Was lange währt wird doch fertig. Manchmal habe ich gedacht es nimmt kein Ende. Da gab es dann einen Menschen wie Christiane H. oder andere liebe Menschen, die einfach nachgefragt haben, wie weit ich bin und wie es läuft. Für ihr Interesse und fürs Mut machen ganz herzlichen Dank.
Dieter Kleffner, der ebenfalls schreibt, gab mir Tipps und Ratschläge über technische Einstellungen und wo was am PC zu finden ist. Dafür einen ganz dicken Dank, Dieter. Ebenso ein herzliches Danke schön an meine Freundin Astrid, meinem Patenkind Fabienne (Biene) und bei Lucia K. fürs lesen und korrigieren.
Einen ganz dicken Kuss an meine liebsten fürs geduldige zuhören, wenn ich wieder ein paar Seiten geschrieben hatte. Sie haben versucht sich zurück zu halten, wenn ich angeregt beim Schreiben war. Danke meine liebe Tini. An Prinz Jörg für seine Unterstützung am PC, damit alles zu einem Buch werden konnte. Ganz lieben Dank.
Eure Moni
Ich, Simone Bauer wurde 1969 in Winz- Niederwenigern geboren. Als viertes Kind von Hans und Marianne Kamperhoff wurde ich auf dem Land recht konservativ erzogen.
In diesem Buch gebe ich meine persönliche Meinung und meine Eindrücke, wie ich sie damals empfunden und erlebt habe wieder. Unseren Kindern möchte ich hiermit schwarz auf weiß erzählen, dass wir völlig anders groß geworden sind, als sie heute. Ohne Handy und modernen schnick schnack, aber mit vielen Werten und glücklich. Ob das so richtig ist oder vielleicht auch nicht, möchte ich jedem selbst überlassen. Für mich war es so, wie ich es verfasst habe, meine Welt. Ich wünsche viel Spaß beim lesen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2015 Simone Bauer
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7392-87065
Es muss wohl ein grauer Wintertag gewesen sein. Weiß keiner mehr so genau, aber es war auf jeden Fall schon dunkel.
Mama hatte an diesem Tag Bauchschmerzen, oder wie ich es heute besser weiß, Wehen. Es war der 15.12.1969. und für mich wurde es auch langsam Zeit mein dunkles Nass zu verlassen. Ich machte mich auf den Weg. Als es nach diesem Gedrücke und Gequetsche endlich hell aber auch kalt wurde, hörten wir alle die Glocken vom Wennischen Dom läuten. Es muss 18 Uhr gewesen sein. Wie unsere Mutter später zu sagen pflegte: „ Da war sie zum ersten und letzten mal pünktlich“, denn mein Geburtstermin war erst für Januar errechnet. Macht aber nix, denn nun ging es erst mal richtig los.
Omma und Papa, die mit meinen drei Geschwistern, meinem großen Bruder Wilhelm und den Zwillingen Frieda und Ida, die ich heute „Geschwister Fürchterlich“ nenne, warteten zu Hause auf Mama und mich. Ich, die es also mit dem pünktlich sein nicht so genau nimmt, wo ich aber auch nicht immer Schuld dran habe, möchte mich erst einmal vorstellen. Ich heiße Simone und ich denke mal, dass es noch rechtzeitig genug war. Mein Bruder Wilhelm der 4 ½ Jahre älter ist als ich, und „die Beiden“ damit sind Frieda und Ida gemeint, die hab ich immer so gerufen, auch wenn nur eine von Beiden da war, sind 2 ½ Jahre älter als ich.
Meine Eltern hatten eigentlich die Familienplanung nach ihrem so heiß ersehnten Kronensohn und dem Doppelpack abgeschlossen. Aber die Lust muss wohl ihre Vernunft und ihr Gedächtnis ausgeschaltet haben und nachdem ich „Unfall“ schon mal da war, hieß es „wo Drei groß werden, wird auch ein viertes groß. Papa wollte eigentlich nicht, dass ich erfahre dass ich ein Unfall bin. Mama hatte sich aus Versehen mal verplappert und da war es nun mal raus. Ich meinerseits hatte da nie ein Problem mit. Da mussten Mama und Papa schon alleine mit fertig werden.
Außerdem wollten sie sowieso immer ein paar Kinder haben. Ob Paar dann klein oder groß geschrieben wird, ist doch letztlich völlig egal. Hauptsache gesund. Die Drei sind auch waschechte Wennische. Sie wurden in Niederwenigern, aber im alten Krankenhaus geboren, ich hingegen durfte das Licht der Welt im neuen Gebäude erblicken. Da zu dieser Zeit das Krankenhaus in Niederwenigern für Geburten aus den umliegenden Orten heiß begehrt war, wurden auch für mich zumindest dort wichtige Persönlichkeiten zur Welt gebracht. Ich könnte vieleicht behaupten, dass das Kinderzimmer der Neugeborenen ein Familientreff war. Zum Beispiel wurden dort am 14 August 1967 Frieda, Ida und eine Angela geboren. Angela machte später nähere Bekanntschaft mit unserem Bruder, der 1965 das Kinderzimmer belegte. Ebenfalls 1965 ein Steffen, der große Bruder von Angela, und 1964 der kleine Rolf. Die beiden Großcousins Steffen und Rolf bemühten sich später erfolgreich um Frieda und Ida. Oder Oliver, der 1969 per Kaiserschnitt auf die Welt geholt wurde. Olli ist der Cousin eines Jungen aus Burgaltendorf, der für mich schon aus dem Ausland kam, weil er ja ein Essener war. Dieser Junge hieß Jörg, was im griechischen „Bauer“ bedeutet.
Jörg war dort ein auffälliges Kind, denn er hat ziemlich viel gekotzt. Aus diesem Grund musste der kleine Kotzbrocken, der am 9.12.1969 zur Welt gekommen war, länger im Krankenhaus bleiben, wodurch ich seine Bekanntschaft machen konnte.
Heute könnte ich mir vorstellen warum Jörgs Beschwerden nicht besser wurden.
Wir beide waren in diesem Kinderzimmer 1969 und ich war nicht gerade ein hübsches Mädchen. Der Blick von Jörgs Bettchen in mein Bettchen muss für ihn wohl ein übler Anblick gewesen sein, was seinem empfindlichen Magen noch mehr reizte und ihm ziemlich zu schaffen machte. Aus meinem Augenwinkel betrachtet, war er für mich mein kleiner Prinz. Ja, es kam so wie es kommen musste. Sie trennten uns, was für Jörg, glaube ich, erholsamer war. Jeder durfte, wie schon erwähnt, nach Hause. Ich blieb in Niederwenigern, Niederwenigern gehört zum Enneppe Ruhr-Kreis, Jörg hingegen wurde nach Essen-Burgaltendorf gefahren. Es war wohl Gottes Fügung, dass wir uns kurz kennenlernen durften.
Mein großer Bruder Wilhelm wartete wohl zu Hause auf mich, als wenn ich das Christkind zu Weihnachten wäre, da er sich als Einzelgänger fühlte, weil Frieda, die Ida hatte, und er niemanden. Papa hatte ihm daraufhin erklärt, dass er einen Bruder bekommen würde, was sich für ihn als Fehleinschätzung herausstellte nachdem, ich zu Hause angekommen war.
Wilhelm war damals schon ein ganzer Kerl und seinem Kommentar zu Folge „ Egal, wenn´s kein Bruder ist, ich behalte sie trotzdem“, trug er es mit ehrlicher Gelassenheit. Von da an war klar, dass die „Beiden“ nichts mehr zu lachen hatten.
Auf dem Hof, den wir Vier uns nun mal teilen mussten, da er unser aller Zuhause war, hatten sich die Machtverhältnisse ausgeglichen.
Der Hof, schön im grünen gelegen, am Rande von Niederwenigern, wurde seit Generationen mit Ackerbau und Viehzucht bewirtschaftet. Er war immer, und ist es auch heute noch, ein Treffpunkt für junge Leute. Unsere sozial eingestellten Eltern hielten für alle Menschen, auch Fremden immer die Türen offen, was für uns Vier auch großartige Freiheiten ermöglichte. Omma Christine, die ursprünglich auch eine aus dem B-Dorf (Burgaltendorf) war, bewohnte im Haus zwei Zimmer und wurde von unseren Eltern mitversorgt, was damals selbstverständlich war. Omma wurde später schwer Rheumakrank und konnte ihren Alltag nur mit Hilfe meistern. Sie war eine Liebe und gute Omma und musste in ihrem Leben viel Leid ertragen. Allerdings schränkte Sie unsere Freiheit ab und an ein bisschen ein, was unsere Aktionen nicht wesentlich bremste. So ein bisschen Chefin war sie auch auf dem Hof und hatte mit ihren Kindern, also Papa, meinen Tanten und Onkels versucht, für mich einen passenden Namen zu finden. Eine Bettina sollte ich ihrer Auffassung nach werden. Mit diesem Namen konnte sich Mama gar nicht anfreunden. Sie konnte sich auch nur schwer gegen ihre Verwandtschaft und Schwiegermutter durchsetzen, die ja nun mal meinten, das Sagen auf dem Hof zu haben, also auch bei der Namensgebung des vierten Wunschkindes, da man sich ja gewünscht hatte, dass ich nie komme. Mama meinte eine Bettina wird schnell zu Betti, was die Verwandten völlig anders sahen. Eine Tante hingegen, die mir damals wie eine gute Fee vorkam, unterstützte Mama bei ihrer Meinung, mich Simone zu nennen.
Mama kam ursprünglich auch von einem Bauernhof aus Hagen vor Halle. In ihrer Nachbarschaft wohnte eine Familie, dessen Tochter Simone hieß. Mama fand es toll, wenn diese zum Essen gerufen wurde und somit auch der Name. Da hatte ich aber Glück, dass dieses Mädchen nicht Ottilie hieß oder einen anderen schrecklichen Namen hatte, denn seinen Namen hat man nun mal sein Leben lang und darüber hinaus.
Meine Tante Luise, die gute Fee, kannte diese Geschichte von Mama. Sie mischte sich Gott sei Dank ein, bestand mit Mama darauf, mich Simone zu nennen, sonst würde sie die vorgesehene Patenschaft nicht übernehmen. Daraufhin lenkten die Anderen ein und ich hatte einen vernünftigen Namen. Die Tante, die zuerst meine Patentante werden sollte, konnte diese Aufgabe nämlich nicht übernehmen, weil sie selber zum dritten Mal Mutter geworden war. Franz war schneller als ich. Dass meine Tante Nachwuchs erwartete, wusste damals komischerweise keiner, weil diese mit ihrer Familie weiter weg am Rhein wohnte. So`n Hick-Hack hätten sie sich auch sparen können, denn weiß der Geier warum, nennen mich alle, vielleicht auch deshalb, nur Moni.
1970 konnte ich im Dom zu Niederwenigern römisch katholisch getauft werden, in einem Taufkleid, das meine drei Geschwister auch schon bei ihrer Taufe angehabt hatten. Jeder Name wurde zuvor in verschiedenen Farben von Hand eingestickt. Wie ich finde, eine sehr schöne Tradition, die von Generation zu Generation weiter geführt wurde. Naja, also nicht direkt in der Kirche wurde ich getauft, sondern in der Sakristei, weil die Kirche zu kalt war. Frag mich nur wie die Großfamilie darein gepasst hatte. Aber man sagt ja, Platz ist in der kleinsten Hütte. Es kann schon sein, dass ich mir da einen weg geholt habe, denn kurze Zeit später wurde bei mir eine doppelseitige Lungenentzündung diagnostiziert. Im Wennischen Krankenhaus meinten sie: „Sofort mit dem Kind nach Bochum zur Kinderklinik. Hier können wir nichts für sie tun“. Mama, die mich schön warm in Decken eingewickelt hatte, hielt mich fest im Arm, während Onkel Wolle, der zweitjüngste Bruder von Papa, wie ein geölter Blitz nach Bochum sauste. Papa besaß keinen Autoführerschein. Nur für einen Trecker, und mit dem Trecker bis nach Bochum wollte Mama auch nicht fahren.
Hätte auch etwas länger gedauert.
Familien müssen nun mal zusammen halten, wenn es ernst wird. Das Onkel Wolle sich als Chauffeur angeboten hatte, fand ich total super. Ein paar Wochen musste ich dort bleiben. Mama und Papa durften mich nur einmal in der Woche im Krankenhaus besuchen. Wie sie mir später erzählt hatten, waren sie nach jedem Besuch fix und fertig, weil ich nur dünn bekleidet bei geöffnetem Fenster im Bettchen lag. Sie hatten Angst um mich und mit dem Schlimmsten gerechnet. Doch die Wunder der Medizin, die gute Versorgung der Ärzte und Schwestern und Gottes Hilfe haben alles zu einem glücklichen Ende kommen lassen. Zum zweiten Mal konnte ich die Fahrt vom Krankenhaus zum Hof antreten.
Unsere Küche war recht groß. Es passte ein Küchenschrank mit Aufbau rein. Daneben stand ein halbhoher Linde-Kühlschrank. Die Eckbank mit Tisch und 3 Stühlen fand auf der anderen Seite des Raumes Platz und unter dem Fenster stand ein Sofa. Total gemütlich, wenn man nach dem Essen auf dieses Sofa gelegt wurde. Es war eben unsere Wohnküche. Neben dem E-Herd befand sich ein Kohleofen, auf dem Mama immer das Badewasser für uns aufheizte, denn gebadet wurden wir auch in dieser Wohnküche in einer kleinen Wanne. Dieser Raum war nun mal mit dem Wohnzimmer nebenan der Wärmste im Haus.
Papa hatte beschlossen zu renovieren.
Das Badezimmer sollte modernisiert werden. Die alten krummen Lehmwände im Haus wurden durch massives Mauerwerk ersetzt. Die Treppe, die nach oben in die Schlafräume führte, wurde provisorisch während der Umbauphase mit Stricken gehalten. Oma hatte dort ihr Schlafzimmer, Mama und Papa teilten sich mit uns Vieren das andere Schlafzimmer. Mit dieser Überbelegung war zumindest schon mal gesichert, dass kein weiteres Geschwisterchen mehr folgen sollte. Vier lebendige Antibabypillen waren die beste Verhütung, die man sich vorstellen konnte. Für unsere Eltern eine Mammut- Aufgabe, so eine Renovierung mit 3 kleinen Kindern und einem Baby zu meistern.
Mama sagte immer: „Ich hatte ja auch von einem drei auf einmal“. Damit waren meine drei Geschwister gemeint, mein Bruder und die Beiden, die ja nur zweieinhalb Jahre auseinander sind. Logischerweise zog sich die Renovierung mehrere Monate hin. Aber es gab natürlich auch helfende Hände. Tante Änne half Mama, wo sie konnte, sie putzte was das Zeug hielt, sie passte auf Wilhelm, Frieda und Ida auf und war fast jeden Tag auf dem Hof, obwohl sie gar keine richtige Tante war. Aber wir nannten alles was wie ein Mensch aussah und bei uns auf dem Hof ein und aus ging, Tante oder Onkel. Was soll ich sagen, die Drei wurden gut behütet und kamen zumindest an die Sonne. Wenn Tante Änne die Drei nicht an die Luft bringen konnte, ist auch schon mal Tante Inge mit den Dreien rausgegangen. Tante Inge wohnte mit ihrem Mann, Onkel Herbert, und ihren drei Söhnen Reinhard, Rudi und Jochen in einem kleinen Haus, dass etwas höher liegt, aber auch noch zum Hof gehörte.“ Mein“ Sonnenschein schien allerdings durch die beiden Fenster in unser vollgepfropftes Schlafzimmer. Die Tapete dort war auch sehr schön. Ich konnte mir aus ihrem Muster verschiedene Bilder vorstellen und entwickelte eine blühende Phantasie.
Mama hatte schreckliche Angst ich würde unten in der Baustelle wieder krank werden. Erkältung, Lungenentzündung und so. Deshalb hat sie mich lieber oben gelassen. Da sie ihre Arbeit erledigen musste, konnte sie mich leider nur ab und an mit nach unten nehmen. Das war aber kein Problem für sie, denn außer der interessanten Tapete hatte sie mir ja noch Stofftiere und Spielzeug dagelassen. Bei meinen Kurzbesuchen auf der Baustelle bewegten sich meine drei Geschwister aufrecht. Sie flitzten auf ihren dicken Beinen vor mir her. Das musste ich auch ausprobieren, denn auf allen Vieren im Dreck zu krabbeln war nicht schön und mit ein bisschen Hilfe und Übung ging es schon bald ganz allein. Ich konnte laufen und die Welt lag mir zu Füßen.
Die Zeit verging wie im Flug. Meinen dritten Geburtstag konnte ich im Kreise der Familie in der frisch renovierten Wohnküche feiern. Es war vollbracht der Umbau war fertig. Wilhelm hatte auch eine gute Idee Mama beim sauber machen zu helfen. Er schüttete Seifenpulver auf den frisch renovierten Küchenboden aus und verteilte es überall. Als Mama entdeckte, was Wilhelm da angestellt hatte, wollte sie schnell alles wieder sauber machen, füllte einen Eimer mit Wasser, nahm Aufnehmer und Schrubber und fing mit dem Aufwischen an. Es wäre besser gewesen, das Pulver zusammenzufegen, denn umso mehr sie wischte und Wasser mit dem Pulver in Verbindung kam, desto mehr schäumte es auf. Die ganze Küche war voll Schaumwolken und Wilhelm hoppste fröhlich darin rum. Mama hätte bald eine Krise bekommen, was mich nicht davon abhielt, endlich nach draußen zu gehen um mal bei unseren Nachbarn hallo zu sagen, die unterhalb von unserem Haus wohnten. Dieses Haus gehörte auch zum Hof, genauso wie das, was Tante Inge, samt Familie, bewohnte. Unser Nachbar Johann hatte freilaufende Hühner und ein stolzer Hahn war auch dabei.
Wilhelm und Jochen hatten nichts Besseres zu tun diesen Hahn zu ärgern und ihn auf 180 zu bringen. Wenn es dem Hahn zu bunt wurde, und die beiden Jungen wutentbrannt anspringen wollte, was man durchaus verstehen konnte, haben Wilhelm und Jochen dem Hahn kurzerhand mit dem mitgebrachten Knüppel eins übergebraten. Nichtsahnend machte ich mich auf nach Johann, wo sich mein Weg mit den glücklichen Hühnern und den mittlerweile Kinder hassenden Hahn kreuzte. Die Hühner scharrten im Gras, doch der stolze Hahn erblickte mich und witterte seine Chance auf Rache. Da ich keinen Knüppel dabei hatte, war ich dem Gockel auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Er sprang mir wild flatternd ins Gesicht und erwischte mich mit seiner scharfen Kralle unter dem rechten Auge. Eine tiefe Fleischwunde war die Folge. Für dieses Attentat bezahlte er mit seinem Leben und landete im Suppentopf. Nach dieser Begegnung hatte ich mein Leben lang Respekt vor Hähnen und leider, leider eine dicke Narbe unter dem rechten Auge, die sich zu allem Übel je nach Wetterlage hell, dunkel, blau oder violett verfärbte.
Wilhelm meinte immer, man könnte mit mir wegen dieser Narbe noch nicht mal eine Bank überfallen, aber ich wäre ein gutes Wetterhäuschen.
Sollte ich nach dieser negativen Erfahrung lieber im Haus bleiben, dort mit meinen Geschwistern spielen? Nein, natürlich nicht! Zum ersten war ich zur falschen Zeit am falschen Ort. Zum zweiten gab es draußen viel zu entdecken und zum dritten waren meine Geschwister, morgens zumindest, im Kindergarten oder in der Schule.
Die Leiterin des Katholischen Kindergartens, der natürlich auch im Dorf liegt, in der Nähe des Krankenhauses, hatte Mama einmal gefragt, nachdem sie die „Beiden“ dort abgeliefert hatte, ob ich schon sauber wäre. Unsere Mutter beantwortete diese Frage mit einem stolzen ja. Daraufhin meinte diese nette Frau: „ Ach wenn das so ist, dann bringen sie uns doch die kleine auch noch. Dann haben sie alle Vier morgens gut versorgt.“ Mama überlegte nicht lange und schon war der Deal perfekt und ich ein Kindergartenkind. Von nun an tickten die Uhren bei uns anders. Morgens wurden wir früh geweckt. Alles lief mehr oder weniger stabsplanmäßig ab. Noch mal umdrehen und einkuscheln war nur möglich wenn sich im Bad ein Stau abzeichnete. Ansonsten mussten wir uns zügig der Reihe nach waschen, Zähne putzen, anziehen. Unser Bad war nicht gerade groß. Es passten nur zwei Personen rein, auch wenn sie klein waren. Also bitte zügig der Reihe nach.
Bummeln, quatschen und sich wie eine Schlaftablette bewegen, konnte nicht geduldet werden. Nachdem wir gefrühstückt hatten, war Mama schon ein bisschen fertig. Doch sie musste sich schnell wieder sammeln.
Als wir fünf endlich im Auto saßen ging es zügig ein Häuschen weiter. Wir fuhren zum Bahrenberg, wo meine Patentante Luise, die gute Fee, mit Mann Beno, der jüngste Bruder von Papa und ihren drei Kindern Stella, Antje und Mike wohnten.
Das vierte Kind der beiden, Cousine Franka wurde ca. zehn Jahre später geboren.
Onkel Beno, der natürlich auch mein Patenonkel ist, und Onkel Wolle mit Frau, also Tante Birgit wohnten im selben Haus.
Die groß Familie oben, die anderen beiden unten. Cousin Franz, der Sohn von der Tante, die am Rhein wohnte, wohnte auch als er ein Baby war (1970), ein paar Monate unten bei den Beiden. Onkel Wolle und Tante Birgit sollten Franz eine Woche betreuen, weil Tante Katrin sehr viel Arbeit mit Franz, seinen Geschwistern, Cousine Marlene und Cousin Dirk hatte, und mit drei Kindern total überfordert gewesen wäre. Aus einer Woche sind ein paar Monate geworden. Die Zeit rast dann aber auch. Und was sind schon ein paar Monate, wenn man sich gegenseitig helfen kann und es dem Jungen gut ging.
Unten im Haus sollte es aber auch nicht ruhig bleiben. Tante Birgit und Onkel Wolle sind ganz verrückt auf Kinder. Sie vergrößerten ihre Familie ein paar Jahre später durch Cousin Martin und Cousine Sabine. Mit den Beiden wurde ihr Glück perfekt.
Die beiden Brüder waren ausgezeichnete Schlosser und reparierten in ihrer Freizeit Landmaschinen, Mofas, Rasenmäher und Autos. Mama hatte immer ein Auto, was reparaturbedürftig war und meistens nur von einer bis zur nächsten TÜV Untersuchung hielt. Daraufhin hatte Onkel Beno ihr den Vorschlag gemacht unser Auto in Schuss zu halten, wenn Mama bereit wäre, Stella, Antje und Mike morgens mit in den Kindergarten zu nehmen und mittags wieder abzuholen. Auch diesen Deal fand Mama toll und außerdem hilft man sich sowieso untereinander. Ich glaube, sie wusste nur nicht auf was sie sich da eingelassen hatte. Also kurz vor Acht die drei auch noch mit in die Karre, die bald aus allen Nähten platzte und schon konnte es weitegehen. Wir steuerten das Dorf an.
Erst die Katholische Grundschule, wo sie Wilhelm rausschmeißen konnte, dann ging es weiter zum Kindergarten wo sie den Rest der Bande parken konnte.
Am Morgen früh aufstehen war wirklich recht blöd, doch die Autofahrt hatte alles wieder gut gemacht. Obwohl wir die Döppen kaum auf hatten gab es immer was zu erzählen. Wenn Mama uns um zwölf Uhr wieder abgeholt hatte waren wir richtig fit. Antje saß grundsätzlich hinter dem Fahrersitz, das war ihr Stammplatz. Von da aus konnte sie Mama am besten während der Fahrt würgen. Kurz nachdem wir losgefahren waren, legte sie ihre kleinen Hände um Mamas Hals und schüttelte sie vor und zurück. Logischerweise fuhren wir, als wenn Mama 2 Promille in der Blutbahn hätte, doch sie schaffte es immer wieder den Ford auf die Straße zu halten und Antje abzuwehren. Das war ein Mordsspaß, wir haben uns vor Lachen nicht mehr eingekriegt. Wir waren von Haus aus sehr liebenswerte Kinder, hatten aber unseren eigenen Humor. Nicht nur die Fahrt mit dem Auto ist mir in guter Erinnerung geblieben. Auch an die Zeit im Kindergarten erinnere ich mich gerne zurück.
Am ersten Tag hab ich gedacht, ich guck mir erst mal Alles an. Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.
Mama wollte mich nur abgeben, genauso wie meine restlichen Mitfahrer und sich dann vom Acker machen. Ich wollte natürlich nicht am ersten Tag einfach mal eben so abgegeben werden. Ich setzte meinen Dickkopf ein und wehrte mich nach allen Regeln der Kunst. Ich sagte kein Wort mehr, obwohl ich sonst recht gesprächig war, ich schmiss mich auf den Boden und fluchte auf Teufel komm raus.
Die Kindergartentante plapperte auf mich ein und versuchte ihr Bestes. Zwischendurch faselte sie etwas davon, dass Mama kurz einkaufen ging und mich dann ganz bestimmt sofort wieder abholt. Also gut „gegen kurz“ gab es nichts einzuwenden.
Um meinem Ruf gerecht zu werden zog ich natürlich noch eine Brummschnute, fasste die Kindergartentante bestimmt bei der Hand und ging mit ihr in den letzten Gruppenraum des Kindergartens. So viele Kinder auf einen Haufen hatte ich noch nicht gesehen. Da war eine Steffanie, eine Sonja ein Andreas usw. und natürlich auch meine „Beiden“, vom Spielzeug mal ganz zu schweigen. Irgendwann rief die Erzieherin, wie man sie heute nennt “ aufräumen“. Alle Kinder schwärmten aus, um alles in Ordnung zu bringen. Danach wurde ein Teewagen von zwei Kindern in den Raum geschoben. Da standen verschiedenfarbige Becher drauf mit dicken weißen Punkten. Die Tische wurden damit fürs Frühstück gedeckt und alle nahmen Platz, nachdem sie ihre Taschen geholt hatten. Ich hatte auch eine hübsche rote Tasche und als wenn Mama es geahnt hätte, war dort für mich ein Hasenbütterchen drin. Perfekt!
Ich setzte mich selbstverständlich auch und frühstückte mit. Nach dem Frühstück wurde noch gesungen und gespielt und nach draußen durften wir auch. Die Zeit verging wie im Flug und auf einmal stand Mama in der Tür und wollte uns schon wieder abholen. Da hat sie sich aber mit dem Einkaufen beeilt! Immer wenn es am schönsten ist, muss man aufhören. Doch alle wurden abgeholt, es war Mittag. Ich wollte auf jeden Fall am nächsten Tag wieder hin. Das war mein erster und doch noch schöner Kindergartentag.
In den nächsten Tagen und Wochen ging ich freiwillig und sehr gerne in den Kindergarten. Die „Beiden“ und ich waren in einer Gruppe. Eigentlich, denn während wir dort spielen konnten, waren die Zwillinge dort nicht zu sehen. Sie waren damit beschäftigt die verschmutzten Handtücher in den Waschräumen gegen saubere auszutauschen. Oder Geschirr ab und in die Spülmaschine zu räumen. Die Tische wurden auch noch eben abgewischt und wo sie schon mal so fleißig zu Gange waren, konnte auch noch schnell Alles durchgefegt werden. War schon mal gut dass sie erst mit ihrem selbst eingeteilten Arbeitspensum nach dem Frühstück begonnen hatten. Heute frag ich mich, ob die beiden Arbeitsbienen nicht den Sinn des Kindergartens verstanden hatten. Oder waren es die Gene, die sie antrieben. Vielleicht hatten sie aber auch einen anderen Betreuungsvertrag als normalerweise. Auf jeden Fall waren die Erzieherrinnen ganz entzückt von der Vielseitigkeit der Malocher und die Zwillinge waren glücklich und zufrieden. Ich hingegen hab vielleicht mal ab und an geholfen, ansonsten aber eher gespielt oder` ne ruhige Kugel geschoben. Einmal durften wir Tiere, (Stofftiere) die wir schön fanden oder ganz Doll lieb hatten, mit in die Einrichtung bringen.
Das habe ich gleich, nachdem der Kindergarten aus war, Mama erzählt und gefragt, ob ich Wilhelms Rosi am nächsten Tag mitnehmen dürfte. Rosi war ein silber-graues lebendiges Zwerghuhn und recht zahm. Mama fragte noch mal nach, ob ich mir da sicher wäre, dass ich Rosi wirklich mitbringen dürfte. „Natürlich darf ich“ antwortete ich, denn Rosi war wirklich wunderschön und ein bisschen lieb hatte ich sie auch. Also warum sollte das possierliche Tierchen zu Hause bleiben.
Rosi entsprach genau den Anforderungen der Kindergartentante. Am nächsten Morgen war ich total aufgeregt. Bevor wir zu unserer morgendlichen Tour losfuhren, schnappte ich mir das Zwerghuhn unter den Arm, wir Beide auch noch mit in das Auto und endlich konnte es losgehen. Die anderen vom Bahrenberg schauten ein bisschen blöd aus der Wäsche als sie Rosi erkannten, akzeptierten sie kurzerhand und wir fuhren weiter. Während der Fahrt verhielt Rosi sich vorbildlich, als wenn sie jeden Tag Auto fahren würde. Sie kackte mir nicht einmal auf den Schoß, wo sie sich ganz entspannt von mir streicheln ließ und als ich stolz wie ein Hahn mit ihr den Kindergarten betrat wären die Erzieherinnen , als sie erkannten, dass sie echt war, beinahe hintenüber gekippt. Schon kurz nach unserm Eintreffen brach das Chaos aus, denn alle Kinder flippten total aus, als wenn sie noch nie ein Huhn gesehen hätten. Alle wollten es streicheln oder auf den Arm nehmen. Ich konnte das mittlerweile verängstigte Tier nicht mehr festhalten und Rosi flüchtete. Sie flog durch den ganzen Kindergarten und kackte vor Angst alles voll. Die Leiterin, Erzieherinnen und eine Schar von Kindern rasten ihr nach. Wie angewurzelt blieb ich stehen und rief immer ihren Namen. Mit so einer Reaktion hatte ich wirklich nicht gerechnet. Angst um Rosi machte sich bei mir breit und ich war froh als sie sie endlich eingefangen hatten. Das geschockte Tier musste den ganzen Morgen in der Damentoilette bleiben, damit sich die Situation wieder entspannen konnte. Das fand ich nicht sehr schön, aber für meine graue Freundin war es wohl so am besten.
Für mich war es schließlich normal, mit einem Huhn auszugehen, was meine Mitmenschen wohl völlig anders sahen.
Das war dann für uns Beide doch nicht so ein toller Ausflug, wie anfangs gedacht.
Kuscheltiere oder andere Haustiere brauchten wir nach diesem Tag nicht mehr mitbringen. Stattdessen machten wir ein paar Wochen später mit unserer Gruppe einen erholsamen Spaziergang.
Zum Glück regnete es nicht in Strömen, wie an den Tagen zuvor und die vereinzelten Tropfen die vom Himmel fielen, sangen wir einfach mit unserm Lied :“Liebe, liebe Sonne lass den Regen oben usw.
weg. Wir marschierten in einer Doppelreihe durchs Dorf und nahmen Kurs auf den Bahrenberg. Als wir diesen erreicht hatten, trug unser Lied Früchte. Es hörte auf zu fieseln und die Sonne kam raus. Am Anfang der Steigung lagen ein paar Regenwürmer, wo ich auf keinen Fall drauftreten wollte. Ich hüpfte zwischen ihnen hin und her weil ich mich fürchterlich vor Regenwürmern ekelte. Es wurden immer mehr und bald blieb ich einfach stehen.
Die Straße lag voll von den schlängelnden Viechern. Hin und her hüpfen brachte auch nichts mehr. Ich war starr vor Ekel und bewegte mich keinen Cm mehr. Unsere Kindergartentante, Frau Moselzart, hatte Erbarmen und sowieso keine Chance mich zum Laufen zu bewegen. Sie nahm mich Huckepack und trug mich schnaubend den ganzen steilen Bahrenberg hoch. Sie war wirklich gut in Form und wagte es nicht mich abzusetzen.
Mancher Rekrut konnte sich von dieser strammen Leistung eine Scheibe abschneiden.
Irgendwie hatten diese hässlichen Würmer auch was Gutes. Für mich war es ein wirklich entspannter Ausflug mit einer super Aussicht von Frau Moselzarts Rücken ins Grüne.
Als wir wieder die Einrichtung erreicht hatten, verzerrte Frau Moselzart ganz komisch ihr Gesicht und schlackerte unentwegt ihre Arme und Beine. Der Ausflug schien ihr gut gefallen zu haben, da sie vor Freude ganz zappelig war. Ist es nicht schön, wenn alle zufrieden und entspannt die Mittagspause einläuten konnten? Mit ganz viel Appetit fuhren wir zum Hof.