Gut geplant ist halb gewonnen!
(Volksweisheit)
Methodik und Vorgehensweisen für komplexe Vorhaben
Mit Anwendungsbeispielen und wertvollen Tipps am Beispiel von IT-Projekten, übertragbar auf alle Projektarten
Ein Handbuch für Projektleiter und Projektleiterinnen für die Projektphase I
Die "Projektvorbereitungs- und Planungsphase" eines Projektes wird oft unterschätzt und es werden viele wichtige Aspekte außer Acht gelassen, die jedoch bereits in dieser eminent wichtigen Phase für den Erfolg des gesamten Projektes von enormer Bedeutung sind. Viele Projektmanagement-Pläne werden zwar anfangs angegangen, verweilen dann jedoch meist nutzlos in irgendeinem Projektarchiv.
Abb. 1: Projektmanagementzyklus
Heute müssten sich eigentlich alle Unternehmen in ausschließlich prozessorientierten Organisationen befinden, die zunehmend projektorientiert und weniger hierarchisch, disziplinarisch geführt werden, sei es ein neues Produkt wird auf den Markt gebracht, eine neue Software wird eingeführt, oder wenn es gilt, neue Strategien umzusetzen, um nur einige Beispiele zu nennen. Es gibt heute keine größeren Geschäftsvorhaben mehr, die ohne ein professionelles Projektmanagement (PM) erfolgreich zum Abschluss gebracht werden können! Leider scheitern immer noch viel zu viele wertvolle Projekte und es werden kostbare Ressourcen verschwendet.
Gut strukturierte und organisierte Projektvorhaben mit effizienter, unternehmenseigener Methodik sind endgültig für alle Unternehmen ein absolutes MUSS, denn nur damit können die einmaligen, komplexen Vorhaben zum Erfolg geführt werden. Projekte sind spätestens jetzt, mitten im 21. Jahrhundert, nicht mehr aus dem Geschäftsalltag wegzudenken und gehören zum Pflichtprogramm aller modernen, prozessorientierten Organisationen. Hat man dies noch vor Jahren auf Großunternehmen beschränkt, muss es nun auch zum Alltag für kleine Unternehmen gehören. Komplexe Systeme, schneller Wandel und eine weiter zunehmende Spezialisierung einzelner Kompetenzträger erfordern vollkommene Teamarbeit unter Experten in Projekten. Der Erfolg Ihres Unternehmens wird zukünftig noch mehr von Teamarbeit und professionellem Projektmanagement abhängen. Klappt das nicht, überziehen Sie Ihre Budgets und der zukünftige Erfolg eines Betriebes steht auf einem wackeligen Fundament!
Wie eingangs erläutert, wird die Bedeutung der Projektvorbereitungs-Phase total unterschätzt. Doch genau in dieser Phase stellen Sie die Weichen auf ERFOLG. Deshalb sind die erfolgversprechendsten Aktivitäten der Projektvorbereitungs-Phase Thema dieses Buches. Die Erfahrung zeigt, dass diesem Bereich in der Praxis leider immer noch zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Im Gegensatz zu 2009, dem Jahr der Erstausgabe dieses Buches, haben, und das ist lobenswert, fast alle Großunternehmen und Konzerne in Sachen PM aufgerüstet. Es wird mehr Ressourcen-Intensität in die Planung eingebracht, sogar eigene Abteilungen sind dem PM mittlerweile zugedacht worden und zuletzt gibt es in der Regel in allen Großunternehmen eine eigene Vorgehensweise für die Abwicklung von Projekten. Waren es bisher gut zwei Drittel, wickeln nun fast alle Großunternehmen komplexe Vorhaben mittels eines eigenen PM-Systems ab.
Doch insbesondere im Mittelstand und in Kleinunternehmen wird noch zu wenig ins PM investiert, und Sorge bereitet die dort weiter stetig zunehmende Tendenz, die Projektmanagement-Aktivitäten zu einem Großteil den Zulieferern bzw. Dienstleistern zu überlassen. Dies liegt oft an der anfänglichen Intransparenz komplexer Leistungsumfänge, an der Ungewissheit, wie etwas nun genau gemacht werden soll und am ständigen Wandel, dem Projekte ausgesetzt sind. Diese Ursachen sind nämlich heute auch in vielen Kleinstunternehmen anzutreffen, da, im Zuge der globalen Märkte, durch die weltweite Vernetzung oder allgemein durch den Einsatz komplizierter Anwendungstechnik, Unternehmer die Dienstleistungen von Experten in Anspruch nehmen müssen, die vornehmlich als Projekt umgesetzt werden.
Doch leider beschäftigen sich alle, ob Großunternehmungen oder Kleinunternehmungen, immer noch viel zu oberflächlich mit der Projektvorbereitung. Mit fatalen Folgen! Die beste hauseigene Methodik führt nicht dazu, Zusatzaufwände, die durch eine unzureichende Planung entstanden sind, zu vermeiden. Ferner reicht es nicht aus, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf kostspielige Projektmanagement-Zertifizierungskurse zu schicken und zu glauben, dass dadurch automatisch eine Methodik im Unternehmen etabliert sei.
Dieses Buch hilft Ihnen als Projektleiter und Projektleiterin, Ihre Projekte trotz der Unsicherheitsfaktoren gut vorzubereiten und gezielt zum Erfolg zu führen. Anhand von praktischen Beispielen und Empfehlungen aus Software-Einführungsprojekten, werden Sie schrittweise an die Erfolgsfaktoren für Ihr Projekt herangeführt. Die meisten Tipps lassen sich auf sämtliche Projektarten übertragen und dienen nicht nur IT-Einführungsprojekten. Für alle Aktivitäten in dieser wichtigen Phase gilt "Vordenken ist immer besser als Nachdenken" und „Gut geplant ist halb gewonnen“. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Lektüre und ausschließlich erfolgreiche Projekte.
Die Projektleiterinnen und Projekt-Mitarbeiterinnen möchten mir bitte nachsehen, dass ich im folgenden Textverlauf aus Gründen der Einfachheit die maskulinen Nomen-Formen benutze, aber immer durchaus auch die feminine Form gemeint ist.
Bevor wir uns mit den konkreten Erfolgsfaktoren der Projektvorbereitung beschäftigen, möchte ich in diesem Kapitel zunächst einige Begrifflichkeiten klären und Ihnen damit auch gleichzeitig einen Wiedereinstieg in die theoretische Projektmanagement-Welt bieten. Die Begriffsdefinitionen sind bis heute im Deutschen gebräuchlich, auch wenn sich die englische Sprache immer mehr als allgemeine PM-Sprache durchsetzt.
Projekt
Vorhaben, das im Wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z. B.
Projektmanagement (PM)
Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und Führungsmittel für die Abwicklung eines Projektes.
Projektphase
Zeitlicher Abschnitt eines Projektablaufs, der sachlich gegenüber anderen Abschnitten getrennt ist (z.B. Konzepterstellungsphase). Alle Projekte beginnen mit einer Projektvorbereitungs- und Planungsphase und enden mit dem Go-Live (Abnahmephase).
Projektgliederung
Festlegen der Aufbau- und Ablaufstrukur / Geschäftsprozess-Struktur. Die Projektgliederung basiert auf den Ergebnissen der Ziel-, Problem- oder Aufgaben-Analyse des Projektes. Ferner versteht man unter der Projektgliederung das Festlegen der Strukturelemente (Arbeitspakete, Aktivitäten und Teilaufgaben).
Projektstruktur
Gesamtheit der wesentlichen Beziehungen zwischen den Elementen eines Projektes, im Englischen „project structure“ genannt. Diese schlägt sich im Projektstrukturplan nieder.
Struktur-Komponente des Projektes, die im Projektstrukturplan weiter aufgegliedert werden kann, z. B. in Aktivitäten, (Engl.: Work package (WP)).
Teil des Projektes, auch als Aufgabengruppe bezeichnet, der im Projektstrukturplan weiter aufgegliedert werden kann, z. B. in Aufgaben, (Engl.: Activities).
Teil des Projektes, der im Projektstrukturplan nicht weiter aufgegliedert werden kann (letzte Hierarchiestufe, Engl.: Task).
Projektstrukturplan (PSP)
Der PSP ist eine Darstellung der Projektstruktur und des Projektumfanges, er stellt das Vorhaben in überschaubaren Arbeitssegmenten dar. Im Englischen wird er „work breakdown structure (WBS)“ genannt. Diese Darstellung eines Projektstrukturplans kann
erfolgen. Wir unterscheiden operative (Teilprojekt) von strategischen PSPs (Gesamtprojekt).
Projektorganisation
Hierunter versteht man die Gesamtheit der Organisationseinheiten und der aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen zur Abwicklung eines bestimmten Projektes. Die Projektorganisation besteht in der Regel aus Bestandteilen der vorhandenen Betriebsorganisation und ergänzenden projektspezifischen Regelungen. Die Projektorganisation kann auch nach den Geschäftsprozessen aufgebaut werden.
Projektleitung
Für die Dauer eines Projektes geschaffene Organisationseinheit, welche für Planung, Steuerung und Überwachung des Projektes verantwortlich ist. Sie kann den Bedürfnissen der Projektphasen angepasst werden und z. B. neben einem Projektleiter auch aus einem Projektingenieur, Controller und Qualitätsmanager bestehen.
Projektziel
Nachzuweisendes Ergebnis und vorgegebene Realisierungsbedingungen der Gesamtaufgabe eines Projektes.
Projektdefinition
Festlegen der Aufgabenstellung und des Durchführungsrahmens eines Projektes (auch Projektauftrag genannt).
Spezifikation
Ausführliche Beschreibung der Anforderungen und Leistungen (z. B. technische, wirtschaftliche, organisatorische Leistungen), die erforderlich sind oder gefordert werden, damit das Gesamtziel des Projektes erreicht wird. Diese Leistungen werden beispielsweise im sogenannten Sollkonzept oder Lastenheft (formell) beschrieben. Bekannt sind in diesem Zusammenhang auch die Begriffe Kundenspezifikation, Anforderungsspezifikation oder Requirements Specification. Der Projektauftrag beinhaltet alle Spezifikationen oder enthält zumindest Verweise auf die mitgeltenden Spezifikationsdokumente.
Projektinformationssystem
Gesamtheit der Einrichtungen und Hilfsmittel und deren Zusammenwirken bei der Erfassung, Weiterleitung, Be- und Verarbeitung, Auswertung und Speicherung der Projektinformationen (auch Projektmanagement-Tool, PM-Tool genannt)
Projektbericht / Statusbericht
An einen bestimmten Empfänger oder Empfängerkreis gerichtete detaillierte Darstellung über Entwicklung und Stand eines Projektes.
Projektabschlussbericht
Zusammenfassende, abschließende Darstellung von Aufgaben und erzielten Ergebnissen, von Zeit-, Kosten- und Personalaufwand sowie gegebenenfalls von Hinweisen auf mögliche Anschlussprojekte.
Projektdokumentation
Zusammenstellung ausgewählter, wesentlicher Daten über Konfiguration, Organisation, Mitteleinsatz, Lösungswege, Ablauf und erreichte Ziele des Projektes.
Projektcontrolling
Dieses Element umfasst die Prozesse und Regeln, die innerhalb des Projektmanagements zur Sicherung des Erreichens der Projektziele (bei gegebenen Zeit- / Ressourcen- und Leistungsumfängen) beitragen. Dies wird mittels der Erfassung von Ist-Daten, dem Erstellen eines Soll-Ist-Vergleichs, einer Abweichungsanalyse, der Bewertung von Konsequenzen und Vorschlägen von Korrekturmaßnahmen sowie durch das Mitwirken bei der Maßnahmenplanung und Überwachung ihrer Durchführung sichergestellt.
Mit den oben genannten Begriffen können Sie alle Projekte strukturieren, planen und umsetzen. Es bedarf in den meisten Fällen keiner weiteren Begrifflichkeiten. Halten Sie den Projekt-Wortschatz überschaubar und nach Möglichkeit auf dieses geringe Maß reduziert. Die Wörter müssen transparent sein. Dies ist vorteilhaft für eine einheitliche Projektsprache / Kommunikation. Vermeiden Sie unbedingt überflüssige, zusätzliche Begriffe, die Ihnen eventuell Ihr Dienstleister einredet und akzeptieren Sie auf gar keinen Fall Begriffe, die nicht transparent sind. Ihre Mitarbeiter haben schließlich Besseres zu tun, als Vokabeln und die Projektsprache eines Dienstleisters zu lernen.
Es gibt zahlreiche Strukturierungsarten, die den Anforderungen der jeweiligen Projekte angepasst sind. Egal für welchen Phasenaufbau Sie sich für Ihr Projekt entscheiden oder ob Sie eine eigene Roadmap / Guideline für Ihre unternehmensspezifischen Projekte haben, in der Regel sind alle Phasen-Strukturen an ein klassisches Vorgehen, welches man auf die Schritte "Plan, Build, Check, Run" reduzieren kann, angelehnt. Doch eines haben alle gemeinsam: Am Anfang steht immer eine Planungsphase. Die Planungs- oder Vorbereitungs-Phase ist von erheblicher Bedeutung für den Projekterfolg!
Abb. 2: Beispiele gebräuchlicher Projektphasen-Namen
Wie auch immer, für Ihre einmaligen, komplexen Vorhaben benötigen Sie eine Grundstruktur, eine Roadmap oder Guideline. Vergegenwärtigen wir uns die gravierenden Probleme, die umfangreiche Projekte mit sich bringen und das Projekt ausufern lassen können, weil diese schlecht vorbereitet wurden und die Geschäftsprozesse unzureichend berücksichtigt worden sind.
Grundsätzlich sind es die Aspekte und Themen wie Projektziele, Struktur, Umfang, Leistungen, Termine, Ressourcen, Kosten, Organisation, Kommunikation und Motivation, deren Zusammenspiel es in der ersten Phase zu initialisieren gilt, und die es während des gesamten Projektverlaufes durch definierte Projektstandards zu unterstützen gilt. Konkret ist es die Koordination der drei Prozesskomponenten Personen, Prozesse und Produkte – im übertragenen Sinne also die klassischen Faktoren des magischen PM-Dreiecks: Zeit, Ressourcen und Leistungsumfang bei einer zugrundeliegenden Qualität.
Abb. 3: Arbeitspakete der Projektvorbereitungs-Phase (Phase 1)
Die Projektvorbereitung widmet sich dementsprechend der Planung und der Vorbereitung aller Projektphasen in jeder Projektmanagement-Hinsicht. Die wichtigsten Punkte der Projektvorbereitungs-Phase, um die Sie sich gleich zu Beginn eines Projektes kümmern müssen, lassen sich zentral wie folgt charakterisieren:
Diese wichtigen und oftmals vernachlässigten Punkte werden im Laufe des Buches ausführlich beschrieben und mit praktischen Hinweisen am Beispiel von IT-Software-Einführungsprojekten versehen. Lediglich die Themen "Qualitätsmanagement" und "Changemanagement" werden, wegen ihrer Komplexität, nur kontextbezogen behandelt.
Die, in diesem Buch als Beispiel herangezogenen, IT-Einführungsprojekte haben in der Regel zusätzlich eine vorgelagerte Strategie- und Analyse-Phase (Planung) und eine nachgelagerte Verbesserungs-Phase. Dies begründet sich dadurch, dass bereits vor Beginn der Projektvorbereitungs-Phase entscheidende Dinge definitiv feststehen müssen. Das sind z. B. die Strategien / Zieldefinitionen sowie auch die konkrete Auswahl der Software, die eingeführt werden soll. Diese komplexen Fragestellungen können in der Regel nicht allein in der Projektvorbereitungs-Phase abgearbeitet werden, da hierfür nur maximal sechs bis acht Wochen investiert werden sollte und allein eine Softwareauswahl oder, je nach Projekt, die Auswahl anderer Projektgegenstände Monate dauern kann. Zu empfehlen ist auch bereits in diesem vorgelagerten Projekt-Zyklus (Zyklus 0) mit der Auswahl der geeignetsten Projektmitarbeiter und deren Schulungsplanung zu starten. Der vorgelagerte Projektzyklus ist jedoch fakultativ einzusetzen, da es sich beispielsweise bei kleineren Projekten nicht rentieren würde, können diese die Planung doch ganz gut direkt in der Projektvorbereitungs-Phase abwickeln. Eine nachgelagerte Verbesserungs-Phase wird für alle IT-Projekte empfohlen, da gerade bei hohen Eigenentwicklungsquoten keine Software von Beginn an perfekt sein kann und erst durch die Anwendung der User in der Live-Umgebung gewisse Fehler zu Tage treten können. In dieser "Phase der kontinuierlichen Verbesserung" (siehe Abbildung 4 Nr. 2 unten) werden immer wieder kleinere Korrekturen und Optimierungen als Hotfix eingespielt. Ferner bietet sich auch die strategische Option an, unwichtigere Dinge in die Verbesserungs-Phase oder in einen nachgelagerten Projektzyklus 2 (siehe Abbildung 4 Nr. 3) auszulagern, um evtl. notwendige Puffer, die während des Projektverlaufes erforderlich werden, für das Projekt zu schaffen (z. B. die Verlagerung eines eher unwichtigen Bausteines von Zyklus 1 / Phase 3 in die Zusatz-Phase 6 "Verbesserungen" oder in den Zyklus 2 / Phase 3). Auch bei vielen anderen Projekten außerhalb der IT bietet es sich meistens immer an, eine Verbesserungs-Phase mit zu berücksichtigen.
Neben der Projektvorbereitungs-Phase sind die Projektphasen zwei bis fünf selbstverständlich ebenfalls für den Projekterfolg maßgeblich. Der Vollständigkeit halber bietet Abbildung 5 zumindest eine Übersicht über die bedeutendsten Arbeitspakete der einzelnen Projektphasen.
Abb. 4: Empfohlene Strukturierung in Zyklen und Phasen für komplexe Projekte