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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8448-5758-0

© 2009 bei Johannes Unger und den jeweiligen Autoren

Satz und Einbandgestaltung: Robert Urmann

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Inhalt

Vorwort

Die Zeit im Dresdner Kreuzchor

Wolfgang Unger in Halle

Sternstunden der Chormusik

Erinnerungen an Wolfgang Unger

Sein Wirken für den Leipziger Universitätschor

Veröffentlichungen

Danksagung

Dieses Buch verdankt seine Entstehung der Mitarbeit zahlreicher Einzelpersonen und Institutionen. So gilt mein Dank den Autoren Gunter Groß, Dr. Ralf Wehner, Dr. Michael Oehme, Universitätsmusikdirektor David Timm und Hans-Martin Uhle, des Weiteren den Archiven des Thomanerchores Leipzig, des Dresdner Kreuzchores, der Staatskapelle Halle sowie des Leipziger Universitätschores. Besonderer Dank gilt auch Herrn Helmut Heuer (Mitglied des Neuen Chores Halle), den Herren Johannes Paetzold und Paulus Münscher (ehemalige Mitglieder des Thüringischen Akademischen Singkreises sowie des Kreuzchores) sowie Monika, Cornelia und Katharina Unger für die Bereitstellung zahlreicher Fotografien. Der Herausgeber dankt vor allem der Redaktion um Robert Urmann.

Johannes Unger

Vorwort

Am 19. April 2004 verstarb Universitätsmusikdirektor Wolfgang Unger, mein Vater. Ich hätte nie geglaubt, dass ich ihn so früh verlieren würde, war er doch mitten im Leben stehend, agil und voller Ideen. Noch im März des Jahres begegnete er den Ärzten, die ihm eine Operation ankündigten, mit den Worten: „Ja, aber erst muss ich die Johannes-Passion dirigieren!“. Seine schwere Erkrankung trug er mit Fassung. Die Musik, für die er lebte, beglei-tete ihn sein ganzes Leben – zuletzt die Kantate „Ich habe genung“ von Johann Sebastian Bach und das Mozart-Requiem – ihm und uns, seiner Familie, zum Trost.

Der fünfte Todestag ist mir Anlass, sich in Wort und Bild mit seinem Leben und Wirken auseinander zu setzen, denn Wolfgang Unger gehörte in vielerlei Hinsicht zu den prägenden Musikerpersönlichkeiten in Mitteldeutschland. 1948 als Pfarrerssohn geboren, führte ihn sein Weg über den Kreuzchor zum Studium nach Weimar. Noch während des Studiums gründete er den „Thüringischen Akademischen Singkreis“. Wolfgang Unger formte ihn durch seinen hohen musikalischen Anspruch an die A-cappella-Musik, aber auch durch seinen, durch den Kreuzchor geprägten Sinn für Gemeinschaft. Besonders mit diesem Ensemble setzte er sich für das musikalische Erbe des Kreuzkantors Rudolf Mauersberger ein, den er sehr verehrte.

In Halle nahm Wolfgang Unger eine erste Anstellung als Chordirektor und Kapellmeister an. Ich kann mich daran erinnern, dass mein Vater in jener Zeit stark an sich selbst arbeitete. Vor allem hinterfragte er sein Dirigierhandwerk und versuchte so, auf die, wie er meinte, berechtigte Kritik der Orchestermusiker zu reagieren. Ein Ergebnis davon ist sein später erschienenes Buch „Wege zum Dirigieren“, in dem er seine Grundsätze zur Dirigiertechnik niederschrieb. Ebenfalls in Halle übernahm er 1973 den „Vereinigten Chor des VEB Energiekombinates und VEB Wohnungsbaukombinates Halle“. Nahezu zwanzig Jahre leitete er dieses Ensemble und prägte auch dieses durch seine Art. Noch heute erzählen die Mitglieder des Chores gern von jener Zeit. Als besonders spannend empfinde ich die Berichte über die Programmgestaltung meines Vaters. So sang dieser, durch ein großes staatliches Unternehmen der DDR gestützte Chor, neben Volksliedern und teilweise ideologisch besetzter Musik auch geistliche Musik. Das führte außerhalb des Ensembles zu Spannungen. Die Mitglieder und Freunde meines Vaters aber standen zu ihm und nannten ihn liebevoll ihren „Kantor“. Unter dem Namen „Neuer Chor Halle“ besteht das Ensemble bis heute.

Die Spannungen mit dem Chefdirigenten der Halleschen Philharmonie, Olaf Koch, veranlassten Wolfgang Unger, sein Arbeitsverhältnis in Halle zu kündigen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt keine adäquate Stelle in Aussicht hatte. Ich selbst kann mich an diese Atmosphäre erinnern: sie war geprägt von den Drohungen Kochs und großer Ungewissheit. Somit war die Möglichkeit, 1987 an die Leipziger Universität zu wechseln, ein Glücksmoment für meinen Vater. Hier übernahm er den traditionsreichen Leipziger Universitätschor. Die Wende und Nachwendezeit war eine aufregende Phase. Viele reformbedingte Veränderungen an der Universität galt es zu bewältigen. Es gelang meinem Vater, den Universitätschor unbeschadet durch diese Zeit zu führen.

1991 bewarb sich Wolfgang Unger um das Kreuzkantorat in Dresden. Eine Woche arbeitete er mit den Kruzianern, zu denen er selbst einmal gehörte. Diese Bewerbung hatte keinen Erfolg. Wenig später kam eine neue Aufgabe auf ihn zu: die Leitung des Thomanerchores in schwerer Zeit. Ich durfte meinen Vater begleiten, als er zu einem ersten Gespräch mit den damaligen Präfekten des Chores ins Alumnat fuhr. Dort erfuhren wir über den Ernst der Lage: Eltern protestierten gegen die Entlassung des Thomaskantors Hans-Joachim Rotzsch und drohten, ihre Kinder aus dem Chor zu nehmen. An die Mauer des Internates gesprüht, prangten die Buchstaben: „Wir wollen unseren Thomaskantor zurück“. Wolfgang Unger schaffte es, den Chor zusammenzuhalten, die Konflikte anzugehen und darüberhinaus die Qualität des Chores zu erhalten. In seine Amtszeit fielen zudem erlebnisreiche Konzertreisen durch Westdeutschland und Italien. Trotz der hohen Doppelbelastung – ich erinnere mich gut an jene Zeit, als der Universitätschor und der Thomanerchor in den beiden Hauptkirchen an drei Tagen hintereinander die Johannespassion und die Matthäuspassion im Wechsel aufführten – war es für ihn eine sehr glückliche Zeit. In einem Brief baten die Thomaner darum, Wolfgang Unger zum Thomaskantor zu berufen. Doch auch dieses Amt blieb ihm verwehrt.

1991 ernannte ihn die Universität Leipzig zum Univer-sitätsmusikdirektor. Er verstand sich auch so und fühlte sich der Musikpflege an der Universität über den Universitätschor hinaus verpflichtet. Ausdruck dafür sind die durch ihn begründeten Universitätsmusiktage, bei welchen er die Aktivitäten der verschiedenen Ensembles und die Arbeit des Musikwissenschaftlichen Institutes als „Leipziger Universitätsmusik“ zusammenführte. Weitere Akzente setzte er durch die Gründung des Pauliner Kammerorchesters und des Pauliner Barockensembles, deren Namen an die verlorengegangene Universitätskirche er-innern sollten. Dass eine neue Heimstätte für den Universitätschor gebraucht würde, zeigte sich sehr schnell, denn die Probleme in der Zusammenarbeit mit der Nikolaikirche, dem damaligen Auftrittsort des Chores, wurden größer. Auf der Suche nach Auswegen rückte die Peterskirche Leipzig in den Blickpunkt. So kam es, dass der Universitätschor bis heute dort gastiert. Auch hier setzte Wolfgang Unger seine Ideen um, indem er die Konzertreihe „St. Petri“ begründete und später die Andachtsreihe „Orgel-Punkt-Zwölf“ gemeinsam mit der Theologischen Fakultät initiierte. Trotzdem konnte auch die Peterskirche nur eine Interimslösung sein, und so engagierte er sich für die Wiedergewinnung eines geistig-geistlichen Zentrums der Universität und einer neuen Heimstatt für die Universitätsmusik. Die Pläne von Architekt van Egeraat zeigte ich ihm noch im Krankenhaus.

Wolfgang Unger hinterließ ein gestärktes Bewußtsein für das musikalische Erbe der Universität Leipzig, für die als weltweit einzige Universität Johann Sebastian Bach komponiert hat. Ein CD-Projekt mit allen zwanzig „Festmusiken zu Leipziger Universitätsfeiern“ Bachs sollte sein musikalischer Beitrag für das 600-jährige Jubiläum der Alma Mater werden. Über viele Jahre unterrichtete Wolfgang Unger an den Musikhochschulen in Weimar und Leipzig sowie am Musikpädagogischen Institut der Universität zahlreiche Kirchenmusiker, Chorleiter, Kapellmeister und Schulmusiker. Er war ein kluger Pädagoge, der es vermochte, jeden Lernenden individuell zu unterstützen. Davon profitierten auch wir drei Kinder.

Unvergessen bleiben mir die zahlreichen gemeinsamen musikalischen Erlebnisse, wie zum Beispiel die Christvespern des Universitätschores, die mein Vater neu konzipierte. Viele Tondokumente sind entstanden, darunter Ersteinspielungen der Werke Rudolf Mauersbergers.