Umschlag
mit einem Ausschnitt aus der Zeichnung Wilhelm Bauers:
Längsschnitt durch den in Sankt Petersburg gebauten
Hyponautischen Apparat, 1855
Nach einem Foto Deutsches Museum BN 50281
© 2014 Angelika Prochnow, Kiel und Christine Mierendorff, Sankt Augustin, beide geb.
Herold, für die Texte von Klaus Herold.
© 2014 Kathrin Prochnow, Hamburg für die Umschlaggestaltung.
© 2014 Harald Pinl, Langenhagen für Vor- und Nachwort sowie die Abbildungen wie verzeichnet.
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783738684872
Ausschnitt aus der Zeichnung Wilhelm Bauers:
Längsschnitt durch den Hyponautischen Apparat, 1855 Foto Deutsches Museum BN 50281
Portrait Wilhelm Bauers. Stahlstich v. Weger, Leipzig : Baumgärtner, um 1860
Ausstieg aus dem sinkenden „Brand-Tauch-Apparat“ Wilhelm Bauers am 1. Februar 1851 im Kieler Hafen. Ausschnitt aus Repro: StadtAD, NLB 64 Bilder 2 (21)
Portrait Zar Nikolaus I. (1825-1855), in Dodd: Pictorial History. 1856, S. 3
Seefestung Kronstadt: Cronstadt vue et Plan de l’Ile et du Port de Cronstadt. Paris : Miné, um 1850 (Ausschnitt)
Tauchboot von General Schilder 1834. Skizze H.P. nach einer Briefmarke aus S. Tomé e Principe 2009, Db 15000
Kronstädter Bucht. Karte „Umgebung von St. Petersburg“, in: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Aufl. Leipzig : BI, 1885-1890, Stichwort: Petersburg
Portrait Marschall Ivan Paskevich, Fürst von Warschau und Statthalter von Polen. Gemälde Franz Krüger 1834: Eremitage, SPb.
Portrait Generaladmiral Konstantin Nikolaevich Romanov. Photo um 1860.
Portrait Moritz Jacobi. Lithographie Eduard Hau, Dorpat 1837
Wilhelm Bauers Tauchapparat, Längsansicht. Drittes Modell 1852/53: DMM, Sammlungen 1937/74463. Photo K. Herold
Längs- und Querschnitte des Hyponautischen Apparates: Illustrirte Zeitung (Leipzig) Nr. 704 (1856-12-27), S. 410
Prüfung des Bauer’schen Projektes. Journal MGK Nr. 304 vom 16.05. 1855: RGA VMF, f. 158, op. 2, d. 1707, l. 17 (Ausschnitt)
Kontrakt (Anfang) vom 20.06.1855 für den Bau des Hyponautischen Apparates: RGA VMF, f. 158, op. 2, d. 1707, l. 83
Entwurf Bauer’s für einen Hyponautischen Apparat mit Gasmaschine, England, 12.02.1853: DMM, Z.-Nr. 2239, Foto Deutsches Museum BN 10351
Portrait Marineminister Admiral Ferdinand von Wrangel, in: Engelhardt: Ferdinand v. Wrangel und seine Reise längs …
Hyponautischer Apparat, Zeichnung Bauer 1855: DMM, Plansammlung TZ 03977. Foto Deutsches Museum BN 50281
Prinzip eines Tretrades: Abb. „Der Bauersche Brandtaucher“, in: Haas/Krumm/Stoltenberg: Schleswig-Holstein meerumschlungen. S. 431 (Ausschnitt)
Antriebsanlage des „Brandtauchers“, mit Tretrad und Getriebe. Photo von 1936: Günzburger National-Zeitung (1936-05-24)
Vorderansicht Hyponautischer Apparat. Drittes Modell, Bauer 1852/53. DMM, Sammlungen Nr. 1937/74463: Foto Deutsches Museum BN 27081
Petersburger Fabrikarbeiter Ende 19. Jh. Photo in Carmichael: Histoire illustrée de la Russie, S. 215
Obvodnyj-Kanal zwischen Kalinkinbrücke und Katharinenhof-Fluss, nach Osten geblickt. Photo Natalja Davydova, 2004
Neue Kalinkin-Brücke über den Obvodnyj-Kanal. Photo Karl Bulla, um 1900
Kostenerhebung Hypon. Apparat. Schreiben (geheim) Gelehrtes Komitee Nr. 201, Präsident Vizeadm. Reinecke, vom 09.12.1855 an Kap. I. Rg. Krusenstern: RGA VMF, f. 14, op. 1, d. 463, l. 24
Schuppen auf der Galeeren-Insel. Photo von 1863, in: Afonin: Admiraltejskie Verfi, S. 89, Abb. 110
Die Häfen von Kronstadt: Nach einer Zeichnung in: Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 572 (1854-06-17), S. 392-393
Torgebäude der „Admiralität“. Photo H.P. 1981
Kronstadt: Special-Karte von Kronstadt und der Insel Kotlin. Gez. von Pawloff. Berlin : Nesselmann, 1854 (Ausschnitt)
Besuch des Generaladmirals in Kronstadt. Zeichnung Karl Bloßfeld in: Foerster: Wilhelm Bauers Kampf
Portrait Zar Alexander II. (1856-1881). Zeichnung in Wormeley (1893): Russia and Turkey, S. 191
Probefahrten mit dem Taucherschiff von Wilhelm Bauer vor dem Hafen von Kronstadt am 24. Juni 1856: Illustrirte Zeitung (Leipzig) Nr. 681 (1856-07-19), S. 45
Der in Petersburg von Bauer erbaute Apparat. Zeichnung Nr. III in Hauff: Unterseeische Schifffahrt, S. 83
Einspruch Bauers vom 21.07.1856 gegen das Abnahmeprotokoll Tauchfahrt am 16.07.1856: StadtAD, NLB 4 (8)
Konzert unter Wasser. Stahlstich in Payne’s Panorama Bd. 1. 1859, im Aufsatz von Hofmann: Wilhelm Bauer, S. 208
Das unterseeische Konzert 1856. In: Die Gartenlaube Nr. 35 (1863), S. 557
Angriff in der Tiefe. Wilhelm Bauers „Küstenbrander“. Zeichnung in: Die Gartenlaube Nr. 35 (1864), S. 557
Längsschnitt Hyponautischer Apparat, Zeichnung Bauer 1855: DMM, Plansammlung TZ 03977 (Ausschnitt). Foto Deutsches Museum BN 50281
Decksplan des Hyponautischen Apparates. Zeichnung Bauer 1855: DMM, Plansammlung TZ 03977 (Ausschnitt). Foto Deutsches Museum BN 50281
Lage der Ochta-Werft. Stadtplan „St. Petersburg“ 1845. Steindruck Renner, Dresden und Leipzig
Unterseeische Korvette. Zeichnung Nr. IV in Hauff: Unterseeische Schifffahrt, S. 83
Vorderansicht Unterseeische Korvette. Zeichnung Bauer Mai 1857: DMM Plan Nr. 2275, Foto Deutsches Museum BN 47314
Symbol russischen Kriegsschiffbaus: Der „Fljuger“ (Flögel) auf der Turmspitze der Admiralität in Sankt Petersburg. Montage H.P.
Längsschnitt und Decksplan Unterseeische Korvette. Zeichnung Bauer Mai 1857: DMM Plan Nr. 2275, Foto Deutsches Museum BN 47310 und 47312-14
Hinteransicht Unterseeische Korvette. Zeichnung Bauer Mai 1857: DMM Plan Nr. 2275, Foto Deutsches Museum BN 47312
Flagge des Generaladmirals der Russischen Seekriegsflotte, 1797-1917. Bildmontage H.P.
Submarine Kameele zur Hebung gesunkener Schiffe. Zeichnung Bauers 1857: Foto Deutsches Museum BN 47257
Ernennung Bauers zum Freien Mechaniker. Schiffbautechn. Komitee vom 17.03.1857: StadtAD, NLB 6 (7)
Zeugnis für Bauer (Anfang und Ende), MGK Nr. 7390, vom 19.05.1858: StadtAD, NLB 7 (12). Bildmontage H.P.
Ausreisepass für Wilhelm und Sophie Bauer, vom 27.06.1858: StadtAD, NLB 4 (40)
Wilhelm und Frau Sophie Bauer, geb. Hösli (1856-1858)
Titelblatt „Die Gartenlaube“ Nr. 48 (1862). (Ausschnitt)
Merkmale von in Russland gebauten Tauchbooten, 1834-1867. Zusammenstellung H.P.
Überfluter „PL-2“ von O. Gern, 1855. Bildmontage H.P. nach Bykhovskij: Podv. lodki Gerna, in: Sudostroenie 7 (1983), S. 57
Baltisches Werk (ehem. Carr & McFerson) um 1900. Bauplatz Aleksandrovskij-Uboot 1864-1865, in: Shtiglic: Arkhitektura, S. 64
Vergleich Bauerscher Tauchboots-Konstruktionen: Brandtaucher / Seeteufel. Daten nach Klaus Herold.
Plan von St. Petersburg, 1845. Ausschnitt Stadtplan „St. Petersburg“. Steindruck Renner, Dresden und Leipzig
Längsschnitt und Außenansicht „Seeteufel“ nach Radunz: Brandtaucher. In: Das U-Boot (1917-02-01) Heft 2, S. 107, Abb. 1 und Scheffel: Brandtaucher, S. 224
Wenn nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen aus dem Wilhelm-Bauer-Archiv Klaus Herold.
Adm | Admiral |
Akad. d. Wiss. | Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg |
A.S. | Datum alten Stils, nach dem Julianischen Kalender |
Dep | Departement im Marineministerium |
d. J. | dieses Jahres |
DMM | Deutsches Museum München |
f., op., d., l. | fond [Fond; Bestand], opis [Verzeichnis], delo [Akte], list [Blatt]: russische Archivalienbezeichnungen |
GenAdm | Generaladmiral, auch Großadmiral, hier Großfürst Konstantin Nikolaevich, der Bruder des Zaren Alexander II. |
HypApp | Hyponautischer Apparat |
HSAM | Bayer. Hauptstaatsarchiv, München |
Insp | Inspektion im Marineministerium |
Kap. I. Rg. | Kapitän I. Ranges, Dienstgrad der russischen Marine (Kapitän zur See) |
MM | Marineminister, auch See-Minister oder Verweser des Marine-Ministeriums |
MGK | Marine-Gelehrten-Komitee, auch Gelehrtes oder Wissenschaftliches Komitee [Morskoj uchennyj komitet] |
NLB | Nachlass Wilhelm Bauer im Stadtarchiv Dillingen/Donau |
NLB Nr. (Nr.) | Mappe Nr. und Dokument Nr. im Nachlass Wilhelm Bauers im Stadtarchiv Dillingen a.d. Donau |
N.S. | Datum neuen Stils, nach dem Gregorianischen Kalender |
o. D. | ohne Datum |
o. J. | ohne Jahr |
RGA VMF | Rossijskij Gosudarstvennyj Arkhiv Voenno-Morskogo Flota [Russländisches Staatsarchiv der Seekriegsflotte], St. Petersburg |
SB-Dep | Schiffbau-Departement [Korablestroitel’nyj Departament], Abtlg. Kriegsschiffbau im Marineministerium |
ST-Komitee | Schiffbautechnisches Komitee [Korablestroitel’nyj Tekhnicheskij Komitet] in der Abtlg. Kriegsschiffbau des Marineministeriums |
StadtAD | Stadtarchiv Dillingen an der Donau |
SPb | St. Petersburg |
uW/üW | unter Wasser / über Wasser |
Z.-Nr. | Zeichnung Nr. |
„Der Petersburger Seeteufel – Wilhelm Bauers russisches Tauchboot“ war von Klaus Herold als Fortsetzung seines 1993 publizierten Buches „Der Kieler Brandtaucher - Wilhelm Bauers erstes Tauchboot“ gedacht.1 Erste gezielte Untersuchungen zum „Seeteufel“ begann er etwa im Jahre 2000, doch war es ihm nicht mehr vergönnt, diese Arbeiten zu Ende zu führen, da er im September 2013 verstarb. Aber er hinterließ nicht nur ein ca. 60 Aktenordner umfassendes Archiv zu Wilhelm Bauer, sondern er hatte bereits die Kapitel für ein Buch zu Bauers Wirken in Russland entworfen. Der Wert und der Verdienst von Klaus Herold liegen vor allem in den vorbereitenden Arbeiten dazu, dem Übertragen der schwer lesbaren handschriftlichen Quellentexte. Das sind einmal die Schreiben Wilhelm Bauers, die Herold selbst transkribiert hat und die russischen Dokumente, die im Laufe von Jahrzehnten von verschiedenen Personen übersetzt wurden. Auf Veranlassung des Kulturamtes der Stadt München wurden vor 1943 einige russische Dokumente übersetzt. Herold selbst veranlasste die Übersetzung der rund 150 Dokumente aus dem russischen Marinearchiv (RGA VMF), die er 2001 als Kopien erhalten hatte. Als Übersetzer seien genannt: Natalja Davydova in Kiel, Martina Lehmann in Bischofswerda und Hermann Mierendorff in Sankt Augustin. Diese Quellentexte sind die Grundlage für die vorliegende Schrift, wobei die übersetzten Texte vom Bearbeiter teilweise in fachlicher Hinsicht überarbeitet wurden. Zwar gibt es zum „Petersburger Seeteufel“ zusammenfassende Darstellungen, wie in Ludwig Hauffs „Unterseeischer Schifffahrt“2, in Oskar Gluths oder Adolf Layers „Wilhelm Bauer“3, aber Klaus Herold wollte vor allem die bisherigen Darstellungen eingehender mit Quellen belegen und ihre Ursprünglichkeit zur Geltung bringen. Um jedoch den Umfang der Schrift nicht allzu groß werden zu lassen, wurden seine Entwürfe vom Bearbeiter gestrafft: Die ersten Kapitel des Heroldschen Entwurfes befassen sich recht ausführlich mit der Biographie Wilhelm Bauers als Submarine-Ingenieur, der Entwicklung russischer Tauchboote und dem Verlauf des Krimkrieges 1853-1856. Da es dazu anderweitig ausreichende Literatur gibt, wie Klaus Herolds eigene Schrift „Brandtaucher“, Wilhelm Treues „Krimkrieg“4, Rafail Me‘lnikovs „Erste Russische Uboote“5 oder Normann Polmars „Submarines“6, wurden diese Themen hier durch den Bearbeiter zu einer Einführung „Wilhelm Bauer und die Unterwasserfahrt“ zusammen gefasst. Anschließend wird dem eigentlichen Geschehen um den Petersburger Seeteufel in Herolds eigener Ausdrucksweise Raum gegeben. In den folgenden Kapiteln wurde der ursprüngliche Text von Klaus Herold beibehalten und nur marginal geglättet, um Brüche an den Übergängen zu vermeiden. Anmerkungen des Autors sind in Kursivschrift gesetzt, Textteile des Bearbeiters mit dem vom Standard Garamond abweichenden Schrifttyp Times New Roman gedruckt und mit H.P. gezeichnet.
Das russische Tauchboot des Wilhelm Bauer wird in zahlreichen Publikationen „Seeteufel“ genannt. Diese Bezeichnung tauchte zunächst nur im Zusammenhang mit dem „Brandtaucher“ in Kiel auf.7 In den amtlichen russischen Akten der Zeit seiner Entstehung ist dieser Name ebenfalls nicht zu finden und in nahezu allen Schreiben und Dokumenten der damaligen Zeit, soweit sie sich auf Wilhelm Bauers Tätigkeit in Russland beziehen, kommt das Wort „Seeteufel“ nicht vor, selbst in den „Erinnerungen“ Bauers aus dem Jahre 1866 nicht.8 Das von ihm gebaute Tauchboot wird fast ausschließlich „hyponautischer Apparat“ oder nur „Apparat“ genannt. In den ersten Beschreibungen von Bauers Tauchapparaten in der „Gartenlaube“ wurde seit 1862 der für den Kieler „Brandtaucher“ verwendete Name „Seeteufel“ ebenfalls auf die Petersburger Konstruktion als „russischem Seeteufel“ übertragen und fortan setzte sich in der Literatur die Bezeichnung „Seeteufel“, entsprechend „Le Diable Marin“ oder „Морской чeрт“, durch.9 Dieser Name wird deshalb auch hier verwendet, wenn von dem Tauchboot die Rede ist, das Bauer 1855 in Petersburg baute und 1856 vor Kronstadt erprobte.
Auf welche Quellen stützt sich Herolds Darstellung? Wie schon in seinem „Kieler Brandtaucher“ verwendete er die Unterlagen, die im Stadtarchiv Dillingen im Nachlass Wilhelms Bauers vorliegen, den Bericht „Unterseeische Schifffahrt“ von Hauff aus dem Jahre 1859 und die zahlreichen Artikel in der „Gartenlaube“, die seit dem Jahre 1861 über Wilhelm Bauers Erfindungen schrieb. Hinzu gekommen sind erstmals Dokumente aus dem russischen Marinearchiv in St. Petersburg, die vor 1990 nur schwer zugänglich waren. Dort im „Rossijskij Gosudarstvennyj Arkhiv Voenno-Morskogo Flota“ (RGA VMF), dem Russländischen Staatsarchiv der Seekriegsflotte, finden sich v.a. in den Akten des Schiffbau-Departements des Marineministeriums der Schriftverkehr Bauers und die Berichte des „Morskoj uchennyj komitet“, des Gelehrten-Komitees der Marine, das auch als Gelehrtes oder Wissenschaftliches Komitee bezeichnet wurde.
Wenn nicht anders angegeben, wird das Datum eines Ereignisses nach dem julianische Kalender (alter Stil, A.S.) angegeben. Dadurch wird Übereinstimmung mit den zitierten russischen Dokumenten gewahrt. Wird zusätzlich das gregorianische Datum genannt (neuer Stil, N.S.), wird es mit Schrägstrich abgesetzt. Das Datum der gregorianischen Zeitrechnung erhält man für das 19. Jahrhundert, indem 12 Tage hinzugerechnet werden. Russische Namen und Ausdrücke werden im nicht-zitierten Text nach dem in Russland gültigen Gosstandard ST SEV 1362 (1978) transkribiert, da so diakritische Zeichen vermieden werden. Im Deutschen übliche geographische Bezeichnungen und Eigennamen, wie Kronstadt, Peterhof, Newa und Peter, Paul oder Krusenstern wurden beibehalten. Die Schreiben der damaligen Zeit waren alle mit der Hand gefertigt. Dabei schrieb Bauer in der Regel auf Deutsch und die Schreiben russischer Stellen waren in Russisch gehalten.
Langenhagen, im November 2014
Harald Pinl
Die Natur schleudert den Vogel in die Lüfte Den Fisch in die Tiefen des Meeres, Doch des Menschen göttlich Geist Erforscht und benützt deren Kräfte.
Wilhelm Bauer, 1859
1 Herold, Klaus: Der Kieler Brandtaucher : Wilhelm Bauers erstes Tauchboot – Ergebnisse einer Nachforschung. Bonn : Bernard & Graefe, 1993
2 Hauff, Ludwig: Die unterseeische Schifffahrt, erfunden und ausgeführt von Wilhelm Bauer (Nachdruck der Ausgabe Bamberg : Buchner, 1859). Bamberg : Buchner, 1915 und Weinheim : Physik-Vlg., 1982, S. 22-59, 110-115
3 Gluth, Oskar: Wilhelm Bauer. Der Erfinder des unabhängigen Unterseebootes. Sein Werk und seine Enttäuschungen im Rahmen seines Lebens. München : Hans Sachs, 1911, Kap. V und VI; Layer, Adolf: Wilhelm Bauer (1822-1875). Sonderdruck aus Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben. Weißenhorn : Konrad, 1972, S. 285-294
4 Treue, Wilhelm: Der Krimkrieg und seine Bedeutung für die Entstehung der modernen Flotten. 2. Aufl. Herford : Mittler, 1980
5 Mel′nikov, Rafail Mikhajlovich: Pervye podvodnye lodki russkogo flota [Die ersten Uboote der russischen Flotte]. In: Ders.: Istorija otechestvennogo sudostroenija [Geschichte des heimischen Schiffbaus]; Bd. 2. Sankt-Peterburg : Sudostroenie, 1996, S. 434-443
6 Noot, Jurrien; Polmar, Normann: Submarines of the Russian and Soviet Navies, 1718-1990. Annapolis : Naval Institute Press, 1991
7 Vgl. Die Gartenlaube (1863) Nr. 8, S. 124-126; Nr. 35, S. 554-556; Nr. 38, S. 604-607
8 Bauer, Wilhelm: Erinnerungen aus meinem vielbewegten Leben. Autobiographische Handschrift von 1866. In Maschinenschrift gesetzt 1943. Stadtarchiv Dillingen/Donau: Nachlass Wilhelm Bauer, Kasten 8, Mappe 4
9 Vgl. Die Gartenlaube Nr. 35 (1863), S. 554-556; Nr. 38 (1863), S. 604-607
Trotz des missglückten Tauchversuches mit seinem „Brandtaucher“ im Februar 1851 im Kieler Hafen verfolgte Wilhelm Bauer weiterhin seinen Plan, einen Tauchapparat zu realisieren, der sich mit einer Besatzung unter Wasser fortbewegen und als Waffe eingesetzt werden könnte. Dazu baute er 1852 in München ein Funktionsmodell, das die Erfahrungen mit dem Brandtaucher berücksichtigte und das er auf seinen Aquisitionsreisen in Wasserbecken oder gar in freier See vorführte. In den Jahren 1851 bis 1855 konnte Bauer in München, Athen, Wien, London und Paris seine Vorstellungen von einer Unterwasserfahrt selbst regierenden Häuptern darlegen, wie dem bayerischen König Maximilian II., dem österreichischen Kaiser Franz-Josef I. sowie der britischen Queen Victoria mit ihrem Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg-Gotha. In Paris stellte er 1853 sein Projekt einer Kommission der französischen Marine vor und demonstrierte es an seinem dritten Modell im Maßstab 1:12 mit ca. 1,12 m Länge, 0,28 m Breite und 0,31 m Höhe. Dieses Modell ist uns im Deutschen Museum in München erhalten geblieben (vgl. Abb. S. 32).10 Doch obwohl er in allen Fällen auf anfänglich großes Interesse stieß, ließ dieses nach einiger Zeit nach und es fand sich niemand bereit, sein Projekt zu realisieren. Meist gaben die zu erwartenden hohen Kosten den negativen Ausschlag. Auch persönliche Enttäuschungen Bauers und das Gefühl, ausgenutzt zu werden, ließen Bauer selbst Rückzieher machen, so in Paris und London. Dort hatte er seine Erfindung beim Britischen Patentamt angemeldet, als „Vessel to be used chiefly under water, and Apparatus for Propelling, Balancing and Steering the same, &c.“11 Doch aus Geldmangel blieb es beim befristeten Registrierungspatent und Bauer konnte kein Vollpatent mit dem „Great Seal“ erwerben. Außerdem beschlich ihn beim Patentierungsverfahren das Gefühl, dass seine Idee von anderen ohne ihn umgesetzt werden sollte. In Paris vermutete er, dass man sein Modell nächtens manipuliert und abgegriffen habe, um selbständig ohne ihn weiter arbeiten zu können.12 Auf der Suche nach Geldgebern wandte sich Bauer von London aus im August 1853 in einem Brief an den Zaren in Sankt Petersburg. Er bot den Bau eines „hyponautischen Apparates“ an, der „mittelst einer Gaskraft statt des Dampfes, mit der Geschwindigkeit der Dampfschiffe in jeder beliebigen Richtung sowohl unter wie über dem Niveau des Wassers vollkommen selbstständig bewegt werden kann.“13 Mit dem Apparat sollte es möglich sein, eine Sprengladung an einem feindlichen Schiff anzubringen. Diese „Petarden“ waren konische Metallgefäße mit etwa 4 kg Pulverladung, die über eine Zündschnur aus der Ferne gezündet werden konnten.14 Mit der vorgeschlagenen Gasmaschine für den Antrieb war Bauer allerdings noch im Stadium des Experimentierens, bisher erfolglos.15
Der Zeitpunkt seines Angebotes an den Zaren erschien Bauer günstig, denn Russland hatte zum wiederholten Male geglaubt, gegen das schwächelnde Osmanische Reich zu Felde ziehen zu müssen, um sich unter dem Deckmantel des Schutzes orthodoxer Glaubensbrüder territorial auszuweiten. Aber damit war es 1853 in einen Konflikt mit England und Frankreich geraten, der zum Krieg führte. Bauer bot also von London aus dem Gegner Großbritanniens seine Erfindung für eine Kriegsoperation an, stieß aber trotzdem zunächst noch auf kein größeres Interesse und erhielt so auf diesen Brief auch keine Antwort. Sein Vorhaben wurde von russischer Seite nicht weiter verfolgt, weil es nach Meinung der russischen Marine zu wenig Substanz enthielt und ihm keine Angaben über Vorteile und Nutzen des Projektes zu entnehmen waren.16 Auch erschien ein derartiges Projekt nicht dringlich, denn obwohl Russland versucht hatte, die „Orientalische Frage“ im Juni 1853 mit der Besetzung der Donaufürstentümer Moldau und Walachei zu lösen, konnte im August 1853 noch keine Rede von Auswirkungen des „Krimkrieges“ bis in die Ostsee vor den wichtigsten russischen Kriegshafen Kronstadt und die Quais der Hauptstadt St. Petersburg sein.17 Als Bauer allerdings im April 1855 London verlassen hatte und über Hamburg nach Berlin gereist war, herrschte in Petersburg eine andere Situation. Im März 1854 waren erste britische Kriegsschiffe unter dem Kommando von Admiral Charles John Napier in die Ostsee eingelaufen und hatten begonnen, die russischen Häfen zu blockieren. Nachdem im August 1854 auch noch die russische Festung Bomarsund auf den Ålandinseln in alliierte Hände gefallen war und nachdem die verbündeten französischen und britischen Truppen im September 1854 auf der Halbinsel Krim gelandet waren und den Hauptstützpunkt Sewastopol der russischen Schwarzmeerflotte einschlossen hatten, fürchtete man auch in Petersburg eine den Süden entlastende alliierte Seeblockade in der Ostsee weit stärker als bisher. Viel war im Winter 1854/55 zur allgemeinen Verteidigung der russischen Küste geschehen. Durch den Druck der verbündeten Flotten, bzw. durch ihr bloßes Vorhandensein waren 170.000 Mann Truppen zur Sicherung von Petersburg und der russischen Küsten in Finnland und im Baltikum zurückgehalten worden, die man so dem Süden auf der Krim entzog. Neben zusätzlichen Beobachtungs- und Signalstellen waren telegraphische Verbindungen eingerichtet und die wichtigsten Seefestungen Kronstadt und Sveaborg (Helsingfors/Helsinki) verstärkt worden.
Neben dem Schutz der Häfen durch Minensperren und andere Sperrvorrichtungen wurden vor allem kleinere, flachgehende Fahrzeuge wie Ruder- und Schrauben-Kanonenboote neu gebaut, da man auf russischer Seite direkte Angriffe auf die Seefestung Kronstadt und die Stadt Petersburg befürchtete. Doch die französischen und britischen Linienschiffe hatten dafür einen zu großen Tiefgang und flachgehende Kanonenboote standen ihnen nicht zur Verfügung.
Die russische Flotte war in der Ostsee durch die alliierte Blockade zwar lahmgelegt, suchte aber auch von sich aus gar nicht die Seeschlacht und verhielt sich defensiv.18 Um dieses Konzept der Verteidigung zu komplettieren, griff das russische Admiralitätskollegium ältere Projekte, wie den Bau von Tauchbooten, wieder auf.
Welche Versuche, ein unterseeisches Fahrzeug für Kriegseinsätze zu konstruieren, hatte es vor und während Wilhelm Bauers Zeit in Russland gegeben?
Als „Geburtsdatum“ der regulären russländischen Seekriegsflotte gilt das Jahr 1696, in dem Zar Peter I. in Voronezh eine Flotte bauen ließ, um erfolgreich gegen die türkische Festung Azov zu ziehen und Azov wurde nach der Eroberung zum ersten russländischen Kriegshafen ausgebaut. Noch wichtiger wurde für Peter I. der Aufbau einer seegängigen Kriegsflotte in der Ostsee, nachdem er Russland im Nordischen Krieg gegen Schweden den dauerhaften Zugang zur Ostseeküste verschafft hatte.19 Peters des I. virulenter und auf Neuerungen gerichtete Geist ließ ihn auch an Versuche für ein Fahrzeug unter Wasser denken. 1718 hatte der Schiffbaumeister Efim P. Nikonov den Bau eines unter Wasser "versteckten Schiffes" vorgeschlagen. Der zigarrenförmige Rumpf sollte aus Eichenplanken sein, umhüllt mit ölgetränkten Tierhäuten. Das Fahrzeug sollte mit gewöhnlichen Riemen angetrieben werden, die durch abgedichtete Löcher in der Bordwand führten. Am 31. Januar 1719 stimmte Zar Peter I. dem Bau eines derartigen Unterwasserfahrzeuges zu. Ein Modell wurde im Juni 1720 fertiggestellt und in Anwesenheit des Zaren erfolgreich erprobt. Daraufhin wurde der Auftrag für eine Serie erteilt. Das erste, im August 1724 fertiggestellte Boot „Morel'“ kam aber beim Stapellauf zu Schaden. Mit dem Tode Peters I. im Frühjahr 1725 wurde der weitere Bau jedoch eingestellt.20
Erst über 100 Jahre später wurde in Russland das nächste unterseeische Fahrzeug gebaut. Der russische Ingenieur und General Karl Schilder (Karl Andreevich Shil'der, 1786-1854) baute und erprobte ab 1834 ein 16 t-Tauchboot (6 m x 2 m x 1,5 m) mit einer elektrisch gezündeten Mine an einer Spiere, das erstmals ganz aus Eisen gefertigt war. Eine länglich geformte metallische Hülle aus 5 mm Eisenblech versteifte er quer mit Rundeisen. Der langgezogene Kiel und die Steven waren aus Eisen geschmiedet. Als Ballast wurde Blei mitgeführt. Angetrieben wurde das Tauchboot durch flossenartige Propellerflügel, je zwei an beiden Seiten, die von zwei Mann per Hand gedreht wurden. Im Vor- und Achterschiff befanden sich je ein Turm und die Frischluft wurde durch ein senkrechtes Rohr im Turm zugeführt. Ein optisches Rohr zur Beobachtung der Wasser-Oberfläche kann zu den ersten Sehrohren gezählt werden. 1841 wurden die Erprobungen auf der Newa eingestellt. Ein Modell steht im Zentralen Seekriegsmuseum in St. Petersburg (vgl. Abb. S. 21).21
Zu Beginn des Krimkrieges hielt sich der Fortifikations-Ingenieur Ottomar Gern in Reval auf und zu seinen Aufgaben gehörte es, die Küste und den Hafen gegen eventuelle Angriffe der britisch-französischen Flotte in der Ostsee zu verteidigen. Konstantin Borisovich Gern, wie er im Russischen genannt wurde,22 verfiel auf die Idee eines unter Wasser fahrenden Branders: Ein halbgetauchtes Boot aus Holz, von dem nur eine Beobachtungskuppel und zwei Luftröhren aus dem Wasser ragten, sollte von vier Mann mit Muskelkraft angetrieben werden und so Sprengladungen an feindlichen Schiffen anbringen können. Das Boot wurde mit einer Archimedischen Schraube am Heck vorangetrieben und sollte mit einem einfachen Heckruderblatt gesteuert werden. Ein Tiefensteuer war nicht nötig, da das Boot keine Tauchbewegungen ausführen sollte. Doch das hölzerne Boot war nicht richtig dicht zu bekommen und bewegte sich nur ungenügend, wie das Amt für Kriegsingenieurwesen feststellte.23
Im Verlauf des Krimkrieges wurden von der russischen Marine mehrere Unterwasser-Projekte ins Auge gefasst, darunter die von N. Spiridonov, N. Polevoj und A. Titkov sowie die von Ottomar (Konstantin) B. Gern und Wilhelm Bauer. Die Marine gab den beiden Vorhaben von Gern und Bauer den Vorzug, weil sie bereits Tauchapparate gebaut hatten und weil Bauer seine internationalen Erfahrungen einbringen konnte.24 Wilhelm Bauer trat mit seinem Projekt somit sowohl konstruktionsmäßig als auch zeitlich in direkte Konkurrenz zum einheimischen Tauchboot-Entwickler Ottomar Gern und es bleibt im Auge zu behalten, ob und welche Wechselwirkungen sich daraus ergaben.
10 Wilhelm Bauers Tauchapparat, Drittes Modell 1852/53: Deutsches Museum München, Sammlungen Inventar Nr. 1937/744 63
11 Improvement-Patent Nr. 1281/53 vom 25.05.1853, London, Brit. Patentamt
12 Bauer: Erinnerungen, S. 52
13 Bauer, London, an Zar Nikolaus I., Petersburg, vom 15.08.1853: RGA VMF f. 162, op. 1, d. 423, l. 4
14 Vgl. Poten, Bernhard von: Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften. Bd. 7. Bielefeld 1879, S. 375-376
15 Vgl. Wasser-Rotationsmaschine zum Hyponautischen Apparat. München, 12.11.1852: Deutsches Museum München, Z.-Nr. 2226
16 Vgl. Journal MGK Nr. 304, 16.05.1855: RGA VMF, f. 158, op. 2, d. 1707, l. 17-24
17 Zum Krimkrieg vgl. neben Treue „Der Krimkrieg“ auch Baumgart, Winfried: The Crimean War, 1853-1856. London : Arnold, 1999
18 Zum Seekrieg in der Ostsee vgl. Kirchhoff, Hermann: Seemacht in der Ostsee. Bd. 2. Kiel : Cordes, 1908, S. 188-222
19 Vgl.: Pinl, Harald: Der Kriegsschiffbau Russlands zwischen 1725 und 1762. Norderstedt : BoD, 2003, S. 15-20
20 Vgl. Pinl, Harald: Vom Holz-Fass zum Titan-Uboot : Annalen zur Schiffbautechnik des Ubootes. Norderstedt : BoD, 2005, S. 29
21 Ebenda, S. 33
22 Andersgläubige, die in Russland den orthodoxen Glauben annahmen, bekamen häufig einen neuen, religiös bezogenen Vornamen. Außerdem wurde der vom ersten Vornamen des Vaters abgeleitete „Vatersname“ dazu gesetzt.
23 Vgl. Bykhovskij, J.A.: Podvodnye lodki konstrukcii O.B. Gerna [Uboote der Kontruktion O.B. Gern]. In: Sudostroenie 7 (1983), S. 57-60
24 Vgl. Gribovskij, V.Ju.: Podvodnye lodki Rossijskogo Flota [Die U-Boote der Russländischen Flotte]. In: Sudostroenie 12 (1989), S. 50-54
Am 24. April 1855 kam Bauer von London über Hamburg in Berlin an. In seinen „Erinnerungen“ beschrieb er die abenteuerlichen Umstände dieser Reise:
„Ich kam mit dem Dampfer wohlbehalten bis Hamburg. Dort war ein Gentleman an der Dampfschiffpier und trat sofort zu mir auf das Deck mit der Äußerung: ‘Ich habe die Ehre Herrn Ingenieur Bauer zu sprechen?’. Ich bejahte es und sofort bot er mir eine schöne Stellung in London an, wenn ich zurückkehre. Doch ich war über das in der letzten Zeit in England Erlebte zu sehr erbost. Obgleich ich noch nicht wußte, ob ich in Rußland bauen kann und werde und auch keine andere Aussicht hatte, mein Fortkommen zu sichern, so erklärte ich ihm doch: ‘Ich habe nichts mehr mit England zu tun.’ Er erstaunte allerdings und zog schweigend ab.
Sofort begab ich mich in Hamburg nach dem Berliner Bahnhof und fuhr mit dem nächsten Zuge ab. In Berlin angekommen war bereits ein Telegramm vorausgeeilt, denn kaum hatte ich den Perron betreten, so war wieder ein Engländer da und forderte mich auf nach London zurückzukehren. Doch gab ich demselben gar keine weitere Beachtung, sondern fragte nach Herrn von Berg. Nachdem ich mich demselben vorgestellt und ihm meinen Brief gegeben hatte, beorderte er mich sofort zu Graf von Benkendorf und zum russischen Gesandten. Von dort wurde nach Petersburg telegraphiert und bald kam die Antwort, daß ich sofort nach Warschau gebracht werden soll. Dort werde eine Kommission sein, welche untersucht, ob ich Zeichnungen und Modelle besitze. So dürfte es somit in Petersburg bekannt gewesen sein, daß mir in London Zeichnungen und Modelle abgenommen werden sollten.“26
Vorausgegangen war dem ein privater, nicht offizieller Empfehlungsbrief des preußischen Sekretärs M. Alberts mit dem Briefkopf der „Königlich-Preußischen Gesandtschaft“, in dem er am 20. April 1855 in London an den Wirklichen Russischen Staatsrat Herrn von Berg in Berlin schrieb, der früher in London in russischen diplomatischen Diensten tätig gewesen war und zu den Mitarbeitern des russischen Militärattachés in Berlin, Graf von Benckendorff, zählte:
„Ew. Hochwohlgeboren, erlaube ich mir den Überbringer dieses, H. Bauer, ganz ergebenst zu empfehlen. Derselbe hat eine Erfindung, welche hier die größte Aufmerksamkeit und die Protection Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Albert erregt hat; nämlich einen Apparat unter Wasser zu fahren und sich nach Belieben zu bewegen. Die Englische Admiralität hatte früher die Erlaubnis eines solchen Apparates als eine unehrliche Waffe von der Hand gewiesen und wurde der Erfinder in der hiesigen Maschinenbau-Anstalt von Scott Russell beschäftigt, da der Besitzer dieser Anstalt, der die Wichtigkeit der Erfindung erkannt hatte, beabsichtigte einen solchen Apparat für seine Rechnung zu bauen. Er lies deshalb bereits von dem Bauer die nöthigen Zeichnungen anfertigen, doch nach Verlauf von einigen Monaten entließ er ihn, unter dem Vorwand, die hiesige Regierung wolle die Erlaubniß eines solchen Apparates, der ja auch zum Schmuggeln gebraucht werden könnte, nicht gestatten.
Jetzt indes sind von der hiesigen Regierung 10,000 £ St. bewilligt und der Bau eines solchen Apparates (mit Veränderung der äußeren Form, doch nach denselben Grundsätzen) von Scott Russell, Sir Charles Fox und Mr. Brunel (der drei ersten Ingenieure Englands) in Angriff genommen worden und zwar nachdem man nochmals den Apparat des H. Bauer genau untersucht hat.
Der H. Bauer, der über das gegen ihn beobachtete Verfahren auf’s äußerste indignirt ist, kommt jetzt mit seinem Apparat und den Zeichnungen nach Berlin und wird sich bei Ew. Hochwohlgeboren melden. Er kann die näheren Umstände, so wie die Details des hier zu erbauenden Apparates und seiner beabsichtigten Verwendung angeben, und glaube ich wohl, daß diese Angelegenheit für die K.K. Regierung von dem höchsten Interesse sein wird.“27
Nach Bauers Ankunft in Berlin schrieb Graf Benckendorff28 noch am selben Tag, den 12./24. April 1855, in französischer Sprache einen Brief an Baron Krusenstern29, den Bauer nach seiner Ankunft in Warschau übergab:
„Der vorliegende Brief wird von Eurer Exzellenz, dem Herrn Wilhelm Bauer, Hyponaut, ausgehändigt, der im direkten Weg aus England eingetroffen ist. Nach unserer Meinung enthüllen sich verschiedene interessante Anzeichen über die Schiffskonstruktionen und besonders Unterseeboote, die man dort momentan ausführt, in der Absicht, sie diesen Sommer gegen uns zu verwenden, sei es im Schwarzen Meer, sei es vor Kronstadt.
Da auch ich nicht im Stande bin, die Wichtigkeit seiner Enthüllungen zu beurteilen, habe ich veranlaßt, daß Herr Bauer sich nach Warschau begibt und sie dort seiner Hoheit Prinz Maréchal 30 präsentiert, der sicherlich geruhen wird, sie zu würdigen. Für meinen Teil habe ich, was Herrn Bauer angeht, keine Versprechungen gemacht; ich habe auf eigenes Risiko nur die Summe von zehn Talern vorgestreckt, die er braucht, um seine Reisekosten von hier nach Warschau zu decken.“ 31
Nach Bauers „Erinnerungen“:
„Als ich in Warschau ankam, war eine größere Anzahl von Offizieren bereits meiner harrend, sie besahen nur flüchtig meine Zeichnungen und der Chef des diplomatischen Corps und General Paskewitsch frugen nach dem Modell. Baron von Krusenstern beorderte sofort einen Gendarmerie-Officier, welcher sich mit mir nach Petersburg verfüge. Wir setzten uns daher am nächsten Morgen auf einen Wagen (Dreigespann) und während fünf Tage und fünf Nächte ging es in einem Galopp nach Petersburg.“ 32
Die Ankunft Wilhelm Bauers in Warschau war sofort telegraphisch nach Sankt Petersburg gemeldet worden, wie überhaupt die gesamte Angelegenheit mit großer Eile und Dringlichkeit auf hoher politischer Ebene behandelt wurde. Denn am 20. April 1855 (A.S.)33 sandte der Kriegsminister Fürst Vasilij Andreevich Dolgorukij ein geheimes Schreiben an „Seine Kaiserliche Hoheit Generaladmiral Großfürst Konstantin“ 34 mit folgendem Wortlaut:
„Generalfeldmarschall Fürst von Warschau teilte mir am 18. April dieses Jahres telegraphisch mit, daß in Warschau mit einem Schreiben vom Generaladjutanten Grafen Benckendorff ein gewisser Bauer eingetroffen ist, der uns ein von ihm entwickeltes Unterwassergerät anbietet, das zur Zeit in England zum Einsatz gegen uns hergestellt wird, daß Bauer seine Erfindung der englischen Regierung eröffnete und diese davon Besitz ergriff, ohne den Erfinder zu belohnen. Deshalb entschloß er sich aus Rache, die Erfindung uns zu eröffnen. Aus diesem Grund bittet Seine Erlaucht um Hoheitliche Erlaubnis, Bauer nach Sankt Petersburg zu befördern. Infolgedessen bat ich Seine Erlaucht gemäß Hoheitlichem Befehl um Vergewisserung, worin eigentlich die Erfindung Bauers bestünde und ob diese Aufmerksamkeit verdiene. In diesem Fall sowie wenn die Person Bauers selbst keinen Verdacht hervorruft, soll er mit einem zuverlässigen Offizier nach Sankt Petersburg befördert werden. Gleichzeitig soll dessen geheime Überwachung angeordnet werden.
Daraufhin bekam ich am gleichen Tag vom Generalfeldmarschall telegraphisch folgende Antwort: ‚Das von Bauer erfundene Unterseeboot habe ich bereits 1853 geprüft. Der verstorbene General Schilder entwickelte ein ähnliches Boot, das jedoch wegen geringer Drehfähigkeit keinen Erfolg hatte. Bauers Erfindung ist frei von diesem Nachteil, wie es aus der Theorie ersichtlich ist, und verdient es, erprobt zu werden. Bauer selbst scheint ein ungefährlicher Mensch zu sein. Deshalb beabsichtige ich, ihn morgen nach Petersburg in Begleitung eines Offiziers zu schicken, dem eine ausführliche Beschreibung des Geräts mitgegeben wird‘.“ 35
Der Fürst von Warschau, Feldmarschall Paskevich, schrieb dazu am 29. April 1855 aus Warschau als Geheimsache an den Kriegsminister Fürst Dolgorukij einen längeren Brief in dem er nochmals und etwas ausführlicher über die gesamte Angelegenheit berichtete und eine Beschreibung des Bauerschen Unterseebootes nach seinen Kenntnissen hinzufügte:
„daß gemäß meinem Befehl von einem erfahrenen Techniker eine eingehende Erörterung des obengenannten Gerätes durchgeführt wurde, auf der Grundlage der von Bauer vorgeschlagenen Pläne, nämlich:
Außerdem wurden die Schreiben von Alberts und Benckendorff beigefügt, um die Londoner Vorfälle zu bestätigen. Zum Schluss wurde noch die Person Bauers beurteilt:
„Abschließend habe ich die Ehre hinzuzufügen, daß bei der für diesen Ausländer, während seines Aufenthaltes in Warschau getroffenen geheimen Beobachtung nichts Auffälliges zu Lasten seiner Vertrauenswürdigkeit zu Tage trat, und daß er sich insgesamt als ein ungefährlicher Mensch erwies, der sich ausschließlich mit seiner Erfindung beschäftigt. Nichtsdestoweniger wird es unerläßlich sein, seine Tätigkeiten einer aufmerksamen Beobachtung zu unterziehen, nicht nur in polizeilicher Beziehung, sondern auch beim Bau des Gerätes und bei den Erprobungen damit, denn diese Erfindung hat nicht nur zum Ziel, einem Feind Schaden beizufügen, sondern könnte sogar für den Schmuggel geeignet sein.“38
Unterschrieben hat diesen Brief Marschall Paskevich, Statthalter Polens und Fürst von Warschau persönlich, so wichtig scheint die Sache gewesen zu sein. Die vier Dokumente, die Wilhelm Bauer in Warschau vorlegte, waren bisher nicht aufzufinden, vermutlich sind sie verschollen.
Nach Feststellung seiner Personalien und Überprüfung der mitgeführten Unterlagen setzte man Bauer in eine Troika, die ihn in eiligster Fahrt nach Sankt Petersburg brachte, eskortiert von einem Gendarmerieoffizier und von Kosaken. Nur der Wechsel der Pferde auf den Postrelais unterbrach die Reise, die über eine Entfernung von fast tausend Kilometern führte, über Bialystok, Grodno, Wilna/Vilnius, Dünaburg/Daugavpils und Pleskau/Pskov. Am frühen Morgen des 14. Mai 1855 erreichte die Eskorte die Hauptstadt des russischen Reiches. Wilhelm Bauer kam zu einer Zeit in Sankt Petersburg an, in der die britisch-französische Flotte den finnischen Meerbusen und so auch die Festung Kronstadt und die Hauptstadt Russlands bedrohte. Bereits um sieben Uhr morgens, nur eine Stunde nach dem Ende der anstrengenden und beschwerlichen Reise, empfing der Kriegsminister Bauer im Gebäude der Admiralität.
Kaum vier Stunden später, um zehn Uhr, stand Bauer im russischen Marineministerium vor einer Kommission, dem „Morskoj uchennyj komitet, also dem „Marine-Gelehrten-Komitee“ (MGK) des Schiffbaudepartements im Marineministerium, das seine Pläne und das Modell des Unterseebootes prüfen sollte. Diese Sitzung leitete der zweite Sohn des verstorbenen Zaren Nikolaus I., der 28-jährige Groß- oder Generaladmiral Großfürst Konstantin Nikolaevich, Chef des Marineministeriums und Oberbefehlshaber der Ostseeflotte. Die Kommission für die Prüfung und Begutachtung der Bauerschen Erfindung eines „hyponautischen Apparates“ bestand aus sieben Marineoffizieren: dem See- oder Marineminister Admiral Baron Ferdinand von Wrangel39 zugleich als Vorstand des Komitees, Admiral Aleksis 4041