeit die Finanzierung sichergestellt sein. Kann ein Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen aufgrund fehlender Liquidität nicht nachkommen, so führt dies zur Insolvenz und in den meisten Fällen zur Schließung bzw. Zerschlagung des Unternehmens. Aufgrund der hohen Bedeutung der ständigen Zahlungsbereitschaft genießt die Liquidität ein hohes Augenmerk bei der Geschäftsführung, oftmals existiert eine eigene Abteilung, die sich um die Finanzierung und das Liquiditätsmanagement kümmert. Da diese Abteilung die Zahlungsströme zwischen Unternehmen und Banken, Lieferanten, Kunden und Finanzamt fokussiert, wird sie ebenfalls dem externen Rechnungswesen zugeordnet.
Abb. A- 1 zeigt zusammenfassend die vier Teilgebiete des betrieblichen Rechnungswesens mit ihren Funktionen und den – darauf aufbauenden - verwendeten Begriffen10. Schließlich muss – basierend auf dem jeweiligen Zweck des Teilgebietes – mit anderen Werten gearbeitet werden: so ist bei der Gewinnermittlung die Finanzierung irrelevant, umgekehrt spielt die Gewinnsituation beim Liquiditätsmanagement keine Rolle; deshalb finden bei der Gewinn-und Verlustrechnung die Begriffe Aufwand und Ertrag Anwendung, beim Liquiditätsmanagement hingegen die Begriffe Einzahlung und Auszahlung. Bei der Kosten-/Leistungsrechnung sollen hingegen nur Aspekte, die mit dem ´normalen´ Kerngeschäft des Unternehmens in Verbindung stehen, berücksichtigt werden, weshalb hier die Begriffe Kosten und Leistung (bzw. Erlös) zur Anwendung kommen.
Abb. A- 1: Bereiche des betrieblichen Rechnungswesens mit ihren Funktionen und den verwendeten Begriffen
(Darstellung unter Berücksichtigung von Haberstock (2002): Kostenrechnung 1, S. 7)
Betrachtet man einen typischen Leistungserstellungsprozess (vgl. Abb. A- 2), so werden zunächst Rohstoffe bestellt, die anschließend geliefert werden. Im Rechnungswesen wird die Beschaffung bzw. Lieferung durch den Begriff ´Ausgabe´ abgebildet, eine Verbindlichkeit gegenüber dem Lieferanten entsteht. Wird die Lieferanterechnung bezahlt, so liegt hingegen eine ´Auszahlung´ vor: Geldmittel fließen vom Unternehmen ab. Je nach Vereinbarung mit dem Lieferanten kann die Auszahlung vor der Lieferung stattfinden (Vorkasse), mit der Lieferung zusammenfallen (Barkauf) oder erst nach der Lieferung erfolgen (Zahlung auf Ziel). Ist die Verhandlungsmacht des Unternehmens besonders groß, kann die Auszahlung sogar noch nach der Leistungserstellung und der Zahlung der eigenen Kunden erfolgen. Auszahlungen und Ausgaben spielen im Rahmen der Finanzrechnung bzw. beim Liquiditätsmanagement eine Rolle.
Abb. A- 2: Ausgabe, Auszahlung und Aufwand im Leistungserstellungsprozess (eigene Darstellung)
´Aufwand´ und (in diesem Beispiel gleichzeitig) ´Kosten´ liegen vor, sobald der Rohstoff verarbeitet wird. Hierdurch entsteht gleichzeitig ein ´Ertrag´ bzw. eine ´Leistung´ (in Höhe der Herstell- bzw. Herstellungskosten)11, der sich zum Zeitpunkt des Verkaufs noch einmal erhöht (um die Differenz zwischen Verkaufspreis und Herstell- bzw. Herstellungskosten). Der Produktionsprozess (Verbrauch von Rohstoffen und Herstellung eines Erzeugnisses) und der Verkauf spielen in der Buchhaltung/Bilanzierung und in der Kosten-/Leistungsrechnung eine Rolle.
Gleichzeitig stellt der Verkauf des Erzeugnisses eine ´Einnahme´ dar, die – zusammen mit der Zahlung des Kunden (=´Einzahlung´) – im Rahmen der Finanzrechnung Berücksichtigung findet.
Da Bestellung/Lieferung, Zahlung der Lieferantenrechnung, Produktion, Verkauf und Zahlung des Kunden in unterschiedlichen Perioden stattfinden können, ist eine strikte Unterscheidung der (mit den Prozessschritten verbundenen) Begriffe des Rechnungswesens erforderlich, um periodenrichtige Aussagen treffen zu können. Zudem verwenden – aufgrund der jeweils unterschiedlichen Funktionen – die verschiedenen Teilbereiche des Rechnungswesens unterschiedliche Blickwinkel und damit Begriffe.
Nachfolgend werden die verschiedenen Begriffe noch einmal definiert und den verschiedenen Bereichen des Betrieblichen Rechnungswesen zugeordnet. Allen Begriffen ist gemeinsam, dass sie zu sog. Wertrechnungen gehören, d.h. die Währung ´Euro´ (bzw. eine andere Währung) als Einheit besitzen.12
Da es sich bei diesem Buch um ein Lehrbuch zur Kosten-/Leistungsrechnung handelt, wird dieser Teilbereich des Betrieblichen Rechnungswesens im folgenden thematisiert. Dementsprechend finden die Begriffe Kosten und Leistung (bzw. Erlös) in den folgenden Kapiteln ihre Anwendung. Aufgrund der Erfahrung des Autors, dass Studierende (und teilweise auch Praktiker) Aufgaben, Begriffe und Inhalte der Kosten-/Leistungsrechnung oftmals mit anderen Teilbereichen des Betrieblichen Rechnungswesens verwechseln und vermischen, erfolgt in den Unterkapiteln IV bis VI eine differenzierte Abgrenzung. Zuvor wird jedoch das Aufgabengebiet der Kosten-/Leistungsrechnung thematisiert, um die anschließende Abgrenzung zu erleichtern.
Die Kosten-/Leistungsrechnung unterstützt das Management bei der Steuerung des Unternehmens: Es besitzt eine Informations-, Planungs-, Kontroll- und Entscheidungsunterstützungsfunktion, die Aufgaben lassen sich in vier Gruppen einteilen (vgl. Abb. A- 3):23
Abb. A- 3: Aufgaben der Kosten-/Leistungsrechnung
(eigene Darstellung)
Exkurs: Abgrenzung zwischen Kostenrechnung und Controlling
Aufgaben der Information, Planung, Kontrolle und Entscheidungsunterstützung nimmt auch die betriebliche Funktion ´Controlling´ wahr, weshalb in Unternehmen auch Abteilungen mit der Bezeichnung ´Kostenrechnung/Controlling´ zu finden sind: Der Controller nutzt Informationen der Kosten-/Leistungsrechnung zur (monatlichen) Berichtserstellung, ist an der Budgetplanung für Kostenstellen beteiligt, führt Abweichungsanalysen durch und nutzt Kostenrechnungsinstrumente für Alternativ-Rechnungen und zur Entscheidungsunterstützung.32, 33 Allerdings umfasst eine moderne Controlling- Definition mehr als nur die Anwendung von Kostenrechnungsinstrumenten: vielmehr wird das Management bei seinen Führungsaufgaben (d.h. bei der Steuerung des Unternehmens) umfassend unterstützt.34 Hierzu sind auch Informationen außerhalb des Betrieblichen Rechnungswesens nötig. Dies betrifft sowohl Mengen- und Qualitätsinformationen aus allen Unternehmensbereichen als auch unternehmensexterne Daten (z.B. prognostiziertes Marktwachstum oder ´Best Practices´ anderer Unternehmen). Eine Managementunterstützung beinhaltet zudem strategische Aspekte (´Strategisches Controlling´)35 ebenso wie Beratungskompetenz (Controller als ´Inhouse Consultant´). Aufgrund der starken Nähe zu einem Manager erfolgt die organisatorische Zuordnung von Controllern zunehmend als - vom Rechnungswesen losgelöste - (Management-) Stabsstelle. ´Soft-Skills´ und Erfahrungen sind für erfolgreiche Controller zwischenzeitlich wichtiger als IT- und Kostenrechnungskenntnisse.36
Damit die an die KLR gestellten Aufgaben erfüllt werden können, ist ein schnelles, flexibles und in den betrieblichen Prozess integriertes Kostenrechnungssystem zu etablieren (vgl. Abb. A- 4).
Abb. A- 4: Anforderungen an die Kosten-/Leistungsrechnung
(Quelle: Däumler/Grabe (2003): Kostenrechnung 1 , S. 65)
Da – im Gegensatz zur Buchhaltung/Bilanzierung – keine (bzw. kaum) gesetzliche Regelungen vorliegen und die Aufgaben sehr breit und bei Unternehmensgründung nicht vollständig konkretisiert sind, ist der Aufbau bzw. die Struktur des KLR-Systems nicht trivial und an die Unternehmensbesonderheiten anzupassen. Besonders schwierig ist hierbei, dass zum Zeitpunkt der Strukturfestlegung und der Datenerhebung die Fragestellungen, die das Management interessieren, nicht (oder nur unvollständig) bekannt sind. Deshalb ist es besonders wichtig, dass ein Kostenrechnungssystem flexibel ist und jede Fragestellung des Managements beantworten kann, die sich im Verlauf der Geschäftstätigkeit ergibt. Da die KLR zur Steuerung des Betriebs dient, müssen Informationen möglichst schnell (und ´auf Knopfdruck´) vorliegen, weshalb die Schnelligkeit (bei ad hoc Anfragen des Managements bei kurzfristig zu treffenden Entscheidungen) auch wichtiger als die Genauigkeit37 ist. Zudem sollten Daten automatisiert erhoben, nicht an mehreren Stellen des Betriebs redundant vorhanden sein und die betrieblichen Prozesse zutreffend wieder spiegeln. Deshalb ist eine Verbindung der KLR mit der technischen Steuerung, sowie mit dem Einkaufs- und Vertriebssystem und der Finanzbuchhaltung sinnvoll. Nur dadurch kann erreicht werden, dass die Daten verschiedener Abteilungen miteinander stimmig sind, der Erfassungsaufwand minimiert und eine schnelle Datengenerierung ermöglicht wird. Aus diesem Grund besitzen integrierte ERP-Systeme (wie z.B. SAP R/3)38 eine große Bedeutung für die KLR.
Die Kosten-/Leistungsrechnung gliedert sich auf in die Kostenrechnung, die sich mit der Einsatz- bzw. Verbrauchsseite des Produktionsprozesses beschäftigt, sowie in die Leistungsrechnung39, die die Outputseite zum Gegenstand hat. Die Kostenrechnung teilt sich wiederum in die Kostenarten-, -stellen-, und -trägerrechnung auf (vgl. Abb. A- 5)40.
Abb. A- 5: Stufen der Kostenrechnung und Fragestellungen, die mit deren Hilfe beantwortet werden
(Quelle: unter Berücksichtigung von Hummel / Männel (1986): Kostenrechnung 1, S. 18f)
Die Kostenträgerrechnung (auch als Kalkulation bezeichnet) ermittelt dabei die Kosten einer erbrachten Leistung bzw. eines erstellten Gutes, und stellt damit die ursprüngliche Zielsetzung für die Durchführung der Kostenrechnung dar (siehe auch Informationsaufgabe der KLR). Allerdings kann die Kostenträgerrechnung nicht losgelöst von der Kostenarten- und –stellenrechnung gesehen werden, vielmehr baut sie auf den anderen beiden Stufen auf: Die Kostenartenrechnung dient der Erfassung und (sinnvollen) Strukturierung aller angefallenen
Kosten. In diesem Zusammenhang findet auch die Differenzierung statt, ob es sich um Kostenträgereinzelkosten (die Kosten können einem Produkt bzw. einer Leistung einzeln zugerechnet werden) oder Kostenträgergemeinkosten (die Kosten können nur mehreren Produkten bzw. Leistungen gemeinsam zugeordnet werden) handelt. Die Kostenträgergemeinkosten werden dann in die Kostenstellenrechnung weitergeleitet, die Kostenträgereinzelkosten gehen dagegen direkt in die Kostenträgerrechnung ein. Insofern besitzt die Kostenartenrechnung eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Weiterverrechnung der erfassten Kosten. Die Kostenstellenrechnung betrachtet die in einer Kostenstelle (i.d.R. Abteilung bzw. Organisationseinheit) angefallenen Kosten. Je nachdem, in welchem Umfang ein Produkt bzw. eine Leistung eine Kostenstelle in Anspruch genommen hat, werden dann (in der Kostenträgerrechnung) die Kosten der Kostenstelle auf die Produkte bzw. Leistungen verteilt.
Im Rahmen der Kostenrechnung ist ferner festzulegen, ´welche´ Kosten zur Anwendung kommen sollen (vgl. Abb. A- 6).
Abb. A- 6: Ist-, Normal- und Plankosten im Vergleich
(eigene Darstellung)
Man unterscheidet auf der einen Seite Ist-, Normal- und Plankosten. Auf der anderen Seite existiert eine Unterteilung in Voll- und Teilkosten. Je nach Fragestellung, die mit Hilfe der Kostenrechnung beantwortet werden soll, sind dabei bestimmte Kosten besonders sinnvoll (vgl. hierzu auch Ausführungen zu Abb. A- 3).
Istkosten stellen die tatsächlich angefallenen Kosten einer Periode dar. Sie sind erforderlich im Rahmen der Betriebsergebnisrechnung, für Bewertungsaufgaben, für die Nachkalkulation von Aufträgen sowie allgemein für Soll-/Ist-Vergleiche. Istkosten sind immer vergangenheitsorientiert, weshalb sie sich nicht für Planungen eignen, insbesondere wenn bereits Veränderungen für die Zukunft bekannt sind. Da Istkosten erst bekannt sind, wenn die Produktion erfolgt, bzw. die Leistungserstellung abgeschlossen ist, besitzen sie keine Relevanz bei der Kalkulation neuer Produkte oder für die Angebotserstellung im Rahmen der Einzelfertigung. Ist-kosten können zudem Zufallsschwankungen unterliegen (z.B. steigende/fallende Rohstoffpreise), weshalb sie für einen Periodenvergleich oder eine als (stabile) Kalkulationsgrundlage problematisch sind. Zudem ist nicht ersichtlich, ob die Istkosten im Rahmen einer wirtschaftlichen Leistungserstellung entstanden sind bzw. wie hoch Rationalisierungspotentiale sind. Andererseits sind Istkosten einfach zu erheben.
Normalkosten stellen hingegen einen Durchschnittswert (z.B. Istkosten der letzten zehn Perioden) dar und vermeiden auf diese Weise die Problematik von Zufallsschwankungen: eine stabile Kalkulationsgrundlage und ein Periodenvergleich werden möglich. Auch hierbei handelt es sich um eine einfache Methode, da lediglich der Durchschnitt der (vorhandenen) Ist-werte der letzten Perioden gebildet wird. Zudem sind die Daten schneller verfügbar als bei Istkosten, da der Periodenabschluss nicht abgewartet werden muss. Normalkosten finden bei der Kalkulation im Rahmen von (Normal-)Zuschlagssätzen sowie bei Soll-/Ist-Vergleichen Verwendung. Allerdings ist ihr Einsatz nur sinnvoll, wenn die Ausgangslage sich nicht verändert hat, keine Trends stattgefunden haben (z.B. stetig steigender Ölpreis) und sichergestellt ist, dass die Leistungserstellung effizient abläuft. Zudem berücksichtigen sie nicht bekannte zukünftige Entwicklungen (z.B. Re-Organisationsentscheidungen des Unternehmens oder abgeschlossene Tarifverträge), so dass sie für langfristige Entscheidungen eher ungeeignet sind.41
Die Problematik der eingeschränkten Anwendungsvoraussetzungen von Normalkosten umgeht die Plankostenrechnung. Allgemein kann festgestellt werden, dass je weiter Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden sollen bzw. wenn starke (z.B. Organisations-)Veränderungen stattfinden, die Plankostenrechnung die richtige Alternative darstellt. Hierbei werden nicht Vergangenheitsdaten für die Berechnung verwendet, vielmehr kommen – im Rahmen einer analytischen Vorgehensweise – antizipativ ermittelte Prognosewerte zum Einsatz. Aufgrund eines starken Detaillierungsgrades sind zudem fundiertere Abweichungsanalysen möglich, (bekannte) Veränderungen der Zukunft können explizit bei der Ermittlung berücksichtigt werden. Plankosten eigenen sich besonders auch für Soll-Ist-Vergleiche und die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Abteilungen, da eine ´effiziente Aufgabenerfüllung´ im Rahmen der Planwertermittlung berücksichtigt und ein Anreiz zum effizienten Arbeiten geschaffen werden kann. Allerdings sind Planwerte sehr aufwendig zu ermitteln und die Gefahr von Schätz- bzw. Prognosefehlern besteht.
Vollkosten stellen die gesamten Kosten eines Produkts bzw. einer Leistung dar und beinhalten sowohl die Einzelkosten als auch anteilige Gemeinkosten (insb. Fixkosten)42. Langfristig muss ein Unternehmen die Vollkosten seiner Produkte/Leistungen über den Preis decken, um zu überleben. Deshalb spielt eine Vollkostenrechnung auch bei langfristigen Entscheidungen (z.B. langfristige Preisuntergrenze von Produkten, langfristige Make-or-Buy-Entscheidungen) eine wichtige Rolle. Hierbei sollte die Vollkostenrechnung auf Plankostenbasis erfolgen, um die zukünftigen Entwicklungen möglichst genau zu berücksichtigen. Die Vollkostenrechnung ist auch bei der Bestandsbewertung sowie bei der (Betriebs-) Ergebnisrechnung anzuwenden, hierbei ist jedoch eine Vollkostenrechnung auf Istkostenbasis notwendig.
Teilkosten berücksichtigen lediglich die einem Produkt (bzw. einer Leistung) direkt zurechenbaren Einzelkosten. Gemeinkosten (insb. Fixkosten) bleiben unberücksichtigt. Die Teilkostenrechnung (auf Istkostenbasis) spielt eine Rolle insbesondere bei kurzfristigen Entscheidungen, wie der Frage, ob ein Zusatzauftrag (bei vorhandenen freien Kapazitäten) angenommen werden soll oder nicht. Da die Fixkosten - unabhängig von der Annahme des Zusatzauftrags - anfallen, sind sie für die aktuelle Fragestellung irrelevant und dürfen nicht berücksichtigt werden.43 Auch bei der Wahl des optimalen Produktionsprogramms bleiben (fixe) Gemeinkosten, die den einzelnen Produkten nicht direkt zugeordnet werden können, außen vor, da ansonsten falsche Sortimentsentscheidungen getroffen werden können (vgl. hierzu das folgende Anwendungsbeispiel 1). Schließlich spielen Teilkosten bei der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung von Kostenstellen eine Rolle: der Kostenstellenverantwortliche darf nur für Kosten verantwortlich gemacht werden, die von ihm beeinflusst werden können.
Anwendungsbeispiel 1: Gewinnermittlung und Produktanalyse bei einem Reiseveranstalter – unterschiedliche Ergebnisse bei Voll- und Teilkostenrechnung
Ein Spezialreiseveranstalter hat fünf Reisen in seinem Sortiment: die Einzelkosten entstehen durch die Flüge, Hotelaufenthalte, Transfers und die Reiseleitungen vor Ort. Zudem existieren Kosten in der ´Zentrale´, die sich z.B. durch Mitarbeiter, die die Reisen organisieren, Katalogerstellung, Werbung oder durch die Büroräume ergeben. Diese Kosten können nicht direkt auf einzelne Reisen zugerechnet werden, sondern stellen Gemeinkosten dar, die nur gemeinsam auf alle Reisen verteilbar sind. Der Reiseveranstalter verwendet eine Zuschlagskalkulation mit einem Zuschlagssatz von 30%, d.h. die ´Gemeinkostenpauschale´ für jede Reise beträgt 30% ihrer Einzelkosten.44 Die Preise für die Reisen können durch den Reiseveranstalter nicht beeinflusst werden, sondern ergeben sich aus dem Markt, d.h. aus den Preisen vergleichbarer Reisen von Konkurrenten sowie aus der Zahlungsbereitschaft der Kunden.45 Die Ist-Situation ist aus Abb. A- 7 ersichtlich.
Abb. A- 7: Gewinnermittlung und Produktanalyse bei Vollkostenrechnung in Anwendungsbeispiel 1
(eigene Berechnung und Darstellung)