Dirk Vogt, geboren 1967, verheiratet, Vater von zwei Töchtern.
Entdeckte 2002 wieder seine Leidenschaft für das Motorradfahren, erwarb eine Honda Bol d´Or und baute sie zunächst ohne technische Vorkenntnisse über Jahre wieder auf.
Das im Laufe der Zeit mit Unterstützung von Fachleuten und Gleichgesinnten angeeignete Wissen in Bezug auf Historie und Technik dieses Klassikers wird verständlich, interessant und in großer Ausführlichkeit weitervermittelt.
Eine Zusammenfassung, die in dieser Bandbreite einer solchen charaktervollen Maschine würdig ist.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2007 Dirk Vogt
Herstellung und Verlag: | Books on Demand GmbH, Norderstedt |
Covergestaltung und Gesamtlayout: | Dirk Vogt |
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf aus diesem Grund der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Autors.
ISBN: 978-3-848-26819-1
2. Auflage, November 2007
Zu den Themen Motorrad, Honda und auch zur Bol d´Or im Speziellen ist bereits einiges geschrieben und an anderer Stelle (z.B. im Internet) publiziert worden. Schon aufgrund der Recherchen zu diesem Buch wurde deutlich, dass viele einzelne Passagen, inhaltlich gesehen, irgendwann und in irgendeiner Form bereits veröffentlicht wurden. Warum dann also überhaupt ein Buch darüber?
Einerseits wurde es einfach Zeit. Bei weit über 50 Büchern über Honda Motorräder, sei es im Allgemeinen oder auf bestimmte Modelle bezogen, durfte ein Werk über die Bol d´Or nicht länger fehlen. Mehrere über die „Gold Wing“, noch mehr über die gute alte „CB 750“. Keins über diese 900er Honda.
Und andererseits möchte ich über einen einfachen, aber interessanten und unkonventionellen Einstieg, bis hin zum fortgeschrittenen Know-how eine umfangreiche Zusammenfassung geben. Möglichst viele Perspektiven dieses bemerkenswerten Klassikers sollen beleuchtet werden. Und das, um neben den Fachleuten auch (besonders) den „Nichtprofischraubern“ unter uns Motorradfahrern, einen Eindruck über dieses schöne, ehrliche und charakterstarke Motorrad zu vermitteln.
Dieses Nachschlagewerk kann durch sein breit abgedecktes Spektrum unter anderem
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass gerade der Start in ein ursprünglich sehr technisches Thema wie dieses, bei der Fülle von verfügbaren Informationsquellen recht unübersichtlich werden kann. Diverse Fachzeitschriften, Werkstatt- und Reparaturhandbücher, oder die erwähnten Internetseiten geben Unmengen an ungefiltertem und teils unsortiertem Fachwissen preis. Entweder ist ein Text für einen Zeitschriftenartikel stark komprimiert, oder im Gegensatz dazu, für eine Fachliteratur sehr spezifisch und langatmig ausgelegt. Vor lauter technischem Begriffswirrwarr kann einem da schon schwindelig werden, bevor man es überhaupt geschafft hat, sich erst einmal einen brauchbaren Grundstock an Wissen anzueignen.
Genau aus diesem Grund beginnen wir ganz vorne.
Historie, Entwicklung und technische Grunddaten werden von der Wiege an vorgestellt, so dass es zum Schluss leicht fallen sollte, sich an regen Diskussionen über diesen Youngtimer mit Gleichgesinnten zu beteiligen.
Die Bol d´Or! Noch nicht richtig ein Oldtimer, aber schon lange ein Klassiker.
3.907!
So viele Käufer entschieden sich 1979, bereits im ersten Jahr des Verkaufs für dieses damalige Meisterwerk der Ingenieurkunst.
20.194!
Das ist die Gesamtzahl der offiziellen Käufer einer CB 900 F Bol d´Or zwischen 1979 und 1985 in Deutschland.
Es wird der Nimbus der Rennstrecke gewesen sein, der diese Zahl auf 12.353 angemeldete Exemplare bis Mitte 1990 schrumpfen ließ. Weitere 15 Jahre später halbierte sich der Bestand ein weiteres mal, so dass sich knapp ein Viertel Jahrhundert nach dem offiziellen Verkaufsende noch ca. 5.000 Exemplare auf unseren Straßen tummeln.
Es werden in der Regel keine jungen, ambitionierten Fahrer sein, die sich mit einem über 20 Jahre alten Motorrad beschäftigen, sondern eher die älteren „Wilden“. Wiedereinsteiger, die sich endlich die Zeit nehmen können einen alten Traum wieder aufleben zu lassen und sich zurückversetzen in die eigene Jugend. Dorthin, wo zum ersten mal sagenumwobene, dicke Vierzylinder-Motorräder wie unter anderem die Z-Kawasakis oder eben die Honda-Bol d´Or die Straßen unsicher machten und nicht nur den Eisdielenfaktor bei den Mädchen ansteigen ließen.
Natürlich gab es schon andere Vierzylinder, aber gerade mit solchen, wie den genannten begann so manche Ära, gleich in welcher Hinsicht.
Ein Technikstudium werden auch heute die wenigsten von uns haben - Spaß haben wollen wir alle und am Mopedtreffpunkt im Sommer auch noch mit einem tiefen, ausgedehnten Stammtisch-Allgemeinwissen angeben ............ unbezahlbar! Apropos Wissen; Neben der Technik kann Geschichte kann ja sooo interessant sein. Und wie das bei einer Legende nicht unüblich ist, gibt es oftmals mehr als eine Wahrheit. Aber keine Angst, wir haben ein Motorradbuch vor uns und somit ist mit dem Begriff „Geschichte“ in diesem Zusammenhang natürlich nicht die Französische Revolution oder der Dreißigjährige Krieg gemeint. Obwohl wir bei der Bol d´Or und einer Verbindung nach Frankreich gar nicht so weit entfernt liegen, wie es noch festzustellen gilt. Und auch den Begriff „Revolution“ zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Motorrad-Klassikers könnte man durchaus gelten lassen.
Das Weltunternehmen Honda – die Namensgebung - die Rennstrecke.
Eine Vorstellung des Imperium Honda ist unumgänglich, wenn man zu den Wurzeln dieses Motorrads zurückkehren möchte. Die Bol d´Or hat einiges über ihre Entwicklung und ihren Lebenslauf zu berichten, so dass manchem im Verlauf dieses Buches ein erstauntes „Aha“ zu entlocken sein wird. Oder ist vielleicht bekannt, dass zwischen dieser Honda und Anisschnaps eine klitzekleine Verbindung besteht? Nein?
Wir werden es feststellen.
Mit der abgeleiteten Technik aus erfolgreichen Langstrecken – Rennjahren sollte eines der nachhaltigsten Kapitel der Motorradgeschichte geschrieben werden.
Besonders von Bedeutung wird für viele Hondafreunde der Hinweis sein, warum gerade von der CB 900 F als „Bol d´Or – Mythos“ im engeren Sinne die Rede ist und nicht von ihren direkten Verwandten, der CB 750 F oder den großen Schwestern CB 1100 F und R. Die zu Grunde gelegte Philosophie als Antwort auf diese Frage wird ausreichend erläutert und dazu selbstverständlich die gesamte restliche Familie in angemessenem Umfang vorgestellt. In den Begriff „gesamte Familie“ sind auch die zahlreichen, technischen Glanzlichter der damaligen Edeltuner eingeschlossen. Firmen wie Eckert, Egli, Bimota, Magni werden ebenso aufgeführt, wie weitere nennenswerte Varianten.
Nicht nur der Vollständigkeit halber kommen wir natürlich nicht darum herum, die technische Daten und Feinheiten zu durchleuchten. Denn gerade die Technik dieser Honda war es, die seinerzeit die Herzen der Motorradfans höher schlagen ließ. Wissenswertes von Modelljahr zu Modelljahr wird aufgezeigt und die früheren Gedankengänge der Hondaingenieure werden transparent nachvollziehbar. Meistens jedenfalls!
Motor, Chassis, Anbauteile, Modifikationen, Lacksätze. Alles Stichpunkte auf dem Weg zum Bol d´Or-Kenner.
Leichtes Heranführen ans Thema soll allerdings die Devise lauten, was voraussetzt, dass nicht der Inhalt des Reparaturhandbuchs abgedruckt wird. Die tiefsten mechanischen Feinheiten sollten dann auch sinnvoller Weise diesem Teil der Fachliteratur überlassen werden.
Nichts desto Trotz wird der vermeintliche Laie zu guter Letzt mitreden können, wenn über „fehlenden Zündstrom“, „Lima-Rotor-Widerstände“ und „Vergaser-Synchronisation“ bei der Bol d´Or gefachsimpelt wird.
Heutzutage stellt sich der Besitz, die Pflege und Wartung, wie auch das Fahren einer Bol d´Or etwas anders dar, als zu ihrer (und unserer!) jüngeren Zeit.
Ein Grund mehr, auf die heutige Szene mit Hinweisen auf die Ersatzteilversorgung und Beschaffung einzugehen. Eine Kaufberatung und verständliche Kurzanleitungen um die gängigsten, spezifischen Unarten selbst zu beheben, dürfen natürlich nicht fehlen. Hinweise zu Rennveranstaltungen, Internetadressen und Literatur, sowie Merchandising - Artikel rund um die Legende runden das Kapitel „Bol d´Or – heute“ ab.
Im Performancebereich des Buches lassen sich grundsätzlich die meisten Themenpunkte pauschal auf fast alle Motorräder anwenden. Wir werden feststellen, was gerade bei der Bol d´Or eventuell nötig, auf jeden Fall aber möglich ist. Unbegrenzte Möglichkeiten von Optimierung, Anbau oder Umbaumaßnahmen der alten Dame laden zum Staunen ein.
Wie schon mehrfach erwähnt, besteht durchaus die Gefahr, dass man als interessierter Laie, gerade in diesem technisch anspruchsvollen Bereich, schnell abgeschreckt wird von den Ausführungen der Bol d´Or – Enthusiasten, die ihr Wissen (Gott sei Dank) so vielfältig kundtun. Um nicht bereits in den Anfängen des Interesses aufgrund einer – ich möchte mal sagen – „fachlich intellektuellen Überforderung“ die Brocken hinzuwerfen, ist dieses Buch so aufgebaut, dass man leicht ins Thema hineinwachsen kann. Die angesprochenen Technikfreaks und Schrauberprofis mögen mir die ab und an verwendete, saloppe Ausdrucksweise verzeihen.
Sie dient dem nicht so Versierten aber sicherlich zum besseren Verständnis und zum verdaulichen Einstieg in die Materie.
Soviel zunächst vorweg. Beginnen wir zum Warmwerden mit einem ganz persönlichen Erfahrungsbericht, wie ich selbst den Weg zu einer der schönsten Nebensachen der Welt fand. Gut möglich, dass manch einer einen ähnlichen Weg beschritten hat und sich an der ein oder anderen Stelle wiedererkennt.
Ich bin selbst Baujahr 1967 und nach diversen jugendlichen und jungerwachsenen Ausflügen in die Motorradwelt (Kawasaki Z550, Suzuki GS750) seit 2002 wieder stolzer Besitzer eines Motorrads, einer Honda Bol d´Or CB 900 F2.
Beruflich und familiär etabliert, konnte ich mir vor einigen Jahren endlich die Zeit gönnen, einen alten Traum wieder aufzunehmen und mich zurückversetzen in die eigene Jugend, oder besser Kindheit, wo zum ersten mal sagenumwobene, dicke Vierzylinder-Motorräder, Eisdielenfaktor........ Mädchen. (Das hatten wir schon)
Chopper waren für mich noch zu gemütlich, so alt war ich nun doch noch nicht. Ein Yoghurtbecher Motorrad kam ebenfalls überhaupt nicht in Frage. Dafür fand ich mich wiederum zu alt. Zudem störte mich die optische Uniformität. Trotz aller ausgereifter Technik fehlte mir an den Maschinen das Wichtigste: Individualität!
Ich suchte kein kompaktes, sondern ein von den Maßen her großes Motorrad, (Körpergröße: 1,96 m) bezahlbar sollte es sein (Vater von zwei Töchtern!) und etwas, das nicht an jeder Ampel wieder zu treffen ist. Damit war die Auswahl an neueren Maschinen ziemlich eingeschränkt. Was gab es noch?
Kawasaki Zephyr? OK, kam in die engere Wahl, eine Kawa nach meinen Vorstellungen war aber zum damaligen Zeitpunkt nicht zu bekommen.
Yamaha XJ? Auch nicht ganz abwegig, hatte für mich aber doch nicht genug Individualcharakter.
Honda Bol d´Or? Cooler Name, habe ich schon mal gehört. Schauen wir mal. Ein bisschen recherchiert und informiert. Ja, könnte passen.
Internet, Zeitschriften und diverse Anzeiger wurden meine Lieblingslektüre. Schlagworte wie „neu aufgebaut“ oder so ähnlich schreckten mich eher ab. Ich wollte kein von Hobbyschraubern mit Zubehörteilen lieblos aufgebautes, oder genauer gesagt, zerschraubtes Exemplar. Wenn überhaupt, wollte ich selber schrauben. (lernen) Es lebe das Misstrauen.
Siehe da, da haben wir was, die könnte passen!
CB 900 F2! F2? Was immer das heißt – aha, hat eine Verkleidung oder so ähnlich. Preis 1.300, - € VB – ein Jahr stillgelegt – 70.000 Km gelaufen. Angeführt vom Preis waren das genau meine geplanten Eckdaten.
Mit voll der theoretischen Ahnung (man hat sich ja vorbereitet) habe ich dann ein Telefonat geführt, den Preis direkt auf 1.100, - € gedrückt und noch einige Kisten Material rausgeschlagen. Mit den 70.000 Km war sich der Drittbesitzer zwar nicht mehr ganz sicher, da der Tacho schon mal gewechselt sein könnte, aber eine belegte Motorrevision bei ca. dieser Laufleistung ein Jahr zuvor sprach auch nicht dagegen.
Ich bin der geborene Motorradkäufer!
Verzurrgurte besorgt, Anhänger geliehen und mit 1.100, - € in der Brieftasche machte ich mich voller Euphorie auf den 200 Km-Weg nach Hannover zum Abholen. Man war sich ja quasi schon einig.
Vor Ort kam dann die erste Ernüchterung. Der Drittbesitzer entpuppte sich als insgesamt fünfter Haltereintrag (allerdings 2x ab- und angemeldet) und das Motorrad hatte offensichtlich seit einiger Zeit im Freien gestanden (ca.1 Jahr!) – ohne Abdeckplane!
Die Reifen hatten, wenn es hoch kam, gefühlte 0,5 Bar Luftdruck und die Sitzbank war leicht grün angelaufen. (Ab wann wächst eigentlich Moos?) Dafür waren als Kontrast zum schwarz-grünen Sitzpolster der Motorblock und die Motordeckel in schönem Grauweiß ausgeblüht. Oh mein Gott!
Viel Ähnlichkeit mit der Abbildung im Internet hatte sie nicht. Aber sie sprang gleich an. „Neue Batterie und neue Kerzen“, klärte mich der Verkäufer auf. Ja dann war ja wohl alles halb so schlimm. Schon der Sound eines tollen Vierzylinders, den ich fast schon mein eigen nennen konnte war mir die 1.100, - € wert. Ob das auch der Verkäufer merkte??? Nach einer wichtigtuerischen Probefahrt, (zur Erinnerung: 0,5 Bar) bei der ich mangels ausreichender Fachkenntnis rein gar nichts Negatives festgestellt habe, aber nach zig Jahren zum ersten Mal wieder auf einem Motorrad saß und das Spaßgrinsen gar nicht mehr aus meinem Gesicht weichen wollte, stand fest: „Nehme ich mit!“
Steuerkettenrasseln, Kupplungsklappern? Ich kannte nicht mal die Wörter.
Druckpunkt der Bremse? Gab es, wenn der Hebel das Griffgummi berührte!!! Das Quietschen ließ sich sicher mit ein wenig Kupferpaste beseitigen. (Hatte ich gelesen)
Und dass da auch noch die Kisten mit Zündspulen, Zündkabeln, Nockenwellen, Kettenritzeln, Blinkergläsern und weiterem tollen Zeugs dabei waren, fand ich super. Damit kriege ich das alles schon wieder hin. Warum man für ein Motorrad ein privates Ersatzteillager benötigte, habe ich damals nicht wirklich hinterfragt.
Hätte ich vielleicht aber machen sollen, denn im Laufe der nächsten Wochen und Monate wich die Begeisterung dann langsam aber sicher einer weiteren Ernüchterung. Anspringen war Glücksache, runder Motorlauf – was ist das? Warum sprang sie denn beim Kauf sofort an?
Jetzt muss ich doch mal nachdenken. (Hatte vor Ort ja nicht so toll geklappt) Motorrevision und ab da im Freien stehen lassen? „Ich wollte fahren, bin aber einfach aus Zeitgründen nicht dazu gekommen“ klangen mir wieder die Verkäuferworte im Ohr.
Flugrost und das Anlaufen von Alu-Gussteilen (Motordeckel) geht doch nicht so in die Tiefe, oder? Und dass drei original intakte Nippel für die Seitenteilbefestigung heutzutage fast in Gold aufzuwiegen sind - gut, kann man wissen - musste man zu diesem Zeitpunkt aber nicht. Die beiden abgebrochenen waren ja auch recht fachmännisch geklebt und auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen.
Und das der Rückstellknopf für den Tageskilometerzähler gar nicht vorhanden war – stimmt, jetzt habe ich es auch gesehen. Da wird doch nicht der Tacho .....
(Alte Bol d´Or- Hasen dürfen an dieser Stelle ruhig mal schmunzeln)
Der später gerissene Kupplungszug war dann auch schlimmer, als die schon beim Verladen abfallenden Fußrasten. („Das ist nicht weiter schlimm, bin da nur mal kurz aufgesetzt, hat fast jede Bolle“) Ja ne, ist klar, weiß ich selber - als Fachmann.
Aber ich hatte ja 200, - € gespart beim Kauf. Die wurden sogleich in den neuen Kupplungszug investiert. (Selbst gekauft – voll der Bolleexperte) Zum Vergaserreinigen habe ich sie dann weggebracht. Ich hatte gehört, dass bringt was. 200 Euro später lief sie tatsächlich besser bis gut – fand ich.
Und selten war ich so stolz auf das Ergebnis einer halben Nacht. (Wechsel des Kupplungszugs)
Vor lauter Zeitschriftenlektüre studierend und in diversen Internetforen Fachwissen schmarotzend, musste ich mein Freizeitverhalten drastisch umstellen. Gartenarbeit ade, Motordeckel polieren und Fußrasten anbauen war angesagt. Was man in dem Stadium eben so konnte, oder glaubte zu können. Mal ehrlich: Unkraut im Vorgarten oder eine abgeknickte Fußraste am neuen Spielzeug, was bedarf da eher der Zuneigung?
Der Virus Bol d´Or hatte mich jedenfalls gepackt.
Das war auch die Zeit meines Einstiegs in die großen Internet-Auktionshäuser. Ohne diese Online-Marktplätze ist ein Leben mit der Honda für mich nicht mehr denkbar gewesen. Jetzt wollte ich nicht nur eine Bol d´Or, nein, jetzt wollte ich meine Bol d´Or. Damals waren hier noch echte Schnäppchen möglich. Die Zeiten haben sich seitdem leicht verändert. Nähere Einzelheiten dazu unter dem Punkt „Ersatzteilbeschaffung“ im Kapitel „Bol d´Or-heute“.
Auf der anderen Seite war es schon unglaublich, welchen Müll die Leute damals teilweise anboten und losgeworden sind – an mich! Die Hälfte meiner „unbedingt benötigten Teile“ waren dann auch nutzlos oder von mir zu diesem Zeitpunkt nicht annähernd selbst einzubauen. Man wird einfach wieder zum Jäger und Sammler. Noch heute habe ich eine offensichtlich komplette Kupplung seit Jahren in der Garage liegen, von der ich den genauen Erhaltungszustand gar nicht kenne. Soviel zum privaten Ersatzteillager meines Vörgängers.
Also, noch einmal in aller Deutlichkeit an dieser Stelle der Hinweis: Nach einem wohldurchdachten Kauf des Motorrads zuerst eine wohlüberlegte Bestandsaufnahme durchführen, oder durchführen lassen und dann erst auf Teilejagd gehen. Ansonsten entwickelt unser Hobby sehr früh eine Sogwirkung wie ein schwarzes Loch. (Das kommt noch früh genug)
Nach meinem Empfinden (Beamter im nichttechnischen Dienst) befand ich mich aber zu diesem Zeitpunkt in der Vorstufe zum Ingenieurstudium, Fachrichtung Honda Bol d´Or.
Nach nunmehr fast 5 Jahren, bisher grob gerechneten 4.000, - €, (ungern schlage ich in meiner genauen Dokumentation nach) gefühlten 1.000 Stunden Arbeit und einer Unmenge an angeeignetem Wissen steht meine Maschine nun in etwa so da, wie ich mir das vorstelle. Ich habe ein Motorrad, welches technisch in Ordnung ist, (meistens jedenfalls) sich optisch fast wie neu präsentiert und... nicht an jeder Ampel anzutreffen ist.
Und wenn heute ein Yoghurtbecherfahrer auf mich zukommt und sagt:
„ Schön sieht die aus - das waren noch Motorräder - steckt bestimmt viel Arbeit drin - die ist doch sicher über zehn Jahre alt, oder?“
Dann lächele ich fachmännisch, verrate ausnahmsweise das wahre Alter der Dame und gebe dem staunenden Motorradkollegen gegenüber mit meinem wahnsinnigen Fachwissen an. Hach wie schön!
Ach ja, und eine Einladung, mit mir meine Hausstrecke „locker“ abzufahren folgt auch. Mit dem Wissen, dass es schon ein sehr guter Yoghurtbecherfahrer sein muss, um nicht nur mein Rücklicht zu sehen.
Ist ja kein Spielzeug – die Bol d´Or! .......
..... oder doch?
Nicht viele Motorräder haben eine so glanzvolle Geschichte zu erzählen wie die CB 900 F Bol d´Or. Der Motorradmarkt war schon immer hart umkämpft und gute Werbefachleute gab es auch vor mehr als zwanzig Jahren schon. Schlagworte wie „harte Männer“, oder „Rennstrecke“ konnten jeder Marketingabteilung eines Herstellers durchaus bei der Legendenbildung dienlich sein. Neben den üblichen, vollmundigen Werbeaussagen ließ dieses außergewöhnliche Stück Technik allerdings auch Taten sprechen. Und das schon vor ihrer eigentlichen Geburt.
Kritik? Gab es, gibt es und wird es immer geben. Genau aus diesem Grund ist die Bol d´Or ein starkes Stück Diskussionsgrundlage. Nötige, sowie mögliche Verbesserungen und Änderungen sind hier so vielfältig, dass der Gesprächsstoff (hoffentlich) noch lange Zeit gesichert ist. Drehen wir das Rad der Zeit zurück, sehen was das Besondere an dieser Maschine war und was sie sich davon bis heute erhalten hat.
Bol d´Or! Was heißt das eigentlich und wie kommt man dazu, einem Motorrad diesen durchaus wohlklingenden Beinamen zu geben?
Eine der ersten Pflichtübungen im Geschichtsunterricht ist demnach die Namensforschung. Wie man schon unschwer am Schriftbild erkennen kann, ist es zunächst einmal ein Begriff aus dem Französischen und bedeutet übersetzt ziemlich genau:
Eine Tatsache, die in jedem guten Übersetzungsbuch nachzulesen ist und vielen, auch Nichthondafahrern, durchaus bekannt sein könnte. Es stellt sich die Frage, wie um alles in der Welt kann man nun ein Motorrad „Goldene Schüssel“ nennen?
Und dann auch noch ein japanisches Bike in Verbindung mit einem französischen Namen. Wie kamen diese beiden Weltphilosophien zusammen?
Mythos – Legende – Marketing
Die ersten beiden Faktoren zusammen ergeben den dritten. Gemeinsam war das wahrscheinlich für Honda die Inspiration zur Namensgebung.
Honda
Damit wir den Ursprung unseres japanischen Motorrads kennen lernen, führt natürlich kein Weg an einem kurzen geschichtlichen Exkurs über das Unternehmen Honda vorbei.
Japanisch wurde unser Bike dadurch, dass ein gewisser Herr Soichiro Honda, (1906-1991) Sohn eines japanischen Schmieds, am 24. September 1948 mit einer Millionen Yen Startkapital (das wären heute in etwa 8.400, - €) die HONDA MOTOR CO. LTD. gründete. Da Honda von sich selbst sagte, er sei „unfähig, seine Arbeiten zu berechnen und in Geld umzusetzen“, holte er sich als kaufmännischen Leiter Takeo Fujisawa an Bord.
Dieses geniale Duo brachte und hielt die Firma lange Zeit auf Kurs. Honda als der kreative Kopf und Fujisawa als Finanzchef.
Der Anfang: Damit sich seine Frau im Nachkriegsjapan bei den Einkäufen mit dem Fahrrad nicht so abmühen musste, versah Honda dieses mit einem alten Motor. Und mit diesem Motorfahrrad begann quasi der Aufstieg Hondas zum größten Motorradhersteller der Welt. Nachdem bereits vor der eigentlichen Firmengründung Hilfsmotoren für Fahrräder und eine Mofa (Typ A, 1947) konstruiert wurden, war der Mofatyp B der Startschuss für die unaufhaltsame Geschichte von Honda.
Sehen wir uns die markantesten Eckpunkte dieses Gründungs-Firmenzweiges seitdem an:
Die berühmte „Honda Cub“ (Mokick mit Einzylinder-Viertakt Motor und 55 ccm, 65,9 ccm und später 110 ccm) war das erste Basis-Modell, welches dort produziert wurde. In Japan wurde sie seit zehn Jahren gebaut. Diese „Cub“ ist mit über 50 Millionen Stück produzierten Exemplaren übrigens heute das erfolgreichste Motorrad der Geschichte. Der weltberühmte Honda Werbeslogan
„You meet the nicest people on a Honda“
stammt ebenfalls aus 1962 und wurde extra für die „Cub“ und den amerikanischen Markt gestaltet. Erstmals wurden in diesem Jahr über eine Millionen Motorräder gebaut. 142.000 davon gingen in den Export.
Für den nächsten Betriebsausflug, oder wenn man mal einfach einen guten Verbesserungsvorschlag machen möchte, die offizielle Anschrift in Japan:
Honda Motor Co., Ltd.
2-1-1 Minami Aoyama, Minato-ku Tokyo 107-8556 Japan
Tel.: +81-(0)3-3423-1111
Spätestens jetzt wissen wir: Honda = Japan.
Frankreich – das Rennen – die Rennstrecke
Um die Verbindung zu unseren französischen Nachbarn hinzubekommen, müssen wir das Rad der Zeit noch einige Jahrzehnte weiter zurückdrehen.
Die französische Bezeichnung unseres japanischen Motorrads beruht ursprünglich auf einem der bekanntesten, gleichnamigen 24 Stunden Motorrad-Rennen in Frankreich: Dem Bol d´Or!
Langstreckenrennen haben gerade in Frankreich eine lange Geschichte. Französische und belgische Soldaten wollten schon Anfang des vorigen Jahrhunderts feststellen, wessen Maschinen in 24 Stunden besser durchhielten. Bereits damals bekam der Sieger einen besonderen Pokal in Form einer goldenen Schüssel. 1922 zum ersten Mal in Vaujours bei Paris auf einer Schotterstrecke offiziell ausgetragen, wechselte neben der technischen Entwicklung der Motorräder auch die Strecke mehrmals. (Nebenbei sei bemerkt, dass es seit 1939 auch eine Süßwasser-Segelregatta in der Schweiz mit dem Namen Bol d´Or gibt. Allerdings gehört hierzu der Sponsor-Zusatz „Rolex“)
Aus Tradition (eigentlich fast immer) findet der Bol d´Or, wie es korrekt heißt, bis heute am dritten Wochenende im September statt.
1924 ging es dann zum ersten Mal weiter in „Spa-Francorchamps“.
1967 – 1977 fand das Rennen in „Le Mans“ (Frankreich) statt. Von 1978 bis 1999 noch auf der Strecke „Circuit Paul Ricard“ (auch Le Castellet genannt) ausgetragen, fährt man es bis heute als 24 Stundenrennen in Magny Cours. Gerade aber der Kurs in „Le Castellet“ als Austragungsort dieses Ereignisses war im Jahr 1978 für die Geburt der Honda Bol d´Or ausschlaggebend.
Paul Ricard, (+1997) der Namensgeber besagter Rennstrecke, war 1969 zu Beginn des Baus der Strecke ein großer Anis-Schnaps-Produzent. („Pernod“) Neben einem Privatflugplatz ließ er diesen 5,81 Km langen Kurs bauen. Gefahren wurde im Uhrzeigersinn. Muss man nicht wissen, kommt aber an Stammtischen super an.