Lebensphasenorientierte
Personalpolitik
Eine Analyse zweier Umsetzungskonzepte
Frank C. Maikranz (Hrsg.)
Wissenschaft in der Unternehmenspraxis
Books on Demand
„Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt,
der andere packt sie kräftig an und handelt.“
Dante Alighieri 1265 - 1321
Demografischer Wandel und einhergehende Probleme wie Fachkräftemangel, alternde Belegschaft und ein kontinuierlicher Know-How-Verlust, sind keine Fremdworte mehr.
Anders verhält es sich mit möglichen Lösungswegen. Frau Kramer stellt in ihrem Werk ein mögliches Lösungskonzept, die lebensphasenorientierten Personalpolitik vor. Sie zeigt anhand praxisnaher Beispiele zwei unterschiedliche Konzepte auf.
Die Idee dahinter: Die traditionelle begrenzte Sichtweise der Personalpolitik mit dem Fokus auf die ersten 20 Jahre des Berufslebens wird bei der lebensphasenorientierten Personalpolitik um die gesamte Lebensarbeitszeit erweitert. Private und berufliche Gegebenheiten des Mitarbeiters werden in einzelnen charakteristischen Lebensphasen zur gezielten Beschaffung, Entwicklung, Förderung und auch Bindung des Mitarbeiters kombiniert, wodurch sich viele neue Möglichkeiten erschließen lassen.
Als Ziel der Umsetzung einer lebensphasenorientierten Personalpolitik gilt es nicht das Rad neu zu erfinden. Frau Kramer zeigt auf, dass eine Umstellung zu einem lebensphasenorientierten Gesamtkonzept der Personalpolitik bereits mit der aktiven Verankerung der Grundidee im Unternehmen beginnt und durch die Überprüfung bestehender personalpolitischer Maßnahmen und deren Entwicklung gestärkt wird.
Durch diese ganzheitliche Betrachtung wird das Arbeitsverhältnis auf Langfristigkeit ausgelegt, um Mitarbeiterbindung, als einen der wichtigen Erfolgsfaktoren jedes Unternehmens, zu fördern und den Gegebenheiten des demografischen Wandels betriebswirtschaftlich sinnvoll zu begegnen.
Rheinbach im September 2013
Frank C. Maikranz
Herausgeber
Abbildung 1: Lebensphasen nach Schein und Sattelberger
Abbildung 2: Betrieblicher Lebenszyklus nach Graf
Abbildung 3: Verbindung des biosozialen mit dem betrieblichen Lebenszyklus, in Anlehnung an Schein und Sattelberger, Levinson, Graf, Wollert
Abbildung 4: Der Weg durch das Berufsleben: Karriereentwicklung bei der LzO
Abbildung 5: Differenzierte Wege der beruflichen Entwicklung bei der SICK AG
Abbildung 6: Lebensphasenorientierte Herangehensweise
Abbildung 7: Lebensphasenorientierte Herangehensweise in Verbindung mit dem Drei-Phasen-Modell nach Götz
Abbildung 8: Der Personalbeschaffungsprozess
Abbildung 9: Beispiel eines Anforderungsprofils
Abbildung 10: Wege der Personalbeschaffung
Abbildung 11: Geschäftsfelder der Deutschen Postbank AG
Abbildung 12: Mitarbeiterverteilung im Postbank-Konzern
Abbildung 13: Zuordnung des Personalentwicklungsportfolios nach Lebensphasen
Abbildung 14: Maßnahmenportfolio Personalentwicklung
Abbildung 15: Fragebogen zur Lebensphasenorientierten Personalpolitik für die Abteilung Personalmanagement
Abbildung 16: Lebensphasenorientierte Maßnahmen im Rahmen der Personalrekrutierung bei der Postbank AG
Die Problematik des demografischen Wandels gewann in den letzten Jahren sowohl in der öffentlichen wie auch in der wissenschaftlichen Diskussion zunehmend an Bedeutung. Themen wie Fachkräftemangel, alternde Belegschaften und ein kontinuierlicher Know-How-Verlust gehen damit einher und stehen in vielen Unternehmen schon heute ganz oben auf der Tagesordnung.
Das Problem ist nun nicht mehr, Vorstände und Personalverantwortliche für den demografischen Wandel zu sensibilisieren und sie auf mögliche Folgen aufmerksam zu machen. Vielmehr muss es heute darum gehen, Konzepte und Maßnahmen zu entwickeln, die aktiv gegen die verheerenden Folgen wirken und die Unternehmen zukunftsfähig erhalten. In diesem Zusammenhang taucht immer öfter der Begriff der lebensphasenorientierten Personalpolitik auf. Dieser propagiert einen ganzheitlichen Blick auf die eigene Belegschaft: Statt wie bisher vor allem junge Mitarbeiter1 zu rekrutieren und Fachkräfte nur bis zu einem bestimmten Alter zu fördern und zu unterstützen, soll dabei eine heterogene Altersstruktur geschaffen werden und jeder Mitarbeiter – vom 20-jährigen Berufseinsteiger bis zum 60-jährigen Experten kurz vor dem Ruhestand – entsprechend seiner Lebensphase vom Unternehmen entwickelt und unterstützt werden. Nur so kann ein Unternehmen zukunftsfähig bleiben: indem es homogene Altersstrukturen umgeht, die Mitarbeiter in jeder Lebensphase begleitet und durch zielgerichtetes Personalmarketing sowie sinnvolle Rekrutierung dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirkt.
Die vorliegende Arbeit entwickelt zwei unterschiedliche Konzepte zur Umsetzung einer lebensphasenorientierten Personalpolitik in einem zunächst beliebigen Unternehmen. Dabei wird besonderer Wert auf die Unterscheidung der verschiedenen Lebensphasen sowie die einzusetzenden personalpolitischen Instrumente gelegt. Im nächsten Schritt werden die entwickelten Konzepte auf ein konkretes Unternehmen, hier die Deutsche Postbank AG, angewendet, wobei versucht wird, die in den verschiedenen Abteilungen der Postbank bereits bestehenden Maßnahmen mit diesen Konzepten in Einklang zu bringen.
Zunächst muss nun die Bedeutung des Begriffs lebensphasenorientierte Personalpolitik näher betrachtet werden. Nach der Entscheidung, in welche Lebensphasen ein Lebenszyklus sinnvollerweise eingeteilt werden soll, wird sodann anhand von mehreren Best-Practice-Beispielen erklärt, wie die Umsetzung einer lebensphasenorientierten Personalpolitik erfolgen kann. Im Anschluss daran werden zwei unterschiedliche Herangehensweisen entwickelt, um die Umsetzung einer solchen Personalpolitik in einem beliebigen Unternehmen zu ermöglichen. Das erste Konzept stützt sich auf die einzelnen Lebensphasen und stellt die Frage, welche personalpolitischen Instrumente in welcher Phase zur Anwendung kommen und wie diese implementiert werden müssen, um eine entsprechende Lebensphasenorientierung zu erreichen. Im Gegensatz dazu greift das zweite Konzept beispielhaft ein bestimmtes personalpolitisches Instrument heraus und betrachtet, unter welchen Umständen innerhalb dieses Instruments die Lebensphasenorientierung zur Anwendung kommen muss, um das Ziel einer lebensphasenorientierten Personalpolitik zu erreichen.
Schließlich werden die in den beiden Konzepten untersuchten Instrumente im Konzern Deutsche Postbank AG betrachtet, um herauszufinden, inwiefern bereits einzelne Maßnahmen und Konzepte, die in das Gesamtbild einer lebensphasenorientierten Personalpolitik passen, dort umgesetzt werden. Nach dieser Betrachtung erfolgt die Anwendung der zuvor entwickelten Konzepte auf die Deutsche Postbank AG, um die bereits vorhandenen Maßnahmen mit dem Gesamtkonzept der lebensphasenorientierten Personalpolitik zu verknüpfen und auf diese Weise ein einheitliches Gesamtbild zu schaffen.
1 Im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit lediglich der Begriff „Mitarbeiter“ verwendet. Damit sind sowohl Mitarbeiter als auch Mitarbeiterinnen gemeint.
Das Konzept einer lebensphasenorientierten Personalpolitik soll Unternehmen darin unterstützen, dem demografischen Wandel erfolgreich zu begegnen und Mitarbeiter in allen Lebensphasen an sich zu binden oder zu einer Mitarbeit zu bewegen. Um jedoch ein solches Konzept entwickeln zu können, müssen zunächst die Grundbegriffe definiert werden.
Um die verschiedenen Lebensphasen genauer zu definieren, stellt sich zunächst einmal die Frage, was genau eine Lebensphase eigentlich ist. Der Begriff der Lebensphasen eines Menschen, häufig auch „Lebenszyklus“ genannt, stammt ursprünglich aus der Biologie. Das Konzept der Lebenszyklen wird geprägt von dem evolutionären Prozess lebender Systeme: Werden – Wachsen – Verändern – Vergehen.2 Unabhängig davon, welcher Autor sich in der Literatur auf die verschiedenen Lebensphasen bezieht; in einem sind sich alle Experten einig: Ein Lebenszyklus besteht immer aus mehreren Phasen (s.o.), wobei die typischerweise immer durchlaufenen Abschnitte eines Lebens die Eckpunkte darstellen. Dadurch ergibt sich ein in etwa prognostizierbarer Zeitablauf, in dem die üblichen Veränderungen im Laufe eines Lebens dargestellt werden können.3 Somit können also mehrere Lebensphasen danach differenziert werden, welche phasentypischen Gesetzmäßigkeiten, also welche bestimmten Merkmale in den einzelnen Phasen auftreten.4
Wie viele Lebensphasen es nun aber tatsächlich gibt, also in wie viele Abschnitte das Leben sich einteilen lässt, darüber ist sich die Literatur in großen Teilen uneinig. Die Werte rangieren zumeist zwischen drei5 und sechs6 Lebensphasen. Dies hängt zumeist von den Merkmalen ab, anhand derer die Lebensphasen eingeteilt werden. Dabei kann zwischen folgenden Ansätzen unterschieden werden:7
All diese Lebenszyklen beschäftigen sich mit bestimmten Aspekten im Leben eines Menschen. Nun ist aber zu überlegen, welcher Ansatz den hier verwendeten Lebensphasen zugrunde gelegt werden soll. Um einen möglichst umfassenden Blick auf verschiedene Lebensphasen zu erhalten und im Sinne einer möglichst ganzheitlichen Personalpolitik möglichst viele Mitarbeiter in das Konzept mit einbinden zu können, erscheinen der stellenbezogene sowie der betriebliche Lebenszyklus als unpassend. Diese Lebenszyklen beziehen sich lediglich auf die berufliche Seite eines Menschen innerhalb des Unternehmens, lassen aber die private Seite völlig außen vor. Hinter der Idee der lebensphasenorientierten Personalpolitik steht aber gerade der Gedanke, auch die private Seite des Mitarbeiters in die Überlegungen mit einzubeziehen und die Kombination aus privaten und beruflichen Gegebenheiten zur gezielten Beschaffung, Entwicklung, Förderung oder auch Bindung des einzelnen Mitarbeiters zu nutzen. Insofern setzt auch der berufliche Lebenszyklus mit seinem Beginn als Einstieg in das Berufsleben zu spät an – denn bereits die Ausbildung oder das Studium können Ansatzpunkte für eine lebensphasenorientierte Personalpolitik, speziell im Bereich der Personalbeschaffung, sein.
Dass schließlich auch ein familiärer Lebenszyklus für die lebensphasenorientierte Personalpolitik nicht zielführend sein kann, versteht sich aufgrund der vorangegangenen Argumente schon fast von selbst – genauso wenig, wie ein nur beruflicher Blick auf den Mitarbeiter zu einer ganzheitlichen Betrachtung führen kann, kann ein familiärer Lebenszyklus dies noch weniger, da er tatsächlich nur einen sehr bestimmten Aspekt im Leben eines Menschen, nämlich die Familie, betrachtet.
Um letztlich einen umfassenden Blick auf den Mitarbeiter zu erhalten, bleibt also nur der biosoziale Lebenszyklus, der sich rein am Alter des Menschen orientiert und so aber auch sämtliche beruflichen und privaten Lebensphasen einbezieht.
Da der biosoziale Lebenszyklus hier am geeignetsten erscheint, muss dieser nun im nächsten Schritt in die verschiedenen Lebensphasen eingeteilt werden. Die meisten Modelle, die sich mit diesem Thema beschäftigen, stellen vor allem soziologische Aspekte in den Vordergrund. Ein gutes Beispiel dafür sind Schein8 und Sattelberger9, die in ihrem Modell die Lebensphasen in folgender Weise aufteilen:
Alter | Aufgaben | Charakteristiken |
20 - 30 | Selbständig werden, die Stammfamilie verlassen, sich in der Welt der Erwachsenen etablieren, eine eigene Familie gründen, eine berufliche Laufbahn/Karriere einschlagen | Vorläufige Entscheidungen Phase voller Energie, Enthusiasmus & Idealismus testen |
Ende 20, Anfang 30 | Überprüfung der getroffenen Entscheidungen, Konfrontation eigener Ideale mit der Wirklichkeit (Beruf, Ehe, Kinder) | Phase der Entscheidungen Phase der Stabilisierung oder bedeutsamen Neuorientierung |
30 – 40 | Verwirklichung der getroffenen Entscheidungen Einstehen für die eingegangenen Verpflichtungen | Stabilisierung, Etablierung |
Ende 30, Anfang 40 | Übergang oder Krise der Lebensmitte (Midlife Crisis), Gegenüberstellung der gemachten Zugeständnisse mit den eigenen Hoffnungen und Träumen, Treffen neuer Entscheidungen | Erkennen der eigenen Sterblichkeit (erste Anzeichen psychischer Erscheinungen), Phase der Selbstkonfrontation „Halbzeit“ |
40 – 50 | Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben, mit den Konsequenzen der getroffenen Entscheidungen leben lernen, sich nach einer Phase des Rückzugs wieder der Umwelt öffnen, Familiäre Probleme durch das Heranwachsen der Kinder und die neue Qualität der Beziehung zum Partner/zur Partnerin bewältigen | Phase neuer Stabilisierung Neue Rollendefinition |
50 - Pension | Sich selbst akzeptieren und aufhören, die eigenen Eltern für Probleme zu tadeln Mit den abnehmenden Fähigkeiten und physischen Schwierigkeiten umgehen lernen, das Leben leichter und angenehmer gestalten, sich andere Qualitäten in der Beziehung zu den eigenen Kindern aufbauen, mit dem Wettbewerb mit Jüngeren fertig werden | Phase der Wertschätzung des Gewohnten und der eigenen Ansichten |
60 – Tod | Mit dem beruflichen Rückgang und den sich daraus ergebenden Veränderungen des eigenen Lebensstils umgehen lernen Gesundheitliche Probleme als tägliche Routine „managen lernen“, den Tod naher Freunde und des Partners/der Partnerin bewältigen Mit neuerlichen Abhängigkeiten umgehen lernen, soziale Isolierung und das Gefühl des Überflüssigwerdens durch das Schätzenlernen und Anwenden von Weisheit und Erfahrung vermeiden | Tod als Wirklichkeit |
Abbildung 1: Lebensphasen nach Schein und Sattelberger
Quelle: Schein, E. H.: Carreer Dynamics – Matching Individual and Organizational Needs, a.a.O.; Sattelberger, T.: Lebenszyklusorientierte Personalentwicklung, a.a.O., S. 287–305.
Ähnlich geht auch Levinson10 vor, der zunächst den Lebenszyklus in drei große Lebensphasen einteilt (frühes, mittleres und spätes Erwachsenenalter), die jeweils nochmals ca. 25 Jahre umfassen, um dann anschließend nochmals Untergruppen zu bilden, die ca. 5 Jahre ausmachen.
Eine solche soziologische Betrachtung der Lebensphasen ist aber im betrieblichen Kontext nicht sehr hilfreich – die Zeiträume sind zumeist zu eng gefasst, und die beschriebenen „Hauptaufgaben“ stehen in keinem direkten Zusammenhang mit der Personalpolitik. Es stellt sich daher die Frage, ob nicht ein betrieblicher Lebenszyklus an dieser Stelle doch zielführender wäre. Als Beispiel könnte hier der Ansatz von Graf genannt werden:
Abbildung 2: Betrieblicher Lebenszyklus nach Graf