»Amerika war das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und ist nun das Land der begrenzten Unmöglichkeiten.
Aber endlich überflügelt Russland doch noch die USA, als das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten.«
Erhard Blanck (*1942)
Deutscher Heilpraktiker, Schriftsteller und Maler
ORIGINALAUSGABE
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© 2015 JUDr. Norman M. Spreng, LL.M.
Konzept: BRAINBOOKMEDIA, Essen
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7392-7124-8
»Der Verstand ist die Voraussetzung zum Verstehen«
Hallo, liebe Ladies und Germanies,
den Beweis für obigen Satz treten´s in diesem Moment grad selber an. Der Griff zu einem Buch ist besser, als der zur Fernbedienung. Aber Vorsicht: Das Buch von Herrn Dr. Spreng besitzt Sprengkraft und schadet der Dummheit! In seinem Buch geht’s um das rätselhafteste Tier Europas und was es grad´ in der Ukraine anstellt. Es geht um den russischen Bären, und der wurde uns ja in letzter Zeit mächtig aufgebunden. Die Deutschen Medien haben da einen ganz interessanten Groove entwickelt: Immer gegen Ende der Woch‘, meistens freitags, greift er an ... und wütet im Blätterwald und auf den Flachbildschirmen. Aber wieso schleicht der Bär immer freitags ums Haus? Da kann sich die Angst übers Wochenende 48 Stunden schön entwickeln, bis am Sonntag der Tatort kommt. Am Montag ruft Merkel dann wieder zur Entspannungsübung bis zum nächsten Freitag. Da bekommt er wieder Appetit, der russische Bär. Und was haben wir uns nicht alles anhören müssen im letzten Jahr: Aus Pu der Bär wurde Putin der Bär-Serker.
Verstehen Sie das? Ich schon! Aber bin ich deshalb schon ein Putin-Versteher? Und was haben uns die aktuellen Kameras alles weiß machen wollen: Der russische Präsident hat die Ukraine annektiert! Oder der Böse erpresst die Ukraine, weil sie ihre Gasrechnungen nicht zahlen! Mittlerweile hat Merkel aber g’sagt, die Rechnung geht auf mich, und die nächsten drei auch wahrscheinlich auch noch. Der Böse will mit dem Dollar nix mehr zu tun haben und eine eigene Weltwährung haben. Ganz g’scheit! Auf unsere nett gemeinten Exportsanktionen hat er ganz bös mit einem Importstopp reagiert. Völlig verblüfft hat ma jetzt erkannt, dass das nur uns selber schadet: 30 Prozent Exporteinbruch allein in Deutschland.
Aber, wenn Deppen schießen, geht der Schuss meist nach hinten los! Wie heißt’s so schön im Jiddischen: »Wollt ich ferzn, na hab ich ma bekackt«. Und das beste Drehbuch der Eskalation war ja die als Hilfskonvoi getarnte Invasion – die verkaufen’s uns im Zwei-Wochen-Takt: Die russische Babuschka-Variante vom Trojanischen Pferd! Für wie blöd halten uns die Mainstream-Medien, für die wir auch noch zahlen müssen? In der Ukraine regieren von der EU protegierte Faschisten, die ihre eigenen Leute auf der Krim zu 100.000en nach Russland treiben. Zu dem Flugzeugabsturz gibt´s bis heute keinerlei Beweise gegen Putin – ganz im Gegenteil, die USA und die Ukraine halten alle Indizien zurück. Also wieder typisch für unsere kurzsichtigen EU-Maulwürfe. Der Verstand reicht nur von 12 Uhr bis auf Mittag. Verblödung fast zum Fleiß. Wie heißt es so schön: Der Tod ist nur für die Anderen schlimm, der Betroffene selbst merkt's nicht ..., und mit der Dummheit ist's genauso. Und, Herrschaften, unsere ‘Qualitätsmedien‘ sorgen dafür, dass die Dummheit eine nachwachsende Ressource bleibt. Der Inhalt der Fernsehsendungen ist mittlerweile flacher als der Bildschirm, und die Zeitungen eignen sich bestenfalls nur noch, um darin Fische einwickeln. Um die Auflage kosmetisch zu retten, werden Zeitungen jetzt sogar verschenkt.
Der Irrsinn kennt keine Grenzen mehr. Der Sinn ist aber ein ganz anderer: Man will partout den russischen Bären zum Raufen reizen. Der Westen braucht eine Maximum-Stress-Situation, um von seiner Misere abzulenken. Denn nur so kommen die USA und die EU von ihren Schulden los. A Krieg muss her, und wenn die Küch´ raus muss! Aber der Herr Friedensnobelpreisträger Bambi will halt nur das Beste. Das hat man ja auch in Libyen, Syrien, Venezuela und jetzt wieder im Irak gesehen.
Zurück zum russischen Problem-Bären, den man uns seit einem Jahr aufzubinden versucht. Die meisten kennen die Russen doch nur vom Urlaub. Zugegeben, dort fallen’s, wie die Deutschen, ned immer positiv auf. Der Deutsche reserviert mit dem Handtuch seine Liege, der Russe kauft gleich das ganze Hotel. Ja, Herrschaften, so ist das. Im Gegensatz zum Deutschen würde der Russe den Deutschen aber nicht aus dem Hotel werfen. Wie man hört, sind die Deutschen den Russen sogar immer willkommen, aber halt nicht wieder wie 1941, alle auf einmal. Um Streit rechtzeitig aus dem Weg zu gehen, trinken die Russen Wodka und die Deutschen Bier, damit sich die Völker am Hotelpool an den Fahnen besser erkennen.
Aber, Herrschaften, wer von Ihnen war schon mal in Russland? Alle, die dort waren, sehen sofort den Unterschied zwischen Wahrheit und Dichtung. Man soll nie auf den ersten Blick urteilen, weil man sich beim zweiten Blick nur zu oft vom Gegenteil überzeugt. Der Russe spricht zum Beispiel familiär von seinem Mütterchen Russland und Väterchen Frost, der Deutsche schimpft über Mutti und Väterchen Frust. Der Russe wird von seinem Familiensinn getragen, der Deutsche erträgt seine Familienministerin. Der Russe hasst Vorschriften, der Deutsche regelt sogar die Vorschriften. Dem Russen ist der Gebrauch wichtiger als der Besitz, der Deutsche will besitzen, was er gar nicht braucht ..., und davon lebt die deutsche Wirtschaft. Und auch für Russland sieht´s wirtschaftlich deutlich besser aus, als man uns hier in den Medien weismachen möchte. Der Bärendreck entpuppt sich nämlich bei genauerer Betrachtung als leckerste Lakritze. Bei den fossilen Brennwerten wie Erdgas, Erdöl und Kohle besitzt Russland die Hälfte der fossilen Welternergieeinheiten. Der Russ hat einen Spitzensteuersatz von nur 13 Prozent, in Deutschland für Leistungsträger über 50 Prozent, also mehr als der russische Wodka Alkoholgehalt hat. In Russland beträgt die pro Kopf-Verschuldung 0, in Deutschland weit über 20.000 Euro. Dafür importiert Deutschland jedes Jahr fast eine Million hochspezialisierte Harz IV-Empfänger und spendiert hunderte Milliarden Euro an die EU.
Aber eins haben Russen und Deutsche gemeinsam: Beide unterwerfen sich einem Staatsapparat, den sie aus tiefster Seele ablehnen. Und noch etwas hamms' gemeinsam: Wie die Deutschen lieben auch die Russen ihre Kinder und wollen ganz gewiss KEINEN Krieg! Mit einem Unterschied: Der russische Präsident hat Eier in der Hose. So schaut´s aus. Und unsere transatlantische Frau Merkel? Ausgerechnet im Amerikanischen gibt's einen treffenden Spruch: »If my Aunt had balls, ... she would be my Uncle!«
Bin ich ein Putin-Versteher? Mit Russland muss man rechnen, und deshalb sollte man sich auch mit Ihm gut verstehen – schon Bismarck wusste das! Herrschaften, wenn Sie mich fragen: Nur gemeinsam können wir der Dummheit schaden. Dieses aktuelle, faktenreiche und überaus interessante Sachbuch von Herrn Dr. Spreng trägt sicherlich dazu bei.
Freundlichst,
Ihr Dr. Alfons Proebstl
Person des öffentlichen Lebens
www.dr.proebstl.at
Heute – 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges und 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg mit Abermillionen Toten – werden wieder Menschen mit nationalistischen Sprüchen um den Verstand gebracht und gegeneinander aufgehetzt. Dabei wissen wir aus der Geschichte doch längst, dass Frieden nur durch das friedliche Handeln der Menschen gesichert und erreicht werden kann. Dies ist ein Zeichen von politischer Vernunft, wie sie in den meisten Medien und bei den führenden Politikern in Deutschland gegenwärtig aber nicht mehr anzutreffen ist.
Aktuell geht es um die Ukraine. Aber was ist dort eigentlich passiert? Der Cicero, Magazin für politische Kultur, erklärt uns den Ukraine-Konflikt so1: »Als Reaktion auf die proeuropäischen Maidan-Demonstrationen und die Absetzung und Flucht des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch annektierte Russland gegen das Völkerrecht und ohne jede Legitimation im März 2014 die Krim. Parallel dazu begann eine von Russland unterstützte Soldateska in der Ostukraine einen blutigen Bürgerkrieg, mit dem Ziel, die prahlerisch ‘Volksrepubliken‘ genannten Gebiete Donezk und Luhansk von der Ukraine abzuspalten. Eigentlich ist die Sache gar nicht so kompliziert. Und auch eine moralische Einordnung sollte nicht sonderlich schwer fallen – könnte man meinen. Immerhin zeugt das Vorgehen Putins von einer Brutalität und Rücksichtslosigkeit, die nur noch durch seine Verlogenheit und Doppelzüngigkeit überboten wird. Aber wir sind ja in Deutschland. Da geraten die Dinge mitunter etwas durcheinander. Das hat hierzulande eine gewisse Tradition. Und so tobt seit gut einem Jahr und mit steigender Intensität die wütende Fraktion der Russland-Versteher – vor allem in Blogs, Foren und diversen Kommentarseiten. Nun ist allein die Tatsache, dass sich in einer freien westlichen Gesellschaft massenhaft Kommentatoren finden, die die Verbrechen eines zynischen, aggressiven und skrupellosen Autokraten verteidigen, bizarr genug. Getoppt wird dieser Irrsinn allerdings noch durch die kruden Argumente, die dabei vorgebracht werden […].« Aber ist die Erklärung für den Ukraine-Konflikt wirklich so simpel, können etwaige fundierte Gegenargumente einfach als ‘krude‘ abgetan werden? Nun, zur Klärung müssen wir da wohl etwas auszuholen. Entgegen der Auffassung des Cicero hat nämlich nicht Russland in der Ukraine interveniert, es waren vielmehr die USA, wie die weiteren Ausführungen eindeutig zeigen werden. Die Ukraine scheint für die USA nämlich besonders wichtig zu sein, und zwar so wichtig, dass sie bereit sind, einen Krieg mit Russland zu riskieren. Nur warum das so ist, lässt sich für den normal informierten Bürger zunächst sehr schwer nachvollziehen, schließlich findet darüber keine öffentliche Debatte statt. Die offizielle Erklärung der USA lautet, dass die aus der damaligen Sowjetunion hervorgegangene Ukraine unbedingt die Demokratie und den ökonomischen Wohlstand des Westens wolle. Doch genau das wolle Russland verhindern, weil Wladimir der Große, mit bürgerlichem Namen gelegentlich auch als ‘Putin‘ bezeichnet, die alte Sowjetunion zurückhaben wolle. Deshalb müsse die USA den russischen Präsidenten zwingend zum Wohle aller aufhalten, denn ohne das Aufzeigen von natürlichen, politischen, gesellschaftlichen und moralischen Grenzen würden als nächstes wohl das Baltikum und dann Polen annektiert werden, so wie es mit der Krim geschehen sei. So wird es uns zumindest verkauft. Aber so stimmt es nicht.
Der Putsch in Kiew kam einen Tag nachdem am 21. Februar 2014 Außenminister Steinmeier sowie die Außenminister Polens und Frankreichs einen friedlichen Kompromiss zwischen allen Parteien ausgehandelt hatten2, der einen Krieg hätte verhindern können. George Friedman, Gründer des geopolitischen Think Tank Stategic Forecasting Inc. (Stratfor), das sich mit Sicherheitsfragen, Geopolitik und strategischen Voraussagen beschäftigt, zu deren Kunden CIA und State Department zählen, erklärte am 19. Dezember 2014 in einem Interview mit der russischen Zeitung Kommersant, das Geschehnis in der Ukraine vom Februar 2014 »war ein von den USA organisierter Putsch. Und es war in der Tat der eklatanteste Putsch der Geschichte«3. Der renommierte Politikwissenschaftler von der Universität Chicago, John J. Mearsheimer, meinte, das Ziel des Westens läge darin, die Ukraine dem Einfluss Russlands zu entziehen und in den des Westens zu holen4. Dazu gäbe es drei Hauptinstrumente, nämlich die Osterweiterung der NATO, die Osterweiterung der EU und die Demokratieförderung, bei der es allen Regierungen der USA tatsächlich aber nie um die Förderung von Demokratie gegangen sei, sondern ausschließlich darum, missliebige Regierungen zu stürzen und durch hörige zu ersetzen. In der Ukraine ist daher eine hochexplosive Situation herbeigeführt worden. Sie ist bedrohlich für die Menschen in der Ukraine, in der gesamten Region und sogar in der ganzen Welt. Die soziale Not der ukrainischen Bevölkerung wurde genutzt um vorzugeben, die gesamte Ukraine wolle schnellstens Mitglied in der EU und der NATO werden. Monatelange Destabilisierung und Ausweitung von maßloser Gewalt in der Ukraine, betrieben – mindestens aber massiv unterstützt – von westlichen Regierungen, darunter auch der deutschen, führte zu der aktuell brisanten Situation. Nicht um die Sorgen der Menschen in der Ukraine geht es, es geht in den USA, der EU mit Teilen des deutschen Großkapitals vielmehr um geostrategische Einflusszonen, den Zugang zu Rohstoffen, zu Märkten und zu billigen Arbeitskräften. Warum die USA gerade die Ukraine im geopolitischen Focus haben, zeigt das Buch ‘The Grand Chessboard‘ von US-Präsidenten-Berater Zbigniew Brzeziński aus dem Jahr 1997 auf (in Deutschland ist es unter dem Titel ‘Die einzige Weltmacht‘ erschienen), welches auch heute noch als Grundlage der US-Strategen in Washington gilt. So heißt es in dem Buch, um die Welt als einzige Weltmacht dominieren zu können, müsse die USA im eurasischen Raum die Vorherrschaft gewinnen, es sei »das Schachbrett, auf dem der Kampf um globale Vorherrschaft auch in Zukunft ausgetragen wird«5. Weiter heißt es6: »Am wichtigsten allerdings ist die Ukraine. Da die EU und die NATO sich nach Osten ausdehnen, wird die Ukraine schließlich vor der Wahl stehen, ob sie Teil einer dieser Organisationen werden möchte. […] Obwohl dies Zeit brauchen wird, kann der Westen, während er seine Sicherheits- und Wirtschaftskontakte mit Kiew weiter ausbaut‚ schon jetzt das Jahrzehnt zwischen 2005 und 2015 als Zeitrahmen für eine sukzessive Eingliederung der Ukraine ins Auge fassen.« Wie bereits gesagt, das Buch stammt aus dem Jahr 1997. Eine Arte-Dokumentation im TV zeigt anschaulich auf, wer Brzeziński eigentlich ist und welche die Zielrichtungen seiner in Buch gepressten Visionen sind7. Als Vorwort zu dem vorgenannten Buch schrieb der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher: »Das Buch von Brzeziński wird ohne Zweifel eine wichtige Rolle spielen bei der Diskussion über die Struktur der neuen Weltordnung.« Dass diese Strategie von 1997 auch heute noch verfolgt wird, zeigte die Rede der für ihre Äußerung »Fuck the EU«8 bei uns bekanntgewordenen Victoria Nuland, Abteilungsleiterin im US-Außenministerium für die EU und Eurasien, am 14. November 2013 vor dem einflussreichen Atlantic Council in Washington, eine US-Denkfabrik und Public Policy-Gruppe mit starken Beziehungen zu einflussreichen Politikern9: »Seit der Unabhängigkeit 1991 hat das amerikanische Volk den Übergang der Ukraine zur Demokratie und Marktwirtschaft mit fünf Milliarden US-Dollar unterstützt, im Haushaltsjahr 2013 überstiegen unsere Hilfen 100 Millionen US-Dollar, und viel floss davon in Projekte, die dabei helfen, sich an europäische Standards anzupassen. […] Es ist auch ein Schritt hin zu der langfristigen Vision eines vernetzten Wirtschaftsraums, der von Lissabon bis Donezk reicht und der angeregt wird durch marktorientierte Reformen, wachsenden Wohlstand und eine sich vertiefende Demokratie. In dieser Absicht verhandeln die EU und die Vereinigten Staaten die Transatlantische Freihandelszone TTIP, die Wachstum, Investitionen und Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks verspricht sowie ein regelbasiertes globales Handelssystem mit hohen Standards.« Es geht bei der Ukraine also nicht nur um eine militärische Vorherrschaft, es geht auch um eine wirtschaftliche Dominanz bis an die Grenzen Russlands und darüber hinaus10. Die Ukraine ist auf dem Schachbrett von Brzeziński nur ein Bauer.
In dem Internetblog von maskenfall.de wird ausgeführt11: »[…] An der Ukraine-Krise zeigt sich die verheerende Wirkung der vermeintlich ‘sanften‘ Geopolitik des Westens. Sie führte nicht nur zu fürchterlichen Gewaltexzessen und dem heutigen Krieg in der Ostukraine, sie soll nun auch noch mit westlichen Waffen unterlegt werden. Gefördert wurden dadurch nicht etwa Demokratie und Wohlstand, sondern Angst, Not, allseitige Propaganda, Hass, Tod und die Rolle, die der militante Nationalismus in der Ukraine einnimmt. Wer die heutige Erzählung von Russland als ‘dem Aggressor‘ in der Ukraine-Krise mitträgt und die westlichen Akteure weitgehend von Verantwortung freispricht, indem er oder sie etwa die Geschehnisse erst zum Zeitpunkt der Krim-Abspaltung betrachtet, leidet entweder unter atemberaubender Naivität, einer schwerwiegenden Wahrnehmungsstörung oder versteht sich schlechterdings als Konstrukteur einer Realität, die sich ganz geopolitischen Interessen unterzuordnen hat.«
Dirk Müller, Journalist und als Mr. Dax bekannt gewordene Börsenspezialist, findet ebenfalls deutliche Worte, wenn er uns sagt12: »Es geht um Gas, es geht um Rohstoffe. Die Amerikaner spielen mit dem Feuer, aber sie spielen in unserem Wald. […] Meine Damen und Herren, es ist unglaublich. Wir sind so blöd, dass uns die Schweine beißen. Wir lassen uns von den Amerikanern in einen Konflikt rein schieben, den wir nicht brauchen, den wir nicht wollen, der uns überhaupt nichts bringt, und lassen uns noch erzählen, das sei in der Sache des Guten. Wie blöd muss man eigentlich werden?« Tja, wie blöd muss man eigentlich werden? Ist es tatsächlich Blödheit oder vielleicht doch ein eiskaltes Kalkül des Westens, ausgerichtet auf seine geopolitischen Machtbestrebungen, nämlich die ganze Welt beherrschen zu wollen? Geht es nicht wirklich um Ackerland, Wälder, Bodenschätze, billige Arbeiter und anderes Verwertbares zwecks Ausbeutung? Schließlich wird dies alles bei uns im Westen dringend benötigt, denn hier ist man mit der bisherigen Heuschreckenmentalität in Politik und Wirtschaft völlig am Ende. Putin hält sich bei aller Kriegstreiberei des Westens bislang elegant zurück, allein schon deshalb, weil die Truppen der Separatisten wohl als Sieger aus dem militärischen Konflikt in der Ostukraine hervorgehen werden. Er inszeniert sich zwar indirekt als Sieger, allerdings beweist er gegenüber dem quasi geschlagenen Gegner eine Art Großmut, denn er zeigt immer wieder Lösungsmöglichkeiten zur Beilegung der Krise auf, obwohl er das in seiner starken Position gar nicht müsste. Und genau das ist auch der Grund, warum man in Washington, Brüssel und Berlin so angefressen reagiert. Es reicht den dortigen Politikern schon lange nicht mehr, Russlands Einflusssphäre um einige hundert Kilometer zurückgedrängt zu haben, nämlich dorthin, wo bereits die deutsche Wehrmacht im Frühjahr 1943 stand. Vielmehr ist ihre Intention die, Russland und insbesondere Putin öffentlich zu demütigen. Einige Experten gehen sogar noch weiter und wollen als das eigentliche Ziel der Ukraine-Krise den politischen Sturz Putins erkannt haben, umso den letzten großen Gegenspieler der USA in Eurasien zu eliminieren. Liegt bei näherer Betrachtung ja auch auf der Hand.
Weiterhin versucht die US-Regierung derzeit, Russland in Europa die Energieversorgung zu entziehen. Mit dem Fracking, für das unsere Bundesregierung am 1. April 2015 nicht unumstritten den Weg geebnet hatte13, will Washington den Russen nun über das Freihandelsabkommen TTIP den lukrativen europäischen Energiemarkt abjagen. Dabei würden wir doch nur eine Abhängigkeit durch eine andere austauschen, obwohl dazu nun wirklich überhaupt kein Grund besteht. Selbst die seinerzeitige Sowjetunion hatte in den Zeiten des Kalten Krieges immer vertragstreu geliefert, es gab nie Beanstandungen. Von Merkels verlangter ‘Diversifikation der Energieströme‘ kann also gar keine Rede sein. Zudem wissen wir doch nur zu gut, dass die USA diese neue Abhängigkeit jederzeit dazu nutzen würden, um Europa ein wohlgefälliges Verhalten abzupressen, wann immer es nötig wäre. Abgesehen davon sind die USA auch wirtschaftlich gar nicht in der Lage Europa vollumfänglich mit Energieträgern zu versorgen, da bereits jetzt die Frackingblase in den USA geplatzt ist14. Also soll dieses für die Umwelt nachhaltig gefährliche und somit für den Menschen schädliche Verfahren in Europa angefahren werden, vornehmlich in der Ukraine. Aber solange dort Krieg ist, können die bereits in den Startlöchern wartenden US-Konzerne nicht loslegen. Europa verkommt immer mehr zur Spielwiese der USA.
Während sich also die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in der Krim-Krise auf immer schärfere Sanktionen gegen Russland vorbereiten, lehnt eine zunehmende Mehrheit der Deutschen ein solches Vorgehen ab. Das zeigte eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer. 64 Prozent der Befragten befürchtet demzufolge, dass der Konflikt für Deutschland negative Auswirkungen haben könnte15. Nur 32 Prozent setzen dagegen darauf, dass die sich die Auseinandersetzungen zwischen der Ukraine und Russland nicht auf die Bundesrepublik niederschlagen werden. Zudem ist mehr als die Hälfte der Bundesbürger, 57 Prozent der Befragten, der Meinung, dass die alte Regierung in der Ukraine die Hauptschuld an der Eskalation trägt.
Einer später in der ARD veröffentlichten Umfrage16 zufolge fürchten 72 Prozent der Deutschen eine Rückkehr in die Zeit des Kalten Krieges zwischen Ost und West. Nur 18 Prozent der Befragten befürworten eine militärische Unterstützung der Ukraine. 69 Prozent der Deutschen sind für wirtschaftliche und finanzielle Hilfen für die Ukraine. Über die Haltung zu Russland ist Deutschland gespalten: Einreiseverbote und Kontosperrungen für russische Politiker werden von 51 Prozent begrüßt. Nur jeder zweite Deutsche will Wirtschaftssanktionen, eine militärische Eskalation ist für die überwältigende Mehrheit der Deutschen jedoch keine Option: 77 Prozent lehnen ein Eingreifen der NATO-Truppen selbst dann ab, sollte Russland weitere Gebiete der Ukraine besetzen. Nur 16 Prozent plädieren dafür, ein russisches Eindringen in die Ukraine mit Waffengewalt zu stoppen17.
Einer sodann im Auftrag der ARD durchgeführten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest/dimap zufolge plädiert lediglich eine Minderheit von 19 Prozent der Deutschen für neue EU-Sanktionen gegen Russland18. Eine relative Mehrheit von 43 Prozent hält die bislang verhängten Sanktionen für ausreichend. Weitere 27 Prozent fordern eine Aufhebung dieser Sanktionen, die nicht nur in Russland, sondern auch in den EU-Ländern Schaden anrichten.
Eine Umfrage von ARD-DeutschlandTrend Anfang August 2014 nach den Geschehnissen des Flugzeugabsturzes von MH17 hat ergeben, dass 80 Prozent der Deutschen nunmehr Russland für die Eskalation in der Ukraine-Krise verantwortlich machen19. Weiter heißt es, die verschärften Wirtschaftssanktionen von Bundeskanzlerin Merkel würden von 70 Prozent der Deutschen mitgetragen. Dies ist bedeutsam, denn noch vier Monate zuvor hatte die ARD ganz andere Ergebnisse erzielt, so waren etwa 71 Prozent der Deutschen gegen eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland. Somit soll plötzlich jeder zweite Deutsche seine Meinung geändert haben? Grundsätzlich würde niemand ernsthaft die Korrektheit dieser neuen Daten in Erwägung ziehen, aber die erst kurz zuvor bekannt gewordenen Manipulationen bei einer NDR-Umfrage warfen nun doch berechtigte Fragen über die Vorgehensweise bei diesen Umfragen auf. Also, warum sollte jeder zweite Deutsche seine Meinung plötzlich geändert haben? Schaut man sich einmal die konkreten Fragestellungen dieser Umfrage an, stellt man fest, dass diese manipulativ gestellt wurden, um das zuvor gewünschte Ergebnis zu erhalten. So wurden die Bürger zum Beispiel nicht gefragt, ob die gegenwärtige Situation in der Ukraine allein durch Russland eskaliert ist, sondern scheinbar neutral, ob nämlich Russland einen ‘Anteil‘ an der Eskalation trage. Diese Frage lässt sich selbstverständlich nicht verneinen, da Russland in dem Ukraine-Konflikt sehr wohl involviert ist. Diese Frage über die ‘Mitverantwortung‘ der USA oder gar Deutschlands an der Eskalation der Ukraine-Krise gestellt, hätte das gleiche Ergebnis erzielt, doch diese Antwort war hier nicht opportun. So einfach lassen sich Zahlen und Auswertungen bei der richtigen Herangehensweise aus dem Kontext heraus für das gewünschte Ergebnis nutzen. Und die Medien verfeinern das somit manipulierte Ergebnis noch weiter und erklären dann unisono, dass acht von zehn Deutschen Russland als den (Allein-)Verantwortlichen für die Ukraine-Krise sehen. Das ist nichts anderes als Manipulation.
Die FAZ gab beim Institut für Demoskopie in Allensbach die Umfrage ‘Wer ist schuld am Konflikt in der Ukraine?‘ in Auftrag. 51 Prozent der 1.524 Befragten entschieden sich für Putin20. Dies nahm die FAZ zum Anlass in ihrer Ausgabe vom 18. März 2015 triumphierend zu berichten21: »Gescheiterte Propaganda – Was Putin nie verstehen wird. […] Das im Internet anzutreffende Meinungsbild war zu Beginn der Ukraine-Krise besonders in Deutschland von großem Verständnis für Putin durchzogen, verbunden mit umso härterer Kritik an den Vereinigten Staaten. Schon damals gab es jedoch Zweifel, dass dieses Meinungsbild repräsentativ sei für die öffentliche Meinung. […] Unverkennbar ist dagegen, dass das Internet für einen Desinformationskrieg missbraucht wird: um Lügen in die Welt zu setzen, um Zweifel an missliebigen Darstellungen zu säen und um Kommentatoren, die anderer Meinung sind, mit Beschimpfungen und Drohungen einzuschüchtern. Das führte dazu, dass manche Online-Foren ihre Kommentarfunktionen schlossen, weil es dort immer weniger um den Austausch von Argumenten ging, sondern oft nur noch um ein Niederbrüllen übelster Art – oder um das Verbreiten von Propaganda. […] Es ist beruhigend zu sehen, dass die große Mehrheit der Deutschen nicht auf Moskaus Manipulationsversuche hereinfällt, sondern sich selbst ein Urteil bildet. Die Fähigkeit zur Kritik und die Neigung zum Zweifeln zählen nicht zu den Schwächen, sondern zu den Stärken des Westens. Doch das wird einer wie Putin nie verstehen«. Die ‘große Mehrheit‘ der Deutschen? Es waren doch nur 51 Prozent der Befragten. Berücksichtigt man dabei eine übliche Fehlertoleranz in der Befragung, dann könnte das Ergebnis schnell auf 49 Prozent und weniger rutschen, und die große Mehrheit wäre dahin. Die FAZ macht also nur billige Stimmung. Viele Leser haben diesen Artikel in der FAZ dann auch entsprechend kommentiert. Ein Leser meinte, es scheine doch wohl eher so zu sein, dass Otto Normaldeutscher auf Propaganda der deutschen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und der deutschen Mainstream-Medien hereinfalle. Deren Protagonisten würden sich angesichts einer solchen Allensbach-Umfrage zufrieden auf die Schultern klopfen: Ihre Saat sei aufgegangen, sie hätten die Mehrheitsmeinung mit ihrer monatelangen Schwarz-Weiß/Gut-Böse-Berichterstattung im Ukraine-Konflikt vermeintlich in die richtige, also transatlantische Richtung, gelenkt. Sie werteten die Allensbach-Umfrage selbstreferentiell als Zertifikat für ihre gute Arbeit und als den Appell ‘Weiter so‘. Ein anderer Leser führte aus, Allensbach spiele eine herausragende Rolle, weil man wisse, was man bekommt, nämlich das was man bestellt habe. Hier schließe sich der Kreis in der modernen Propaganda-Kriegsführung, denn während die Massenmedien die Saat mit ihren gefilterten Informationen und ihren Kommentaren aussäten, und zwar immer und immer wieder, ernte man die Umfrage die Ergebnisse, die man haben wolle. Deshalb seien die drei wesentlichen Mitteln zur Beeinflussung von Meinungen die Studie, die Umfrage und der Experte. Normalbürger hätten, so die Lesermeinung, davon allerdings so wenig Ahnung, dass sie immer noch glaubten, sie wären von allein auf alles gekommen. Wenn die FAZ so eindimensional berichtet, darf sie sich auch nicht über die vielen empörten Leser wundern.
Will man den Aussagen und der angeblichen Beweisführung der NATO und insbesondere den Aussagen des ehemaligen NATO-Generalsekretärs und Kriegsscharfmachers Anders Fogh Rasmussen Glauben schenken, hätte Russland die gesamte Ukraine eigentlich schon längst besetzt haben müssen. Und nicht nur das, aufgrund der Nachtrichten von Tagesschau und den anderen NATO-affinen Medien in dem letzten Jahr, dass nämlich fortlaufend russische Soldaten und Panzer in die Ukraine einrücken, muss sich Putin langsam Sorgen darüber machen, ob er überhaupt noch eigene Truppen und Panzer in Russland hat. Inzwischen wird aber sogar den Kiew treuen deutschen Medien diese einfältige Propaganda zu viel, denn immer wieder wurden Meldungen aus Kiew, ohne kritisch zu hinterfragen, verbreitet, wonach ständig irgendwelche russischen Truppen und diverses Kriegsgerät in die Rebellengebiete einsickern würden. Das Problem dabei ist nur, dass es trotz hochauflösender Satelliten selbst die NATO nicht schafft, die behaupteten Truppenbewegungen zu beweisen. Und selbst die Korrespondenten vor Ort fotografieren zwar ab und an einmal einen Transportlaster ohne sichtbare Zugehörigkeitsmerkmale, jedoch keine russischen Panzer oder sonstiges schweres Kriegsgerät22. Umso lächerlicher und unglaubwürdiger erscheinen daher die nahezu täglichen Propagandameldungen aus Kiew. Die Separatisten erklären dazu, dass ihre Waffen aus ukrainischen Militärlagern stammten beziehungsweise im Kampf erbeutet wurden. Selbst internationale Inspektionsteams haben an der Grenze keinerlei Verstöße und auch keine unangekündigten militärischen Aktivitäten auf russischer Seite registriert. Am 29. Januar 2015 gestand zudem der ukrainische Generalstab ein, dass keine regulären russische Truppen am militärischen Konflikt im Osten der Ukraine beteiligt sind23. Der ukrainische Militärexperte Major Alexander Taran hatte im ukrainischen Fernsehen die vorherige Aussage bestätigt. Bereits am 6. November 2014 hatte der Chef des ukrainischen Geheimdienstes SBU erklärt, dass es keine russischen Truppen auf dem Gebiet der Ukraine gäbe24. Und trotzdem klingen die Stimmen derer nicht ab, die auch weiterhin das Gegenteil behaupten, ohne auch nur irgendeinen Beweis dafür in den Händen zu halten.
Vergleicht man einmal die Aussagen der russischen und der westlichen Politiker miteinander, erkennt man dort ganz deutlich die unterschiedliche Qualität der Bemühungen zur Deeskalation bei der kriegshetzerischen Rhetorik. Während man im Westen mit Sanktionen droht und unter lauten Propaganda-Getöse Luftwaffen-, Marine- und Heereskontingente in die an Russland angrenzenden NATO-Mitgliedsstaaten und sogar in die Ukraine verbringt, versucht Moskau immer wieder auf diplomatischer Ebene eine Lösung für die Krise zu finden und reagiert besonnen. Wie aber würde wohl die USA reagieren, wenn Russland in Mexiko einen Putsch anzetteln würde, der eine USA-feindliche Regierung an die Macht brächte? Denken wir doch nur zurück an die Kuba-Krise der 60er Jahre, und wir haben einen Vorgeschmack davon. Hinzu kommt, dass sich die USA zudem dafür rächen, dass Russland den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad nicht hat fallenlassen, weil Putin aus der negativen Erfahrung in Libyen gelernt hat.
Putin kann aber auch versuchen, was er will, der Westen spielt einfach nicht mit. Er hatte zunächst generell auf Vorauszahlungen für Gaslieferungen in die zahlungsunfähige Ukraine verzichtet. Dann hatte er vielseitige Konsultationen über die Gasversorgung in die Ukraine vorgeschlagen. Ferner hatte er zur Deeskalation der Situation die EU-Staatschefs persönlich angeschrieben25, stattdessen aber eine banale Antwort aus Washington erhalten26, obwohl er sich gar nicht an die Regierung der USA gewandt hatte. Als dann auf der Krim schließlich eine demokratische Volksabstimmung abgehalten wurde, wollte der Westen keine Wahlbeobachter schicken27. Ferner hatte Putin anstatt einer Abspaltung der Ostukraine einer Föderalisierung zugestimmt28. Putin hatte sogar Gespräche mit dem ukrainischen Regime in Genf akzeptiert29, genauso wie das erste Minsker Abkommen30 und wollte zudem Waffen und Flugzeuge an die Ukraine zurückgegeben31. Dann erhielten russische Journalisten plötzlich keine Einreise mehr in die Ukraine32. Sodann musste Russland ungerechtfertigte Wirtschaftssanktionen erdulden und wurde sogar direkt oder indirekt des Abschusses des malaysischen Passagierflugzeugs MH17 beschuldigt. Schließlich wurde ein russischer Hilfskonvoi für die leidende Bevölkerung in der Ostukraine als Invasionstruppe bezeichnet und der gesamte Westen schrie laut auf, unternahm aber nichts, um selbst Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Wie sich zeigt, macht Russland alles richtig, denn auf der nun russischen Krim gibt es keine blutigen Aufstände wie in der Ost- und Südukraine. Weiterhin musste Putin aktuell noch solche lauten Kriegstreiber wie Ex-NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, US-Außenminister John Kerry, Ex-US-Senator John McCain und US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzeziński33 ertragen, die scheinbar unbedingt einen Krieg mit Russland vom Zaun brechen wollen. Putin hält sich aber aus den blutigen Unruhen in der Ukraine bewusst und gekonnt heraus und erteilt jeder militärischen Einmischung Russlands eine klare Absage. Die Außenminister vieler EU-Staaten erklärten ihren Bevölkerungen, dass russische Truppen auf russischen Boden eine massive Bedrohung für die Welt darstellen. Nur Beweise dafür legten sie nicht vor, stattdessen forderten sie nur noch mehr Sanktionen gegen Russland und wollen ihr Militär aufrüsten. Aber machen wir uns nichts vor, es ist nicht auszuschließen, dass sich tatsächlich russische Bürger in der Ostukraine aufhalten und freiwillig mit den Separatisten kämpfen, so wie es US-amerikanische Söldner in der Ukraine auch machen. Aber die Medien berichten nur die westliche Sicht auf die Dinge, Putin sei der gefährliche und böse Mann im Osten, der den Weltfrieden massiv gefährde. Und immer wieder vergleicht man ihn mit Hitler34 oder Stalin35, obwohl es nun wirklich keine Ansatzpunkte oder Gemeinsamkeiten dafür gibt. Man muss sich ernsthaft fragen, wozu 1989 eigentlich die Mauer gefallen ist. Der russische Außenministers Sergej Lawrow hielt am 7. Februar 2015 auf der 51. Münchener Sicherheitskonferenz eine Rede, auf der er sagte36: »Wir können uns nur schwer erklären, warum viele unserer Kollegen [im Westen] auf die Ukraine nicht die universellen Prinzipien zur Regelung innerstaatlicher Konflikte anwenden, die vor allem einen inklusiven politischen Dialog aller Protagonisten erfordern. Warum rufen unsere Partner [im Westen] zum Beispiel im Falle von Afghanistan, Libyen, Irak, Jemen, Mali oder Südsudan die Regierungen beharrlich dazu auf, sich mit der Opposition, mit Aufständischen und in Einzelfällen gar mit Extremisten zu einigen, während sie in der Ukraine-Krise anders handeln, Kiew faktisch zu der Militäraktion ermutigen und dabei so weit gehen, den Einsatz von Streumunition zu rechtfertigen oder dies zumindest zu versuchen?«
Russland als Rechtsnachfolger der Sowjetunion ist eigentlich der wirkliche Verlierer des Zweiten Weltkriegs. Die Rote Armee blieb 1945 mit ihren Truppen an der Elbe stehen, wie mit den anderen Alliierten abgesprochen. Später musste Moskau dann feststellen, dass es einen weiteren Vormarsch des Kommunismus nie mehr geben würde, stattdessen aber 45 Jahre später einen vollständigen Rückzug aus Deutschland. Fortan herrschte in der von den USA dominierten westlichen Welt der Antikommunismus, der zur völligen Isolation der UdSSR führte. Die Folge war ein langer Rüstungs- und Wirtschaftswettlauf, den sich das kommunistische System nicht dauerhaft leisten konnte, so dass es letztendlich 1990 zusammenbrach. Ein Weltreich zerfiel einfach. Deutschland und Japan allerdings waren seit 1950 die Nutznießer der US-Weltpolitik, die Sowjetunion hatte den Krieg dagegen verloren37. Das aus den UdSSR-Trümmern entstandene Russland war beim ehemaligen Feind Deutschland zunächst mit Milliarden von Euro hoch verschuldet, das Pro-Kopf-Einkommen der Deutschen zu den Russen betrug 13 zu eins. Was ist den Russen denn als Kriegsbeute heute überhaupt noch geblieben? Russland hat den militärisch nutzlos gewordenen, wirtschaftlich verödeten Ostteil von Ostpreußen, also die ehemaligen ostpolnischen Gebiete, erhalten, Polen stattdessen das landwirtschaftlich hochkultivierte (deutsche) Ostpreußen und (deutsche) Vorpommern und das (deutsche) oberschlesische Industriegebiet. Trotz der im Deutschen Reich massenhaft demontierten Industrieanlagen konnte die UdSSR nie eine nennenswerte eigene Wirtschaft aufbauen, die Russland hätte weiterentwickeln können38. Nur ein bisschen Beutekunst liegt noch in den Lagern der Museen in Moskau und Petersburg. Es scheint heute so, als wären die rund 27 Millionen Sowjets im Zweiten Weltkrieg völlig umsonst gestorben.
Und die führenden Politiker des Westens tragen gebetsmühlenartig immer wieder die deutsch-amerikanische und europäisch-amerikanische Wertegemeinschaft vor, die es in der restlichen Welt und nun vor allem gegenüber Russland hochzuhalten gilt. Wir leben also in einer Wertegemeinschaft? Nun, jede Gesellschaft hat ihre Geschichte mit den aus ihr entstandenen Werten. Gemeinsame Werte verbinden die einzelnen Individuen, sodass eine Gesellschaft entsteht. Werte sind Grundlagen; Grundlagen für eine Gesellschaft, die auf einheitliche Ziele eingeschworen wird. Die grundlegenden Werte sind vielfältig und betreffen nahezu jeden Bereich unseres Lebens. Sind den einzelnen Mitgliedern die grundlegenden Werte ihrer Gesellschaft und deren geschichtliche Herkunft nicht mehr klar, verliert die Gesellschaft ihre Verbindung. In Europa erhalten die meisten Menschen Geschichtsunterricht, aber nur wenige wissen, welche unsere grundlegenden europäischen Werte sind. Vormals geschätzte Einrichtungen und Errungenschaften werden auf Grund mangelnden Wissens nicht mehr als solche empfunden. Wer den Vergleich zwischen ‘Vorher und Nachher‘ nicht ziehen kann, erlebt den momentanen ‘Ist-Zustand‘ als selbstverständlichen Normalzustand. Aus fehlendem historischen Wissen ist vielen Mitgliedern unserer europäischen Gesellschaften nicht mehr bewusst, dass der momentane Normalzustand ein über Jahrhunderte entstandenes, vielfach erkämpftes Gesellschaftssystem ist, das auf dem Fundament ganz bestimmter Werte ruht39.
Worin aber liegen nun diese Werte, die sowohl von Europa und den USA als so erstrebenswert erachtet werden? Und warum haben anscheinend nur wir im Westen sie? Unsere Politiker teilen uns permanent mit, die Europäische Union sei eine Wertegemeinschaft und die dem zugrunde liegenden Werte seien europäische. Tatsächlich aber war das geografische Europa noch nie eine Wertegemeinschaft, denn große Teile davon hatten an dem Entstehen und Fortführen dieser Werte gar keinen Anteil. Das hat mit dem alten Europa im Mittelalter zu tun, genauer gesagt mit den Ländern des alten Römischen Reichs. Nur dieser Teil Europas hatte die beiden vormodernen Formen der Gewaltenteilung erlebt, nämlich die Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt. Und nur dort fanden die Epochen der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Emanzipationsprozesse der Renaissance und des Humanismus, der Reformation und der Aufklärung statt. Im anderen Teil Europas hingegen ordnete sich die geistliche der weltlichen Gewalt unter. Der Osten kannte auch nicht das in dem Dualismus angelegte ständische Widerstandsrecht gegen Fürsten, die eine Willkürherrschaft zu errichten versuchten. Dieser dualistische Geist im Westen prägte gerade das westliche Abendland und brachte ständische Verfassungen und schließlich die moderne Gewaltenteilung hervor, nämlich die Trennung von gesetzgebender, gesetzvollziehender und rechtsprechender Gewalt. Zu diesem Zeitpunkt gab es die USA noch gar nicht, genauso wenig wie Kanada, Israel, Australien und Neuseeland, die sich ebenfalls mit europäischen Werten rühmen. Tatsächlich können die USA aufgrund ihrer Bill of Rights das historische Erstgeburtsrecht in Sachen Menschenrechte für sich beanspruchen, das dann in der kurz darauf verfassten Unabhängigkeitserklärung festgeschrieben wurde. Die amerikanische Idee, dass alle Menschen vor Gott gleich seien, wanderte schließlich über den Atlantik nach Europa und führte 1789 zunächst in Frankreich nach dem Sturm auf die Bastille zur Verabschiedung von weitgefassten Menschen- und Bürgerrechten, bevor ihnen auch andere Staaten des westlichen Europas erlagen. Die heutigen Menschenrechte, aber auch die Ideen der Herrschaft des Rechts, einer repräsentativen Regierung und den wechselseitigen Kontrollen und Gegengewichten zur Vermeidung einer zu starken Machtkonzentration, sind somit ein Zusammenspiel der USA und Westeuropa. Es wäre daher falsch, statt von ‘westlichen‘ tatsächlich auch weiterhin von ‘europäischen Werten‘ zu sprechen, wenn es um die Grundlagen unserer Demokratie geht. Gleichwohl fand keine politische Einheitskultur in den USA und Westeuropa statt, vielmehr gab es unterschiedliche Ausprägungen und Streitkulturen, die auch innerhalb Europas nicht immer friedlich abliefen, wie die Geschichte deutlich aufzeigt. Halten wir also zunächst fest, wir sprechen von einer ‘westlichen‘ Wertegemeinschaft im transatlantischen Bereich, trotz etlicher unterschiedlicher gesellschaftlicher, kultureller und politischer Prägungen und Erfahrungen.
Der Westen hält sich aber selbst nicht an seine mit Schweiß und Blut erkämpften Werte, sondern verstößt gegen sie in eklatanter und massiver Weise. Das beste Beispiel ist die damals in den USA gebilligte Sklaverei, aber auch Westeuropa steht mit seinem Rassismus, Kolonialismus und Imperialismus quasi in nichts nach. Gerade der Imperialismus findet sich in der heutigen Zeit deutlich wider, so dass der Westen nicht glaubwürdig ist, wenn er weltweit für seine Freiheitswerte eintritt. Schauen wir uns doch nur einmal die aktuellen Geschehnisse in Syrien, Ukraine und Jemen etwas genauer an und subsumieren wir, was dort unter dem Begriff der ‘westlichen Werte‘ passiert, dann wird uns die unglaublich perverse Doppelmoral des Westens deutlich.
Der Jemen war bislang USA-freundlich, nun aber wurde der jemenitische Herrscher Abed Rabbo Mansur Hadi von den Houthi-Rebellen aus der Hauptstadt nach Saudi-Arabien vertrieben. Von ‘schiitischen Rebellen‘ zu sprechen, wie es die meisten Medien gegenwärtig tun, ist irreführend, denn die Houthi, die sich selbst als Ansar Allah (Verteidiger Gottes) bezeichnen, sind als politisch-soziale Bewegung gegen die Marginalisierung von Jemens Nordwesten entstanden. Es ist daher geradezu lächerlich, wenn deshalb behauptet wird, im Jemen müsste die Demokratie geschützt werden, insbesondere wenn ausgerechnet das erzkonservative und reaktionäre Wahabiten-Regime in Saudi-Arabien diese Schutzaufgabe als Verteidiger von Menschenrechten und moderner Demokratie wahrnehmen soll. Jeder weiß doch ganz genau, dass es im gesamten Nahen und Mittleren Osten nicht eine einzige Regierung gibt, die man auch nur ansatzweise als demokratisch bezeichnen kann. Wenn dann also Saudi-Arabien und seine Verbündeten, die auch weiterhin ihre Macht auf der arabischen Halbinsel festigen wollen, dem Jemen nun sogar androhen, ihn »solange zu bombardieren, bis er stabil ist«40, müsste eigentlich ein lauter Aufschrei durch unsere westliche Wertegemeinschaft gehen, aber unsere Regierung in Berlin findet das Töten von bislang mindestens 3.000 jemenitischen Zivilisten41 ohne UN-Mandat wohl ziemlich in Ordnung. Nach einsamer Einschätzung des zuständigen Koordinators der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten im Jemen, Johannes van der Klaauw, verstoßen die Luftangriffe der von Saudi-Arabien geführten Militärallianz gegen internationales Recht42: »Die wahllosen Angriffe auf besiedelte Gebiete mit wie auch ohne vorherige Warnungen stellen einen Verstoß gegen das internationale humanitäre Völkerrecht dar«. Und nach Erkenntnissen der US-Organisation Human Rights Watch hat Saudi-Arabien bei einigen Luftangriffen sogar sogenannte Streubomben aus US-amerikanischer Produktion verwendet. Die Internetplattform der AG-Friedensforschung erklärt den Begriff Streubomben so43: »Das sind Behälter, die beim Abwurf mehrere hundert Sprengsätze über große Gebiete verteilen. Sie verursachen furchtbare Verletzungen. Da rund ein Zehntel dieser Minibomben nicht sofort explodieren, bleiben sie als Blindgänger liegen und stellen ein hohes Risiko für die Zivilbevölkerung, insbesondere für Kinder, dar. Diese Waffen sind durch eine im Mai 2008 beschlossene internationale Konvention geächtet.« Na und? Saudi-Arabien wird auch aus Europa eifrig mit Waffen beliefert, und die humanitäre Katastrophe im Jemen verschärft sich somit weiter. Die anhaltenden Kämpfe haben zu einer extremen Knappheit an Lebensmitteln, Benzin und Heizöl geführt. Viele Tiefkühlanlagen für das Frischhalten von Lebensmitteln können kaum noch betrieben werden, selbst Krankenhäuser haben nur noch für kurze Zeit Strom. Von der Krise nicht betroffen ist allerdings die Hafenstadt al-Mukallah im Südosten des Landes, die mit Duldung der Saudis über den Seeweg gut versorgt wird: Dort hat nämlich Anfang April 2015 der regionale al-Qaida-Ableger AQAP die Macht übernommen44. Die westliche Wertegemeinschaft misst hier also mit zweierlei Maß, denn andernfalls hätten die USA und die EU wegen des offensichtlichen Völkerrechtsbruchs und der Förderung des internationalen Terrorismus längst schwere Wirtschaftssanktionen gegen Saudi-Arabien verhängen müssen. Unsere Regierungspolitiker in Berlin nehmen auch zu den bislang über 200.000 getöteten Menschen in Syrien und den weiterhin Millionen auf der Flucht keine Stellung, zudem ist die Integrität der syrischen Grenze schon seit Jahren nicht mehr gewährleistet. Genauso verhält es sich mit der Integrität der jemenitischen Grenze, die durch die aktuellen saudiarabischen Luftangriffe ständig verletzt wird. Doch kein Politiker in der EU und in den USA prangert diesen Umstand an, vielmehr verhalten sie sich doch genauso, wie sie es Russland vorwerfen, das auch nur seine Einflussspähre zu schützen versucht, oder nicht? Der Unterschied besteht allerdings darin, dass im Fall der Ukraine eine ‘russische Aggression‘ vorliegt45, im Fall der Saudis dagegen nur ‘legitime Sicherheitsinteressen‘ wahrgenommen werden46. So einfach ist das für den Westen.
Überträgt man nun auch noch die ‘legitimen‘ militärischen Vorgänge von Saudi-Arabien auf Russland, dann hätte Putin mit seiner Luftwaffe sofort Kiew bombardieren dürfen, als dort dann der demokratisch gewählte Präsident Janukowitsch wegen eines Putsches aus dem Land nach Russland flüchtete. Stattdessen aber hat sich Moskau zurückgehalten und versucht bis heute eine politische Lösung zu erreichen, so aber nicht Saudi-Arabien. Und trotzdem ist Russland der erklärte Feind, nicht aber (auch) Saudi-Arabien. Und selbst in Syrien wird nun seit Jahren militärisch gekämpft, natürlich für Frieden und Demokratie im Sinne des Westens, obwohl gerade Syrien das im Nahen Osten gemäßigtste Land war, in dem neben den Christen auch alle anderen Religionsgemeinschaften respektvoll in Frieden miteinander lebten. Seitdem aber der Westen mithilfe seiner Verbündeten dort die westlichen Werte implementieren will, werden auch Christen wieder massiv verfolgt und getötet. Man muss daher die berechtigte Frage stellen, ob es wirklich noch so etwas wie ‘westliche Werte‘ gibt, die es mit allen (militärischen) Kräften zu verteidigen gilt. Verhält es sich nicht eher so, dass Freund, Feind, Bündnisse und sonstige Werte einfach austauschbar sind, je nachdem wie hoch der Profit ist? Nicht der Westen verteidigt heute die klassischen humanistischen Werte wie etwa Moral oder Ethik, es ist vielmehr Russland, das aktiv gegen die unheilvollen Machtbestrebungen des Westens vorgeht und ihm wie etwa im Fall Syrien Einhalt gebietet, damit dort nicht das gleiche Elend wie in Libyen geschieht. Es lebe die westliche Wertegemeinschaft.
Mit den USA hegt Westeuropa übrigens viele gemeinsame Werte wie Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit, allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht, nehmen wir hier nur ein