Dieses Buch von Craig Boreth erschien als amerikanische Erstausgabe unter dem Titel »The Hemingway Cookbook« im Jahr 1998 bei Chicago Review Press, Incorporated.
@ Chicago Review Press, c/o Susan A. Schulman Literary Agency, Inc., New York / @ 1998 by Craig Boreth All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.
Die Ausarbeitung der in diesem Buch beschriebenen Rezepte erfolgte nach bestem Wissen. Die Benutzung der in diesem Buch dargebotenen Informationen geschieht auf eigenes Risiko.
Autor und Verlag übernehmen keine Haftung für Schäden jeder Art, die in Zusammenhang mit der Verwendung der in diesem Buch enthaltenen Informationen entstehen.
Umschlagmotiv: Ernest Hemingway mit »dem König der Fische, dem Herrscher in der Walhalla der Fischer«, @ Hemingway Collection, John F. Kennedy Library
Dieses Buch wird herausgegeben
von KLAUS ISELE · EDITOR · EGGINGEN
in Zusammenarbeit mit Ars Littera
Alle Rechte vorbehalten © 2014
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7386-7677-8
Dieses Buch ist für Corinne
Auf einer Safari fühmorgens beim Schreiben
»Ich bin dahintergekommen, daß Essen seinen Zauber bewahrte, während alles andere ihn verloren hat. Und solange meine Verdauung mitmacht, werde ich mich diesem Zauber hingeben.«
– ERNEST HEMINGWAY –
»Ernest war besonders geschickt darin, die Leute spüren zu lassen, daß ein jeglicher Anspruch auf den Genuß des Lebens sich aus einer gesunden Lust am Essen nähren müsse.«
– PETER GRIFFIN, LESS THAN A TREASON –
Hemingway als Jugendlicher beim Schreiben
Sind Sie jemals einem Geschichtenerzähler begegnet, der eine Person oder einen Ort so beschreiben kann, daß Sie glauben, diese Person oder diesen Ort wirklich vor sich zu sehen? Für mich ist Ernest Hemingway einer dieser Geschichtenerzähler. Ich spüre, wie ich selbst in die Geschichte hineingezogen werde und ganz an der Erschaffung dieser verschlungenen anderen Wirklichkeit teilhabe, die er erzeugt. Dies ist der wichtigste Grund, weshalb ich seine Geschichten mit Vergnügen lese und weshalb es mir eine Ehre ist, daß Sie nun das von mir verfaßte Buch über Ernest Hemingway lesen.
Ernest Hemingway war in vielerlei Hinsicht ein Entdekker. Er lebte in verschiedenen Ländern und brach oft zu monatelangen Reisen auf, weit weg von zu Hause. Auch begab er sich auf Reisen, die ihn tief in seine Phantasie und in die Gedankenwelt seiner Charaktere führten, wo er dunkle Spuren zerrissener und abgehärteter Individuen freilegte. Er verspürte eine unstillbare Lust auf neue und unbekannte Regionen, Erlebnisse und Menschen, wobei er sich jedem Detail mit der Geschicklichkeit und dem Scharfsinn eines Naturforschers näherte. Folglich ist es keine Überraschung, wenn ihm so viele auf der Suche nach jenem Neuen gefolgt sind, nach der gleichen verwirrenden, Energie verströmenden Störung des Gleichgewichts, die an einem neuen Ort überwunden werden muß. Wenn ich mich von Hemingway führen lasse, dann verblüfft mich immer wieder seine enorme Begabung, mich in jene Landschaften zu entführen, die er auf jeder Seite ausmalt. Wenn ich die Schauplätze besuche, dann kommen sie mir genau so vor, wie ich sie mir während der Lektüre vorgestellt habe. Das ist ein wunderbares Erlebnis, und es macht die Hemingway-Lektüre umso mehr zu einem persönlichen Abenteuer.
Ernest Hemingway war außerdem ein enormer Esser und mächtiger Trinker. In guten wie in schlechten Zeiten – er frönte seinen Gelüsten bis zum Exzeß. In seinen Büchern wimmelt es von Episoden über das Essen und das Trinken, manchmal sind sie spektakulär, zuweilen auch gerade wegen der sachlich unterkühlten Art der Darstellung faszinierend. Wie auch immer, Mit Hemingway essen, trinken und reisen ist Ausdruck meiner Überzeugung, daß dieselben Gefühle, die der Reisende auf den Spuren Hemingways empfindet und die sein Herz höher schlagen lassen, auch bei der Vorbereitung und beim Genuß seiner Speisen und Getränke hervorgerufen werden können.
Der Klang der Worte – Aguacates, Purée de Marron, Chambéry Cassis oder Amontillado – hallt beim Umblättern der Seiten nach. Der Geschmack und der Geruch liegen einem noch auf der Zunge, wenn der Schutzumschlag längst begonnen hat, Staub anzusetzen. Das war die Grundlage von Hemingways Kunst: seinen Lesern nicht nur eine Beschreibung des ausgelösten Gefühls zu liefern, sondern die Quelle dieses Gefühls anzugeben und beim Leser genau die gleiche Gefühlsregung zu erzeugen. Er beherrschte eine Schreibweise, die einen verfolgte und die einen schneller und härter traf, als es die Realität jemals vermochte. Wenn er die Charaktere, die wir auf so tiefgehende Weise erleben, entstehen läßt, wenn er sie entwirft und stets wieder neu bestimmt, dann tut er das auch über das Essen und Trinken.
Hemingway führt jeweils die Gerichte und die Getränke eines Landes oder einer Region auf, um das Insiderwissen seiner Charaktere zu verdeutlichen. Wenn Hemingways Romanfiguren mit den Kenntnissen eines Einheimischen der lokalen Küche begegnen, fühlen sie sich zuhause, und so geht es auch uns, den Lesern. Inmitten ihrer epischen Auseinandersetzungen um Liebe und Tod entdecken sie die Köstlichkeiten der Küche jener Gegenden, in denen sie gestrandet sind. Daß die Leser am Leben der Charaktere teilhaben, und auf diese Weise auch am Leben des Schriftstellers selbst, mag erklären, weshalb Hemingway von seiner eigenen Generation an auch die nachfolgenden inspiriert und dazu angeregt hat, sich auf die Suche nach jenem schwer faßbaren Sinn zu begeben, für welchen der Ausdruck »Mehr Sein« geprägt worden ist: eine Art Weltbürgerschaft zu erlangen, von der Plaza de Toros über das Pariser Straßencafé bis hin zum Golfstrom.
Bei unserem fortwährenden Versuch, an seiner literarischen Welt und an seinem Mythos teilzuhaben, erwecken die Zubereitung und der Genuß der Gerichte und Getränke, die hier in Mit Hemingway essen, trinken und reisen zu finden sind, Erinnerungen an seine Einsamkeit beim Angeln in forellenreichen Flüssen, an Erlebnisse von dramatischen Stierkämpfen und an die Kameradschaft auf der Jagd. Es ist ein ebenso eigenständiges Abenteuer wie die literarischen Texte selbst.
Es ist nicht leicht, ein Buch über einen Mann zu schreiben, der so produktiv war und so vielgereist ist wie Ernest Hemingway. Das vorliegende Werk ist in groben Zügen chronologisch angeordnet, mit dem Schwerpunkt auf dem zentralen Land oder auf der wichtigsten Region jeder einzelnen Schaffensperiode. Innerhalb jedes Kapitels wird auf die Romane und die Kurzgeschichten eingegangen, die in dieser Region spielen oder die in diesem Zeitabschnitt geschrieben wurden. Ich habe mich bemüht, angemessene biographische Hintergrundinformationen einfließen zu lassen, insbesondere wenn sich Anekdoten unmittelbar auf die enthaltenen Rezepte beziehen. Für ein vollständiges Bild von Hemingways Leben lese man Carlos Bakers richtungsweisendes Werk Ernest Hemingway: A Life Story oder jeden einzelnen Band aus Michael Reynolds’ glänzender Reihe Hemingway-Biographien.
Ich habe versucht, einen Vorgeschmack auf die Gerichte und Getränke zu geben, die in Hemingways Leben und in seinen Werken am wichtigsten waren. Es wäre schlechterdings unmöglich, jedes einzelne Rezept wiederzugeben. (Wer gerne eine faszinierende Analyse über die Bedeutung der Speisen und Getränke in Hemingways Prosa sowie ein vollständiges Register sämtlicher Bezüge auf Essen und Trinken im Werk des Schriftstellers hätte, der lese Samuel J. Rogals For Whom the Dinner Bell Tolls, 1997). Aus diesem Grunde habe ich mich für diejenigen Rezepte entschieden, die wesentliche Momente in Hemingways Leben und in seiner Kunst markieren.
Ich war bemüht, mich an die Originalrezepte der Zeit zu halten. Es könnte sein, daß einige unter Ihnen nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder zum Kochlöfffel greifen oder sich einen echten Drink mixen werden. Wer einige der besonderen Hemingway-Köstlichkeiten zubereitet, mag sich dabei vielleicht an die alte Redewendung »Was mich nicht umbringt, macht mich stark« erinnern.
Die Quellen für die Rezepte selbst sind unterschiedlicher Natur. Einige, wie das Gebratene Spanferkel oder die Paella de Langosta, stammen original aus den Restaurants, in denen Hemingway diese Gerichte genossen hat. Andere Rezepte, besonders diejenigen aus den Jahren in Kuba und in Idaho, beruhen auf schriftlichen Unterlagen oder auf Interviews mit Hemingways engsten Freunden aus jenen Tagen, wie zum Beispiel mit Forrest »Duke« MacMullen, Tillie Arnold, Gregorio Fuentes oder Hemingways vierter Frau Mary. Was die restlichen Gerichte betrifft, so sind die traditionellen Rezepte zeitgenössischen Kochbüchern entnommen.
Ich hoffe, daß Sie beim Nachkochen der Rezepte in diesem Buch jene Momente wiedererleben können, als sie zum ersten Mal von der Prosa Hemingways berührt worden sind. Eine der wunderbaren Eigenheiten von Hemingways Werk besteht darin, daß man es auf so vielen Ebenen rezipieren kann, von einem rein nacherlebenden bis zu einem tiefgreifenden wissenschaftlichen Zugang. Die Zubereitung dieser Gerichte kann den Genuß um eine weitere Dimension bereichern und so die Anziehungskraft verstärken, die jeder Leser schon bei der Lektüre der Werke Hemingways erlebt hat.
Ich habe ein Buch verfaßt, von dem ich glaube, daß es sich an das ganze Spektrum der Hemingway-Leserschaft richtet und daß es jedem einzelnen helfen wird, sich an der von ihm erschaffenen Welt zu erfreuen. Vielleicht werden Sie dann zu einem Buch von Hemingway greifen, das Sie bis dato nicht gelesen haben. Vielleicht werden Sie in Ihrer Lieblingskurzgeschichte etwas Neues entdecken, durch das Ihnen klar wird, warum diese Geschichte Ihr Favorit ist. Wie auch immer, ich wünsche jedem Leser das wunderbare Erlebnis, diese Gerichte nachzukochen und so eine Weile im Reich der eigenen Phantasie zu verharren, hingerissen und satt, im Banne eines meisterhaften Geschichtenerzählers.
»Scheue dich nicht, all die anderen Dinge im Leben zu probieren, die es hier in Oak Park nicht gibt. Das Leben hier ist in Ordnung, aber dort draußen gibt es eine ganze große Welt voller Leute, die wirklich Dinge fühlen. Sie leben und lieben und sterben mit all ihren Gefühlen. Probiere alles, Schwesterherz.«
– ERNEST AN SEINE SCHWESTER MARCELLINE, 1919 –
Ein Familienporträt der Hemingways 1909
Hintere Reihe, von links: Ernest, Ed, Grace. Vorne: Ursula, Sunny und Marcelline
Ernest Miller Hemingway wurde am 21. Juli 1899 geboren, und schon bald fütterte man das Baby mit Fleisch, Gemüse, Eiern und Fisch. Sein Vater, Dr. Clarence Edmonds Hemingway (auch bekannt als Ed), war der Ansicht, daß derlei Nahrung für Säuglinge unverzichtbar sei, wenn sie gesund und stark werden sollen. Seine Mutter Grace Hall Hemingway beklagte sich über diese Einstellung. Im Babybuch ihrer Tochter Marcelline hat sie den Unmut festgehalten, den sie empfand, als man ihr Babies zum Stillen übergab, deren Atem nach Zwiebeln roch.1
Die Hemingways wohnten in dem reichen und gepflegten Chicagoer Vorort Oak Park. Grace Hemingway, früher eine aufstrebende Opernsängerin, bewahrte sich ihren Ehrgeiz, indem sie sich als Gesangslehrerin, Frauenrechtlerin und Malerin betätigte. Daß sie sechs Kinder zur Welt gebracht hatte, änderte nichts an ihrer Abscheu vor der Hausfrauenarbeit, und sie betrieb weiterhin die Schönen Künste, auf Kosten ihrer Kochkunst. Tatsächlich war ihr das Kochen dermaßen fremd, daß sie, nachdem ihr endlich ein Rezept aus dem Kochbuch ihrer Mutter gelungen war, sich dazu entschloß, es bei diesem Erfolg bewenden zu lassen. Als Marcelline ihr vorschlug, sie solle lernen, wie man eine Torte zubereitet, gab Grace, vermutlich mit gerecktem Kinn und funkelnden Augen, zur Antwort: »Ich habe mit meinem Teekuchen bewiesen, daß ich backen kann, und ich habe nicht vor, meinen guten Ruf aufs Spiel zu setzen, indem ich was anderes ausprobiere.«2
Das besagte Rezept geht auf Großmutter Halls Rezept für Englischen Teekuchen zurück, das Grace für die 1921er Ausgabe des Oak Park Third Congregational Church Cookbook beisteuerte. Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank an Jennifer Wheeler und die Ernest Hemingway Foundation in Oak Park für ihre großzügige Unterstützung beim Ermitteln dieses Rezepts aussprechen.
Ernest Hemingway und seine Schwester Marcelline, 1916
Das Originalrezept für diesen Teekuchen ist ziemlich vage in seinen Anweisungen. Grace verdankte das Rezept Liz Dilworth, der Mutter von Ernests bestem Freund in Upper Michigan, wo die Hemingways am Walloon Lake eine Sommerhütte hatten. Die Dilworths lebten in Horton Bay am Lake Charlevoix. Frau Dilworth, für die Hemingway-Kinder ›Tante Beth‹, führte ein kleines Restaurant namens Pinehurst Cottage, das für seine Brathähnchen berühmt war. Frau Dilworth hat die genauen Einzelheiten des Rezepts ausgearbeitet und Grace beigebracht, es nachzubacken. Nachdem Grace bei den Dilworths das Rezept in einem heimlichen Testlauf gelungen war, bereitete sie die warmen Kuchen in der Küche der Hemingways zu und servierte sie voller Stolz und Freude. Ed konnte gar nicht genug loben: »Köstlich, Grace! Köstlich!«3
12 PORTIONEN (4 bis 6 kleine Kuchen)
1 ½ Teelöffel trockene Backhefe
½ Teelöffel Salz
1 ½ Tassen warmes Wasser (43º Celsius)
4 Tassen Weizenmehl
2 Eßlöffel Schweinefett oder Backfett
2 große, geschlagene Eier
½ Tasse plus 2 Eßlöffel Zucker
¼ Tasse warme Milch
1 Tasse getrocknete Korinthen oder Rosinen
Extra viel geschmolzene Butter zum Einfetten der Form
Zur Zubereitung des Teiges Hefe, Salz und Wasser in einer Rührschüssel mehrere Minuten lang verarbeiten, bis sich die Hefe ganz aufgelöst hat. 1 ½ Tassen des Mehls dazugeben und unterrühren, bis die Masse weich ist. Mit einem Tuch zudecken und in einem warmen Raum ohne Zugluft 2 Stunden stehen lassen.
Wenn der Teig aufgegangen ist, Butter und Backfett dazugeben, außerdem das restliche Mehl, die geschlagenen Eier, Zucker, Milch und Korinthen oder Rosinen. Gründlich schlagen, bis man einen festen Teig erhält. Den Teig zugedeckt bis zu 1 Stunde gehen lassen.
Den Teig gleichmäßig in vier mit Butter eingefettete kleine Backformen aufteilen und mindestens 2 Stunden gehen lassen.
Den Ofen auf 175º Celsius vorheizen.
Im Ofen ungefähr 20 Minuten backen oder so lange, bis eine goldbraune Färbung entsteht. Die Kuchen zum Abkühlen auf ein Blech legen, mit viel zerlaufener Butter bestreichen, in Stücke schneiden und noch warm servieren.
* * *
Das Teekuchenrezept von Grace wurde auch in The Nineteenth Century Women’s Club Historical Centennial Cookbook veröffentlicht, zusammen mit einem Rezept für »Ernest Hemingways kalte Gurkensuppe«. Welche Verbindung genau zwischen Ernest und dieser süßen Gurken-Lauch-Suppe besteht, ist nicht klar, trotzdem hier das Rezept:
4 bis 6 PORTIONEN
3 Salatgurken 1 Eßlöffel Butter
1 Eßlöffel Dill oder Minze, frisch und gehackt
1 Stange Lauch (nur den weißen Teil), in Ringe geschnitten oder eine ¼ Tasse gehackte Zwiebeln
1 Lorbeerblatt
1 Eßlöffel Mehl
2 Tassen frische Hühnerbrühe oder Geflügelfond aus der Dose
1 Teelöffel Salz oder, je nach Geschmack,
weißer Pfeffer (wahlweise)
1 Tasse halb Milch, halb Sahne
Den Saft einer ½Zitrone
1 Eßlöffel Honig (wahlweise)
Zwei der Gurken schälen und in Scheiben schneiden. Die dritte Gurke schälen, entkernen und raspeln. Die Butter in einem großen, massiven Kochtopf erhitzen. Die Gurkenscheiben hineintun und bei geringer Hitze einige Minuten kochen. Den Dill oder die Minze dazugeben, außerdem den Lauch und das Lorbeerblatt. Bei geringer Hitze ungefähr 20 Minuten kochen lassen. Das Mehl hinzugeben und unter ständigem Umrühren noch einige Minuten weiterkochen lassen. Hühnerbrühe und Salz dazugeben und 30 Minuten lang köcheln lassen. Das Lorbeerblatt herausnehmen und das Ganze etwas abkühlen lassen. Die gekochte Gemüsemasse, jeweils nur eine Hälfte auf einmal, in einem Mixer pürieren. Danach in den Topf zurückgeben und nach Belieben mit dem weißen Pfeffer würzen. Zitronensaft, Milch, Sahne sowie den Honig dazugeben; danach abschmecken und eventuell nachwürzen. Die zerriebene Gurke hineingeben. Abkühlen lassen. In einer gekühlten Schüssel servieren.
* * *
Der gleiche moralische Sinn für Disziplin und Verantwortung, der alle Bereiche seines Lebens bestimmte, galt bei Ed Hemingway auch im Hinblick auf Lebensmittel und Mahlzeiten. Er war leidenschaftlich gern in der freien Natur und jagte eine stattliche Menge an Wild, das auf dem Tisch der Hemingways landete. Die Jagdleidenschaft des Vaters kam der Familie immer dann besonders gelegen, wenn sie sich, wie jeden Sommer, aus Oak Park in ihre Hütte am Walloon Lake in Upper Michigan zurückzog. Dr. Hemingway blieb zwar öfters zurück, um in seiner Praxis zu arbeiten, wenn er sich aber draußen auf dem Land aufhielt, war er wirklich in seinem Element. Schon bald begann er seine Leidenschaft mit seinem jungen Sohn zu teilen.
Ernest im Alter von fünf Jahren mit seinem ersten Gewehr
Ed Hemingway war überzeugt, daß es richtig sei, durch das Jagen für die Verpflegung zu sorgen und alles zu essen, was man erlegt hatte. So kam es beim vierzehnten Sommeraufenthalt mit Ernest zu folgendem Vorfall: Als Ernest und sein bester Ferienkumpel Harold Sampson voller Triumphgefühl von der Jagd zurückkamen, bei der sie ein Stachelschwein getötet hatten, das den Hund eines Nachbarn verletzt hatte, wurden sie von Dr. Hemingway nicht mit dem Lob überschüttet, das sie erwartet hatten. Statt dessen wies Dr. Hemingway die beiden in dem für ihn typischen strengen und unerbittlichen Ton an, das Tier zu essen, das sich dann »als ungefähr so zart und geschmackvoll wie eine Schuhsohle« erwies.4
Ed Hemingway in den Great Smoky Mountains in North Carolina, 1891
Ernests ältere Schwester Marcelline erzählt in At the Hemingways, ihren Erinnerungen an jene frühen Jahre, eine der Anekdoten ihres Vaters, aus der dessen Geschick und Erfahrung als Koch wie auch als Jäger hervorgehen. Es ist eine Geschichte, die Ernest zweifellos wiederholt gehört und sehr gemocht hat, denn Details von Eds jugendlichem Abenteuer tauchen Jahre später wieder auf – in den frühen Schriften seines Sohnes. Es war nicht das erste Mal, daß Ernest Geschichten von anderen übernahm und sich zu eigen machte.
In dem Sommer zwischen seinem Abschluß am Oberlin College und der medizinischen Ausbildung am Rush Medical College in Chicago wurde Ed gebeten, an einer geologischen Expedition in die Smoky Mountains teilzunehmen. Das Vorhaben dauerte länger als erwartet, und die Vorräte begannen knapp zu werden. Ed war entschlossen, für gutes Essen zu sorgen (schließlich wollte man ihn bei der Expedition dabei haben, weil er kochen konnte), folglich schoß er ein paar Rebhühner und einige Eichhörnchen, stibitzte Honig aus einem Bienennest und zauberte daraus eine Mahlzeit: gebratenes Wild, Biskuits und Brombeerkuchen. Zum Erstaunen seiner Kameraden erklärte Ed, wie er den Kuchenteig ausgerollt hatte, nämlich unter Verwendung einer Bierflasche, die als Nudelholz diente.5
Es war in diesen ersten Sommern am See, daß der Vater in Ernest die Liebe zur freien Natur, zum Jagen und zum Angeln weckte. Ernest sollte schließlich dieselbe, alles verschlingende Leidenschaft für den Sport und das Abenteuer entwickeln, die sich dann auf die Stierkämpfe, das Hochseeangeln, die Großwildjagd und buchstäblich alle Aktivitäten erstreckte, denen er sich widmete. Schon auf den kleinen Jungen schienen vor der Tür der Sommerhütte tiefe Wälder, Forellenflüsse, Lagerfeuer und endlose Abenteuer nur so zu warten. Er behielt das, was er damals sehen, hören und riechen konnte, sein ganzes Leben lang im Gedächtnis. Durch diese Tür der Erinnerung konnte er immer wieder zurückkehren. Zumindest in seiner Phantasie – wenn sein Schreibtalent ihn dort hinrief und er nicht widerstehen konnte.
Die Sommer in Michigan kamen Ernest sowohl für die literarischen Texte als auch für den Journalismus zugute. In einem frühen Artikel für den Toronto Star lieferte Ernest eine Anleitung zum Kochen in der Wildnis. Später dann, in einer seiner besten Kurzgeschichten, folgt er Nick Adams zum Angeln an den Großen doppelherzigen Strom. In beiden Fällen verwendet er besondere Mühe darauf, seine Begeisterung für das Essen zu vermitteln.
Beim Forellenfischen in Sun Valley, Idaho, 1939
Ernest Hemingway beim Forellenfischen am Horton Creek, Juli, 1904
Im Januar 1920 reiste Ernest von Oak Park nach Toronto, um als Begleiter und Tutor eines Sohns reicher Eltern zu arbeiten, die er in Michigan kennengelernt hatte, als er von seinen Kriegsabenteuern erzählte. Während dieses Aufenthalts begann er, für den Toronto Star zu schreiben, dessen Herausgeber Ernests zupackende Prosa und seinen guten Humor als genau passend für die neue Ausrichtung der Zeitung fand. Der junge Hemingway hatte fortan seine eigene Verfasserzeile und bekam für seine Artikel einen Penny pro Wort. Hemingway sollte später, während seines Aufenthalts in Paris, als Europakorrespondent des Toronto Star arbeiten.
In seinem Artikel »Zelten in freier Natur« beweist Hemingway, daß er schon als sehr junger Mann den Dreh heraus hatte, wie man seinem Schreiben eine sanfte, humorvolle Autorität verleiht. Wenn er sich ausführlich darüber ausläßt, wie man in der Wildnis ein köstliches Mahl zubereitet, dann scheint es für den Leser angeraten zu sein, sehr aufmerksam zuzuhören.
Ernest gefiel das Forellenangeln sehr, und Forellen zu essen, war für ihn ein Hochgenuß. Voller Begeisterung teilte er sein Vergnügen mit seinen frühen Lesern, wie er es später auch tun sollte, nachdem er die spanischen Pyrenäen (vgl. Trucha à la Navarra, Seite →) und die Schweiz (siehe Forelle blau, Seite →) besucht hatte. Interessanterweise ähnelt Hemingways Forellenrezept sehr dessen spanischem Gegenstück. Nehmen wir also diese Lagerfeuervariante als eine Art Einführung in Sachen Forelle; ein Gericht, das im Laufe der Jahre hohe gastronomische Genüsse bieten wird.
Im Moment jedoch wollen wir dem jungen Ernest dabei folgen, wie er das Lager aufschlägt und den Fang des Tages zuzubereiten beginnt. Dabei werden wir erfahren, was wir tun und was wir nicht tun sollen.
4 PORTIONEN
1 Tasse Crisco-Fett oder Pflanzenfett
4 Forellen, ausgenommen und gesäubert
1 Tasse Maismehl
8 Scheiben Speck
Ernest Hemingway beim Angeln am Walloon Lake in Michigan, Sommer 1916
Hemingway gibt folgende Anleitung: »Am besten kocht man über einem Kohlenfeuer. Packen Sie mehrere Büchsen Crisco oder irgendwelche pflanzlichen Fette ein; die sind genauso gut wie Schweineschmalz und eignen sich ganz ausgezeichnet zum Garen aller möglichen Dinge. Zuerst kommt der Speck hinein, und wenn er etwa halb durch ist, legen Sie die Forellen, in Maismehl paniert, in das heiße Fett. Dann wird der Speck auf die Fische gelegt, damit sie beim Garen gut mit Fett versorgt sind …
Die Fische sind außen knusprig und innen fest und rosa, und der Speck ist gut durchgebraten – aber nicht zu sehr. Sollte es irgend etwas geben, das noch besser schmeckt als diese Zusammenstellung, so muß der Verfasser, der sein Leben größtenteils und mit Fleiß dem Essen widmet, es erst noch kennenlernen.«6
Hier also nochmals kurz zusammengefaßt das Rezept: Das Crisco- oder das Pflanzenfett in einer Bratpfanne bei mittlerer Temperatur erhitzen (oder beim Kochen am Lagerfeuer über der Kohlenglut, jedoch nicht in den Flammen). Während das Fett heiß wird, jede Forelle in dem Maismehl wenden und beiseite stellen. Wenn das Fett heiß ist, den Speck zur Hälfte braten. Kurz bevor er braun wird, aus der Pfanne nehmen. Die Forellen in die Pfanne legen (dazu kann es zweier Durchgänge bedürfen, je nach Anglerglück). Nach 5 Minuten die Forellen wenden und zwei Scheiben Speck über jeden Fisch legen. 10 bis 15 weitere Minuten braten, je nach Größe der Fische.
* * *
Hemingway schlägt vor, daß man eine hungrige Meute vorerst mit Kaffee und Pfannkuchen besänftigen sollte, während die Forellen vollends gar werden.
Wenn Hemingway zelten ging, führte er einen Sack mit vorbereitetem Pfannkuchenmehl mit sich, so daß er nur Wasser dazugeben und unterzurühren brauchte, bis sich die meisten Klumpen aufgelöst hatten und dann das Ganze in einer heißen, eingefetteten Pfanne ausbacken konnte. Bis auf den heutigen Tag gibt es zur vorläufigen Sättigung hungriger Mägen rund ums Lagerfeuer nichts Besseres als einen Haufen heißer Pfannkuchen. Am liebsten aß Ernest die Pfannkuchen mit Apfelmus, Sirup oder Zucker und Zimt.7 Zwar können Sie heute einfach irgendeine Fertigbackmischung mitnehmen, doch hat der Purist vielleicht den Ehrgeiz, vor dem Aufbruch in die freie Natur den nachstehenden Pfannkuchenmix selbst herzustellen. Die Trockenmilch und das Eipulver bekommt man in jedem gut sortierten Outdoor-Laden.
2 PORTIONEN
1 Tasse Mehl
¼ Teelöffel Salz
½ Eßlöffel Zucker
½ Eßlöffel Backpulver
2 ½ Eßlöffel Trockenmilch
3 Eßlöffel Eipulver
¼ Tasse Bratfett
Vor dem Aufbruch alle trockenen Zutaten miteinander vermischen. Das Fett hinzugeben und mit einer Gabel gründlich unterrühren. Die Mischung in einem luftdichten Behälter aufbewahren.
Zur Zubereitung der Pfannkuchen etwas weniger als 1 Tasse Wasser pro Tasse Pfannkuchenmix hinzugeben. Gut vermischen; vereinzelte Klumpen sind kein Grund zur Besorgnis. Die Mischung ausgießen und in einer heißen, eingefetteten Pfanne runde Pfannkuchen formen. Wenn die Ränder gerade anfangen braun zu werden und sich Blasen bilden, die Pfannkuchen wenden. Dann die andere Seite anbraten, bis sie leicht braun wird. Alle von Ernest empfohlenen Füllungen passen wunderbar zu den Pfannkuchen.
Der Suppenkessel war an Ernest Hemingways Lagerfeuer ein ganz zentrales Utensil. Er benutzte ihn unter anderem dazu, um darin über Nacht getrocknete Aprikosen in viel Wasser einzuweichen. Bis zum nächsten Morgen hatte die Frucht dann ihre »ursprüngliche Rundlichkeit«8 wieder erreicht. Sie konnte gekocht werden, bis sie ganz zart war, und anschließend von allen als süße Nascherei genossen werden, wenn die Pfannkuchen ausgegangen waren. Ernest pflegte den Kessel auch zu verwenden, um darin »Eintopf oder Makkaroni« zu kochen.9 Natürlich wird der kluge Camper den Kessel auch zum Wasserkochen für den Abwasch benutzen, wenn er nicht zum Kochen gebraucht wird.
Ernest Hemingway beim Wandern am Walloon Lake in Michigan, Sommer 1916
Bei diesem Rezept greift Ernest auf eine Seite aus dem Buch seines Vaters über Tricks beim Kochen zurück, wo dieser vorschlägt, der Leser solle mittels einer Flasche den Kuchenteig ausrollen. Das Rezept läßt außerdem einen ausgesprochenen Sinn fürs Detail und für die Präsentation erkennen, der höchstwahrscheinlich auf Eds wohlüberlegte Unterweisungen zurückgeht. Hemingway empfiehlt, einen tragbaren Backofen mit Ober-und Unterhitze zu verwenden. Heutzutage sind derlei Gerätschaften nur schwer aufzutreiben. Sollten Sie so ein Ding besitzen, dann entstauben Sie es und fangen damit zu kochen an. Ansonsten würde ich empfehlen, einen flachen Bratentopf zu benutzen oder ein Kochgerät, etwa von der Art eines ultraleichten Outdoor-Herds, der Ihren eigenen Kochtopf in einen feinen Backofen fürs Lagerfeuer verwandelt.
Für die Füllung
1 ½ Tassen getrocknete Apfelringe
½ Tasse Zucker
Für den Kuchenteig
2 ½ Tassen plus 2 Eßlöffel gesiebtes Mehl
1 Teelöffel Salz
etwas mehr als eine ¾ Tasse Fett, vorzugsweise gekühlt
4 bis 5 Eßlöffel kaltes Wasser, wenn nötig mehr
Die Äpfel in 3 Tassen kaltem Wasser über Nacht quellen lassen.
2 ½ Tassen Mehl mit Salz vermischen. Die 3/4 Tasse Fett mit einer Gabel beimischen, bis die Masse die Konsistenz von grobkörnigem Mehl angenommen hat. Gerade soviel Wasser hinzugeben, bis man »einen guten, fachmännisch hergestellten Teig«10 erhält.
Irgendeine saubere glatte Fläche, die gerade zur Hand ist, mit Mehl bestäuben. Den Teig in zwei Hälften aufteilen, wobei eine Portion leicht größer sein sollte als die andere. Die Flasche benutzen, um den Teig in Kreisen auszurollen, die groß genug sind, um ein Kuchenblech, vorzugsweise eines mit Löchern, zu füllen. Etwas mehr Fett auf den Teig geben, mit Mehl bestäuben, danach eine Hälfte um die Flasche rollen und dann bis zum Ende des Kuchenblechs ausrollen.
Die eingeweichten Äpfel abtropfen lassen, den Zucker und 2 Eßlöffel Mehl darunter mischen und auf den Teig im Kuchenblech legen. Den zweiten Teigboden zum Decken über den Kuchen auslegen, dabei mit den Fingern die Ränder zusammenfalten. Anschließend: »Schneiden Sie in den oberen Teiglappen Schlitze und stechen Sie auch ein paarmal kunstvoll mit einer Gabel hinein. Das Ganze stellen Sie für 45 Minuten bei schwachem Feuer in den Ofen, dann holen Sie es heraus; und wenn Ihre Freunde Franzosen sind, werden sie Sie dafür küssen.«11
* * *
Diese Rezepte, direkt den von Ed erzählten Geschichten entnommen, gehören zu den kniffeligsten, die Hemingway jemals seinen Lesern darbieten sollte. Obwohl er viele spektakuläre Beschreibungen exquisiter Gerichte und extravaganter Mahlzeiten lieferte, war Hemingway dennoch kein besonders begnadeter Koch. In der Tat, als Hemingway 1954 in Venedig überredet werden konnte, die Zubereitung »des Hamburgers« zu erklären, beeilte er sich, diese Verantwortung auf seinen Freund und Biographen A. E. Hotchner abzuwälzen.12
Die Mahlzeit, die Nick Adams in Großer doppelherziger Strom zubereitete, gibt ein viel besseres, repräsentativeres Bild von dem Essen, das Ernest für sich selber zu kochen pflegte, wenn er allein draußen in der Wildnis war.
Ernst Hemingway beim Forellenfischen 1913
Im Spätsommer 1919 nahmen Ernest und zwei Freunde den Zug nach Seney auf der nördlichen Halbinsel von Michigan, um dort zu angeln und am Fox River zu zelten. Seney war eine Geisterstadt, genau wie sie der fiktive Nick Adams vorfand, als Ernest ihn dorthin schickte. Hemingway schrieb Großer doppelherziger Strom 1924 in Paris. Darin erzählte er die Geschichte eines jungen Mannes auf einer Angeltour. In dieser Geschichte galt sein großes Augenmerk den minutiösesten Details; er siedelte sie »geographisch exakt an und [wußte], soweit wie möglich, […] auf jeder Seite, welche Tageszeit herrschte.«13 Dieses neu entwickelte, charakteristische Merkmal seines sich ausprägenden Stils ist deutlich zu erkennen, wenn sich Nick an seinem Lagerfeuer zum Essen niederläßt:
»Nick setzte die Bratpfanne auf den Rost über die Flammen. Er war jetzt noch hungriger. Die Bohnen und Spaghetti wurden warm. Nick rührte sie um und mischte sie durcheinander. Sie fingen an zu schmurgeln und machten kleine Blasen, die nur langsam an die Oberfläche stiegen. Es roch gut. Nick holte eine Flasche Tomatenketchup heraus und schnitt vier Scheiben Brot. Die kleinen Blasen kamen jetzt schneller. Nick setzte sich neben das Feuer und nahm die Bratpfanne ab. Er goß ungefähr die Hälfte des Inhalts auf einen Blechteller. Es breitete sich langsam auf dem Teller aus. Nick wußte, es war zu heiß. Er goß etwas Tomatenketchup darüber.«14
Niemals zuvor ist Schweinefleisch mit Bohnen ein solch heroischer Stellenwert zugeschrieben worden wie in dem Augenblick, als Nick Adams sich am Ufer von Hemingways Großem doppelherzigem Strom zum Essen niederließ. Zwar mag dieses Gericht einfach und gewöhnlich anmuten, wenn man es aber nach einem langen Marsch allein in der Wildnis am Ufer eines bevorzugten Forellenflusses verspeist, dann dürfte man verstehen, weshalb es in das Pantheon der haute cuisine littéraire aufsteigen konnte.
2 PORTIONEN
1 Büchse Schweinefleisch mit Bohnen
1 Büchse Spaghetti
Ketchup
4 Scheiben Brot
Die Dose Schweinefleisch mit Bohnen und die Dose Spaghetti in einen Kochtopf leeren. Über mittlerer Hitze erwärmen, bis die Blasen schnell an die Oberfläche steigen. Die Hälfte in einen Teller (vorzugsweise aus Blech) schütten. Nach Belieben Ketchup dazugeben. Vor dem Essen genügend abkühlen lassen. Zum Auftunken der Sauce Brot servieren.
Nick Adams nimmt bei seiner Angeltour auch Aprikosen mit. Im Gegensatz zu Hemingways Vorschlag in Zelten in freier Natur sind Nick Aprikosen aus der Konservendose lieber als eingeweichte. Man braucht sich nur den süßen Saft aus der Büchse vorzustellen, um seine Vorliebe für diese Dosenversion zu verstehen. In jedem Fall liefern Aprikosen einen saftig-süßen Nachtisch, sie sind einfach zuzubereiten und ein Hochgenuß am Lagerfeuer.
Hemingway läßt Nicks Mahlzeit und den ersten Teil von Großer doppelherziger Strom mit einer Tasse Kaffee abschließen. Nicht mit irgendeinem Kaffee, sondern mit Kaffee nach der besonderen Methode von Nicks Freund Hopkins, der »Kaffeemachen sehr ernst« nahm.15 Höchstwahrscheinlich geht Kaffee à la Hopkins auf Charlie Hopkins zurück, den Herausgeber des Kansas City Star und Freund Hemingways. Hemingway machte den fiktiven Hopkins zu einem Ölmillionär mit einem besonderen Faible fürs Kaffeekochen. Das folgende Rezept ist durchweg »à la Hopkins«.16
2 PORTIONEN
2 Tassen kaltes Wasser
3 gehäufte Löffel gemahlener Kaffee
Zucker
Das Wasser in einen Kaffeetopf gießen. Sofern greifbar, eiskaltes Flußwasser verwenden. Den Kaffee dazugeben. Das Wasser zum Kochen bringen, es überkochen und über den Rand des Topfes fließen lassen, um sicher zu sein, daß es tatsächlich kocht. Den Topf vom Feuer nehmen und etwas kaltes Wasser hineingießen, damit sich der Satz setzen kann. Den Kaffee in leere Aprikosendosen oder in Kaffeetassen abgießen, je nach Vorliebe. Den Kaffee nicht in dem Topf ziehen lassen. Nach Geschmack zuckern.
* * *
Dies waren die Mahlzeiten aus Ernest Hemingways Jugend, Ausdruck der Charaktere seiner Mutter und seines Vaters und Symbol der Freiheit und der Abenteuer in den Wäldern Michigans. Er pflegte auch später immer wieder nach Michigan zurückzukehren, und er sollte seine Sommergäste in all den kommenden Jahren des Lebens und Schreibens nicht vergessen. Nach Oak Park kehrte er nur selten zurück, und niemals schrieb er ausdrücklich über seine Heimatstadt. Er verlor seinen Vater, als dieser sich 1928 umbrachte, und er entfremdete sich immer mehr von seiner Mutter, die 1951 starb.
Als er in Oak Park und in Michigan aufwuchs, hatte sein Vater in ihm eine unstillbare Gier nach neuen Erfahrungen geweckt. Ernest hatte Geschmack am Abenteuer gefunden und sehnte sich nach mehr und nach größeren. Niemals hätte er sich vorstellen können, was ihn in Norditalien, später in Paris und anderswo erwarten würde. Und doch war er in vielerlei Hinsicht immer bestens gewappnet für das, was vor ihm lag.
»›Mir ist ein Rückzug lieber als ein Vormarsch‹, sagte Bonello. ›Auf dem Rückzug trinken wir Barbera.‹ ›Das trinken wir jetzt. Vielleicht trinken wir aber morgen Regenwasser‹, sagte Aymo. ›Morgen sind wir in Udine. Da trinken wir Champagner.‹«
– IN EINEM ANDERN LAND –
Ernest in Uniform
Ernest machte seinen Abschluß an der Oak Park Highschool 1917, und auf ihn warteten entweder der erste Job, das College oder der Krieg in Europa. Durch seinen Onkel Tyler (Hemingway), der in Kansas City im Holzhandel tätig war, erfuhr Ernest von einer Stelle beim Kansas City Star, die im Herbst frei werden würde. Nach einem weiteren fröhlichen Sommer in Michigan brach Ernest nach Kansas City auf. Seine Arbeit beim Star kam einer regelrechten Ausbildung in den Grundlagen des Schreibens gleich, so daß er es von der Pike auf lernte. »Kurze Sätze benutzen«, besagte die Stilfibel des Star, »kurze erste Abschnitte machen. Ausdrucksstarkes Englisch verwenden und nicht vergessen: geschliffen und flüssig schreiben.«17 Er fing an, das Handwerkszeug zu erlernen. Das Rohmaterial, aus dem er »einen seiner Zeit angemessenen Stil zurechtschliff«,18 lag in Reichweite, freilich erst dann nahe genug, wenn es vor ihm Gestalt und Form annahm: in einer Hülle aus Feuer, Erde und Metall.
Im Frühjahr 1918 herrschte Krieg in Europa. Ernest konnte sich nicht vorstellen, beim »aufregendsten Drama, das es jemals gab«,19 nicht dabei zu sein. Obwohl seine schlechten Augen verhinderten, daß er zu den Streitkräften kam, meldete er sich schnell freiwillig, als das Amerikanische Rote Kreuz (ARC) Sanitätswagenfahrer anzuwerben begann.
Am Morgen des 22. Mai 1918 verließ Hemingway New York, und zwar an Bord des französischen Liniendampfers Chicago, der nach Bordeaux fuhr. Nachdem er in der Umgebung von Paris einfahrende deutsche Panzer verjagt und eine spektakuläre Zugfahrt durch die Alpen unternommen hatte, wurde er der Sektion Vier des ARC in Schio zugeteilt, 24 Kilometer nordwestlich von Mailand.
Nach drei Wochen mit der Einheit Vier konnte Ernest es kaum erwarten, nach vorne an die Front zu kommen. Die Gelegenheit bot sich, als die Österreicher ihren Ansturm auf das Tal des Piave-Flusses nördlich von Venedig verstärkten und Freiwillige für die Behelfs-Feldküchen gebraucht wurden. Ungefähr zwei Wochen später erwischte es ihn: Ernest brachte gerade Zigaretten und Schokolade für Soldaten in einen Schützengraben am Fluß. Alle hörten das dumpfe, rhythmische Wummern des Projektils Kaliber 420. Als es am Boden einschlug, gab es »… ein Aufflammen, als wenn die Tür eines Hochofens aufgerissen wird, und ein Brüllen, das weiß anfing und rot wurde und weiter und weiter anschwoll«.20 Ernest wurde von einem Granatwerfer sowie von Maschinengewehrfeuer an beiden Beinen schwer verwundet, als er gerade dabei war, einen verwundeten italienischen Soldaten aus der Schußlinie zu tragen.
Nach der ersten von mehreren Operationen zur Entfernung der Granatsplitter, nach einem kurzen Aufenthalt in einem Feldlazarett und nach einer zermürbenden Zugfahrt nach Mailand fand Ernest schließlich die nötige Ruhe im Krankenhaus des Amerikanischen Roten Kreuzes (ARC), wo er seiner ersten Liebe begegnete. Es war Agnes von Kurowsky, eine amerikanische Krankenschwester, sieben Jahre älter als Ernest.
Genesung im Krankenhaus des Roten Kreuzes in Mailand, Juli 1918
Die wahren Einzelheiten ihrer Liebesbeziehung bleiben im Dunkeln, nicht zuletzt infolge von Ernests jugendlicher Prahlerei und den späteren literarischen Verfremdungen. Diese Frau, und damit dieses Kapitel seines Lebens, wurde zur Grundlage eines der großen Romane, die aus den Schützengräben des Ersten Weltkrieges heraus entstanden sind – In einem andern Land. Dieser Roman steht – zusammen mit Über den Fluß und in die Wälder, dessen Held durchaus Frederic Henry 30 Jahre später sein könnte – im Zeichen von Hemingways lebenslanger, bittersüßer Liebe zu Norditalien. Beide genannten Bücher bieten eine reichhaltige und wunderbare Auswahl aus der italienischen Küche und versorgen uns, inmitten von Kummer und Not infolge verlorener Schlachten, mit schwelgerischen Genüssen.
Nachdem Ernest von Europa nach Hause gehumpelt war, vergingen beinahe zehn Jahre, bis er die nötige emotionale Distanz und die Fähigkeit erlangt hatte, seine Kriegserlebnisse in sein Schreiben einfließen zu lassen. Er war verletzt und verbittert, als Agnes, die in Europa blieb, ihm brieflich mitteilte, daß sie sich in einen anderen verliebt hatte. Als Hemingway daraus schließlich Fiktion machte, schuf er Frederic Henry und Catherine Barkley und ließ sie gemeinsam schöne Abende oder erwartungsvolle Stunden der Trennung erleben, ähnlich wie er es mit Agnes zu erleben gehofft oder wirklich erlebt hatte.
Als Frederics Rückkehr an die Front bevorsteht, nehmen er und Catherine ein Zimmer in einem Hotel gegenüber dem Mailänder Bahnhof und verbringen dort zusammen einen Abend, bevor sie Abschied nehmen müssen. In dieser leidenschaftlichen Episode, noch erhöht durch die unmittelbar bevorstehende Trennung der beiden, hält Hemingway für Frederic und Catherine ein Mahl bereit, das zu ihrer Liebe paßt:
» ›Monsieur und Madame wünschen auf dem Zimmer zu speisen?‹
›Ja. Wollen Sie bitte das Menü raufschicken?‹, sagte ich.
›Vielleicht wünschen Sie etwas Besonderes zum Abendessen, Wild oder einen Auflauf?‹
Der Lift zog an drei Stockwerken vorbei, jedesmal mit einem Schnappen, dann schnappte es und er hielt an.
›Was gibt’s für Wild?‹
›Ich kann Ihnen einen Fasan oder eine Schnepfe besorgen.‹
›Eine Schnepfe‹, sagte ich. Wir gingen den Korridor entlang. Der Teppich war abgetreten. Es gab viele Türen. Der Direktor blieb stehen, schloß eine Tür auf und öffnete sie. […]
Hemingway mit seiner ersten Liebe Agnes von Kurowsky in Mailand, Italien, 1918
Während wir aßen, trug Catherine meine Uniformjacke um die Schultern. Wir waren sehr hungrig, und das Essen war gut, und wir tranken eine Flasche Capri und eine Flasche St. Estèphe. Ich trank das meiste, aber Catherine trank auch etwas, und sie fühlte sich großartig danach. Zum Essen gab es eine Schnepfe mit Kartoffelsoufflé und Maronenpüree und Salat und Zabaione als Nachtisch.«21
Das Menü
Waldschnepfe, in Armagnac flambiert
Kartoffelsoufflé
Maronenpüree
Salat
Zabaione
Weine
Capri
St. Estèphe
* * *
Hemingway läßt Frederic Henry sein Wissen über Wildvögel zuteil werden, denn jener bestellt, ohne zu zögern, Schnepfe. Frederic weiß, daß die Schnepfe an geschmacklicher Feinheit einen Fasan übertrifft und daß in den ersten Herbstfrösten die richtige Zeit dafür ist. Mit Sicherheit dürfen wir auch davon ausgehen, daß Ernest Frederic sein Wissen über die Schnepfenjagd und die beste Zubereitungsart zugute kommen läßt:
»Waldschnepfen schießen sich dagegen leicht. Sie fliegen sacht, wie Eulen, und wenn Sie sie verfehlen, stoßen sie herunter und geben Ihnen leicht die Chance für einen zweiten Schuß. Aber was für Vögel, wenn man sie im eigenen Saft und mit Butter kocht und zwei Scheiben Speck und etwas Senf dazugibt, für die Sauce und mit Armagnac flambiert. Dazu muß man Cortin trinken oder Beaune, Pommard, auch Chambertin.«22
Obgleich der Wildkenner verlangen würde, daß die Schnepfe zubereitet wird, ohne daß sie vorher ausgenommen wurde (das heißt mit den Innereien in der Brusthöhle), so dürfte man heutzutage schwerlich Schnepfen bekommen, die vorher nicht ausgenommen worden sind. Frederic und Catherine genießen ihren Vogel zweifelsohne mit einer Sauce, die ihren Geschmack aus den Innereien und beigemischter foie gras bezieht. Das nachstehende Rezept geht davon aus, daß die Schnepfen ausgenommen sind. Wenn man keine Waldschnepfen bekommen kann, dann kann man auch einen anderen dunkelfleischigen Wildvogel verwenden, wie zum Beispiel Haselhuhn oder andere Schnepfenarten (2 kleinere Schnepfen statt einer Waldschnepfe).
4 PORTIONEN
4 Waldschnepfen
½ Zitrone, in 4 Teile geschnitten
Salz
Frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
8 Scheiben Speck
4 Eßlöffel Butter
1 Teelöffel scharfer Dijon-Senf
¼ Tasse Armagnac (oder ein anderer feiner
Brandy)
Den Ofen auf 200º vorheizen.
Das Innere jedes Vogels mit einem Stück Zitrone einreiben und mit einer Prise Salz würzen. Außen sowohl mit Salz als auch mit Pfeffer würzen. Beiseite stellen.
Den Speck in einen großen Topf geben und bei mittlerer Hitze braten. Wenn der Speck braun wird und eine Menge Fett abgegeben hat, den Speck aus dem Topf nehmen und beiseite stellen. Die Butter in den Topf geben und zergehen lassen, bis sie schäumt. Die Vögel mit verschnürten Beinen in den Topf legen und auf allen Seiten braun anbraten, 5 bis 8 Minuten. Den Topf von der Herdplatte nehmen und die Vögel nun in eine Bratpfanne geben. 10 bis 15 Minuten braten, dabei die Vögel häufig mit dem Fett des Specks übergießen. Die Schnepfen sind durchgebraten, wenn man an der Stelle, wo die Beine in den Rumpf übergehen, in die Haut schneiden kann und der Saft nicht mehr blutigdunkel, sondern hell herausläuft.
Die Vögel auf einen Teller legen und die Bindfäden entfernen. Den Topf bei mittlerer Hitze auf den Herd stellen. Den Senf unter die im Topf übriggebliebene Flüssigkeit rühren. Die Vögel und den Speck wieder in den Topf geben, dazu den Armagnac. Kurz erhitzen und den Brandy am Rand des Topfes anzünden. Vorsicht walten lassen und das Gesicht in sicherem Abstand von dem Topf halten. Wenn die Flammen ausgehen, die Vögel und den Speck auf eine vorgewärmte Servierplatte legen. Die Sauce aus dem Topf über die Schnepfen und den Speck gießen. Servieren.
Die zufällige Erfindung dieser Küchenkreation geht zurück auf die Eröffnungsfahrt der ersten französischen Eisenbahnlinie 1837 von Paris nach Saint-Germain. Zum Menü des Festbanketts gehörten das obligatorische Filetsteak und Bratkartoffeln. Der offizielle Zug mit König Louis-Philippe und der Königin hatte natürlich Verspätung. Schlimmes ahnend, nahm der Koch seine Bratkartoffeln vorsorglich aus dem Öl und ließ sie abkühlen. Als der Zug schließlich ankam, gab der Küchenchef mit dem Mute der Verzweiflung die kalten Kartoffeln erneut ins heiße Öl, ohne zu wissen, welch kulinarisches Chaos daraus entstehen könnte. Was daraus wurde, waren die köstlichen, luftig-flockigen Kartoffelbällchen, die seither jedes Diner um einen Genuß bereichern.23
2 POTIONEN
2 Tassen Pflanzenöl bzw. eine zum Ausbacken ausreichende Menge
2 große Kartoffeln
Salz
Das Öl in einen Topf (20 bis 24 cm Durchmesser) oder in eine Friteuse geben und auf mittlere Temperatur erhitzen. Die Kartoffeln schälen, waschen und trocknen. Die Kartoffeln in ungefähr 1 cm dicke Scheiben schneiden. Die Scheiben waschen und trockentupfen. Wenn das Öl auf ungefähr 150º erhitzt ist, die Kartoffelscheiben hineingeben. Das kann einige Arbeitsgänge erfordern. Wenn die Scheiben an die Oberfläche hochsteigen, diese herausnehmen und auf Küchenkrepp oder braunem Packpapier ausbreiten. Die Scheiben ganz abkühlen lassen.