Für meinen wundervollen Sohn Bastian,
meinen Mann Michael
und meine beiden liebenswerten Schwestern
Monika und Andrea.
Danke, dass ihr meine Geschichten gerne habt.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2013 Gisela Kuhn
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783732203123
„Nikodemus! Bitte komm raus, es wird bald regnen.“
Ich bewege mich nicht. Ganz still kauere ich unter dem Wagenrad des alten Ford in unserer breiten, mit Kieselsteinen überschütteten, Einfahrt.
„Nikodemus von Silberpfoten! Komm sofort her.“
Jetzt, gleich ist es soweit. Sie ist nahe genug.
„Ahrrr…“ Ich springe hinter dem stinkenden Autoreifen hervor und versuche meine Mutter gezielt in den Nacken zu beißen. Der Überraschungsangriff liegt uns Katzen im Blut! Wir sind geborene Jäger. Keine Beute entkommt unseren messerscharfen Zähnen. Das weiß ich, das weiß jeder. Leider scheint meine Mutter es vergessen zu haben. Sie ist zu schnell für mich. Aber nur, weil ich noch so klein bin. Deshalb lande ich unsanft in dem schmutzigen Kiesbett.
„Nikodemus. Lass den Unsinn. Wir müssen hinein. Komm, es ist kalt und es wird bald dunkel.“
Sie lächelt mich an, bevor sie mich zärtlich aber bestimmt zum Stall und dann hinauf auf den Heuboden führt. Hier leben wir. Meine Mutter, meine beiden Schwestern und ich.
Mein Name ist Nikodemus. Und ich sehe fast genauso aus wie meine Mutter. Sie ist eine British Shorthair, die schönste Katze, die ich jemals gesehen habe. Gut, außer meinen kleinen Schwestern, Aphrodite und Anastasia, habe ich noch nicht viele gesehen. Zumindest nicht aus der Nähe. Aber wenn ihr meine Mutter sehen könntet, dann würdet ihr mir zustimmen. Sie entstammt gutem Hause. Mein Großvater war ein angesehener Preisträger und als Zuchtkatze geehrt und hoch geschätzt. Schon der Name meiner Mutter lässt ihren Stand erahnen: Cleopatra von Silberpfoten. Sie hat samtweiches graues Fell, das bis in die halblangen Haarspitzen mit feinen silbrig schimmernden Streifen durchzogen ist. Ihren scharfen grünen Augen entgeht nicht die kleinste Bewegung und ihre dunkle Schnauze wird von weißen, langen und dichten Schnurrhaaren umrahmt.
Auch mein Fell ist grau mit silbrigen Strähnen. Etwas kürzer als das meiner Mutter vielleicht, was daran liegen kann, dass mein Vater nicht ganz so adelig war, wie es meiner Mutter zugestanden hätte, aber bestimmt genauso weich. Allerdings sind meine Pfoten weiß! Auch ich habe grüne Augen. Doch der Blickfang in meinem Gesicht ist vielmehr meine rosafarbene Supernase. Die feinen, weißen Schnurrhaare kann ich zu einem beeindruckenden Kranz ausfächern, was sehr bedrohlich wirken kann. Aber das nur am Rande.
„Nikodemus, komm jetzt her Junge.“
Katzenwäsche. Würg. Igitt. Ich versuche mit einem Satz zu entkommen. Aber da hat mich meine Mutter schon am Kragen gepackt und beginnt schnurrend mein Fell zu säubern.
Das tut Sie jeden Abend. Fellpflege ist sehr wichtig, sagt sie immer. Eigentlich kann ich das schon alleine, aber ihr liegt viel an diesem Ritual. Ihr zuliebe schließe ich die Augen und stimme in das feine Brummen aus ihrer Kehle ein.
„Erzähl uns von unserem Vater!“
Anastasia. Natürlich! Jeden Abend dasselbe. Unser Vater ist weg. Er hat uns verlassen. Was gibt es darüber zu erzählen. Gar nichts. Überhaupt nichts!
Aber meine Mutter sieht das anders. Obwohl er sie verlassen hat, spricht sie nur in den höchsten Tönen von ihm. Was für ein starker Kater er war und wie sehr er sie geliebt hat. Dass sie ihre Familie für ihn verlassen hat, um mit ihm hier auf dem Land zu leben… Papperlapapp. Ich will das gar nicht mehr hören. Er ist fort. Ich kenne diesen Kerl nicht einmal. Deshalb schleiche ich mich von unserem Heuballen und beschließe, meine Jagdtechnik zu verfeinern.
Der Holzboden in der Scheune hat große Spalten zwischen den einzelnen Dielen. Ideal, um darin nach Käfern zu fischen. Gut, mit einer Maus kann so ein Käfer nicht mithalten. Aber man muss schließlich klein anfangen, wenn man mal ganz groß werden möchte. Und Erfolgserlebnisse stärken das Selbstbewusstsein. Probier es doch mal aus. Mich hat meine Mutter ermuntert, nie aufzugeben.