Ich war auch vor dem 3. März 2007 der Überzeugung, dass es sich bei allem und wirklich bei allem, was mir in diesem Leben widerfährt, um Herausforderungen handelt, an denen meine Seele wachsen kann. Mir war stets bewusst, dass wir alle sterben werden und dass der Zeitpunkt im Angesicht der Unendlichkeit der Zeit und des Universums von untergeordneter Bedeutung ist.
Der Tod war für mich stets eine Illusion: Wir sind Wanderer zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, bei Tod und Geburt wechselt unsere Seele lediglich die Seiten.
Diese Überzeugungen, die ich im Laufe meines Lebens gewonnen hatte, ließen mich recht gelassen mit dem umgehen, was mir im Leben begegnete. Ich vertrat die Auffassung, dass alles seinen Sinn habe und ich aus den Geschehnissen, die mich berühren und die ich zunächst negativ einordne das Beste machen müsse und möglicherweise aus ihnen lernen könne.
Ich stellte mir in dieser Zeit zu Anfang des Jahres 2007 die Frage, ob mich wirklich etwas erschüttern könnte. In der Vergangenheit, etwa bis vor einem halben Jahr hatte ich mir Sorgen um die Entwicklung meines inzwischen 21-jährigen Sohnes Marcel gemacht. Aber gerade in den letzten Wochen schien er eine erstaunliche Entwicklung durchzumachen, so dass auch die Sorgen um seine Zukunft in den Hintergrund traten.
Es war am 2. März 2007 als ich mit dem Zug nach Hannover fuhr. Ich hatte dort einen beruflich bedingten Termin wahrzunehmen.
Ich fahre meist mit dem Zug, weil ich dann entspannter am Ziel ankomme und die Fahrtzeit sinnvoll nutzen kann. So las ich an diesem Freitag während der Zugfahrt in Carlos Castanedas „Die Kraft der Stille“.
Die Lehren des Don Juan Matus, einem mexikanischen Indianer, beschäftigen sich mit der Relativität von Realität und dem einen Sinn des Lebens, das Wahrnehmungsspektrum von Wirklichkeit zu erweitern. Don Juan geht davon aus, dass der sog. leere Raum nicht leer sondern von Energie erfüllt sei. Hinter jedem Menschen befände sich ein solches Energiefeld, das einer leuchtenden Kugel ähnlich sei. Diese Kugel besitze nun einen Montagepunkt, der für die Qualität der Wahrnehmung des Individuums Ausschlag gebend sei. Nun könne der Mensch selbst den zu ihm gehörenden Montagepunkt aus der gewohnten Position an der Oberfläche der leuchtenden Kugel in eine andere Position an der Oberfläche oder in das Innere der Kugel verschieben.
Diese Verschiebung habe zur Folge, dass man die Welt verändert wahrnähme oder sogar eine ganz andere Welt erlebe.
Ich hatte nun trotz meines intensiven Interesses für die „Lehren des Don Juan“ mir unter der „Verschiebung des Montagepunktes“ nicht wirklich etwas vorstellen können. Auf Seite 216 kam ich aber einer Vorstellung näher: „Man müsse kein Schüler der Zauberei sein, um seinen Montagepunkt zu bewegen. Auch natürliche, wenngleich tragische Umstände – wie Krieg, Hunger, Stress, Erschöpfung, Trauer oder Hilflosigkeit – können unseren Montagepunkt zu extremen Bewegungen veranlassen.“ (1)
Ich wollte dieses Thema mit meinem 21-jährigen Sohn Marcel diskutieren. In philosophischen Themen hatten wie neben der Fußballbundesliga ein gemeinsames Interesse und Gesprächsthema.
Später gegen 16.00 Uhr erhielt ich von meiner Ehefrau Ully eine SMS: „Stell dir vor, Bruno hat in Marcels Bett gepinkelt! So eine Sauerei!“
Ich war sehr verwundert, weil unser Hund Bruno so etwas zuvor niemals getan hatte. Weitergehende Gedanken kamen mir nicht in den Sinn.
Kurz vor 18.00 Uhr steuerte ich den Hauptbahnhof in Hannover an, um von dort mit dem Zug wieder nach Hause zu fahren. Ich hätte mich nun sehr beeilen müssen, um den Zug noch zu erreichen. Andererseits hatte ich das Verlangen, ihn zu erreichen. Marcel, der in einer 80 Kilometer entfernt liegenden Stadt eine Ausbildung absolvierte, würde an diesem Freitagabend nach Hause kommen. Ich hatte ihn seit 3 Wochen nicht gesehen. „Nach Hause“ bedeutet in diesem Zusammenhang, er kam zu seinen Eltern in den Heimatort, wo er etwa 14 Jahre gelebt hatte. Nun, ich wollte nach Hause, um eben das auf der Hinfahrt Gelesene mit ihm zu diskutieren. Wenn ich nun den 18.00 Uhr-Zug nicht erreichte, würde ich ihn an diesem Tag nicht mehr antreffen, weil er dann vermutlich bei meiner Rückkunft bereit zu seinen Freunden gegangen sein würde.
Und nun geschah etwas an diesem späten Nachmittag auf dem Weg zum Bahnhof, was ich zuvor niemals erlebt hatte und in der Folge bis heute nur noch weitere dreimal erleben sollte, nämlich am darauf folgenden Tag, den 3. März um 8.20 Uhr und in der Nacht vom 2. auf den 3. September des selben Jahres und am 22. Oktober 2008. Ich hörte kristallklar eine Stimme in meinem Kopf. Ihre erste Aussage lautete:
„Du brauchst dich nicht zu beeilen; du hast unendlich Zeit, mit Marcel zu diskutieren!“
Neben der Verwunderung über dieses neue Phänomen, was mich aber nicht erschreckte, dachte ich:
„Etwas übertrieben ‚unendlich‘, aber immerhin, morgen ist auch noch ein Tag!“
Ich kam so gegen 20.30 Uhr nach Hause, Ully erzählte mir von ihrer Begegnung mit Marcel; sie hatten gemeinsam gegessen; er verhielt sich außergewöhnlich freundlich, gut gelaunt und höflich. Gegen 19.00 Uhr fuhr sie ihn zu einem seiner Freunde.
Am folgenden Morgen stand ich gegen 7.30 Uhr auf. Zunächst las ich die Tageszeitung. Gegen 8.00 Uhr schaute ich in Marcels Zimmer, da die Tür nicht geschlossen war. Marcel war nicht nach Hause gekommen; sein Bett war leer und unberührt. Obwohl er nachts gelegentlich wegblieb und spontan bei Freunden übernachtete, war ich beunruhigt. Ich verließ den Raum und kehrte einige Minuten später zurück. Ich setzte mich an Marcels Schreibtisch. Eine eigenartige Ruhe überfiel mich. Plötzlich wurde der Raum durch das Ostfenster von Helligkeit durchflutet. Klar, es ist die Ostseite empfand ich, aber es war für einen Moment unnatürlich hell. Und nun vernahm ich wieder die Stimme in meinem Kopf:
„Du brauchst dir nie mehr Sorgen um dieses Kind zu machen!“
Gut zu wissen, dachte ich bei mir und verließ den Raum. Ich schaute auf die Uhr des Elektroherdes in der Küche: Sie zeigt 8.20 Uhr. Ich berichtete Ully, die sich in der Küche aufhielt von der Stimme in meinem Kopf. „Dein Wort in Gottes Ohren“, entgegnete sie.
Marcel war in diesem Moment seit 12 Minuten tot.
Am Morgen des 3. März um 8.08 Uhr starb er als Mitfahrer bei einem
Autounfall auf dem Heimweg nach einem Disco-Besuch.
Gegen Mittag des 3. März 2007 informierte uns die Polizei.
Neben Marcel saß Anna K., eine junge Frau. Sie starb 1 Woche vor ihrem 21. Geburtstag. Sie wohnte mit ihren Eltern uns schräg gegenüber.
Der Fahrer und zwei weitere Mitfahrer blieben nahezu unverletzt. Für mich erscheint es wie ein Wunder, dass drei Menschen dieses völlig zertrümmerte Auto, das bei einer Fahrt-Geschwindigkeit von 100 km/h gegen zwei Bäume geschleudert wurde und dann auf einer Wiese auf dem Dach landete, ohne innere Verletzungen und Knochenbrüche verlassen konnten.
Zunächst wollte ich möglichst schnell bei Marcel sein. Ich konnte den Schmerz nicht ertragen, der immer deutlicher in meinem Körper spürbar wurde und mich quälte.
Immer wieder fragte ich mich, wie der Unfall in der Wahrnehmung von Marcel abgelaufen war und was er dabei empfunden hatte. Makabre Bilder formten sich vor meinem inneren Auge. Es gab eine Nacht, in der ich etwa 10 mal den gleichen Traum hatte:
Ich stand an der Unfallstraße und betrachtete das Unfallgeschehen und achtete auf Marcel, um zu spüren, was er in diesen wenigen Momenten vom Beginn des Unfallgeschehens bis zu seinem Tod erlebt und erlitten hatte. Der Wagen kommt von der Straße ab, schleudert über die Gegenfahrbahn gegen den 1. Baum, dreht sich, fliegt mit der hinteren rechten Seite, auf der Marcel sitzt, gegen den 2. Baum, dreht sich wieder und landet auf der Wiese auf dem Dach. Marcel stirbt in dem Moment der Kollision mit dem 2. Baum sofort. Seine Schädeldecke wird eingedrückt.
Bekommt er das Geschehen mit?
Tritt seine Seele in diesem Moment des Todes aus dem Körper?
Wundert sie sich über das Geschehen?
Kann sie das Geschehen einordnen?
Nimmt sie das Geschehen hin und sieht zu, wie sie nach Hause kommt?
Erleuchtet sie das Zimmer im Moment meines Verweilens dort?
Alles Fragen, auf die ich in den nächsten Monaten Antworten erhalten sollte.
Einige Tage nach dem Unfall fuhr ich mit hoher Geschwindigkeit auf der Landstraße und starrte auf entgegenkommende LKW und verspürte den Drang, das Lenkrad meines PKW nach links zu ziehen und einen Zusammenstoß zu provozieren. Dann dachte ich an den LKW-Fahrer und an mein sicheres Auto, das mich möglicherweise den Unfall überleben lassen würde.
Die Vorstellung, schwer verletzt in einem Krankenhaus zu liegen und mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit weiter zu leben, war ebenso unerträglich wie mein Dasein in dieser Zeit.
Ich bin heute froh, noch zu leben und Erkenntnisse zu gewinnen, die ich hier niederschreibe. Ich weiß, dass der eigene Tod meine Probleme nicht lösen würde. Denn wie sagte ich zu Beginn: „Der Tod ist eine Illusion, wir sind Wanderer zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, bei Tod und Geburt wechselt unsere Seele lediglich die Seiten.“
Bei allem, was ich erlebe, handelt es sich um mehr oder weniger große Herausforderungen, die ich bewältigen muss, wenn meine Seele sich weiterentwickeln soll. Eine der größtmöglichen Herausforderung ist der Tod des eigenen Kindes. Deswegen ist die Möglichkeit zur seelischen Entwicklung und Reifung mit Hilfe dieses Erlebens besonders groß. Das Risiko des Scheiterns ist ebenfalls besonders groß, wie mein vorübergehender Wunsch nach Selbstvernichtung verdeutlicht. Ich bin froh, dass ich die Chance zum Wachstum ergriffen habe.
Nach dem Tod von Marcel setze ich mich mit bestimmten Fragen auseinander.
Wo ist Marcel?
Geht es ihm gut?
Wie halte ich das Gedenken an ihn wach?
Was war der Sinn seines Lebens?
Warum starb er zu diesem Zeitpunkt?
Was verband uns während seiner Lebenszeit?
Und auch: Was ist der Sinn dieses Dramas in Bezug auf mein Leben?
Diese letzte Frage macht deutlich, dass ich mich aus der Opferhaltung eines bösen Schicksals lösen will.
Der Tod von Marcel hat eine Bedeutung in Bezug auf ihn selbst, auf den Unglücksfahrer, auf Ully und mich, auf seine Freundin Rebekka, auf seine Großmütter, auf seine Freunde und – in schwächerem Ausmaß – auf andere ihn liebende Menschen.
Wenige Tage nach dem Tod meines Sohnes kommunizierte ich mit seiner Leiche, seiner ohnehin vergänglichen materiellen Hülle im Bestattungshaus. Ich sagte zu ihr – in der Hoffnung, Marcels Seele sei in der Nähe ihrer Hülle – was ich ihm zu sagen gehabt hätte, wenn er an dem Samstag nach Hause gekommen wäre. An dieser Stelle danke ich dem Bestattungsunternehmen. Ich spürte die echte Betroffenheit der dort tätigen Menschen, die uns auch aus ihrer eigenen Betroffenheit heraus alle Möglichkeiten des Abschiednehmens ermöglichten.
Marcel lebte seit etwa 1 Jahr ca. 80 Kilometer von seinem Heimatort entfernt und absolvierte dort eine Ausbildung als Kaufmann für Bürokommunikation. Seine Freundin Rebekka, die er seit etwa 3 Jahren kannte, besuchte dort ein Gymnasium. Ihre Freizeit verbrachten die beiden meistens zusammen. Marcel holte nach Beendigung seiner Arbeit Rebekka von der Wohnung ihrer Mutter ab. Sie gingen dann einkaufen, kochten und aßen zusammen, amüsierten sich, wenn Zeit blieb und gingen ins Bett, um am nächsten Morgen wieder gemeinsam aufzustehen.
Jeweils Freitagabend kamen sie in der Regel zu uns. Am Sonntagnachmittag fuhren sie wieder in ihr Domizil zurück. An diesem Freitag war Rebekka zuhause geblieben; sie wollte mit ihren Freundinnen etwas unternehmen und Samstag nachkommen. Marcel traf sich am Freitagabend mit Freunden. Einer dieser Freunde, Christian, schilderte später ein ungewöhnliches Verhalten von Marcel am Abend vor seinem Tod.
Er habe den Eltern seiner Freundin sowie seiner Freundin und ihm sein bisheriges Leben bilanziert und über seine Zukunftspläne gesprochen. Die Eltern der Freundin von Christian kannte Marcel nur wenig.
Fremden Menschen gegenüber verhielt er sich sonst eher reserviert. Doch an diesem Abend philosophierte mein Sohn und bilanzierte dabei 5 Stunden lang sein Leben.
Kündigt sich der nahende Tod möglicherweise durch bestimmte Ereignisse und Verhaltensweisen an?
Etwa 4 Monate vor dem Unfall, als Marcel nachts in seinem Zimmer in unserer Wohnung gemeinsam mit Rebekka schlief, wurde er durch einen grellen Blitz im Zimmer geweckt. Der Blitz kann nicht von außen gekommen sein, da die Rollos heruntergezogen waren. Als das grelle Licht verschwunden war, ging die Außentür des Hauses, so die Wahrnehmung von Rebekka und Marcel.
Als mir Marcel davon erzählte, dachte ich, er hätte geträumt oder erzähle eine Wahrnehmung, die außerhalb der üblichen Wahrnehmungen läge. Rebekka aber hatte den Blitz ebenfalls wahrgenommen. Ich vertiefte diese Wahrnehmung der beiden in Gesprächen mit Marcel nicht weiter, da sie mich belastete und ich mir keine Erklärung vorstellen konnte.
Marcel verabschiedete sich bei seinem letzten Besuch bei seinen Großeltern (Eltern von Ully) mehrfach von seinem Großvater, der schwer erkrankt war. Er ging wohl davon aus, dass er ihn nicht mehr lebend wieder sehen würde, weil er, der Opa, bald sterben könnte. Sie unterhielten sich lang über den Tod und eine mögliche Existenz der Seele nach dem physischen Tod. Marcel und Opa Hans sollten sich tatsächlich nach diesem letzten Besuch in der diesseitigen physischen Welt nicht wiedersehen.
Etwa 14 Sunden vor dem Unfall schickte Ully die SMS, dass unser 2-jähriger Hund auf Marcels Kissen in dessen Bett gepinkelt hatte. Dieses oder ähnliches Verhalten zeigte er zuvor genauso wenig wie jemals nach dem Tod von Marcel. Was kann ein Hund ahnen? Es bleibt für immer sein Geheimnis, ob und was er geahnt oder befürchtet hatte.
Nach dem Disko-Besuch versuchte Marcel anscheinend ein Taxi für die Fahrt zu uns nach Hause zu bekommen, denn die zuletzt gewählte Nummer auf seinem Mobiltelefon war die des ihm bekannten Taxifahrers. Es ist ihm nicht gelungen. So ist er in das Auto des ihm nahezu fremden Menschen eingestiegen, was für ihn ein ungewöhnliches Verhalten darstellte. Mir scheint es, dass die Ereignisse kurz vor dem Unglück und das Verhalten Marcels in den letzten Wochen und Tagen vor seinem Tod dieses Geschehen bei genauer Betrachtung vorausahnen ließen.
Marcel hatte sich verändert. Er bilanzierte sein Leben.
Wenige Minuten nach dem Unfall offenbarte er sich in mir bis dahin unbekannter Art und Weise.
Wie ich heute aber weiß und später belegen werde, kamen die Worte „du brauchst dir keine Sorgen mehr um dieses Kind zu machen“ weder aus seiner Seele noch aus meiner.
Eine Woche nach Marcels Tod fand die Trauerfeier statt. Ein großes Bild, das ihn im Alter von 20 Jahren darstellt, stand auf einer Staffelei neben dem Sarg. Wir hatten einen Trauerredner engagiert, der Marcel in seiner Rede würdigte.
Dies geschah weitgehend entsprechend der Wertvorstellungen und Gedanken zu Leben und Tod, die meine Frau Ully, Marcels Freundin Rebekka und ich teilen. In den Tagen vor der Trauerfeier bestand ein reger Kontakt zwischen uns und Herrn Müller, der die Rede verfasste und vortrug.
Nun, während der Trauerfeier starrte ich auf dieses Bild. Der geschlossene Mund öffnete sich und Marcel lächelte. Er wurde dann wieder ernster; das Bild fand zu seinem ursprünglichen Ausdruck zurück. Dann lächelte er wieder und auch wieder nicht und dies wiederholte sich einige Male.
Ich bin ein sehr rational geprägter Mensch und frage mich stets bei Vorkommnissen, die ich nicht erklären kann, spinne ich oder gibt es eine „vernünftige“ Erklärung. In den Momenten des Lachens in Marcels Bild rationalisierte ich meine Wahrnehmung als Folge psychischen Stresses.
Sofort nach Ende der Trauerfeier sprachen mich aber andere Trauergäste an, ob ich genau dieses Phänomen des Lachens von Marcel auf dem Bild beobachtet hätte. Diese Menschen saßen soweit auseinander, dass sie sich nicht bis zum Zeitpunkt des Gesprächs mit mir gegenseitig beinflusst haben konnten.
Alles im unendlichen Raum ist Energie! Die Seele, die sich im Augenblick des Todes vom Körper trennt, ist Energie. Existiert diese Energie auf einer anderen Ebene weiter, die man ASTRALEBENE nennt? Kann die Seele dann von dieser ASTRALEBENE unsere physische Welt beeinflussen?
Auf dem Hintergrund späterer Erfahrungen kann ich diese Fragen heute eindeutig mit „ja“ beantworten.
10 Tage nach Marcels Tod starb sein Großvater, der Vater von Ully. Mit ihm fühlte sich Marcel besonders verbunden. Sein ganzes Leben lang gab es zwischen den beiden längere ernsthafte Gespräche.
Der Opa gab Marcel Einblicke in sein Leben und in die damit zusammenhängende tragische Geschichte, die Menschen unseres Volkes in der Zeit ihrer Kindheit und Jugend meines Schwiegervaters widerfuhr.
Die Mitteilsamkeit des Opas gegenüber Marcel war außergewöhnlich, da er allgemein ein eher introvertierter Mensch war. Marcel hörte ihm stets aufmerksam und interessiert zu.
Nun war Opa Hans seit einigen Monaten schwer erkrankt. Die Krankheit würde aber voraussichtlich nicht in kürzerer Zeit sein Leben beenden.
Marcel schrieb ihm etwas 3 Wochen vor seinem Tod folgenden Brief: „Lieber Opa Hans,
ich hoffe dir geht es den schlechten Umständen entsprechend gut und die Leute im Krankenhaus nerven dich nicht all zu sehr!
Dein momentaner Zustand stimmt mich sehr traurig und es fällt mir zeitweise schwer, mich auf andere Sachen zu konzentrieren. Allerdings denke ich auch oft an vorherige Zeiten. Die damit verbundenen Erinnerungen und Erlebnisse mit dir empfinde ich als durchweg positiv. Ich habe deine Art immer sehr gemocht bzw. mag sie immer noch und kann sie, wenn auch nur teilweise, glücklicherweise auch in mir wieder finden.
Ansonsten geht es mir recht gut. Schule und Arbeit laufen besser denn je. Ich schreibe nur Einsen und Zweien, war noch nie krank, arbeite ca. 10 Stunden am Tag. Ich habe gelernt, dass man den Problemen nicht aus dem Weg gehen darf!
Liebe Grüße
Marcel“
Als Ully Hans den Brief vorlas, blieb in diesem Moment unklar, ob er ihn in vollem Umfang begreift, denn an diesem Tag im Krankenhaus litt er unter starken Schmerzen und war von den Morphiumgaben sicherlich in seiner Auffassungsfähigkeit beeinträchtigt.
Im Krankenhauszimmer von Hans wurde noch ein Mann behandelt, der an einer Demenz litt.
Dieser Mann, der die Zusammenhänge seines alltäglichen Daseins im Hier und Jetzt nicht mehr erfassen konnte, meinte:
„Das ist aber ein lieber Enkel!“
Als Marcel dann starb, war Hans wieder zu Hause. Er konnte aber aufgrund der Entkräftung seines Körpers das Bett nicht verlassen. Er war nun pflegebedürftig und wurde von seiner Ehefrau Marga und einem ambulanten Pflegedienst betreut.
An Marcels Trauerfeier am 10. März konnte er daher nicht teilnehmen. Ihn mögen deswegen neben der ihn überflutenden Trauer auch Gefühle der Ohnmacht und tiefster Verzweiflung überkommen haben.
Am Tag seines eigenen Todes am 13. März war er bei klarem Verstand! Er kündigte in den Tagen zuvor schon seiner Frau an, dass er Marcel folgen wolle, sobald seine Tochter Ully wieder da sein kann. Wir konnten ihn in den Tagen vor dem 12. März nicht besuchen, weil wir ausschließlich mit der Gestaltung der Trauerfeier und den Formalitäten hinsichtlich der Beisetzung von Marcel beschäftigt waren.
Am 12. März aber, 9 Tage nach dem Unfall von Marcel fuhren Ully und ich in ihren Heimatort. Hier sollte eine Grabstelle unter einem Baum für Marcel ausgesucht werden. Hans war voll freudiger Erwartung. Das mitgebrachte große Foto von Marcel wollte er nicht ansehen, da es ihn mit einer für ihn unerträglichen Trauer erfüllte.
Hans erzählte noch einmal über sein Erleben aus seiner Kindheit – und er freute sich, Marcel bald folgen zu können. Ully bat ihn für diesen Fall, auch auf seinen Enkel aufzupassen, aber voller Überzeugung stellte er fest: „Das braucht Marcel nicht mehr, aber wir werden beide auf euch aufpassen!“ Er wirkte absolut nicht dem Tod geweiht und schlief ruhig und fast glücklich ein.
Am nächsten Morgen erschrak Hans beim Aufwachen. Er war traurig, immer noch zu leben, hatte er es sich doch so leicht vorgestellt, ins Jenseits übertreten zu dürfen.
Nachdem ihm nun die Fotos von den heute ausgesuchten Grabstellen für Marcel, für ihn und seine Frau Marga, für Ully und für mich gezeigt worden waren, freute er sich, da deutlich wurde, dass er – genauso wie Marcel – unter einer Birke – seinem Lieblingsbaum – beigesetzt werden würde.
Hans lehnte nun jede Form von Nahrung und Flüssigkeit ab. Er wurde immer unruhiger und litt unter starken Schmerzen. Die Schmerzen ließen sich auch durch zusätzliche Morphiumgaben nicht verringern.
Wir verdeutlichten ihm, dass er gehen dürfe, wenn er das denn wolle.
Doch er schilderte voller Verzweiflung, indem er auf seinen Brustkorb zeigte, dass der Tod genau hier zum Stocken komme.
Am Nachmittag berichtete er dann mit schwacher Stimme, dass er schon „DA“ gewesen sei, doch „ER“ ihn wieder fortgeschickt habe, da er noch nicht dran sei. Niemand von uns traute sich zu fragen, wen er mit „ER“ meinte.
Plötzlich wurde ihm sehr kalt. Er zitterte am ganzen Körper und voller Erleichterung schrie er: „Ja, jetzt kommt der Tod; ich kann ihn spüren!“ Er wirkte fast euphorisch. Sein Atem wurde flacher, seine Schmerzen immer stärker; er stöhnte nur noch und seine bis dahin gesunde Auffassungsgabe erlosch innerhalb weniger Stunden.
Als am Abend der Hausarzt kam, war dieser völlig erschrocken, seinen langjährigen Patienten so vorzufinden, war er doch noch vor einigen Tagen sicher gewesen, Hans könne wieder genesen.
Aber auch ihm war nun klar, dass bei diesem seelischen Schmerz kein Morphium mehr helfen kann. Vor ihm lag ein Patient, der mit seinen letzten Kräften für und nicht gegen den Tod kämpfte!
Diesen Kampf für den Tod hat Hans dann schließlich am späten Abend gewonnen. Eines seiner letzen beiden Worte war „Mama!“ Wir gehen davon aus, dass sie ihn schon erwartete. Marcel auch…?
Kinder ahnen ihren Ursprung oft. Viele von ihnen sprechen vom vergangenen Leben. Marcel sagte, als er 6 Jahre als war: „Ich komme von ganz weit her und ich sehne mich nach dort manchmal zurück!“
Was wollte er zum Ausdruck bringen. Wir haben nicht nachgefragt. Wir interpretieren die Geschehnisse des Lebens eher psychologisch. Damals befürchteten wir, das Kind fühle sich bei uns nicht wohl. Was haben wir falsch gemacht, dass es irgendwo anders hin will, es sich bei uns nicht gut aufgehoben fühlt? Wie machen wir dieses Kind glücklich? Das waren unsere Fragen, nicht: Wo kommt es denn her? Oder: Hat es noch geistigen Bezug zu seiner universellen oder spirituellen Herkunft?
Wer war Marcel in der physischen Welt?
Ully hat seit Beginn ihrer Schwangerschaft ein Tagebuch – mit Pausen – geschrieben und damit Ausschnitte aus dem Leben dieses bemerkenswerten Menschen festgehalten.
Marcel wurde am 6. August 1985 um 10.29 Uhr geboren. Es war – unüblicherweise bei einem 1. Kind – eine rasche Geburt. Erst um 7.30 Uhr waren Ully und ich im Krankenhaus angekommen.
Wegen einer „Gelbsucht“ wurde Marcel in den ersten Tagen seines Lebens mit einer Lichttherapie konfrontiert, die meines Erachtens eine lebenslange psychische Problematik verursachte. Er schrie, wie wir später erfuhren in dem Phototherapiekasten. Er war dort wach; er schlief nicht, wie die meisten anderen Säuglinge. Er wurde dadurch traumatisiert.
„Ich habe noch nie erlebt, dass ein Kind so schreit und sich nicht beruhigen lässt“, sagte die “schwachsinnige“ Kinderkrankenschwester zu meiner Frau später.
Dieses Trauma erschwerte ihm das Einschlafen. Er konnte sich als Säugling und als Kleinkind nicht fallen lassen. Sonnenschein empfand er bis zum Ende seines Lebens – von Ausnahmen abgesehen – als „schlechtes Wetter“. Er war übermäßig misstrauisch anderen Menschen gegenüber bis er sie sehr gut kannte.
Dieses Misstrauen mag aus der Erfahrung des Verlassenwerdens in den ersten Tagen seines Lebens durch die Mutter herrühren. Sie überließ ihn – unwissentlich, was aber in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung ist – der Einsamkeit und Hilflosigkeit in einem begrenzten Kasten mit störendem hellem Licht. Das Gefühl der Hilflosigkeit und des Verlassen – Seins löst selbstverständlich in dieser Lebensphase eine massive Todesangst aus.
Das Vorgehen der Kinderkrankenschwester erinnert an Folter und stellt ein unverantwortliches Handeln der Kinderklinik dar. Vielleicht war aus diesem Grund das Verhältnis von Marcel zu seiner Mutter lebenslang gespannt – abgesehen von den letzten Tagen seines Lebens und auch großer Zeitabschnitte in den ersten 6 Lebensjahren.
Marcel wurde in seinen ersten 3 Lebensjahren nachts in der Regel zwischen 6 und 12 mal wach. Er schrie dann und ließ sich nur durch Körperkontakt beruhigen, schlief dann wieder ein, um bald wieder aufzuwachen und erneut zu schreien. Tagsüber lachte er viel; er war dann ein fröhliches Baby.
In den ersten Jahren seines Lebens drückte er seine Gefühle deutlich aus durch extrem lautes Schreien und durch fröhliches Lachen.
Ich fuhr oft gegen 6.00 Uhr morgens mit Marcel zum Bäcker, um Brötchen einzukaufen.
Zuvor war ich gegen 5.00 Uhr mit ihm aufgestanden, damit Ully endlich in Ruhe schlafen konnte. Ich baute dann mit Marcel Türmchen oder wir schauten uns Bilderbücher an.
Am Wochenende gegen 7.00 Uhr fuhr ich dann etwa ¾ Stunde mit ihm zu einem Stausee. In dieser Zeit konnte Marcel wieder schlafen. Er schlief beim Auto fahren immer ein.
Auf dem Spielplatz am See war er wie zuvor seit 5.00 Uhr putzmunter und spielte nach Belieben, Lust und Laune. Sobald aber die ersten fremden Kinder ankamen – in der Regel so gegen 9.00 Uhr – wollte er wieder nach Hause. Na, wenn wir gegen 10.00 Uhr zu Hause wieder angekommen waren, hatte Ully genug geschlafen.
Marcel zeigte Misstrauen gegenüber anderen Kindern. Er tat sich schwer im Kontakt mit ihnen, und er wehrte sich nicht, wenn er von anderen Kleinkindern drangsaliert wurde.
Normalisierte sich sein Kontaktverhalten zunächst mit etwa 2 ½ Jahren, so ließ das Kontaktbedürfnis in Bezug auf gleichaltrige Kinder im Alter von 3 ½ Jahren wieder nach und verschwand in der Beziehung zu fremden Kindern ganz. Es gab einige Bekannte, mit denen er sich einlassen konnte. Eine überragende Rolle kam hier seiner Kinderfreundin Jessica zu, die am 21 Oktober 1985 geboren wurde und somit gut 2 Monate jünger als er war.
Jessica und Marcel waren beides Einzelkinder, die sich zueinander wie gleichaltrige Geschwister im positiven Sinne verhielten. Sie spielten miteinander ruhig und sie machten miteinander allen möglichen Blödsinn, auch bis tief in die Nacht hinein.
Es gab kein anderes Kind, bei dem er sich im gemeinsamen Miteinander fallen lassen konnte. Sie inspirierte ihn durch ihre Kreativität und durch ihre offensichtliche Liebe ihm gegenüber. Wenn sie zusammen waren, befreite sie ihn eine Zeit lang aus seinem Gefängnis, in dem er seine Gefühle nun oft einzwängte.
Sein äußeres Gefängnis in den ersten Tagen seines Lebens – die Phototherapie – war zu einem inneren Gefängnis geworden, aus dem er sich in der Begegnung mit ganz wenigen Menschen befreien konnte, dazu gehörten Jessica, oft seine Eltern, oft seine Großeltern, und gelegentlich zwei Freunde von uns und einige andere Freunde bzw. Freundinnen von ihm. In den letzten 10 Jahren seines Lebens wurden diese Personen dann zunehmend durch neue Freunde abgelöst, zum Ende seines Lebens handelte es sich um 5 Freunde und um Rebekka, seine Freundin, mit der er etwa 3 Jahre zusammen war. Oft gab es aber auch Phasen in diesen letzten 10 Jahren, in denen er sich wohl niemandem anvertrauen konnte.
Marcel war von Beginn seines Lebens an zuverlässig. Was er versprach, hielt er, wenn er etwas nicht halten wollte, versprach er es nicht.
Es gab in unserem ersten gemeinsamen Wohnort in der Nähe von Bielefeld, wo wir die ersten 6 Jahre von Marcels Leben wohnten, eine Kleinkindgruppe, die sich zweimal in der Woche mit einer ausgebildeten Erzieherin und einem Elternteil traf. Marcel schien diesen Kontakt zu hassen. Es machte oft Gezeter, wenn er dort hingehen sollte.
Als er mit Ully einmal auf einer Kirmes Autoscooter fahren wollte und sie ihm ihre Abneigung mitteilte, sagte er: „Dann musst du deine Angst einfach mal überwinden.“ Darauf Ully: “In Ordnung, wenn du deine Angst überwindest und mit den Kindern in der Rasselbande spielst.“ Er war zuverlässig. Er ging nun ohne Schwierigkeiten in die Rasselbande – vordergründig betrachtet. Er wird sich gezwungen haben, Angst zu überwinden. Er ließ sich nichts anmerken, weil er es ja versprochen hatte.
Ich bereue es, darauf bestanden zu haben, dass er in die Rasselbande geht. Ich habe meine eigenen Ängste auf ihn projiziert. Ich selbst war bis zu meinem 5. Lebensjahr in meinem Kontaktverhalten in meiner rückschauenden Betrachtung ebenfalls gestört.
Ich entwickelte nun eine diffuse Angst, dass Marcel ebenfalls im Kontaktverhalten Störungen entwickeln könnte und so in seinem Leben wenig Zufriedenheit und ein zu geringes Durchsetzungsfähigkeit erlangt.
Es ängstigte mich der Gedanke, dass die Beilegung der Störung bei ihm nicht so glatt verlaufen könnte wie bei mir.
Aufgrund meiner heutigen Erkenntnisse würde ich niemanden mehr an die äußeren Anforderungen unserer Kultur anzupassen versuchen, wohl wissend, dass ein gewisser Anpassungsgrad an die gesellschaftlichen und kulturellen Regeln zum Überleben und zur Entfaltung der Seele notwendig ist.
Die Krankheit unserer Kultur aber besteht darin, dass die Anpassung im Vordergrund steht und die Entfaltung der Seele dadurch vernachlässigt und von vielen Menschen dann ganz aufgegeben wird. Streben nach Macht, Geld und Anerkennung stehen im Vordergrund. Nach den Entfaltungsmöglichkeiten der Seele wird wenig gefragt. Entwicklung einer das irdische Leben überdauernden Seele ist kein gesellschaftliches Thema.
Viele Menschen in unserer Gesellschaft gelingt ihr Streben nach Macht, Geld und Anerkennung nicht – sie gelten wenig und sie haben nichts. Sie resignieren dann oft, weil sie nicht gelernt haben, sich auf sich selbst und die Entfaltung ihrer Seele zu besinnen, die weder Macht noch Geld noch Anerkennung braucht.
Viele Menschen erreichen die von sich selbst oder anderen Menschen definierten Ziele in unserer physischen Welt. Aber sind sie glücklich? Manche von ihnen verkaufen im wahrsten Sinne des Wortes ihre Seele für Geld, Macht und irdischen Status und irdische Anerkennung. Heute würde ich mich mehr um die Erkenntnis vom Sinn der Seele meines Kindes bemühen.
Ich gehe davon aus, dass Marcels Seele ihre irdische Aufgabe erfüllt hat und deswegen in die ASTRALE WELT übergewechselt ist. Was war der Sinn? Vielleicht die Überwindung des geschilderten Traumas aus den ersten Tagen seines Lebens. Sein Kontaktverhalten war zum Ende seines Lebens ebenso normal wie der Wille, seine Probleme selbständig zu lösen.
Sich um die Seele seines Kindes zu kümmern bedeutet nicht, was braucht dieses Kind, um als Erwachsener in dieser Gesellschaft erfolgreich zu werden. Natürlich bestehen die Ängste von Eltern – und meine eben auch – darin, das Kind könne sich ohne einen gewissen Anpassungsgrad und das Erlernen unserer Kulturtechniken nicht positiv entwickeln, weder seinen Körper, noch seine Intelligenz, noch sein Verhalten, und auch nicht seine Seele.
Sich um die Seele zu kümmern, bedeutet Vertrauen in das Wachstum derselben in dem Bewusstsein zu entwickeln, hier handelt es sich nicht um eine Lebensform, die nun 1, 2 oder 3 Jahre alt ist. Die Seele kann relativ alt oder jung sein (1000 Jahre oder 10000 Jahre, wir wissen es nicht); sie kann erfahren sein, sie weiß, was sie in diesem Leben in der physischen Welt zu tun hat. Sie existiert bereits über einige oder mehrere Inkarnationen in verschiedenen menschlichen Körpern. Sie existierte bereits vor der letzten Geburt in dieser physischen Welt und in der ASTRALEN Welt. Die Seele meines Kindes ist vielleicht älter als meine Seele!
Es gilt, den Sinn der Seele seines Kindes und den Sinn von sich selbst zu erfassen.
In Bezug auf die Kinder könnte sich so eine ganz neue pädagogische Haltung entwickeln. Die Achtung vor der Seele der Kinder würde sich verändern.
Eine Lebensphilosophie und Lebenspraxis, die von größerer Geduld und Toleranz geprägt ist, hätte eine Chance.
Auch der Umgang mit Sterben und Tod würde die Tabuzone verlassen.
Die besten Zeiten, den Sinn einer Seele zu erfassen sind die ersten Lebensjahre eines Menschen. Das Kind ist in den ersten Jahren seines Lebens an die gesellschaftlichen Normen nur wenig angepasst und verhält sich dem zu Folge mehr aus seinen noch unverfälschten seelischen Belangen heraus. Auch im Angesicht des Todes, wenn die gesellschaftliche Wirklichkeit und die eigenen Rollen bedeutungslos geworden sind und der Sterbende den Blick auf die jenseitige Welt richtet, werden der Sinn und das Ziel seiner Seele in der gegenwärtigen Inkarnation deutlicher.
Aber es gibt auch in der Zwischenzeit Möglichkeiten der Besinnung auf die eigene Seele, auf den Seelensinn und das Seelenziel.
Krisen geben einen erweiterten Einblick in die eigene Seele. Ich schaue nun nach dem Schock des Todes meines Sohnes mehr in meine Seele als zuvor, abgesehen von 3 Tagen meines Lebens, als ich in einer völlig anders gearteten Form der Krise stets wusste, was richtig ist. Darauf komme ich im 3. Teil zu sprechen.
Marcel gab wie alle kleinen Kinder Weisheiten von sich, die wir – wie wahrscheinlich die meisten Erwachsenen – putzig fanden.
Heute geben sie mir Aufschluss über den Sinn und die Befindlichkeit seiner Seele. Ich wünsche mir die Chance, noch einmal einen kleinen Menschen in seinen ersten Lebensjahren begleiten zu können mit meiner heute vorhandenen Bereitschaft, den Sinn und die Befindlichkeit seiner Seele zu erfassen, zu lieben und zu fördern.
Marcel äußerte im Alter von 3 Jahren in Bezug auf eine um ½ Jahr ältere Freundin, die er mochte, dass sie manchmal spinnt. Dieses Kind hatte eine lebhafte Phantasie und erzählte gern Dinge, die nicht der Wirklichkeit entsprachen. Mit Spinnen benannte Marcel genau dieses Verhalten. Dabei konnte er benennen, was denn an den Aussagen dieses Kindes nicht stimmte.
Im Alter von 4 Jahren äußerte er, lieber mit Mädchen zu spielen und war richtig glücklich, als auf Jessicas 4. Geburtstag außer ihm nur Mädchen eingeladen waren.
Am 7. November 1989 wurde deutlich, wie sehr sich dieses nun 4 Jahre und 3 Monate alte Kind Gedanken um Identität und Existenz macht: „Manchmal weiß ich gar nicht, ob ich ICH bin. Aber dieses Gefühl habe ich nur manchmal.“
Ferner zeigte er eine überdurchschnittliche Sensibilität für das mögliche Empfinden aller Lebewesen. Er scheute sich sogar, Pflanzen zu verletzen.
Wenn es darum geht, den Sinn, die Weisheit und die Aufgabe einer Seele zu erfassen, um ihr bei ihrer Zielverwirklichung zu helfen, müssen wir in den ersten Jahren ihrer gegenwärtigen irdischen Existenz erfassen, was sie von sich gibt. In den ersten Jahren wird der Mensch noch die größte Nähe zu sich selbst – also zu seiner Seele und ihrer Bedeutung – haben. Je älter er wird, je mehr wird die Seele überlagert von kulturellen Ansprüchen. Die Aussprüche der Kinder sind also nicht putzig; sie wirken lediglich unbeholfen, weil die Seele sich an unbekannte Kultureigenschaften gewöhnen und sie erlernen muss.
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