Patrizia Alexandra Pfister, geb. am 12.3.1962 in Hammelburg, arbeitete nach ihrem Betriebswirtschaftsstudium einige Jahre in der Industrie. Seit frühester Jugend beschäftigte sie sich mit den Rätseln der Menschheit. Als Autodidakt studiert sie die verschiedensten Wissenschaftsbereiche. Ihr Anliegen ist es, die Welt auf eine Art und Weise zu erklären, die Religion, Spiritualität und Wissenschaft zusammenführt. Zahlreiche Sachbücher kennzeichnen ihren Weg. Mittels einer spannenden Geschichte versucht sie das aufzuzeigen, was über Sachbücher nicht funktioniert. Mit ihren Büchern, ob nun Sachbücher oder Romane, verändert sie die Perspektive des Lesers. Der Blickwinkel wird erweitert. Ihr Leitsatz lautet: „Je mehr die Menschen wissen und verstehen, desto besser können sie die Welt gestalten.“
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Impressum
Copyright © 2014 by Patrizia A. Pfister
Herausgeber: Irantia Herzwelt-Verlag
Autorin: Patrizia A. Pfister
Umschlaggestaltung, Illustration: Susanne Zoll
Lektorat, Korrektorat: Susanne Zoll, Gabi H., Elina G., Sabine L., Anette P.
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Erstausgabe 2014
ISBN Hardcover: 978-3-943348-13-2
ISBN e-Book: 978-3-943348-13-2
Books on Demand GmbH, Norderstedt
Irantia Herzwelt-Verlag, Lange Wiese 12, D-97797 Schwärzelbach
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Liebe Leserin, lieber Leser, im ersten Band erzählten wir die Geschichte von Maria-Magdalena. Ist sie eine „wahre“ Geschichte, wo es doch schon einige Versionen derselben Story gibt? Es ist eine andere Form dieser Geschichte, denn du erfährst mit ihr eine Einweihung und dies auf jeden Fall ist „wahr“. Dies gilt auch für den Band II, in dem wir aus der Jugend von Jesus erzählen. Wenn du diese Geschichte liest, begleitest du ihn auf seinem Weg, der ihn bis zur Auferstehung führte.
Was ist eine Einweihung? Bei einer Einweihung wird „etwas“ aktiviert. Dieses Etwas kann sich im physischen Körper, im Geist, in der Seele oder im „Lichtkörper“ befinden. Es kann etwas Altes sein, oder auch etwas Neues, doch in beiden Fällen wird es etwas Neues bewirken: Neue Ereignisse, neue Gefühle, neue Menschen können in dein Leben treten. Dieses „Etwas“ wird eine Veränderung in dir bewirken und diese Veränderung wird sich im Außen widerspiegeln. Der Grad der Veränderung hängt von deiner Offenheit Neuem gegenüber ab. Dein Bewusstsein wird erweitert werden, aber nur soweit, wie du es wirklich wünschst.
Die Geschichte von Jesus hat noch einen weiteren Effekt, unabhängig von ihrer Handlung, die dich hoffentlich auch noch gut unterhält: Sie bewirkt Heilung. Die Veränderung, von der ich spreche, hängt also mit Heilung zusammen. Oft ist es jedoch so, dass man, um heil zu werden, erst durch einen Heilungsprozess hindurchgehen muss, der auch schmerzhaft sein kann.
So heilt ein Sonnenbrand z. B. mit einem starken Juckreiz, oder kranke Organe manchmal erst durch einen chirurgischen Eingriff, der eben schmerzhaft sein kann, bis man durch den Heilungsprozess hindurch ist. Die Geschichte von Jesus ist die eines Heilers und Predigers. Er verkündete eine neue „Wahrheit“. Es war eine Wahrheit, die von der Liebe und dem Reich Gottes kündete und ihn selbst und viele, die an ihn glaubten, das Leben kostete.
Der Band I endete mit der Begegnung von Jesus und Maria-Magdalena in Rom. Der Band II endet an der gleichen Stelle. Im Band III wird dann von dem gemeinsamen Leben der beiden erzählt. Ich hoffe, diese Geschichte, die im Prinzip unser aller Geschichte ist, wird dir guttun. Es ist eine Version der Geschichte, wie sie noch nicht erzählt wurde, eine von vielen Versionen, weil es auch viele Realitäten gibt. Du musst sie nicht für wahr oder falsch halten, sondern kannst einfach ihre positiven Effekte genießen.
Viel Freude auf den Spuren von Jeshu,
einem ungewöhnlichen Jungen, Deutschland, 28.02.2016
Die Flamme mit Kelch | |
steht für die laufende Handlung in der Gegenwart | |
Der Engel | |
repräsentiert die verstorbene Großmutter der Hauptrolle Miria, die ihre Enkelin großzog, nachdem die Eltern durch einen Autounfall gestorben sind. | |
Ankh mit Schlange | |
begleitet die Erlebnisse von Maria-Magdalena, eine Isispriesterin, die zu Christi Zeiten lebte. | |
Das aufgeschlagene Buch | |
zeigt die Geschichte des Pater Pio auf, der in der katholischen Kirche den Beruf eines Exorzisten ausübt. | |
Der römische Helm | |
Bei diesem Symbol wird die Geschichte aus der Sicht von Peter Menninger erzählt. | |
Die Pyramiden | |
erzählen die Geschichte von Osama Ramadan. | |
Die Merkabah | |
Dieses Symbol ist der dreidimensionale Davidstern, der ja für das Judentum und in diesem Fall für Jesus steht. | |
Die Lupe | |
Bei diesem Symbol geht Tom, der Partner von Peter Menninger bestimmten Spuren nach. |
Miria saß im vatikanischen Gästehaus der Heiligen Martha in Rom und fragte sich nicht zum ersten Mal: „Wie bin ich bloß hierhergekommen und was mache ich hier?“ Eine unglaubliche Ereigniskette hatte sie hergebracht und das alles hatte durch einen Traum angefangen. Konnten Träume eine derartige Wichtigkeit haben, dass sie in das Tagesleben eingriffen? Vielleicht nicht normalerweise, aber wenn es in dem Traum um das Leben von Maria-Magdalena und Jesus Christus ging, dann anscheinend schon. In ihrem Fall hatten ihre Träume „zufällig“ den gleichen Inhalt wie Dokumente, die in der Vatikanischen Bibliothek lagerten. Somit erhielten sie einen Realitätsgehalt, der darauf schließen ließ, dass der Rest ebenfalls „wahr“ sein könnte. Wenn das stimmte, gab es auf dieser Welt ein Buch, bzw. eine Schrift, in der Anweisungen standen, wie man das Böse auf dieser Welt bekämpfte. Es sah so aus, als ob genau dieses „Böse“, was auch immer man sich darunter vorstellen mag, hinter diesem Buch her war. Dieses „Böse“ würde es sicher nicht erlauben, dass man es endlich wirksam und endgültig bekämpft und damit von dieser Welt schaffen konnte. Obwohl es so aussah, als wären sie und ihre Begleiter in einen Glaubenskrieg zwischen Christen und Johannitern geraten, schien doch noch sehr viel mehr dahinterzustecken, obwohl das schon mehr als genug wäre. Da Miria irgendwie Zugang zu Informationen über den Inhalt und Verbleib dieser Schrift, „Die Salomon Siegel“ genannt, hatte, war man anscheinend auch hinter ihr her. Der Mord an ihren Eltern und nun auch an ihrer Großmutter zeigte dies. Aber auch das Niederbrennen ihres Antiquariats in Nüremberg und ihre Entführung mitten in Rom machte deutlich, dass es nun auch um sie persönlich ging.
Was ist die Natur des Bösen? Gibt es dahinter eine steuernde Intelligenz, die über Jahrhunderte „Teufel“ genannt wurde? Das kam ihr wie Aberglauben vor und ein Rückschritt ins Mittelalter, oder doch nicht? Sehr viel klügere Köpfe, als sie einer war, hatten sich darüber schon quer durch die Geschichte Gedanken gemacht. Doch war sie nun mit genau diesen Fragen und deren Antworten befasst. Dabei hatte sie noch vor wenigen Wochen ein eher beschauliches Leben als Antiquitätenhändlerin geführt, deren einzige Probleme sich um ihr Geschäft und ihre letzte zu Ende gegangene Beziehung drehten. Alltag eben, wie es bei den meisten Menschen normal ist. Doch das war unwiederbringlich verloren. Nicht nur, weil ihr Laden inzwischen abgebrannt war, sondern weil sie nicht mehr die gleiche Person war wie vor dem Beginn der Träume. Die Geschichte, die sie da aus ihrem Gedächtnis, oder woher auch immer, holte, veränderte sie und ihre Sicht auf die Realität um sie herum. Ihren neuen Freunden erging es nicht anders. Unter diesen befanden sich erstaunlicherweise ein Pater und ein Kardinal. Sogar dem alten und dem neuen Papst war sie begegnet, dabei hatte sie bis dahin nicht gerade ein typisch gläubiges Leben geführt und auch nicht eben viel von der Kirche gehalten. Die persönliche Begegnung mit den führenden Geistlichen einer Weltreligion hatte sie mehr bewegt, als sie sich zunächst eingestanden hatte. Der alte Papst hatte sie sehr beeindruckt und nicht nur sie fragte sich, warum er wohl abgedankt hatte. Fühlte er sich nicht mehr würdig für dieses hohe Amt, oder sah er sich außerstande, die Kirche in den kommenden Zeiten weiterzuführen? Hatte der „Himmel“ ihm eingegeben aufzugeben? Sollte sie je wieder die Gelegenheit haben, ihn zu treffen, würde sie vielleicht den Mut aufbringen ihn zu fragen. Aber würde sie auch eine ehrliche Antwort erhalten, oder eher die „offizielle Version“? Wie lautete die überhaupt? Miria hatte das damals nicht wirklich verfolgt und nie damit gerechnet, dass das für sie von Interesse sein könnte. Nun war sie auch noch dem neuen Papst begegnet, der eine besondere Aura zu haben schien, die jedoch durch das Fernsehen kaum spürbar war, in der persönlichen Begegnung jedoch sehr wohl. Wurden die Päpste tatsächlich „von oben“ geführt, wie man es von ihnen erwartete? Miria wusste es nicht, aber wenn sie je die Gelegenheit erhielt, direkt mit ihrer verstorbenen Großmutter zu sprechen, würde sie diese fragen, ob sie darüber etwas wusste. Und auch das war so ein Punkt, der ihr ziemliche Mühe machte. Immer deutlicher wurde nämlich, dass ihre Oma nun eine Art Führungsengel in diesem Leben war, doch wohin diese sie führte, wusste sie noch nicht. Auch nicht, ob sie sich das vielleicht nur einbildete und dabei war, den Verstand zu verlieren. Doch da hier auch andere Menschen beteiligt waren und sich das alles nicht einfach nur in ihrem Gehirn abspielte, konnte sie sich nicht in die Ausrede „Wahnsinn“ flüchten. Würde es ihr wirklich gelingen, die Salomon Siegel zu finden, oder wenigsten deren Inhalte? Und würden diese halten, was sie zu versprechen schienen?
Würde die Geschichte der Maria-Magdalena auch ein neues Licht auf Jesus Christus werfen? Wenn man an die Briefe dachte, die diese Frau an Maria, die Mutter von Jesus, geschrieben hatte, dann war das wohl so. Aber warum hatten diese Briefe, die schon seit fast zwei Jahrtausenden den obersten Kirchenmännern bekannt waren, nicht schon früher eine Veränderung herbeigeführt? In ihnen wurde Jesus eindeutig anders dargestellt, als in der offiziellen Kirchenlehre und genau da lag das Problem. Diese offizielle Lehre konnte nicht einfach so leicht umgeworfen werden, ohne die ganze Glaubensgemeinde in eine Krise zu stürzen. Das waren immerhin fast zwei Milliarden Menschen, wenn man all die Ableger des christlichen Glaubens mitrechnete – kein Kleinkram. Und nach dieser langen Zeit, in der sich bestimmte Meinungen und Vorstellungen zu einem Glauben entwickelt hatten, war es noch schwieriger, als es in den Anfängen gewesen wäre, Grundsatzlehren umzuwerfen. Wenn man an den Glaubenssäulen der Menschen rüttelte, konnte das extrem gefährlich werden, wie die Geschichte gezeigt hatte. Überhaupt resultierte Fanatismus immer aus einem Glauben heraus, wenn auch nicht unbedingt aus einer Religion. Religion, so hatte Miria nun gelernt, bedeutet Rückbindung, doch woran? An Gott natürlich. Aber warum war das nötig? Wie und warum wurden wir überhaupt von ihm getrennt? Nur dann wäre es ja notwendig, sich wieder rückzubinden? Auch das waren Fragen, die die Menschheit schon lange bewegten. In der gechannelten Literatur gab es darauf einige Antworten, aber mit denen konnte Miria nur wenig anfangen.
War „das Böse“ als eine Form von Intelligenz, nun eine Glaubensvorstellung, nur ein Konzept, oder gab es das wirklich? Pater Ralph hatte der Gruppe um Miria, die aus ihrem überraschend aufgetauchtem Großvater, dem Polizisten, der den Mord an ihrer Großmutter untersuchte und zwei Psychologen, die Geschwister waren, bestand, eine faszinierende Arbeit eines anderen Paters vorgelegt. Dieser Pater Pio hatte den Weg des Exorzisten gewählt und tiefe Einblicke in seine Arbeit in einer Dissertation zusammengefasst, die in den letzten Tagen der Lesestoff für Miria gewesen war. Allerdings hegte sie den Verdacht, dass er bisher mit Bedacht alles kirchenkonform gehalten hatte, auch wenn sie nicht begründen konnte, wodurch dieser Verdacht ausgelöst worden war. Vielleicht waren es einige seiner Formulierungen, die durchblicken ließen, dass er sich durchaus andere Herangehensweisen, als die bisher kirchenüblichen, vorstellen konnte. Miria wurde bewusst, dass dieser Mann sich auf einem schmalen Grat bewegte, von dem er durchaus schnell herunterfallen konnte.
Sie hatte Pater Ralph gefragt, ob es möglich wäre, mit dem Mann zu sprechen. Zu ihrer Überraschung erfuhr sie, dass er gerade zufällig in Rom war und dass Pater Ralph gerne ein Treffen beider arrangieren würde. Nun war sie etwas nervös, weil dieses unmittelbar bevorstand. Man hatte dem Pater das Material, das Miria in den letzten Wochen zusammengestellt hatte, übergeben, sodass er auf dem gleichen Stand war wie sie. So war der aufgeregte Gesichtsausdruck des Mannes im mittleren Alter vielleicht kein Wunder, mit dem er die Suite, die Miria und die sie begleitenden zwei Männer bewohnten, betrat. Doch was immer in den beiden Menschen gerade vorgegangen sein mochte, es trat völlig in den Hintergrund, als sie sich begegneten.
Pater Pio war zwar über Miria unterrichtet worden und auch, dass sie offenbar hinter der gleichen Sache wie er „her“ war, nämlich hinter den Salomon Siegeln. Doch niemand hatte ihn auf den Anblick dieser zauberhaften Frau vorbereitet und auch der Pater war mit seinem ebenfalls brünetten Haar und ebenmäßigen Gesichtszügen nicht gerade eine Beleidigung fürs Auge. So standen sie sich für einen zeitlosen Augenblick gegenüber und starrten sich nur gegenseitig ins Gesicht. Miria durchfuhr es dabei siedend heiß: Sie kannte diesen Mann, da war sie sich ganz sicher, obwohl sie ihm sicher in diesem Leben noch nicht begegnet war, auch da war sie sich sicher! Dieses markante Gesicht hätte sie nicht vergessen und diese Augen. Es war etwas in diesen grünen Augen, eine Traurigkeit und ein Hunger, als suche er nach etwas, das er seit langem verloren hatte...
Aeolos, das musste Aeolos sein. Hatte ihre Großmutter durch Pete nicht gesagt, dass viele Menschen, denen sie nun begegnen würde, eine Rolle in der Geschichte inne gehabt hätten, die sie da aufschrieb? Für sich hatte sie herausgefunden, wer sie vermutlich gewesen war und auch Pete musste sich der bitteren Erkenntnis stellen, dass er als Augustus Trinitus kein sehr rühmliches Leben geführt hatte, zumindest, was sie bisher davon wussten. Über die Rollen der anderen hatten sie noch keine Gelegenheit gehabt, nachzudenken und zu diskutieren. Doch hier stand eindeutig Aeolos und als hätte sein Auftauchen wieder etwas in Gang gesetzt, tauchten automatisch Bilder vor ihrem inneren Auge auf:
Als Maria-Magdalena Rom verließ, tat sie das heimlich und alleine. Sie bewegte sich auf der Via Appia in Richtung Küste und war sehr mit all den Eindrücken beschäftigt, die ihre neu erwachte und doch alte Fähigkeit ihr bescherte und mit den Erinnerungen an den Einen, der sich in Rom „Schreiber von Damaskus“ nannte. Und so hatte sie für ihre Umgebung nur wenig Aufmerksamkeit übrig und wurde, kurz bevor sie die Küste erreichte, völlig davon überrascht, dass Aeolos hinter ihr auftauchte. Er winkte und rief, sie möge doch anhalten und auf ihn warten...
Mit Gewalt zwang sie sich in die Gegenwart zurück und es platzte aus ihr heraus: „Du musst Aeolos sein...“
Pater Pio schaute verdutzt und meinte, „Äh... nein, ich bin Pater Pio, wir haben einen Termin.“
„Oh, Entschuldigung, natürlich sind Sie Pater Pio, ich wollte nicht vertraulich werden, wir kennen uns ja noch gar nicht, aber dennoch... Sie haben meine Geschichte gelesen, ja? In dieser kommt ein römischer Zenturio vor, der in den Diensten des Magnus Quintos stand. Und bei Ihrem Anblick hatte ich sofort das Gefühl, dass sie dieser gewesen wären. Ich sah Bilder, dass dieser Maria-Magdalena aus Rom gefolgt ist, aber nicht, um sie zurückzuholen, sondern um sich ihr anzuschließen und sie auf ihrem Weg zu beschützen... Das muss ich gleich, wenn wir fertig sind, aufschreiben... Aber nun zu dem eigentlichen Grund unseres Treffens: Ich habe Ihre Dissertation gelesen und den Verdacht, dass Sie dabei sind, eine grundlegend neue Vorgehensweise bei Besessenheit zu erarbeiten, obwohl Sie dabei Gefahr laufen, gegen einige Regeln der Kirche zu verstoßen. Habe ich mit dieser Einschätzung recht?“
Pater Pio, der sich inzwischen gesetzt hatte, so wie Miria auch, sah diese ihm unbekannte und dennoch so vertraute Frau an. Er überlegte, ob er ihr soweit vertrauen konnte, ihr seine Pläne mitzuteilen, entschloss sich jedoch zunächst zur Vorsicht, denn zu kurz war ihre Bekanntschaft: „Nun, der Kampf gegen das Böse währt schon lange und manche Methoden haben sich gut bewährt und andere müssen der neuen Zeit angepasst werden. Das ist meinen Vorgesetzten genauso bewusst wie mir. Kardinal Clemont unterstützt mich hier in meinem Bestreben, die Natur des Bösen besser zu verstehen, genauso wie der neue Heilige Vater. Ich habe also Unterstützung von höchster Stelle, aber es ist schon so, dass Neuerungen in diesem ‚Verein‘ nicht so schnell eingeführt werden. Momentan habe ich auch nur einige Vorschläge, aber das Gefühl, dass das noch lange nicht reichen wird. Daher suche ich nach den Salomon Siegeln, weil ich bei meinen Recherchen auf dieses eher mythische Dokument gestoßen bin und dann erzählt mir Kardinal Clemont von den neuesten Ereignissen. Da wir nun zusammengeführt wurden, scheinen mir dies die Zeichen der Zeit zu sein, dass sie vielleicht tatsächlich gefunden wurden und dann natürlich auch genutzt werden sollen.“
Miria nickte: „Das erscheint mir auch so. Die Frage ist nur, was werden wir tun, wenn wir sie tatsächlich gefunden haben?“
Pater Pio machte ein säuerliches Gesicht, hatte Miria doch genau den Knackpunkt angesprochen, der ihn selbst seit Wochen beschäftigte.
„Ehrlich gesagt weiß ich es noch nicht, Frau Toral. Obwohl ich ein Kirchenmann bin, heißt das nicht automatisch, dass ich, wenn ich die Siegel fände, sie auch der Kirche übergeben würde... Wir müssen wohl den Lauf der Ereignisse abwarten. Ich habe da einige Dokumente, um die ich mich kümmern muss und die vielleicht eine Spur enthalten. Wenn ich mehr weiß, dann melde ich mich bei Ihnen. Ich hörte, dass Sie eine Reise antreten wollen und vielleicht kann ich mich da anschließen, wenn Sie es erlauben..?“
Miria schaute ihn überrascht an. Seine Worte zeigten von einem Vertrauen, für das es eigentlich noch keine Basis gab, es sei denn, sie kannte ihn tatsächlich ebenfalls aus einem früheren Leben... Sie antwortete wahrheitsgemäß:
„Da ist alles noch ungewiss... Eines meiner Ziele ist Ägypten, aber es sind inzwischen noch mehrere hinzugekommen und momentan weiß ich noch nicht, wohin ich zuerst soll. Doch wird es klarer werden, wenn ich mehr von der damaligen Geschichte weiß und da Sie nun aufgetaucht sind, fließen die Informationen auch wieder. Es ist, als hätten Sie einen Schlüssel mitgebracht, zu einer Tür, die aus mir unbekannten Gründen verschlossen war und sich nun geöffnet hat. Ich glaube, damit ist der Zweck unseres Treffens zunächst erfüllt.“ Miria stand auf, ohne dies wirklich zu wollen. Es war, als sei sie fremdgesteuert, denn sie wollte viel mehr über die Arbeit von Pater Pio wissen, weshalb sie ja dieses Treffen anberaumt hatte. Doch das war für den Moment völlig aus ihren Gedankengängen verschwunden.
Wieder schaute Pater Pio etwas verdutzt ob dieser schnellen Verabschiedung, denn sie hatten eigentlich eine ganze Stunde anberaumt. Gleichzeitig war er jedoch auch froh, denn durch ihre Bemerkung über Aeolos hatte sie eine heftige Gänsehaut bei ihm ausgelöst, die ihm verriet, dass sie recht haben könnte. Darum wollte er die ganze Geschichte nun noch einmal unter diesem Gesichtspunkt durchlesen, um festzustellen, ob das eines seiner Vorleben gewesen sein könnte. Würde das einiges von dem erklären, was in seinem jetzigen Leben geschah? Und so würde er die geschenkte Zeit nun dafür nutzen. Aber er war sicher, dass sie beide sich schnell wieder treffen würden. Er verabschiedete sich daher und machte sich gleich an die Arbeit...
Miria hatte ihre eigenen Gründe, den Pater schon wieder hinauszubitten. Er hatte nicht nur eine Flut von Bildern in ihr ausgelöst, sondern auch Gefühle, die sie erst einmal sortieren wollte, denn diese brachten sie völlig durcheinander. Da war einmal dieses unbedingte Wiedererkennen, die Sicherheit, dass er Aeolos gewesen sein musste. Anscheinend hatte dieser Maria-Magdalena ja zumindest nach Judäa begleitet, aber dieses Wiedererkennen hatte nicht nur damit zu tun, sondern mit Miria persönlich. Sie war sich aber nicht sicher, ob ihre Reaktionen nun wegen Susan von damals waren, die ihn vielleicht auch kennengelernt hatte, oder aus einer ganz anderen Geschichte, also vielleicht aus einem anderen Leben resultierten. Es war alles sehr chaotisch, denn schockiert musste sie sich eingestehen, dass sie mit sexueller Erregung auf den Pater reagiert hatte, was nicht nur unangemessen, sondern völlig unangebracht war. Schließlich war er ein Pater, und dann war es auch noch unfair, weil ihr Herz sich eindeutig Pete zugewandt hatte, oder etwa nicht? Das alles war schon verworren genug. Sie hatte überhaupt keine Lust auf noch mehr Verwirrung, aber da wurde sie offensichtlich nicht gefragt. Diese kam einfach. Wenn sie doch nur mehr über Spiritualität wüsste! Ging es nur ihr so, dass ihr Menschen aus früheren Leben begegneten und (alte/neue?) Gefühle auslösten? Oder geschah das allen Menschen, ohne dass sie das wussten? Wo konnte sie über solche Dinge nachlesen? Gab es hier ernst zu nehmende Quellen? Was sie so an gechannelter Literatur gelesen hatte, kam ihr nicht gerade seriös vor, obwohl sie sich, wenn sie ehrlich war, darüber noch kein Urteil erlauben konnte, weil sie mit ihren Nachforschungen gerade erst begonnen hatte.
Sie hatte zwar eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis im Vatikan und auch völlige Freiheit darüber, wie sie ihre Zeit hier verbrachte, aber es war ihr bewusst, dass ihr Wohltäter, Kardinal Clemont, Pater Ralph und vermutlich noch einige andere Eingeweihte, die sie noch nicht kannte, darauf warteten, dass von ihr mehr kam. Sie musste nur an das Gespräch mit den Päpsten denken, um den Druck zu spüren, der tatsächlich auf ihr lastete. Wie war sie also hierhergekommen? Durch einen Akt der Vorsehung? Es wirkte tatsächlich so, als würde hier ein Plan abgewickelt, doch war es ein Plan Gottes? Brauchte Gott Pläne? Brauchte er den Menschen? Und wenn ja, gab es dann so etwas wie den freien Willen, wenn hinter allem ein Plan steckte? Wieviel Freiheit hatte man bei seinen Entscheidungen? Auch darüber hatten sich schon klügere Köpfe als sie das Hirn zermartert. War je jemand zu eindeutigen und nicht bezweifelbaren Ergebnissen gelangt? Anscheinend nicht. Wenn sie sich den Ablauf der Ereignisse der letzten Wochen ansah, war die einzige Erklärung ein Plan, der jedoch zumindest einen gewissen Spielraum ließ, also doch freier Wille? Gab es Pläne, die Freiraum ließen? Wie konnten dann Ziele erreicht werden? Miria fing der Kopf an zu dröhnen. Der Druck um ihn herum wurde immer stärker. Der Drang, das aufzuschreiben, was durch Pater Pio ausgelöst worden war, war so stark, dass sie sehr wohl spürte, dass da Mächte im Hintergrund wirkten, die wollten, dass die Worte zu Papier gebracht würden. Also setzte sie sich an ihren Laptop und kehrte zu dem Moment zurück, in dem Maria-Magdalena Rom verlässt:
„Maria-Magdalena reitet auf ihrem braven Toy auf der Via Appia in Richtung Brundisium. Auch mit einem Ross wird es eine Reise von 12 bis 14 Sonnenaufgängen werden, denn die schwarzen Steine, die die Straße bilden, sind ungleichmäßig geformt, sodass man auf jeden Schritt achten muss, egal ob zu Fuß oder beritten. Es ist eine laue Sommernacht, die Zikaden singen ein in der Dunkelheit überlautes Lied. Nebst dem Duft des Kots der Tiere kommt immer wieder der von Jasminblüten durch. Diese und der Oleander leuchten weiß in der Nacht. Maria-Magdalena hält an jedem Brunnen und füllt ihren Tonkrug wieder auf. Sie erfreut sich dieser Annehmlichkeit ihrer Reise, bei der sie so mit dem lebensnotwenigen Nass versorgt wird, das durch den Ton auch noch kühl gehalten wird. Selbst nachts sind auf dieser Straße beladene Karren und einzelne Menschen unterwegs, sodass sie nicht weiter auffällt und sich auch recht sicher fühlt. Rom ist das Zentrum eines Imperiums, das fast die ganze bekannte Welt umfasst und daher schon zu dieser Zeit auch nachts nicht richtig zur Ruhe kommt. Da sie keine entlaufene Sklavin ist, sondern eine freie Frau mit einwandfreien Papieren, braucht sie auch die regelmäßigen Kontrollen von Wachmannschaften nicht zu fürchten. Das Reisen innerhalb des römischen Reiches ist, zumindest in der Nähe Roms, so sicher, wie es nur sein kann. Sie kommt an dem runden Grabmal der Cecilia Metella vorbei und auch sonst säumen weitere Grabmäler, Gutshöfe und Thermen den Weg. In der Nacht ist ihr das Reiten wegen der nicht allzu glatten Steine zu gefährlich und so geht sie neben Toy her und seufzt immer wieder tief, weil ihr das Reisen so verhasst ist. Es ist mühselig, langweilig und zieht sich endlos hin. Obwohl sie als Sklavin immer wieder zwischen dem Haus ihres Herrn und dem Tabularium hin- und hergegangen ist, um Urkunden abzuholen, ist es doch etwas anderes, den ganzen Tag zu laufen, oder zu reiten und das wochenlang. Ihr Körper muss sich an diese dauernde Anstrengung erst wieder gewöhnen und doch treibt sie etwas unerbittlich an, das sie gar nicht benennen kann, und lässt sie nur kurze Pausen machen.
Perpus hat ihr noch in aller Eile einen Beutel mit Sesterzen in die Hand gedrückt, sodass sie wenigstens ihre Nahrung besorgen kann, ohne dafür arbeiten zu müssen, wie es so oft auf ihrer Reise mit Nala der Fall gewesen war. Das verkürzt zwar die Reisedauer, jedoch nicht die eigentliche Länge und wieder seufzt sie.
Erneut ist ein Abschnitt ihres Lebens zu Ende und ein neuer beginnt, und obwohl sie fühlen kann, dass dieser ihr viel Leid bringen wird, hat sie es eilig, ohne sich das richtig erklären zu können. Es ist, als sitze ihr etwas im Nacken, etwas, das sie einholen wird, wenn sie zu lange an einer Stelle bleibt. Das ist so seltsam und auch beunruhigend, weil sie dieses Gefühl in Rom selbst nie hatte. Dort war es ihr für eine Sklavin ganz gut gegangen. Sie hatte staunend die riesigen Mauern der Aquädukte betrachtet, wusste, dass diese öffentliche und private Bäder mit Wasser versorgten, bewunderte die gepflasterten Straßen, die für die Ewigkeit gebaut zu sein schienen, erfreute sich an den hohen Bauten, die Schatten spendeten, und die große Hitze im Sommer erträglich machten. Maria-Magdalena hatte oft mit den Schiffsführern von Kähnen aus aller Herren Länder gesprochen, die den Tevere heraufkamen, um Handelswaren von erlesenster Güte zu bringen. Diese sprachen oft kein Latein und so konnte sie hier helfen und war nützlich, was sie doch befriedigte, auch wenn sie wusste, dass sie nur bis zu einem bestimmten Ereignis hier sein würde. Doch ahnte sie nur, dass es um eine Begegnung ging, mehr wusste sie jedoch nicht. Und dann war sie entführt worden, weil die Entführer annahmen, sie wäre Susan, die Tochter eines Barbarenfürsten. Diese hatten Susan mit nach Hause nehmen wollen, weil sie dort dringend gebraucht wurde, doch Maria-Magdalena hatte sich geweigert, weil sie ja gar nicht Susan war, sondern nur deren Stelle eingenommen hatte, so wie diese die ihre. Sie hatte ihre Entführer davon überzeugen können, dass sie die Wahrheit sagte und so hatten diese sie wieder freigelassen.
Schon am nächsten Tag wurde sie an den Haushalt von Perpus Trinitus verkauft, der sie umgehend freigelassen hatte, denn erstens hielt er keine Sklaven und zweitens war er der Großvater ihres Sohnes und versuchte das Unrecht, das sein Sohn durch die Vergewaltigung an ihr begangen hatte, wieder gut zu machen. Ausgerechnet in dessen Haus war sie dann dem Schreiber aus Damaskus begegnet, der ihr den Schlüssel zu den Salomon Siegeln übergeben und sie nach Judäa zurückgeschickt hatte. Nun war sie auf dem Weg dorthin und musste damit fertig werden, dass ihre Gabe, die Farben um alles herum sehen zu können, durch diese Begegnung wieder zurückgekehrt war und noch viel mächtiger und deutlicher als je zuvor. Maria-Magdalena beschließt vorwiegend nachts zu reisen und obwohl die Via Appia von Bäumen gesäumt ist, steht die Sonne am Mittag doch so hoch, dass diese keinen Schatten spenden und sie unerbittlich herunterbrennt.
Immer wieder blickt Maria-Magdalena nun zurück. In Rom war das Gefühl, verfolgt zu werden, nicht zugegen gewesen, doch das ist nun anders. Liegt es daran, dass sie nun sowohl die Salomon Siegel, als auch deren Schlüssel im Gepäck hat, und somit die Angst durchaus begründet sein kann? Oder ist die mögliche Gefahr, in der sie nun schwebt, nur Einbildung? Ihre Mutter war da sehr deutlich gewesen. Es gab Kräfte, die auf die Vernichtung der Salomon Siegel aus waren und alles unternehmen würden, um dieses Ziel zu erreichen.
Diese Gedankengänge lassen sie das Ross anhalten. Wenn ihr wirklich jemand auf den Fersen ist, dann sollte sie vielleicht nicht so offensichtliche Dinge tun, wie den Weg zur Hafenstadt Brundisium suchen, denn von dort starteten die Kähne in Richtung Kem1. Was soll sie tun? Momentan ist niemand in ihrer Nähe und so gibt sie Toy etwas Hafer zu fressen und überlegt, wie ihre nächsten Schritte aussehen könnten, wenn sie nicht so berechenbar sein sollten.
Sie weiß, dass sie rasch vorankommen und gleichzeitig den Schlüssel benutzen muss, um zu erfahren, was wirklich in den Siegeln steht und was sie davon würde anwenden können. Wie sollte sie vorgehen, wenn sie den Inhalt kannte? Nun, damit würde sie sich befassen, wenn es soweit war. Maria-Magdalena hat Mühe sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Die Begegnung mit dem Einen, dessen Namen sie nicht einmal kennt, hat sie sehr viel Kraft gekostet, allerdings versteht sie nicht warum. Sie merkt nur, dass sie so müde ist, dass sie sich nun doch entschließt zu reiten und darauf vertrauen muss, dass Toy den Weg auch im Dunkeln gut genug sieht. Dann wird ihr bewusst, dass es nicht diese Begegnung ist, die sie so müde gemacht hat, sondern, dass die vielen Eindrücke, die sie nun empfängt, völlig ungewohnt für sie sind und damit Aufmerksamkeit sowie Verarbeitung und somit Kraft fordern.
Als Kind konnte sie die Farben um alles und in allem sehen und auch wie diese Farben alles miteinander verbinden. Von den zarten Farbtönen der Luft, bis hin zu den kräftigen, fast grellen Tönen, die von den Menschen ausgehen und alle Tönungen dazwischen. Aufgefallen war ihr schon damals, dass die Farben der Luft alle und alles miteinander verbinden. Dies ist nun noch viel deutlicher wahrzunehmen, hat sie doch jetzt das Bewusstsein einer Erwachsenen. Als Heranwachsende war ihr das, was sie da wahrnahm, völlig selbstverständlich vorgekommen und sie wusste gar nicht, dass sie dadurch viel mehr von ihren Mitmenschen erkennen konnte als alle anderen. Erst über die Gespräche mit Nala hatte sie erfahren, dass niemand sonst auf diese Weise sehen konnte, außer vielleicht Shana... Sie hatte lange geglaubt, dass ihr diese Fähigkeit verlorengegangen ist, weil sie vergewaltigt worden war, doch im Hause des Perpus hatte sie erkennen müssen, dass sie selbst die Schuld daran trug, denn sie hatte durch ihren Hader mit dem Schicksal ihr Herz verschlossen. Dies war die wertvolle Erkenntnis gewesen, die sie durch den Schreiber aus Damaskus gewonnen hatte und im Moment dieser Erkenntnis öffnete sich ihr Herz wieder und die Fähigkeit war nun wieder da, stärker als je zuvor.
Tela hatte versucht mit ihr an ihrem Hader zu arbeiten und hatte auch eine gewisse Öffnung wieder herstellen können. Doch die Weite, die sie durch ihre Zeit und Ausbildung in Avalon erreicht hatte, war erst durch den Einen wieder hergestellt worden und vielleicht hatte er sie sogar noch mehr geöffnet. Nun sah sie nicht nur wieder die Farben um alles, sondern konnte auch in tiefere Schichten eindringen und sofort erkennen, welche Bedeutungen damit verbunden waren. Erst als ihr das bewusst wird, versteht sie, was sie bei einem Reisenden, der ihr entgegengekommen war, gesehen hatte: Die Luftfarben waren nie sehr tief in ihn eingeflossen und darum war er wohl so kurzatmig gewesen. Man müsste nur den Riegel, der die Luft behinderte, entfernen und er würde wieder gut atmen können. In diesem Moment wird Maria-Magdalena klar, dass sie, wenn sie alles versteht, was sie nun sehen kann, eine weitere Form der Heilkunst erhalten hat. Sie schüttelt sich, denn sie will gar nicht heilen, obwohl sie im Isis-Tempel die dort gelernte Kunst der Heilung mit der Uräusschlange ebenfalls beherrscht, genauso wie die Kräuterkunde aus Avalon. Für den Beruf des Heilers muss man die Menschen lieben und ihnen helfen wollen, und obwohl ihr Herz nun wieder etwas weiter geöffnet ist, ist sie nicht sicher, ob sie die Menschen wirklich lieben will. Viele sind so herzlos zueinander... Sie hat Freude an der Schmiedekunst. Sie hat Freude an der Übersetzungsarbeit und sie hatte auch Freude an der Arbeit im Hause des Magnus Quintus gehabt. Doch das war nun vorbei.
Maria-Magdalena bekommt bei diesen Gedanken Schmerzen in der Brust. Es fühlt sich an, als ob sich dort etwas rasch zusammenzieht. Was könnte das sein? Ein eiliger Bote reitet an ihr vorbei. Seine grauen und schwarz-roten Farbausströmungen zeugen von Erschöpfung aber auch von einem Wüten in seinem Inneren. Welche Botschaft er wohl nach Rom bringt? Es kann wohl keine Gute sein und Maria-Magdalena spürte das, noch ehe sie den Reiter sehen und hören konnte. Wie soll sie das Geschenk des Einen bewahren, wenn sie die Mitmenschen nun so sehr beeinflussten, dass sie ständig Eindrücke empfängt, die sie erst einmal verarbeiten und begreifen muss? Und ... würde ihre Gabe wieder verschwinden, wenn ihr erneut ein Schicksalsschlag widerfuhr?
Als der Reiter vorbei ist, bekommt sie wieder Schmerzen in der Brustgegend, doch etwas anders als zuvor: Das, was sich vorher zusammengezogen hat, dehnt sich nun wieder aus. In Avalon und auch im Isis-Tempel hatte man sie gelehrt, dass es Kraftzentren im Körper gibt, zu denen sozusagen ständig die Umgebung ein- und ausfließt und dass dies den Menschen beeinflusst. Wenn man an einem Ort ist, der schön und ruhig ist, dann macht sich das bemerkbar. Wenn man an einer Stelle ist, an der viele Menschen sind, oder an der irgendein Leid geschehen ist, so bekommt man davon auch etwas ab. Manche Menschen können das deutlicher fühlen als andere, aber es beeinflusst jeden, egal wieviel er oder sie davon bemerkt. Maria-Magdalena überlegt, dass sie für die Zukunft einen Schutz braucht, damit sie nicht jedes Mal so viel spürt, wenn jemand, dem es nicht gut geht, in ihre Nähe kommt. Vielleicht steht ja in den Salomon Siegeln, wie man sich schützen kann?
Zurück zu ihrem Problem: Sollte sie nach Ostia Antica, dem Hafen Roms an der Tiberismündung weitergehen oder einen anderen Weg wählen? Sie lächelte bei dem Gedanken an den Fluss. Sie hatte das Gewässer geliebt und den regen Verkehr darauf immer gerne beobachtet. In letzter Zeit begannen die Bewohner Roms ihn eher Tevere als Tiberis zu nennen. Das Sprachengemisch aus aller Herren Länder sickerte auch ins Lateinische. Bei ihren Übersetzungen musste sie oft zwischen der gesprochenen Umgangssprache und der Amtssprache unterscheiden und so hatte sie hier ein feines Gespür für Sprachwandlungen entwickelt. Wäre sie länger geblieben, hätte sie sicher miterlebt, wie im Laufe der Jahre noch mehr Veränderungen aufgetreten wären.
Die Dringlichkeit in ihr wird wieder spürbar und so entscheidet sie sich dafür weiter zu reiten, wie sie es ursprünglich gewollt hat und sich nicht von Ängsten leiten zu lassen. Plötzlich hört sie Rufe hinter sich. Jemand reitet in rasendem Galopp heran und winkt und ruft ihr zu. Beim Näherkommen erkennt sie zu ihrem Erstaunen Aeolos, aber nicht in der Legionärstracht, sondern in normaler römischer Kleidung.
Er hält sein Pferd vor ihr an, grinst etwas verlegen und hebt die Hand zum üblichen römischen Gruß: „Salve“.
„Salve Aeolos, was führt dich des gleichen Weges wie mich?“
Aeolos zögert, wie soll er der Frau erklären, dass er sich als ihr Beschützer fühlt und bei ihr bleiben muss? Er beschließt, dass er mit der Wahrheit bei ihr am besten dran sein wird:
„Hm, ich kann es nicht erklären, aber ich habe das Gefühl, dass ich bei dir bleiben muss, und zwar bis zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, den ich auch nicht kenne, aber von mir im rechten Moment erkannt werden wird. Ein männlicher Begleiter wird dich mancher Unannehmlichkeiten entheben, glaubst du nicht?“
„Aber Aeolos, du hast doch ein eigenes Leben, mit eigenen Zielen, oder nicht?“
„Bis ich dich traf, war das auch so. Mein Ziel bestand darin, es möglichst weit in der Römischen Legion zu bringen, um dann vielleicht später im Senat eine Stimme zu haben. Ich entstamme einer angesehenen römischen Familie und das ist das, was diese von mir erwartet. Aber seit ich dich traf, ist mir klargeworden, dass ich nie darüber nachdachte, was ich wirklich will. Ich war ganz zufrieden damit, die Erwartungen anderer zu erfüllen, als wären sie meine. Meine Zeit bei deinem Vater war ohnehin beendet und ich wäre nun wieder der allgemeinen Legion zugeteilt worden. Ich habe um einen Kurierposten gebeten und bin nun mit einer Nachricht an den Präfekten von Jeru Salem unterwegs, die ich auch abliefern werde und dann sehen wir weiter. Dabei kann ich dich begleiten, ohne dass dies meine momentane Aufgabe stört.“
Maria-Magdalena unterbricht ihn an dieser Stelle:
„Aeolos, ich bin nicht Susan. Ich habe ihre Stelle eingenommen, weil die Göttin mich hieß nach Rom zu gehen und ging daher an ihrer statt. Ich bin die Tochter von Aaron aus Galiläa und Liri aus ... Avalon.“
Dies war nicht die richtige Zeit, um Aeolos davon in Kenntnis zu setzen, dass ihre Mutter aus dem alten Volk stammte, das vom Himmel gefallen war.
„Mein Name lautet nun Maria-Magdalena, damit ehre ich meinen bisherigen und auch den zukünftigen Weg, so verworren er momentan auch erscheinen mag. Ich habe nichts gegen deine Begleitung, jedoch in Judäa werden sich unsere Wege trennen müssen, da ich nach Galiläa muss und du nach Jeru Salem. Bis dahin bist du mir willkommen, aber du schuldest mir gar nichts mehr.“
„Vielleicht nicht aus diesem Leben, aber ich habe das Gefühl, dass ich noch mehr für dich tun muss und ich danke dir, dass du mir die Gelegenheit dafür gibst. Ich weiß nicht, woher dieses Gefühl der Schuld kommt. Vielleicht gilt es ja auch nicht dir persönlich, aber an dir kann ich etwas wieder gut machen, das weiß ich ganz genau. Meine Träume haben mir da einiges gezeigt, auch wenn ich nicht genau weiß, inwieweit man diesen trauen kann. Bei Gelegenheit würde ich dir gerne davon erzählen...“
„Wir werden genug Zeit dafür haben, aber nicht jetzt. Ich muss mir vieles mit meiner inneren und äußeren Schau ansehen, daher ist es mir recht, wenn du dich um den Weg kümmerst. Magst du das tun?“
„Es wird mir eine Freude sein. Dann reite ich jetzt vor, ja?“
„Ja, bitte tue das...“
Gegen Mittag erreichen die beiden den Hafen. Perpus hatte ihr nicht sagen können, ob gerade ein Schiff vor Anker liegt, das die Richtung nehmen würde, in die sie wollte und so trennen die beiden sich und gehen von einem Kahn zum anderen, um Erkundigungen über deren Zielhäfen einzuholen. Sie finden ein Schiff, das tatsächlich bis nach Caesaria segeln wird und der Schiffsführer ist sogar bereit ihr Ross mitzunehmen. Allerdings würden sie in Melita haltmachen und dort Frachtgut tauschen. Der Schiffsführer hatte nichts dagegen, sich ein paar Sesterzen zusätzlich zu verdienen und stellte keine weiteren Fraugen. Er schärft ihnen ein, vor dem Dunkelwerden an Bord zu sein, weil sie mit der nächsten Flut auslaufen würden. Maria-Magdalena bezahlt im Voraus, bringt Toy bereits an Bord, der zusammen mit zwei anderen Rössern unter Deck untergebracht wird und dann versorgen sie und Aeolos sich noch mit Speisen für die Überfahrt, weil da jeder für sich selbst sorgen muss. Ihr Kahn ist eigentlich nur für Fracht gedacht, auch wenn die oft genug aus lebenden Wesen, nämlich Tieren besteht, aber normalerweise nicht aus Menschen....
1 Kem ist der alte Name für Ägypten
Ein Klopfen unterbrach Miria beim Tippen, und als sie öffnete, stand ein junger Mann in Anzug und Krawatte mit einem etwas verlegenen Grinsen vor der Tür:
„Entschuldigen Sie, mein Name ist Mario Gonzales und ich habe gehört, Sie wollten mich sprechen?“
„Gonzales? Das klingt nicht sehr italienisch...“
„Mein Vater ist Spanier, meine Mutter Römerin.“ Miria lachte und antwortete:
„Oh, eine heiße Mischung.“
Sein Grinsen wurde noch breiter.
„Da haben Sie wohl recht. Ich hab ´ne Menge Temperament, weshalb ich auch viel Sport mache... Ich bin der Polizist der Vatikanischen Polizei, der die Verfolgung ihrer Entführer aufnahm und an Ihnen dranbleiben konnte, wodurch man Sie finden konnte. Warum wollten Sie mit mir sprechen?“
„Kommen Sie doch bitte herein. Zum einen wollte ich Ihnen danken. Ohne Ihre Aufmerksamkeit und Gewandtheit, wer weiß, was dann aus mir geworden wäre?“
„Oh, das war mein Job, endlich hat sich der viele Sport auch einmal ausgezahlt.“
„Ich würde gerne von Ihnen genau hören, was aus Ihrer Sicht geschehen ist und auch die Route einmal abgehen, die Sie nehmen mussten, um... äh wie haben Sie das ausgedrückt... ach ja, um an mir dranbleiben zu können.“
„Gerne, aber warum? Ich hatte den Auftrag, Sie unauffällig zu überwachen, aber nur, als ... hm loses Kontakthalten. Und auch nur, um sicherzugehen, dass Ihnen nichts passiert. Hier gibt es viel „Gesocks“ und viel Polizei... Niemand rechnete jedoch damit, dass Sie beim Shoppen in Rom wirklich gefährdet wären, sonst wären mehr Leute abkommandiert worden. Es war eine Vorsichtsmaßnahme, denke ich, aber die war wohl gerechtfertigt, wie sich ja gezeigt hat. Es ging alles so schnell. Als Sie sich in dem Restaurant niederließen, dachte ich mir, dass Sie da länger bleiben würden, also ging ich an der linken Seite des Pantheon in Stellung, um Sie aus der Ferne im Auge zu behalten, und es mir dabei so bequem wie möglich zu machen. Ich ging davon aus, dass Sie erst einmal in Ruhe essen würden und das eine Weile dauern würde.
Ich sondierte die Umgebung und sah einen abgestellten Ambulanzwagen, indem ein Fahrer saß. Erst dachte ich, dass der wohl Pause macht, doch der rührte sich nicht, aber der Wagen wackelte, so als ob im hinteren Teil Leute hantierten. Die Türen waren jedoch geschlossen. Etwas in mir klingelte Alarm, auch wenn ich nicht sagen kann wieso, denn der Wagen war nicht wirklich auffällig, doch setzte er sich dann langsam in Bewegung. Ein Tumult ließ mich wieder zu Ihnen und Ihrem Begleiter sehen und da sah ich auch schon, wie Herr Menninger zu Boden sank und Sie in die Arme eines Mannes zusammensackten. Der Ambulanzwagen hielt, zwei Männer, die wie die Kellner des Restaurants uniformiert waren, trugen Sie in die von innen geöffneten Türen der Ambulanz, stiegen mit ein und warfen die Tür zu. Inzwischen lief ich schon auf Sie zu, warf einen Blick auf Herrn Menninger und musste in Sekunden entscheiden, was ich tun sollte. Ich entschied mich dafür, auf den Wagen, der erst noch langsam anrollte, zu springen. Ich weiß auch nicht genau, wie ich das geschafft habe, aber der Griff der hinteren Tür diente mir als Leitersprosse, und ehe ich mich versah, lag ich auf dem Dach des Wagens und versuchte mich festzuhalten. Inzwischen hatte er Fahrt aufgenommen, konnte wegen der Touristen jedoch nicht gleich so rasen und musste vielen von ihnen ausweichen, die trotz der Sirene nicht gleich reagierten. Ich wage mir gar nicht auszumalen, was geschehen wäre, wenn das im Sommer passiert wäre, wo hier Hunderte von Menschen herumlaufen.
Aber auch so konnte der Wagen nicht gleich losrasen und das gab mir die Gelegenheit, Halt zu suchen. Dabei musste ich ja auch noch leise sein, damit die Insassen nicht bemerkten, dass sie einen blinden Passagier hatten. Ich hoffte, dass mein Aufspringen nicht als solches erkannt, sondern als „Holperer“ in den Pflastersteinen angesehen worden war, sonst wäre es wohl um mich geschehen gewesen. Aber nichts deutete darauf hin, dass die Entführer gemerkt hatten, dass sie einen blinden Passagier hatten.
Ich lag also auf dem Dach ihres Entführungsfahrzeuges und so raste es dann zwei drei Straßenzüge entlang, nachdem es die Gassen verlassen hatte. Ihre Entführer stellten die Sirene wieder ab, bogen in eine Sackgasse ein, hielten, öffneten die hinteren Türen wieder und trugen Sie in einen Keller. Für einen kurzen Moment war keiner auf der Straße. Das nutzte ich, um rasch abzuspringen und hinter einer Mülltonne zu verschwinden. Der Fahrer setzte das Fahrzeug rückwärts aus der Gasse raus und hatte damit genug zu tun, sodass er mich nicht entdeckte. Mein Vorgesetzter meinte, ich hätte unverschämtes Glück gehabt. Vielleicht. Wäre ich in Hogwarts in der Harry Potter Wirklichkeit, würde ich für mein Haus vielleicht hundert Punkte holen...“, Miria lächelte schwach. Man konnte ihm ansehen, dass er sich wohl manchmal in die Welt von Harry Potter sehnte, natürlich ohne Voldemort...
Er erzählte weiter: „In der Deckung rief ich dann meine Vorgesetzten an, die mir befahlen, zu bleiben, wo ich war, bis die Kavallerie anrücken würde. Ich saß wie auf „heißen“ Kohlen, aber schloss mich dann den Truppen an, die den Keller stürmten, indem wir Sie dann unter Drogeneinfluss vorfanden. Aber die Kerle hatten entweder von Ihnen bekommen, was sie wollten, oder Lunte gerochen. Es war jedenfalls niemand mehr da, als wir Sie fanden. Die Kerle müssen einen anderen Ausgang genommen haben, denn an mir sind sie draußen nicht vorbeigekommen. Und das ist eigentlich schon alles, was ich zu berichten weiß. Ich habe das alles schon ausgesagt. Es gibt einen Bericht von mir, den man Sie bestimmt einsehen lässt.“
„Ja, ich lese das schon noch nach. Ich möchte dennoch, dass Sie mit mir den Weg abgehen, und zwar jetzt gleich. Ich gehe einer Ahnung nach, aber ich weiß noch nicht, wohin mich das führt. Das hört sich vielleicht verrückt an, aber ich lerne gerade diesen inneren Stimmen zu vertrauen und möchte dem daher nachgehen.“
„Na schön. Wenn Sie wollen, können wir gleich los. Und was Ahnungen und innere Stimmen betrifft, müssen Sie sich nicht scheuen, mir davon zu erzählen, denn ich höre meist selbst darauf.“ Mario lächelte. Er hatte Mirias Unsicherheit in dieser Angelegenheit sehr wohl gesehen.
„Okay, aber ich möchte diesmal keine heimliche Bewachung dabei haben.“
„Das ist nicht nötig, da ich sie ja begleite und wenn wir niemanden sagen, was wir vorhaben, kann uns auch keiner folgen, richtig?“ „Richtig.“
Der junge Mann schien Spaß an den Heimlichkeiten zu finden und Miria fand nichts dabei. Sie hatte ja nicht vor, etwas Unrechtes zu tun. Sie wusste selbst nicht genau, was sie mit der Aktion wollte, aber die Beteiligung Kevins hatte sie mehr getroffen, als sie sich anmerken ließ. Hoffte sie auf irgendeinen Hinweis, der ihr das erklären konnte? Sie wusste es nicht, aber sie hatte das deutliche Gefühl, diese Tour machen zu müssen.
Helena auf der anderen Seite des Schleiers stimmte ihr aus vollem Herzen zu. Dann sprang sie, um jemanden anderen auf einer Shoppingtour zu begegnen und mit Impulsen in eine bestimmte Richtung zu lotsen. Danach kam sie gleich wieder zurück, um die weiteren Ereignisse zu beobachten.